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ZlhöiüniMi Tngthjait Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten sür die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. onutag, den 11. Zuli 188«. ^L159. *Waldenbnrg, 10. Juli 1890. Keine Zersplitterung? Nationalliberale Organe namentlich des rechten Flügels möchten den in Aussicht stehenden Bruch zwischen dem rechten und linken Flügel der national liberalen Fraction unter allen Umständen zu ver hindern suchen. Die „Nationallib. Corresp.", ein Hauptorgan des rechten Flügels der nationalliberalen Fraction, erklärt, daß, soweit ihr die Stimmung bekannt sei, unter den leitenden Persönlichkeiten das ernstliche Bestreben herrsche, die bestehenden Mei nungsverschiedenheiten nicht zu einem Bruch er weitern zu lasten. „Daß diesem Bestreben von einem Theile der eigenen Parteipresse nicht nur keine Unterstützung, sondern erhebliche Schwierigkeiten bereitet werden, ist eine sehr bedauerliche Thatsache, die nur unseren zahlreichen Gegnern in die Hände arbeiten kann. Wenn die Bemühungen zur Sprengung der national liberalen Partei ganz besonders an die Abstimmung über das Kirchengesetz anknüpfen, so haben wir wieder holt hervorgehoben, daß es eine maßlose Uebertreibung ist, aus der Thatsache, daß ein Theil der Partei es aus Gründen der allgemeinen Politik und Taktik für zweckmäßig hielt, sür das in eine recht harmlose Gestalt gebrachte und seiner bedenklichsten Bestimmungen vollständig entkleidete Gesetz zu stimmen, ein anderer Theil aber dagegen aus dieser Thatsache einen tief gehenden und unversöhnlichen Zwiespalt im national liberalen Lager über die Grund- und Principien- fragen unserer kirchlichen Gesetzgebung und Politik zu folgern. Sowie etwa eine conservativ-klerikale Coalition versuchen sollte, die Grundlagen, den Kern und das Wesen der Maigesetzgebung anzutasten, würde sich unfehlbar auch die äußerliche Eintracht der nationalliberalen Partei außerordentlich rasch Herstellen." Dagegen ist zu bemerken, daß die ktrchenpMische Vorlage nicht das einzige Gebiet war, wo eine Trennung erfolgte. In wirthschaftlichen Fragen und namentlich auf dem Gebiete der Steuerreform sind die Meinungen innerhalb der nationalliberalen Partei soweit auseinander gegangen, daß ein ferneres Zu sammengehen kaum mehr für möglich gehalten wer den kann. *Waldenburg, 10. Juli 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der König von Griechenland ist am 9. d. von Paris kommend zu zweitägigem Besuche in Berlin eingetroffen. Mittags stattete ihm der deutsche Kronprinz einen Besuch ab und begab sich mit ihm nach dem Neuen Palais zu Potsdam. Zur Abwehr der Noth stände in Oberschlesien hat der preußische Finanzminister im preußischen Abgeordnetenhause u. A. die Einführung von Haus industrien vorgeschlagen. In erster Linie wird darunter die Weberei zu verstehen sein. Andere sprechen von Spitzenklöppelei, Holzindustrie u. dergl.; auch soll der Plan vorliegen, die dänischen Arbeits schulen, welche seit einiger Zeit wohl zu viel Hoff nung erregen, nach Oberschlesien zu verpflanzen. Ganz gut. Es ist ja ein Jrrthum, daß alle oder auch nur die meisten Hausindustrien nach dem gegen wärtigen Stand der mechanischen Httlfsmittel der Fabrikindustrie nothwendig weichen müßten. Selbst auf manchen Gebieten, wo die Fabrik mit der Haus industrie concurrirt (z. B. in der Strumpfwirkerei) zeichnet sich die letztere durch die bessere Qualität ihrer Erzeugnisse aus, und bezeugt dadurch ihre Existenzberechtigung. Aber was die Hausindustrien schwach macht und diejenigen, welche sie betreiben, zu einem chronischen Nothstand verurthsilt, ist der niedrige Preis, um den sie ihre Products verkaufen muffen, die Hungerlöhne, welche bei dieser Art ge werblicher Thätigkeit Regel sind. Der Käufer im Laden bezahlt die fabricirten Artikel noch hoch genug. Kämen die Weltmarktpreise dieser Products wirklich den Producenten zu, so würden sie zwar kein glän zendes, aber immerhin ein behagliches Dasein führen können. Das ist aber nicht der Fall. Der ganze Gewinn ihres Fleißes fließt in die Taschen jener scha chernden Zwischenhändler, welche den Betrieb besorgen. Sie sind es, welche den Lohn bis an die äußerste Grenze herabdrücken und dadurch auch zur Verschlechterung der Fabrikate Anlaß geben. Dier Zersetzung innerhalb der National liberalen greift immer weiter um sich. Miquöl will bestimmt sein Abgeordnetenmandat niederlegen; er würde dann als Oberbürgermeister von Frank furt a. M. Mitglied des Herrenhauses. Auch Abg. v. Bennigsen wird entweder auf sein Mandat zum Reichstag oder zum preußischen Landtag, vielleicht auf beide, für die nächste Zeit verzichten. Der Theaterfreiheit wird aus's Leder gekniet. Wie die „Vossische Zeitung" meldet hat der Bun- desrath dem ß 32 der Gewerbeordnung folgende Fassung gegeben: „Schauspielunternehmer bedürfen zum Betriebe ihres Gewerbes der Erlaubniß. Die selbe ist zu versagen, wenn die Behörde auf Grund von Thatsachen die Ueberzeugung gewinnt, daß der Nachsuchende die zu dem beabsichtigten Gewerbebe triebe erforderliche Zuverlässigkeit, insbesondere in sittlicher, artistischer und finanzieller Hinsicht nicht besitzt." Mit der angeblich beabsichtigten englisch-fran zösischen Flottendemonstration scheint es nach einer Reihe übereinstimmender Nachrichten noch gute Wege zu haben und auf französischer Seite wenig Lust verhanden zu sein, sich an einer solchen Expe dition zu betheiligen. Ueberhaupt scheint die Ver ständigung der Mächte über die Maßregeln, welche für den Fall des Widerstandes der Pforte zu er greifen seien, noch weit im Rückstands zu sein. Frankreich. Die Ausführung der Märzdecrete, die Auswei sung der Jesuiten betreffend, hat auf beiden Seiten eine sehr lebhafte Erregung und einen tiefen Eindruck yervvrgebracht. Es wird anerkannt, daß der 30. Juni eine weittragende geschichtliche Bedeu tung erlangt hat. Dieselbe droht noch zu wachsen. Sehen wir doch, daß die Gerichte sich theilweise anschicken, auf die Seite der Jesuiten zu treten. Der Gerichts-Präsident in Lille hat die Zuständig keit seines Gerichtshofes in der von den Jesuiten wegen Besitzstörung und Verletzung der persönlichen Freiheit angestrengten Klage erklärt und den gegen diese Klage ausgetretenen Präfectsn abgewiesen. Der von dem Präsidenten bekanntgegebene Entscheid gründet sich darauf, daß den Gerichten die Inter pretation der Gesetze zustehe, das Vorgehen der Ad ministrativbehörden zwar nicht zu deren Competenz gehöre, aber deshalb auch, nach allgemein anerkannten Nechtsgrundsätzen, für die Rechte der Personen ein Vorbehalt existire, damit die Gerichte jeden Fran zosen gegen Verletzungen aller Art zu schützen im Stunde seien. Es besteht überhaupt seit fünfzig Jahren der eben erst noch in einem Prozesse der Kalthäuser bestätigte Grundsatz der französischen Rechtspflege, daß durch den Eintritt in einen vom Staate „nicht anerkannten" geistlichen Orden der Betreffende keines seiner durch die Staatsgrundgesetze ihm garanlirten persönlichen Rechte verliert. Der Entscheid des Gerichtspräsidenten in Lille ist deshalb eine Niederlage für die Regierung, welche dadurch nicht abgeschwächt wird, daß der Präfect den Com- petenzconflict erhoben und dadurch verhindert hat, daß die Sache vor dem Gerichte selbst contradicto- risch verhandelt werde. England. Ein Handelsbericht aus Liverpool für das Jahr 1879 spricht sich auch über die Auswanderung aus. Darnach stieg die Auswanderung über Liver pool im Jahre 1879 gegen das Vorjahr um 46,672 Personen; im Monat Mai stieg die Zahl auf 16,358, wovon 7775 Ausländer, im Juni wanderten über Liverpool 5042 Fremde, im Juli 3293, im August 3117 Ausländer aus und im October 7045. Mr. Bradlaugh wurde am Abend des 5. d. (Montag) im Hause der Gemeinen eine zweite Klage wegen gesetzwidriger Theilnahme an den Sitzungen und Abstimmungen im Unterhause be händigt. Die jedesmalige Contravention kostet be kanntlich eine Geldbuße von 500 Pfund Sterling. Nichtsdestoweniger soll Mr. Bradlaugh entschlossen sein, keine Sitzung oder Abstimmung im Hause zu verfehlen. Wie verlautet, wird die Angelegenheit demnächst im Unterhause zur Sprache gebracht wer den. Mr. Norwood wird die Regierung interpelliren, ob sie bereit sei, die Kronjuristen anzuweisen, die Vertheidigung Bradlaugh's in den gegen ihn ange strengten Klagen zu übernehmen. Rußland. Wie die russischen Blätter melden, trägt sich der General Loris-Melikoff in neuerer Zeit auch mit der Idee, eine partielle Amnestie sür politische Vergehen eintreten zu lassen und vorzüglich von denjenigen russischen Unterthanen, welche in so gro ßen Schaaren der „Unzuverlässigkeit ihrer politischen Gesinnungen" wegen „auf administrativem Wege verschickt" worden sind, einen Theil in sein Vater land zurückzuberufen. Ueber die Lage der Perso nen, die politischer Verdächtigkeit wegen unter poli zeilicher Aufsicht stehen oder verbannt sind, äußert sich ein russisches Blatt, von einer kurzen Betrach tung der französischen Amnestie ausgehend, in einer Weise, die an Freimüthigkeit nichts zu wünschen läßt. Es sagt: „Das Schicksal der Verbannten und unter polizeilicher Aufsicht Stehenden ist kein beneidenswerthes. Alles ist dem Gutdünken und der Laune der örtlichen Polizei und Gouvernements- regierung überlassen. Ohne Zweifel wird die Zahl der Verschickten kleiner werden, aber schon die Art und Weise der Ueberwachung läßt uns befürchten, daß diese Kategorie außerhalb des Gesetzes stehen der und von jeder Beschäftigung ausgeschlossener Menschen sich in Rußland nie ganz verlieren und somit nie aufhören wird zur Beunruhigung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung beizutra gen.... Werden diese Menschen durch ihre Lage zum Selbstmord getrieben, so kann es Niemand Wunder nehmen, wenn auf demselben Boden auch das Rachegefühl, Erbitterung und Verbrechen ge deihen, absehen von der Feindseligkeit gegenüber der staatlichen uud gesellschaftlichen Ordnung und dem Bestreben, einen gewaltsamen Umsturz der selben herbeizuführen. Auf diesem künstlich hei- gerichteten vulcanischen Boden vegetirten wir die letzten Jahre über. Er besteht noch bis zum Augen blick. Wir können ein geregeltes und ruhiges Da sein nur dann als gesichert betrachten, wenn auch die letzten Spuren dieser Erscheinungen getilgt und in Vergessenheit gerathen sind. Türkei. Dis Idee, das Haupt der ganzen muselmän nischen Welt zu sein und auf den Gehorsam und