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Dresdner Journal : 08.01.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189601084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960108
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-08
-
Monat
1896-01
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 08.01.1896
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Ver»4»ret»: Für Dresden vierteljährkich L Mark LOPf, bei den Kaiscr- tuh deutschen Pest aast alte« vierteljährlich »Marl; außer halb de< Deutlchen Reiche« Post- und Stcwpelzuschlag Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheine«: Täglich mit Au«nah»« da Honn - und Feiertag« abach« Fernspi-Aa,chl«ß:NrL»»». Dresdner Hmirnnl. Fitr den Raum einer gesval- tenen Zeile kleiner Schrift »v Pf. Unter „Eingesandt" die Zeile LV Pf Bei Tabellen - und Ziffcrnsatz entsprechender Ausschlag. Herau»«cb«r: Königliche Expedition de» Dresdner Journal« Dre«den, Zwingcrftr.ro Fnnspr.-Anschlub:Nr 1T8L, 1896 Mittwoch, den 8. Januar, abends. Amtlicher Teil. Le. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Königlich Spanische Konsul Max A Seeger in Leipzig das ihm von Sr. Majestät dem Könige von Spanien durch Ihre Majestät die Königin-Regentin verliehene Ritterkreuz des Ordens Karl III. annehme und trage. Wekanrttmachung, die Sächsische Stiftung zum 26. Juli Id!11 betreffend. Zum Ljebrauche Böhmischer oder Sächsischer Heil quellen Md aus dcu Mitteln der unter Verwaltung des Ministeriums des Innern stehenden Sächsischen Stiftung zum 26. Juli 1811 an arme Kranke auch für das laufende Jahr eine Anzahl Unter stützungen beziehentlich Freistellen zu vergeben. Tie Urterstützungsgesnche sind längstens bis Ende Mär; dieses Jahres bei dem unterzeichneten Ministerium anzubriugeu. Zu Begründung eines solchen Gesuches sind erforderlich: a) ein ärztliches Zeugniß, welches eine kurze Krankengeschichte enthalten und die Nothwendig keit des Kurgebrauches unter Angabe des be treffenden Kurorts nachweisen muß. Hat ein dergleichen Kurgebrauch schon früher stattgcfun- den, so sind die Zeit und der Erfolg desselben anzugeben, b) der Nachweis der Sächsischen Staats angehörigkeit des Kranken, e) eine amtlich bestätigte Angabe des Alters, der Familien-, Erwerbs-, Vermögens- und sonstigen Verhältnisse des Kranken, woraus ersichtlich sein muß, daß der Kranke nicht in der Lage ist, die ihm ärztlich ver ordnete Kur ohne besondere Unterstützung zu gebrauchen. Gesuchsteller, welche die rechtzeitige Beibringung dieser Nachweise unterlassen oder ihre Gesuche über haupt verspäten, haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn dieselben unberücksichtigt bleiben müssen. Gesuchstellern, welche vereits wiederholt unterstützt wurden, kann keine Aussicht auf abermalige Berück sichtigung eröffnet werden. Dresden, den 2. Januar 1896. Ministerium des Innern, IV. Abtheiluug. Jäppelt. Röber. Nichtamtlicher Teil. In der Transvaalaußklegenheit liegen heute wichtigere Nachrichten positiven Inhalts überhaupt nicht vor. Was gemeldet worden ist, findet sich an anderer Stelle unseres Blattes. Was die Stimmung der englischen Presse an langt, so hat sich das ihr abhanden gekommene Ge fühl für eine den Verhältnissen angemessene Sprache Deutschland gegenüber immer noch nicht wieder ein-: gestellt. Die „Kölnische Zeitung" giebt das Bild, welches heute die öffentliche Meinung jenseits des Kanals darbietet, in wenigen Worten wie folgt wieder „Wir begreifen die schwierige Lage, in welche die eng lische Presse durch die jüngsten Ereignisse versetzt worden ist. Seit Jahren hat sie iHv» Lesern Tag für Tag das „Rule Britannia", das Lied von der Weltherrschaft, vorge- fungen, und der Leser ist immer von neuem darin be stärkt worden, daß in Europa jeder Angehörige eines Staates, in dessen Herrfchcrfamilie ein Nachkomme der Königin Victoria hinein geheiratet hat, infolgedessen zu England in ein gewisses MulterlandsvcrhältniS geraten ist sowie daß, wo irgendwo aus dem Erdball ein Land nicht manu militari von einer europäischen Macht besetzt ist, es von Recht- wegen Eng land gehört, nach dem Grundsatz: die Insel gehört niemand, so mutz sie unser sein Aus diesen Rausch folgt nun der Katzen jammer. John Bulls Nerven sind derart angegriffen, daß er den guten Ton vergißt, aus den er sonst so stolz ist Die „Pall Mall Gazette" spricht von Reptilien der deutschen und sonstigen festländischen Presse, Saturday Review und Financial Post be- schimpsen den Kaiser. Über erstere« setzen wir uns stolz und verachtend hinweg, letzteres ist, weil cs unbestraft bleiben wird, rin Präcedcnzsall, den sich unsere Staatsanwälte für eine hoffent lich sehr scrn liegende Zeit merken müssen, wenn einmal ein untergeordnetes Blatt sich gegen königliche Personen England« vergehen sollte, in Betracht der Gcgenseitigkellsfrage. Mehr zu diesen Punkten zu sagen und gar in rohen Ausdrücke» sich zu ergehen, geziemt sich nicht für uns. All anderer Stelle teilt das Rheinische Blatt fol gende, wohl die Auffassung der Lage an maßgebenden amtlichen Stellen wiedergebende Auslassung mit, die ihm aus Berlin zugegangen ist: Tie Richtigkeit des deutschen Sprichwortes: . Blinder Eiser schadet nur" wird durch die gegenwärtige HaNimg eines größeren Teiles der englischen Presse wiederum bestätigt. Tie „Times", Standard" und andere Blätter sind durch daS Glückmuusch- telegramm unseres Kaisers außer Rand und Band geraten. Sie überbieten sich in beleidigenden Ausdrücken und in Droh ungen gegen Deutschland; dabei fallen sie vollständig aus der Rolle, indcni sie aus England beziehen, was gegen vr. Jameson und gegen seine Bande gerichtet war. Als anglophobische Blätter eine solche Bermengung versuchten, sanden sie bei der ernsten deutschen Presse Zurückweisung unter Hinweis auf die loyale Haltung des Londoner KabmcttS, welches das Vor gehen des Vr. Jamefon desavouierte und ihn mit seinen Bauden sür „outlarvs" erklärt hat. Die eng lischen Blätter sollten daher bedenken, daß, wenn sie in dcm kaiserlichen Glückwunsch die Zurückweisung des völkerrechts widrigen Angriffes als gegen England gerichtet bezeichnen, sie die Aufrichtigkeit der Erklärungen Ler englischen Regierung ver dächtigen und damit nicht uns, sondern England beleidigen. Die Drohung, England werde keine Intervention in Transvaal dulden, entbehrt jeder Grundlage angesichts der Thatsackc, daß von englischem Gebiete ans jener Staat hinterrücks überfallen wurde Konnte England dies nicht hindern, so brauchen andere Staaten cs darum nicht zu dulden, und wenn die eng lischen Blätter von der Souveränetät über Transvaal reden, so bekunden sie nur ihre llnbckanntschast mit dcm, was >884 in London verabredet wurde. Deutschland wird auch in den Kund gebungen seiner Sympathie nicht den Boden des Rechts und der Verträge verlassen. Tie beleidigenden Äußerungen der englischen Blätter lassen uns kühl bis ans Herz hinan. Denn wir sind immer eingcdcnk deS Wortes: „Wer beleidigt, hat immer Unrecht" Weit interessanter als das Toben der englischen Presse ist nach Lage der Sache sür uns Deutsche das, was über die Äußerung der öffentlichen Meinung in Frankreich ans Anlaß der Vorgänge in Transvaal zu uns hcrüberdringt. Ein höchst anschanliche- Bild von der dortigen Stimmung verdanken wir ter „Frankfurter Zeitung", deren Mitarbeiter in Paris folgendes zu melden weiß: Tic srauzösischc Presst läßt bei ihren Kommentaren zum Tele gramm des deutschen Kaisers an den Präsidenten der Süd afrikanischen Republik ihrerPhantasie rückhaltlos die Zügel schießen. DaS geht ütnr Stock und Stein, von Transvaal nach Elsaß-Loth- ringcn. Zunächst ist es ausgemacht, daß der deutsche Kaiser nicht etwa an den Präsidenten Krüger telegraphiert hat, um feine Sympathie sür die mackere Haltung der Buren zu bekunden, sondern daß er die Depesche Frankreichs wegen abgejandt hat Tenn einige Pariser Journalisten können sich nicht denken, daß irgend etwas in Deutschland geschieht, ohne daß damit ein Zweck gegenüber Frankreich verfolgt wird. Tas Telegramm des Kaisers hat in Frankreich gefalle». Tenn in Frankreich gefällt zur Zeit alles, was geeignet ist, England zu ärgern. Einzelne Pariser Blätter schließen daraus, daß der Kaiser den Draht nur in der Absicht habe spielen lassen, um in Frankreich sich weitere Sym pathien zu erwerben. Erst kamen die Telegramme beim Tode Carnots, Mac Mahons, Burdeaus rc., dann die Ent lassung der zwei gefangenen Offiziere, endlich das Tele gramm an den Präsidenten der Transvaal-Republik: für gewisse Pariser Blätter ist das alles eine und dicielbe Seite. Ter boulangistisch-cyauvinistischc Hr. George- Thwoaud sieht sogar einen ganzen geheimen Plan der auswärtigen Politik Deutschlands und deckt diesen im „Gaulois" sonnenklar aus: die deutsche Regierung hat zunächst gesucht, die französisch russische Allianz jedes anti-deutschen Charakters zu berauben, zu „neutralisieren", indem sie sich selbst in dieselbe eindrängte. Nachdem ihr dies zum Teil gelungen, hat die deutsche Regier ung nach einem Abzugsknnal für die französischen R.vanche- gclüste gesucht und hat diesen in der Richtung von England gesunden. In Frankreich herrscht starke Mißstimmung gegen England Deutschland schürt dieselbe bei jeder Gelegenheit, und so oft eS kann, reicht es Frankreich die Hand, wenn dieses sich Amist und Wissenschaft. österreichische Litteratur. Tic von vr. Hermann Weichelt in Reichenberg vor einer Reihe von Jahren begründete „Deutsch-öster reichische Bibliothek", die bisher in 130 Heftchen eine Reihe allgemein bekannter Werke von Egon Ebert, Fr. Grill parzer, Anastas. Grün, Fr. Halm, Nik. Lenau, Alfred Meißner, Ferdinand Raimund, Adalbert Stifter und Ehr. v. Zedlitz gebracht, daneben halbvergeßcne Dichtungen von L. F Deinhardstcin, L A. Frankl, Earl Hcrloßsohn, Ferd. Nürnberger, Hermann Nollett, EharlrS Sealsfield, Frau v. Weißenthurn im Andenken der Lcserwclt wieder auf- gesrischt hat, kündigt soeben an, daß sie von der Nr. 131 an den Plan des Unternehmens erweitern und in einer „Allgemeinen Nationalbibliothek" neben den Werken deutsch österreichischer Poeten und Schriftsteller auch deutsche Übertragungen aus allen jenen Littcraluren bringen werde, die in Oesterreich-Ungarn Vertreter haben. Es soll nach den, Prospekt der Verlagsbuchhandlung (E. Daberkow in Wien» das Unternehmen dadurch gewissennaßen in den Dienst deS österreichischen StaatsgedankcnS gestellt werden. ES heißt wörtlich: „Die verschiedenen litterarischen Kreise unseres Staatswesens werden demnach hier bei gemeinsamer geistiger Arbeit vereinigt erscheinen und eS soll die Samm lung nach nnd nach im besten Sinne des Wortes ein patriotisches Werk werden, welches in friedlicher Arbeit die Bildung des Geistes und des Herzen« bezweckt." Für den Anfang überwiegen freilich noch die Deutschen und mit der Geschichte „Geldtruhe man wirbt um Dich!" von Mauru« Jokai ist ein ganz bescheidner Anfang zur Aufnahme magyarischer, slawischer und italienischer Werke gemacht. Es würde der Redaktion auch leicht fallen, gerade durch die Hinzunahme der anderssprachigen Schöpfungen österreichischer Schriftsteller den Beweis zu führen, wie stark die Einwirkung des deutschen Geistes gerade aus die ungarischen, böhmischen, ruthenischen und serbokroatischen Poeten gewesen ist, und daß man von einer österreichifchen Gesamtlitteratur in dcm Sinne sprechen kann, als die ganze Reihe der kleinen Litteraturcn ihre besten Vorbilder und ihre stärksten Anregungen von den Deutschen em pfangen hat. Ob die Auswahl au? den nichtdeutschen Werken m diesem Sinne erfolgen wird, bleibt eben ab zuwarten. Ganz merkwürdig trifft der Versuch, in einer „All gemeinen Nationalbibliothck" gleichsam eine österreichische Litteratur zu sammeln, für die die Sprache, in der sie geschrieben ist, gleichsam zum Unwesentlichen, Untergeord neten würde, mit einer Wiener Poetenschule zusammen, die sich selbst als „jung-österreichisch" charakterisiert. In den „Jahresberichten für neuere deutsche Litteraturgeschichte" lesen wir, was Hermann Bahr, einer der Vertreter dieses jungen Österreich, darüber berichtet. Um alle Mißverständnisse zu vermeiden, beginnt Bahr mit der Erörterung, daß das junge Österreich nichts mit den naturalistischen Experimenten des jüngsten Deutschland gemein habe. Es will vielmehr, „da einmal unser Leben aus der deutschen Entwickelung geschieden und heute der deutschen Kultur nicht näher als einer anderen ist, den Anhang der deutschen Litteratur verlassen und nun au» eigener Art auch eine eigene Kunst gestalten " Es möchte — sonst hat cS keinen vernehmlichen Trieb — „es möchte recht österreichisch sein, österreichisch von IK9O, was dann jeder wieder auf seine Weise versteht" Die Versicherung, daß daS junge Österreich „die Erbitterung der jüngstcn Deutschen gcgcn die alte Kunst, als ob diese erst nieder- irgendwo in der Wclt'kgcgen englische Belästigungen oder Übergriffe zu wehren hat So ist, »ach Hr». Thwbaud, Deutschlauds Intervention in Transvaal nur dadurch zu er klären, daß es beabsichtigt, dort die französischen Interessen gegen England zu schützen. Kurzum, die deutsche Negierung arbeitet ganz im stillen daraushin, daß der Krieg, der in Zukunft wird geführt werden müssen, nicht zwischen Deutschland und Frankreich, sondern zwischen England und Frankreich entstehe! Gestern hät Hr Thiöbaud im „GauloiS" so den „Plan" ent wickelt. Heuteist das sürHrn Edouard Hervä vom „Soleil" bereits eine vollständig bewiesene und ausgemachte Sache. Er sieht bereits diesen durch deutsche List zwischen England und Frankreich cntsachten Krieg, er sieht die französische Flotte, welche der englischen Flotte entgegencilt, um die deutsche Flotte vor einem Angriff zu schützen, er sieht die sranzö- sischen Hafenstädte, welche in Flammen aufgehen und die Kanonenschüsse ausfangen, die für Kiel und Wilhelmshaven bestimmt waren Man wird, wie gesagt, finden, daß die Herren in der französischen Presse eine äußerst rege Phantasie haben, und man wird vielleicht auch bemerken, daß dics allcs ziemlich weitab liegt von der Schlacht bei Krügersdorp und dem Doktor Jameson (dessen Aufhängung, nebenbei gcfagt, die Pariser Börse dieser Tage mit einer Baisse aufnahm, während, als eine halbe Stunde darauf ein ebenso falsches Gerücht meldete, der Doktor sei nicht gehängt, soudcrn „nur" erschossen worden, eine Hausse eintral). Der „deutsche Plan", von dcm Hr. Thivbaud fabelt und faselt, ist ganz einfach die Folge einer natürlichen Entwickelung, die von vernünftigen Leuten fchon zu einer Zeit vorausgesehcn wurde, als Hr. Thieband noch in gelindester Ncvanche-Hctzerei besangen war. Es geht nicht an, daß zwei große Staaten wie Deutschland und Frankreich sich aus die Tauer gänzlich ab weisend gegenüberstchc» Ter Haß kann das Band zwischen zwei Völkern zerreißen, aber sofort hinterdrein regen sich die tausend fältigen Interessen deS modernen Lebens und knüpfen es von neuem. Eines Tages, in ferner Zeit, weicht dann auch wohl der Haß Deutschland nnd Frankreich find in dcn letzten Jahren mehrmals gemeinschaftlich gegen England vorgegangcn, das sich etwas gar zu ungeniert in der Wclt aufführt und allen Völkern lästig zu werden versteht. Das hat sich alles ganz von selbst fo ergeben, durch das natürliche Spiel der Interessen, und ein „Plan" war wirklich dazu nicht von Nöten. Tic Interessen und die Zeit mögen weiter wallen und alles wird gut werden Darum ist cS auch ganz überflüssig, sich jetzt über Elsaß-Lothringen dcn Kopf zu zer brechen, wie dies einige sranzösifchc Blältcr hent thnn. Jawohl, imZusammcnhang mit dcm Siege von Ärügersdorp wird heute in der Pariser Presse die elsässisch lothringische Frage eusgcrollt. Das ist immer dcr bereits angedculctc Gcdankengang: Die französischen Blätter sind ganz überrascht, sich alle Augen blicke wieder in freundschaftlich«! Berührung und in Jdecngcmcin- fchaft mit Deutschland zu befinden ES herrscht zu Zeiten, wie z. B. im gegenwärtigen Augenblick, beinahe clwas wie Sympathie. Tas entsetzt die Herren in dcn RedaktionS- bnreauS: „Ja, aber was wird aus Elsaß Lothringen?" In diesem Falle hat nach dcr oben geschilderten franzö sischen Auffassung, dcr dculschc Kaiser an dcn Präsidenten Krüger telegraphiert, nur in Frankreich ein n gntcn Eindruck hervorzuluse»; er Hot diesen guten Eindruck hcrvorgeruscu Nun bekommt der „Garlois" Angst, gclr ycrnm und fragt die Leute, ob man oenn ans Elsaß-Lothringen vcrzrchlcn könne „Nein", fagt dcr alte JulcS Simon, dcn dcr „Gaulois" befragt hat, „solange die elsaß-lothringische Frage besteht, muß jeder An näherungsversuch zwischen beiden Völkern als totgeboren bc- trachtct werden." Ebenso drückt sich dcr Präsident der Pntrioten- liga aus. Aber aus all diesen Interviews geht hervor, daß cs den Hcircn doch schr angcnchm wäre, wenn Frankrcick, mit Tcutschlaud iich gegen England zusammenthun könnte. Selbst der Chanvinist Thiöbaud hat gestern zugcben müssen, daß die Annäherungs versuche des deutschen Kaisers ans die Gebildeten der Nation und aus maßgebende Politiker groß>n Eindruck gemacht haben. Mehr brauchen wir für den Augenblick wirklich nicht; und hent in fünfzig Jahren w rden wir uns oder vielmehr werden nufere Nachkommen sich wiedcr über diesen Punkt sprechen. Mit dcn Beziehungen zwischen Tcntschland und Frankreich geht cs wie mit gcwiffcn Krankhcitcn, die nur durch das Walten der Nalnr selbst geheilt werden können. Nnr cin Quacksalber wird da Heil mittel verschreiben Ein llngcr Arzt wird sich daraus be schränken, ansmcrksam zu beobachten nnd das Eintreten von Komplikationen zu verhüten. Seltsam ist cs immerhin, daß man durch die Äußerungen ter französischen Presse qenötigt wird, das alles aus Anlaß von Vorgängen in SüLasrika zu besprechen. Ganz besonders erstaunt wird icdensalls der deutsche Kaiser sein, wen» er aus einigen französischen Blättern ersehen wird, daß sein Telegramm an den Präsidenten Krüger dcn Zweck hatte, die Lösung dcr elsaß-lothringischen Frage an- zubahncn. Ob das, was hier über die zukünftige Gestaltung der Beziehungen Deutschlands zu Frankreich gesagt ist, wirklich eintreffen wird, kann zunächst noch dahin gestellt bleiben. Unter normalen Verhältnissen würden sich die Tinge vielleicht so, wie geschildert, entwickeln. Aber wo der französische „Patriotismus", wo Elsaß Lothringen in Frage kommt, kann eben von normalen Verhältnissen nicht die Rede sein. Eine gewisse Ernüchterung nach den lauten Freuden - ausbrüchcn über Deutschlands Vorgehen gegen England hat sich übrigens, wie es scheint, in Paris bereits einge stellt. Es tritt, wie die „Kvln.Ztg." sich schreiben läßt, jetzt bei der Pariser Presse auf der ganzen Linie das Be streben hervor, den Zwist zwischen England und Deutschland durch objektive Sündenregister Englands nach Kräften zn schüren, aber Deutschland die Aus tragung der Sache allein zuzuschieben, überhaupt die Gcmcinschaft mit Deutschland sorgfältig abzulehnen. Der „Demps" hatte vorgestern diese Ablehnung am Schlüsse seinem Artikel angehängt und ließ darauf gestern einen meisterhaften, für Deutschland wie für England bestimmten Anklageartikel gegen die englische Politik folgen. Das Blatt läßt dem Vatcrlande Shakespeares, das die Menschheit mit einer großen Lit teratur bereicherte und ihr cin Vorbild in der Erkämpfung der Mannesfreihcit war, volle Gerechtigkeit wider fahren, hofft aber, daß die Ereignisse der letzten Tage für feine anmaßenden und selbstsüchtigen Neigungen eine gute Lehre sein würden. Atte wahren Freunde Englands würden sich dessen freuen. Der „Figaro" folgt heute iu derselben Richtung. Er verarbeitet zu nächst die englische Politik, wobei ein sehr zu treffender Vergleich zwischen dcr Haltung Italiens in vergangenen Tagen Garibaldi gegenüber und der Politik der englischen Negierung gegenüber den Heißspornen des Kaplandes erwähnenswert scheint, nnd warnt am Schlüsse, sich nicht durch die Freude über die Niederlage Englands zu weit im Beifall sür Deutschland hinreißcn zu lassen. „Unsere Interessen", so lauten die Schlußworte, „sind im Transvaal bedeutend, und wenn Deutschland dort die seinigen verteidigt, unterstützt es mittelbar die unserigen. Uebcrlassen wir aber unserem mächtigen Nach bar die Verantwortung für seine Handlungs weise und bleiben wir eingedenk, daß er noch nicht die rechte Befähigung besitzt, die Schwachen gegen die Starken in Schutz zu nehmen." Der monarchistische „Gaulois" empfiehlt dringend in dieser Angelegenheit eine zugleich vorsichtige und frucht bringende Politik, bei dcr man sich nicht in der russischen Freundschaft den Rang ablaufen, noch in der Feindschaft gegen England zu weit fortrcißen lassen möge. Unerwähnt darf auch eiu schwunghafter Artikel des regierungsfreundlichen „Echo de Paris" nicht bleiben, an dessen Schlüsse Frankreich aufgefordert wird, den Kaiser Wilhelm in solcher Sache nicht zu preisen, bis er den Engländern ein gutes Beispiel ge geben nnd Elsaß-Lothringen ausgeliefert habe! Tie nächst» parlamentarische» Aufgaben im Reiche und in Preußen werden offiziös wie folgt dargestellt: Wcnn der Reichstag übermorgen wieder seine Beratungen ausnehmen wird, so wird er Stoss sür dieselben in dcn ihm bereits zugcgangencn Vorlagen aus längere Zeit finden. Es werden ihm jedoch demnächst auch noch weitere Gesctzentwürsc von Bedeutung zugehcn. Darunter befindet sich zunächst das Bürgerliche Gesetzbuch. Tie Vorbereitungen zur end- giltigen Beichlußsas'ung über dcsselbe im Plenum des Bundes rats sind so weit gediehen, daß man darauf rechnet, den Ent wurf. wenn nicht noch im Lause des Januar, doch wenigstens im Februar an den Reichstag bringen zu können. Die weiteren Aussichten des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden dann vornrhm- lich von dcr sormcllen Bchandlnng alhängcn, der cs im Reichs tage nnlcrworfen werden wird Sodann dürften in nächster Zeit die gleichfalls schon in dcr Thronrede angekündigten Ent würfe eines Zucker st euergesetzes und einer Novelle zur Ge Werbeordnung znr Vorlage gelangen, Der Inhalt dcs Zuckcr- stcucracichcs ist bekannt; einzelne Änderungen daran dürsten jedoch vom BundeSrate Noch vorgenommen weisen Hie No? vellc zur Gewerbeordnung erstreckt sich hauptsächlich aus eine Neuregelung deS AbschnfttcS über den Verkehr im Umher ziehen und entspricht i» dieser Beziehung unter Berücksichtigung einzelner von derReichstagSkommilsion in derletztcnTagungausge sprochenen Wünsche im allgemeinen dcr vorigen Vorlage. Jedcnsalls sind alle drei noch in sicherer und naher Aussicht für den Reichstag stehenden Vorlagen so bekannt, daß Überraschungen dadurch nicht bereitet werden können Die schnelle Beendigung der Vor beratungen des Entwurss eines Auswanderungsgesetzes durch den Ausschuß dcs Kolonialratcs hat zu dcr Annahme ge- sührt, daß auch dieser Entwurf noch in der gegenwärtigen gemacht und ausgcrottrt werden müsse" nicht teile, klingt ganz gut, aber der Nachsatz, „das junge Österreich sei nicht revolutionär", steht im unlösbarsten Widerspruch mit dcr voraufgeschicktcn Bchauptung, daß Jung-Osterreich in deutscher Sprache schaffend gleichwohl den uralten Zu sammcnhang und die lebendige Wechselwirkung zwischen der deutschen und deutsch-österreichischen Litteratur und Kultur zu lösen und aufzuheben trachte. Wenn es sich so ver hielte und wenn diese Versuche Bedeutung hätten, Be deutung haben könnten, so wären sie revolutionärer als der schroffste Naturalismus. Die Poeten, um die cs sich hier handelt, sind außer Bahr selbst: K v. Torresani, Arthur Schnitzler, Hugo v HofmannSihal (Loris) und die Lyriker F. Dörmann, H. v. Korff und R Specht. Sie alle laßen dcn naturalistischen Drang, „die unpersönliche Wahrheit ohne Wahl und Absicht" vermißen, haben viel mehr Verwandtschaft mit den französischen ParnassienS, „die nur in der Fassung Pflicht und Verdienst der Kunst er kennen und als eitel erachten, was nicht seltene Nuance, malendes Adjektiv, gesuchte Metapher ist." In dem Ge ständnis, daß diese Schule nm den Gehalt unbekümmert sei und in dcr Einräumung, daß die Glieder des jungen Österreich meist aus fremden Litteraiurrn reden, liegt schon eine Art Verurteilung dieser auf jeden seelischen Grund verzichtenden, nur „den vollen Taumel aller Wallungen der Nerven und Sinne suchenden Dekadenten." Gleichwohl hängt offenbar der Zug einer ganzen Reihe anderer neuerer deutsch-österreichischer Poeten zum Exotischen, zum Antideutschen mit einer Strömung zusammen, die auch diese jüngste Schule trägt. Vorderhand darf man sich freilich getrosten, daß die wirklich hervorragenden Talente Dcutsch- Ocsterreichs: Marie Ebner-Eschenbach, P. K Rosegger, Ferd. v Saar aus den, großen Zusammenhänge der deutschen Litteratur weder scheiden wollen, noch außerhalb desselben auch nur gedacht werden können. Immerhin aber verdienen diese eigentümlichen Versuche und Regungen beachtet zu werden; als die Trennung der norwegischen von dcr dänischen Litteratur begann, verließ man sich auch auf die Gemeinsamkeit dcr Sprache, und ahnte nicht, wie weit die Wege auSeinanderführcn sollten n. Die Entdeckung eines neuen Lichtträgers. Die Wiener „Presse" macht Mitteilung von einer Ent deckung, welche Prof. Routgen in Würzburg gemacht haben soll. Wenn sich diese Mitteilung als begründet er weist, so hat man cS mit einem in seiner Art epoche machenden Ergebnisse der exakten Forschung zu thun, das sowohl auf physikalischem wie aus medizinischem Gebiete ganz merkwürdige Konsequenzen bringen dürfte. Es ver lautet darüber: „Prof. Routgen nimmt eine ErookeSschc Röhre — eine sehr stark ausgepumpte Glasröhre, durch die ein JnduktionSstrom geht — und photographiert mit Hilfe der Strahlen, welche diese Röhre nach außen hin aussendet, auf gewöhnlichen photographischen Plattcn Diese Strahlen nun, von deren Existenz nian bisher keine Ahr» ung hatte, sind für das Auge vollständig unsichtbar: sie durchdringen, imLGegensatz zn gewöhnlichen Lichtstrahlcn, Holzstoffe, organische Stoffe und dergleichen undurchsichtige Körper. Metalle und Knochen hingegen halten die Strahlen auf Man kann bei Hellem Tageslicht mit „geschloßener Kasette" photographieren, d h. die Lichtstrahlen gehen den gewöhn lichen Weg und durchdringen auch den Holzdeckel, der vor die lichtempfindlichen Platten geschoben ist und sonst vor dem Photographieren entfernt werden muß Sie durch dringen auch eine Holzhülle vor dem zu photographieren den Objekt. Profcßor Routgen photographiert z. B die Gewichtstücke eines GewichtsatzcS, ohne da» Holzetui zu
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