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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbehörde der Oberlaufitz. Amtsblatt Ler Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, LeS HauptzvUamts Bautzen, ingleichen der Stadttäte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- nnd Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweise» Täglich abend« mit Ausnahme der Sona- nnd Feierlage. Echeistleitung und Geschäftsstelle: Bausen, Innere Lauenserab« 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bauyen. Bezugspreis» Monatlich 1 Mart. Einzelpreis: 10 Psennige. Anzeigenpreis: Die Oaespaltene Petitzeile oder deren Raum 15 Piennige. in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Say entspreche« teurer. Reklamen: Die llgespaltene Petitzeile 50 Psennige. «r. 1«1. Areittg, de» 1S. Joli NN», »de»ds. 12t). Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. * Im Lausitzer Kohlenrevier haben die Vraun- kohlenzechen „Philippine" und „I d a" wegen der schlechten Absatzverhältnisse den Betrieb eingestellt. * In der Fabrik der Firma Wiegelt L Söhne in Langburkersdorf bei Neustadt (Sa.) wurde eine Explo- sionsvorrichtung entdeckt, durch die das Gebäude in die Luft gesprengt werden sollte. * Im englischen Unterhause gab Premierminister Asquith bei der Beratung des Flottenbauetats sehr bemer kenswerte Erklärungen über die deutsch-englischen Beziehungen ab. Der Etat wurde angenommen. * In der Lichte nrader Erpressungssache sind neue Drohbriefe an die Familie Kraatz und an das Berliner Polizeipräsidium gerichtet worden. * Die französischen Eisenbahner veröffentlichen einen Aufruf, in dem in den krassesten Farben die Schrecknisse eines Eisenbahnerausstandes geschildert werden. * Die Unruhen auf der Insel Colowan sind bei- jgelegt. * Wetteraussicht für Sonnabend: Zunahme der Bewölkung, kälter, Gewitterneigung. ' Ausführliche« siehe au anderer Stelle. Der Fall Rochette. Paris verlangt immer einen Skandal, was würde auch sonst das Leben auf den Boulevards so angenehm machen, wenn man nicht sich allerlei Geheimnisse über das Leben unserer lieben Nächsten ins Ohr tuscheln könnte, zu mal wenn diese Nächsten recht angesehene Personen sind. Die schauspielerische Art des Ealliers, der sich immer als der Würdigste hervortuen möchte und die doch soviel Un zulänglichkeit deckt, schreit förmlich - nach der Herunter reihung der Maske. Wenn in der Großen Oper zwei Damen sich plötzlich in den Haaren liegen und sich gegen seitig mit den Nägeln die wohlgepflegten Gesichtchen zer fleischen, so ist das eine Sensation, die wohl auf einige Stunden die Gemüter erfreut und die geeignet ist, das übliche auf den Theaterbesuch folgende Souper ange nehmer zu würzen. Aber auf die Dauer hält doch ein solcher kleiner Eesellschaftsskandal nicht vor. Wer den Panamaskandal erlebt hat, braucht schärfere Kost, Nervenpaprika, erschwindelte Millionen und gestürzte Po litiker. Man vergiht ja sowieso so schnell heutigen Tages und die Pariser Saison ist tot, man muh etwas haben, dah man im Voulevardleben wieder den einzigen wahren Ee- nuh menschlichen Daseins empfindet. Wie gerufen kommt da der Fall Rochette. Rochette war einst ein simpler Kellner in der Provinz. Aber er fühlte sich zu Höherem geboren. Und so wurde er Speku lant. Er machte Figur schon äußerlich durch seine elegante, schön gewachsene Erscheinung und mehr noch durch sein fabelhaftes Glück an der Börse. Er gründete Industrie- Gesellschaften, beutete in Honduras Kupferminen aus, war an Eisenbahnbauten in Liberia mitbeteiligt, gründete eine Elllhstrumpffabrik und noch andere industrielle Unter nehmungen. Er hatte Glück und er verstand es, sich die nötigen Mittel leicht zu verschaffen. Die Provinz wurde mit Reklameprospekten überschwemmt und alle die kleinen Sparer, und Frankreich ist ja das Land der kleinen Sparer, beeilten sich, dem Vörsenkönig ihre Mittel zur Verfügung zu stellen. Alles schien ihm zu glücken, wenn auch alle seine Unternehmungen auf tönernen Füßen standen. Die Re klame war das große Geheimnis seines Sieges und gerade auf diesem Gebiete aber sollte ihm der schwere Schlag kommen. Er beabsichtigte, das „Petit Journal" anzukaufen, das die ungeheure Anzahl von 350 000 Lesern hat, und gerade das Organ der kleinen Leute ist. Ein großer Teil der Aktien befand sich bereits in seinen Händen. Der Direktor des Blattes aber, Herr Prevet, sah ein, daß dann seine Stellung erschüttert sei, hieß es doch schon, daß Herr Humbert vom „Matin" zu seinem Nachfolger ausersehen sei. Hätte Rochette wirklich das „Petit Journal" in seine Hände gebracht so wäre seine Stellung wohl noch heute uner schüttert. Aber nicht nur Prevet war auf Rochette erbost, sondern auch der „Matin" und vor allem die Regierung. Prevet konnte und wollte nicht die Angriffsrolle über nehmen, so trieb denn ein jetzt auch bankerotter Bankier Eaudrian einen Strohmann namens Picherau auf. Im BurKtu des Bankiers traten die Verschwörer zusammen, tzu denen sich auch — ein Regierungsvertreter gesellte, der Sekretär des Polizeipräfekten Lepine, namens Durand. .Eaudrian trat formell an Picherau einige Aktien ab, der die Klage gegen Rochette erheben sollte. Mit Hilfe Du rands nahm der Antersuchungsrichter die Klage an, und drei Tage später saß Rochette im Untersuchungsgefängnis. Die Folge war natürlich ein ungeheurer Preissturz der Aktien in den Rochetteschen Unternehmungen. Es kamen sabelhafte Verluste. Nur wer rechtzeitig verkauft hatte, brachte sein Schäfchen ins Trockene. Das waren natürlich die Verschwörer — und der vormalige Ministerpräsident und Minister des Innern, Clemenceau. Clemenceau soll selber für seine Person nicht so viel verdient haben, wohl aber seine beiden Brüder. Der ehemalige Ministerpräsi dent hat dieser Tage Frankreich verlassen, er zieht es an scheinend vor, einige tausend Quadratmeilen Wasser zwischen sich und seiner Heimat zu legen, um in ruhigerer Zeit wiederzukommen. Aber man weiß, daß er für „milde Gaben" nicht unempfänglich ist. Während des Panama skandals hat er sich von dem berüchtigten Schwindler Cor nelius Hertz mit Hunderttausenden spicken lasten. Für die französische Regierung ist die Sache mehr als peinlich, wenn auch Briand persönlich nicht in die Ange legenheit verwickelt ist. Das Vertrauensvotum der Kammer aber besagt herzlich wenig. Erst wenn die parlamen tarische Kommission ihre Untersuchungen beendet hat, wird man weiter sehen. Fast fünfzigtausend Familien sind durch die Gewissenlosigkeit Rochettes und seiner Gegner an den Bettelstab gebracht worden. Und dabei scheint es, als ob man schließlich doch noch die Schuldigen laufen lassen wird. Dabei ist Rochette noch immer persönlich ein reicher Mann. Die Kleinen büßen, der große Gauner aber kann sein Leben weiter lustig genießen, wenn er dem Gefängnis ent steigt. Politische Rach richten. Deutsches Reich. Weitere Verkürzung der Arbeitszeit der Handlungs gehilfen. Die Bestrebungen der Handlungsgehilfen nnd Kontorangestellten auf eine Verkürzung der Arbeitszeit gehen immer weiter. Nachdem gegenwärtig der Achtuhr ladenschluß in Sachsen vielfach erreicht ist und sich das kaufende Publikum an diese zeitgemäße Neuerung gewöhnt hat, setzt neuerdings eine vom Verband deutscher Hand lungsgehilfen eingeleitete Bewegung zu Gunsten desSiebenuh r-K ontor- und Ladenschlusses in denSommermonaten und des Dreiuhr- Kontorschlusses an den Sonnabenden ein. Die Erreichung dieses Zieles, das mit sozialen Momenten begründet wird, wird erstrebt durch eine Propagierung der Idee, in öffentlichen Versammlungen auf lokalem Boden und durch Sammlung von schriftlichen Erklärungen großer Firmen. Der Kreisverein Leipzig des genannten Ver bandes hat bereits 250 schriftliche Aeußerungen dortiger Firmen in Händen, aus denen hervorgeht, daß eine Ver kürzung der Arbeitszeit im Interesse der Gesundheit und Leistungsfähigkeit aller Angestellten liegt. An das Kauf publikum treten dieAngestellten mit der Bitte, ihre Einkäufe vormittags oder nachmittags zu besorgen, damit der Siebenuhrladenschluß möglich wird. Die Ortsgruppe Chemnitz des nationalliberalen Lan desvereins im Königreich Sachsen zählt schon an 200 Mit glieder. In einem Inserat der Chemnitzer Blätter fordert sie zu weiteren Beitritten auf, indem sie scharf betont, daß ihre Abtrennung vom Chemnitzer nationalliberalen Verein nicht auf politische Gegensätze des rechten und linken Flü gels, sondern einzig und allein auf die Frage zurückzuführen sei, ob die nationalliberale Partei sich weiter einer Per sönlichkeit unterordnen wolle, die zwar ihre Verdienste habe, aber alsFührernicht mehr das allgemeine Vertrauen beanspruchen könne. Die Ortsgruppe ver neint diese Frage. Der Chemnitzer alte (Langhammersche) nationalliberale Verein hat den Parteisekretär Ereupner wegen angeblichen Vertrauensbruches plötz lich entlassen, ein Vorgehen, das zu neuen scharfen Auseinandersetzungen führen dürfte, da das Parteisekre tariat vom Verein nicht abhängt. * * * Zur Entlastung des Reichsgerichts. Um die beim Reichsgericht unerledigt gebliebenen Sachen aufzuarbeiten, sind vom Präsidenten des Reichsgerichts elf Hilfs richter bestimmt worden. Die Hilfsrichter sind folgende: 1. vr. Karl Lilienthal, geboren im Juni 1888 in Steinheim, Kammergerichtsrat in Berlin. 2. August Fuchs, geboren im April 1857 in Treysa, Oberlandesgerichtsrat in Kastel. 3. Joseph Riehl, geboren im April 1857 in Celle, Oberlandesgerichtsrat in Düsseldorf. 4. Joseph Keller, ge boren im Dezember 1861 in Unna, Oberlandesgerichtsrat in Hansm. 5. l)r. Wilhelm Meyer, geboren im April 1860 in Borgholzhausen, Oberlandesgerichtsrat in Hamm. 6. vr. E r n st Rosenberg, geboren im Juni 1862 in Hoyerswerda, Land gerichtsdirektor des Landgerichts I Berlin. 7. Gustav Herb, geboren im März 1862, Oberlaudesgerichtsrat in München. 8. Ur. Karl Adolf Lobe, geboren im August 1860, Ober landesgerichtsrat in Dresden. 9. Emil Kre ß, Oberlandes gerichtsrat in Stuttgart. 10. vr. Friedrich Fl ad, geboren im Juli 1869 in Adelsheim, Laudgerichtsrat uud Hilssrichter beim Oberlaudesgericht Karlsruhe. 11. Karl Erich Brod- manu, geboren im Mürz 1855, Oberlaudesgerichtsrat in Ham burg. Die neue Militärvorlage. Nach Mitteilung einer Berliner Korrespondenz wird die Hceresvorlage, die dem Reichstag in seiner nächsten Tagung zugeht, auch eine Vermehrung des Trains und seine Organi sation in Regimentern statt wie bisher in Bataillonen in Vorschlag bringen. Der Train wird dann das ganze militärische Fuhrwesen, den Automobilismus einbegriffen, umfassen. Die Berufsstände im Reichstage. Die Aufgaben, die die Volksvertretung zu lösen hat, liegen heute vorwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet. Deshalb sollten — we nigstens in der Theorie — im deutschen Reichstag die In teressen der verschiedenen Berufs- und Erwerbsstände des deutschen Volkes gleichmäßig vertreten sein. Das würde der Fall sein, wenn jeder Wühler einen Angehörigen seines Berufsstandes in den Reichstag wählte. Dann käme die wirtschaftliche Zusammensetzung des deutschen Volkes auch in der Zusammensetzung des Reichstags zum Aus druck, wir Hütten dann eine berufsstündige Volksvertretung. Aber der Deutsche scheint doch noch nicht materialistisch genug zu sein, um bei den Wahlen seine wirtschaftlichen Interessen ganz in den Vordergrund zu rücken. Die Zu sammensetzung des Reichstags ist grundverschieden von der des deutschen Volkes. Ein getreues Bild der wirtschaft lichen Zusammensetzung des deutschen Volkes liefert die letzte Berufszählung. Nach ihr gehören 28,7 Prozent der Bevölkerung des Deutschen Reichs zur Landwirtschaft, 42,7 Prozent zu Industrie und Gewerbe, 13,4 Prozent zu Handel und Verkehr, 6,8 Prozent zu den übrigen Berufsarten (Be amte, Heer, freie Berufe, Dienstboten usw.) und 8,4 Prozent zu den berufslosen Klassen (Rentiers, Pensionäre usw.). Ueberträgt man das gleiche Verhältnis auf die deutsche Volksvertretung, so müßten im Reichstag 223 Abgeordnete sitzen, die beruflich zu den Gruppen Industrie und Gewerbe, sowie Handel und Verkehr gehören. In Wirklichkeit ge hören dem Reichstag aber nur 62 Angehörige dieser Wirt schaftsgruppen an. Die Landwirtschaft müßte durch 114 Abgeordnete vertreten sein. Da im Reichstag mindestens 107 Landwirte sitzen, so ist also hier ein annähernd richtiges Verhältnis hergestellt. Wie steht es nun aber mit den übrigen Berufsklasten und den Berufslosen? Auf sie ent fallen 15,2 Prozent der deutschen Bevölkerung, dem ent spricht die Zahl von 60 Abgeordneten. Im Reichstag zählen wir aber nicht weniger als 227 Abgeordnete, die ihrer bürgerlichen Stellung nach unter diese Klasten einzu reihen wären: statt 15,2 Prozent sind das 57,2 Prozent aller Reichstagsmitglieder. Unter ihnen sind besonders stark vertreten die Richter und Beamten, Geistlichen und Lehrer, Redakteure und Schriftsteller, Privatiers und Pensionäre. Die meisten Angehörigen anderer Berufsstände wählen regelmäßig die Sozialdemokraten, die sich wohl hauptsächlich aus Industriearbeitern zusammensetzen. Man könnte fragen, ob deren Interessen nicht besser vertreten würden, wenn sie ihre Führer und ihre Abgeordneten aus dem Kreise der eigenen Berufsgenossen wählten. Aber dann müßten sich dtp Arbeiter von den heutigen Führern der sozialdemokratischen Partei freimachen, sie müßten An gehörigen ihres Berufs ihr Vertrauen und ihre Stimmen schenken, und dazu ist die große Masse der Sozialdemokraten offenbar noch nicht reif genug: sie folgt blindlings der von den Führern ausgegebenen Parole. Ihre politische U n - reife wird gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie ihre Ver treter vorwiegend aus den Angehörigen fremder Berufs stände, aus der Klasse der Berufspolitiker und Berufsparla mentarier, wählt. Zur Reichstagswahl im 3. Weimarischen Reichstags. Wahlkreise. Der aus der nationalliberalen Reichstags fraktion ausgetretene Reichstagsabgeordnete fürJena-NeustadtPaulLehmann wird wahr scheinlich aufs neue bei den nächsten Wahlen in dem Wahl kreise als Kandidat aufgestellt werden. Von den 12 Ver trauensmännern, von denen vier den Konservativen, vier dem Bunde der Landwirte und vier den Nationalliberalen angehören, haben acht sich für die erneute Kandidatur Lehmanns entschieden, während die vier Vertreter der Na tionalliberalen erklärt haben sollen, erst eine abwartende Stellung einnehmen zu wollen. Die Fortschrittler haben den Oberlehrer vr. V e r s h o f e n - Jena als Kandidat aufgestellt.