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Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag z» Uhr- Inserate werden mit w Pf für dl« Spaltzelle berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkilla Nr. 20. Mittwoch, d§n 14. Februar 1906 5 Jahrgang. ^Merkliches und Sächsisches Ottendorf. Okrilla, den ^z. Februar MS. — Die sächsische Staatseisenbahnverwaltung hat seither schon in einer Anzahl Personen wagen IV. Klasse Scheidewände und Aborte einbauen lasten. Diese Einrichtung wird zu nächst in 30 weiteren Wagen durchgeführt. In allen Personenwagen IV. Klasse werden übrigens einige Haken zum Aufhängen von Kleidungsstücken angebracht werden, In einigen Wagen IV. Klasse befanden sich seither schon Handhaben, an denen sich Reisende, die aus den Bänken keinen Platz finden, sondern in der Mitte des Wagens stehen, anhalten können wenn in vereinzelten Fällen die Wagen im Betriebe stärkeren Erschütterungen ausgesetzt sind. Mit derartigen Handhaben sollen auch die übrigen Wagen IV. Klasse versehen werden Alle diese Verbesserungen lasten sich aber nur allmählich durchführen, denn die Wagen können selbstverständlich nur nach und nach in die Werkstätten gebracht werden. — Es sei von neuem darauf aufmerksam gemacht, daß den Landbriefträgern auf ihren Bestellgängen auch Postanweisungen, Nach nahmesendungen, kleinere Pakete, Sendungen mit Wertangabe bis 800 Mk. sowie Bar beträge zum Ankäufe von Wertzeichen und zur Bestellung von Zeitungen übergeben werden dürfen. Die Landbriefträger sind verpflichtet, die Sendungen (ausschließlich der gewöhnlichen Briessendungen), sowie di- baren Geldbeträge für Wertzeichen und Zeitungen in ein An nahmebuch einzutragen, daß nach jedem Be stellgange der Postanstalt vorgelegt wird. Zur Eintragung der Sendungen usw. in das An nahmebuch ist auch der Auflieferer befugt Es empfiehlt sich, von dieser Befugnis in jedem Falle Gebrauch zu machen, Hat der Land, driefträger die Eintragung selbst bewirkte, so muß er sie dem Auflieferer aus Verlangen Vorzügen. Ein Einlieferungsschein über die dem Landbrieflräger übergebenen Wert- und Einschreibesendungen, Postanweisungen und Nachnahmesendungen wird erst von der Post- anstalt ausgestellt. Der Landbrieftkäger ist verpflichtet, diesen Schein, wenn möglich, beim nächsten Bestellgange dem Auflieferer zu über bringen. Königsbrück. Im Sommerhalbjahr 1906 werden auf dem Schießplätze Königsbrück ge fechtsmäßig schießen; vom 6. bis 10. Apri und vom 23. bis 29. August das 13. In fanterie-Regiment Nr- 178 (Kamenz) vom 19. bis 21. April und vom 12. bis 20. Jun das 12. Infanterie-Regiment Nr. 177 (Dresden vom I- bis 15. Mai das 1. (Leib-)Grenadier- Regiment Nr. 100 (Dresden), am 16. und 17. Mai das 1. PionierBataillon Nr. 12 (Dresden), vom 18 bis 31 Mai und von 6.^biS 11. Juni das 3. Infanterie-Regiment" Nr. 102 (Zittau), am 21., 22. und 27. Jun das 1. Husaren-Regiment „König Albert" Nr. 18 (Großenhain), vnm 23. bis 26. Jun das Gardereitcr - Regiment (Dresden), vom 29. Juni bis 12. Juli mittags das 2. Gre- nadier-Regiment Nr. 101 (Dresden), vom 12- Juli nachmittags bis 20. Juli das 2. Jägerbataillon Nr. 13. (Dresden), vom 21. Juli bis 4, August das Schützen-(Füsilier- Regiment Nr. 108 (Dresden), vom 6. bis 22. August das 4. Infanterie-Regiment Nr. 103 (Bautzen), vom 31, August bis 5, September das 1. Jägerbataillon Nr. 12 (Freiberg) und vom 16. Juni bis 4. Juli die 1, Maschinengewehrabteilung Nr. 12 (Dresden.) Am 12. Juli vormittags findet das besondere Wettschieben des 2. Grenadier-Regiments Nr 101 um den von Seiner Majestät dem Kaiser gestifteten Preis statt. In Wettbewer! treten hierbei alle diejenigen Jnfanterieregimenter deren Ches Seine Majestät der Kaiser ist. Außer dem 13. Infanterie-Regiment Nr. 178 benutzen die Infanterie- und Jäger-Truppen teile für den Hin- uno Rückmarsch die Eisen- mhn, diejenigen des Standorts Dresden von oder bis Klotzsche. Dresden. Zu der Ermordung des Ver- icherungsbeamten Wegner gen. Hartmann wird des weiteren gemeldet: Auch bis jetzt hat der schwer verdächtige Arno Hoffmann rock ein Geständnis der Tat abgelegt, vielmehr eugnet er hartnäckig weiter. Bekanntlich be- nden sich neben Hoffmann noch Adalbert Llecha, der Handarbeiter Kubicek und ein 22jähriger Mann namens Schneider in Haft. Mit der Festsetzung dieser vier hat die Polizei wie schon erwähnt, einen recht glücklichen Griff getan, denn die Burschen hatten sich zusammen- etan zur Verübung schwerer Einbrüche in Dresden. Daß sie vor Gewalttätigkeiten auch nicht zurückschrecken würden, daß zeigt der Fall Vegner deutlich genug. Wie raffiniert die Gesellschaft zu Werke ging, erhellt aus einem von Hoffmann gefaßten Plane, den ein siesiges Blatt mitteilt. Hoffmann hatte sich in Dresden bei einer Witwe eingemietet, die von ihm für nicht ganz unvermögend gehalten wurde, und einen Koffer durch Dienstleute in sie Wohnung schaffen lasten. Den letzteren war dabei die ungleiche Belastung der Seiten des Koffers aufgefallen, sie äußerten sich da rüber auch dem Hoffmann gegenüber, der den Dienstleuten darauf erwiderte, es seien wissen- chaftliche Instrumente darin enthalten. Es steckte aber in dem Koffer nichts anderes, als der wegen seiner Teilnahme an den Einmieter diebstählen mitverhste 22jährige Schneider. Durch diesen Trick wollte es die Gesellschaft verhüten, daß, wenn die Dienstleute mit der Abholung des Koffers aus der Wohnung zum Weitertransport beauftragt wurden, sie irgend welchen Verdacht schöpften. Daß zunächst die in der Nähe des Altmarktes wohnende Ver mieterin, eine Privata, als Opfer der verruchten Pläne ausersehen war, ist von Schneider nach träglich zugegeben worden. Ein weiterer Raub zug war in ein in der Pirnaischen Vorstadt belegenes großes Juweliergeschäft geplant. Nachdem Adalbert Blecha die Festnahme Hoff manns und Schneiders erfuhr, brachte er die Ermordung Wegners zur Anzeige, in der Ab sicht, die auf die Entdeckung der Mörder ans- gesetzte Belohnung zu erhalten. Statt besten nahm man ihn unter der Anschuldigung des versuchten schweren Diebstahls bezw. Mordes mit samt seinem nachträglich ermittelten Reise gefährten Kubicek fest. Radeburg. Die in der Kreishauptmann- schast Großenhain befindlichen landwirtschaftlichen Zweigvereine werden darauf aufmerksam ge macht, daß Mittwoch den 21, Febrnar nach mittags 3 Uhr in „Stadt Dresden", zu Raoe- burg der landwirtschaftliche Kceisverein Dresden eine Bezirksversammlung abhält, in welcher Herr Zuchtinspektor Beuchholz jüber „Die Hebung der Rindviehzucht durch Zuchtgenosten schaften und zweckentsprechende Jungviehzucht einen Vortrag halten wird. Meißen. Im Stanz- und Emaillierwerke der Firma Quaas und Co. in Meißen ist der Stanzer Richard Gerschwitz mit seiner rechten Hand unter den Stempel der Ziehprefse ge raten, an welcher er mit Ziehen von Tellern beschäftigt war. Die rechte Hand wurde ihm vnr dem Handgelenke abgequetscht. Gerschwitz wurde sofort im Meißner Stadtkrankenhause untergebracht. Lockwitz. Wie schlimm eS bei manchem mit der Orthographie bestellt ist, lehrt ein Zettel, der einem Fleischer in Lockwitz zuging, und besten Inhalt wörtlich lautet: „halbst vont Schmirwet und vor 20 Grünial und win sie keinn Grün haben, da schiken sie mir aus geluns". (es soll heißen: halbes Pfun Schmeerfett und für 20 Pfg. grünen Talg, und wenn Sie keinen grünen haben, dann schicken Sie mir ausgelastenen, Der Fleischer ist schließlich auch klug geworden, (Ja, „die deutsche Sprak ist eine schwere Sprakl") Aus dem oberen Elbtale- In der. hiesigen Sandsteinbrüchen links und rechts der Elbe ist der Betrieb in diesem Winterhalbjahre nsher nicht unterbrochen worden. In zwei Brüchen bei Station Schöna fällte man zwei Wände, die meist gutes Gestein enthielten. Pirna. Die Vereinigung sächsischer OrtS- "rankenkasten hält ihre diesjährige ordentliche Gmeralversammlung im Monat Juni hier ab. Herrnhut. Ein schwerer Unfall ereignete ich hier beim Abbruch des Liebermannschen Wohnhauses, an besten Stelle das neue Brüderhaus errichtet werden soll. Unerwartet türzte ein Teil der Giebelwand zusammen, wobei ein Zimmerlehrling nicht schnell genug ausweichen konnte und bis zum Kopf ver- chüttet wurde. Er mußte mittels einer Trage n das Herrnhuter Krankenhaus transportiert werden. An den Aufkommen des jungen Mannes, der schwere innere Verletzungen er- itten hat, wird gezweifelt. Ebersbach. Verhaftet wurde ein früher >ei einer dortigen Gutsbesitzerin bediensteter knecht, der sich in letzter Zeit in dem zweifel- -aften Scherz gefallen hatte, sich als „Gespenst" aufzuspielen. Mit überzogenem weißen Hemd, weißen Strümpfen usw. bekleidet, vollführte er auf dem Berge hinter der Brauerei in Ebers bach seinen „Spuck". Oschatz. Der Fabrikschuhmacher Hagedorn wurde irrtümlich für einen Streikbrecher ge- falten und von zwei unbekannten Männern nachts übersollen. Sie brachten Hagedorn fo tiefe Stichwunden im Kopfe bei, daß an einem Aufkommen gezweifelt wird. Leipzig. In Her Leipziger Baumwoll spinnerei wurden 12 an der Lohnbewegung beteiligte Arbeiter entlasten, eine für Mittwoch anberaumte Versammlung wird — durch diesen Vorgang veranlaßt — über den Gesamtstreit Beschluß fasten Aus der Woche. Diplomatie ist die Kunst, die Interessen eines Landes energisch ober höflich denen der anderen Länder gegenüber zur Geltung zu bringen. Da in neuerer Zeit die Politik der einzelnen Länder nicht nur von dem Herrscher allein vorgeschrieben wird, sondern bei ihr auch auf die Stimmung der Parlamente und der öffentlichen Meinung Rücksicht genommen werden muß, so hat sich der diplomatische Verkehr in den letzten drei Vierteljahrhunderten gegen früher erheblich geändert, ohne daß für die neuen Verhältnisse schon ganz feste Normen herangewachsen wären. Daß Fürst Bismarck eS vorgezogen habe, immer offen vorzugehen, ist natürlich eine Geschichtsfabel. Mit der Offenheit würde die Diplomatie auch heute nicht weit kommen und könnte ihre Aufgabe, den freundlichen Nachbar nach Möglichkeit über den Löffel zu barbieren, auch gar nicht lösen. Im Gegenteil: die verbindlichsten, wenig sagenden Höflichkeiten, das Verbergen der eigentlichen eigenen Absichten, das ist die heutige diplomatische Kunst, wie sie es seit dreihundert Jahren gewesen ist. Und diese Kunst feiert gegenwärtig in Algeciras ihre Triumphe und bis ins einzetne hinein entfalten die Herren Diplomaten eine Sachverständigkeit, daß sie z. B. einstimmig beschlosten, den AuSfuhrzol für Kichererbsen von 25 auf 20 Peseta herab zusetzen. Ein jeder, der auch nur eine leise Empfindung von der Schwierigkeit eines ein stimmigen internationalen Beschlusses hat, wird nun ohne weiteres begreifen, daß die friedlichen Ergebnisse der Konferenz und damit die Auf rechterhaltung des Völkerfriedens gesichert ist — Und was sich in Algeciras zeigt, wieder holt sich in Belgrad, das momentan der be deutendste Handels-Kriegsschauplatz in Europa ist. Das Serbien eigentlich in diesem Kriege die ganze Miete riskiert, scheinen die Politiker des Königs Peter noch gar nicht einzusehen, aber sie werden es schnellstens lernen. Die gesamte Ausfuhr Serbiens beträgt nur 62 Mil ¬ lionen Frank (meistens Vieh) davon kommen nicht weniger als 56 Millionen auf die große Donau-Monarchie. Letztere hat eine Ausfuhr von 2173 Millionen und davon auf Serbien ganze 37 Millionen. Bei so ungleichen Waffen wird Serbien heute oder morgen kapitulieren mästen, und wenn darüber sein Ministerium zu Falle kommen wird, so ist das Än großer Schaden, sie nehmen einen x-be- iebigen andern . . . itsch und die Sache ist ertig. — Die ungarische Krisis, auch einer von dem Würmern, die nicht sterben wollen, ist völlig auf einen toten Punkt angelangt, über den auch weitere Verhandlungen nicht ffnweghelfen. Die Diktatur ist in Sicht und der alte Haudegen Fejervary zeigt nicht di« geringste Verlegenheit. Sowie eS ihm der Kaiser befiehlt, wird er ohne weiteres das Parlament auslösen ohne Neuwahlen auszu- chreiben und das übrige auf dem Verordnungs wege besorgen. — Die Inventaraufnahme m den französischen Kirchen, die auf Grund des Trennungsgesetzes erfolgt, hat zwar hier und da Störungen hervorgerufen, aber da nur n ganz vereinzelten Fällen die Geistlichkeit dahinterstand, ist der Widerstand ohne Orga nisation und Wirkung geblieben. Einige hohe Adlige, die sich an dem tatsächlichen Wider- 'tand beteiligten, sind sehr schnell und hart be traft worden, während die Teilnehmer aus dem Volke mit leichten Strafen davongekommen rnd. Eine nachhaltige Wirkung hat diese Agitation nicht, die ja auch offenbar an einer falschen Ecke ansetzte. — Aus Rußland läßt sich nur wenig berichten. Es wäre zu viel gesagt, wenn man behaupten wolle, die Kraft der Revolution wäre vollständig erschöpft, ebe sowenig würde es der Wahrheit entsprechen, auch nur von einer überwiegenden Beruhigung des Riesenreiches zu sprechen. Sieben Wochen trennen uns noch vou den Wahlen zur Reichs duma, zehn noch von deren Zusammentritt. Erst wenn letzterer erfolgt und die für Rußland völlig neue Maschine einigermaßen in Gang gebracht ist, wird sich einigermaßen die zu künftige Entwickelung beurteilen lasten. Das Auftreten der Truppen in Kurland kann man sehr wohl als eine Konterrevolution bezeichnen, die mehr Schrecken und Scheußlichkeiten zeitigt als die Revolution, und den blutigen Samen der Rache in die Gemüter senkt. Von einer „Beruhigung" wird man da noch lange nicht reden können. — In China ist jetzt die Be wegung gegen Amerika stark im Strome. Viele Beamte in einflußreicher Stellung werden abgesetzt und amerikanische Waren nicht mehr bestellt, — also ein vollständiger Boykott, dem gegenüber Amerika machtlos ist. Es wird ver sichert, daß nach den Amerikanern auch die andern Nationen an die Reihe kommen würden und China seine Angelegenheiten selbst be sorgen würde Das Volk sei erwacht und durch den letzten Krieg mächtich angeregt worden. Wenn man bedenkt, wie sich Japan in den letzten fünfundzwanzig Jahren aus der Unkultur heraus entwickelt hat, soll man dies bei den Chinesen nicht als unmöglich bezeichnen. Unser Kiautschou würde bei einer solchen Wendung der Dinge viel von seiner ihm ursprünglich zu gedachten Bedeutung verlieren, wie schon heute die dort von den Deutschen angelegten Verkehr vorrichtungen, Eisenbahnen und dergleichen meistens von den Japanern benutzt werden. Bezeichnend ist, daß in Tientsin, als dort der chinesische Gouverneur von dem deutschen em pfangen und als auf deutschem Boden steheud begrüßt wurde, der Chinese erwiderte, daß sei ein Irrtum: sie befänden sich auf chinesischem Boden, der nur zeitweise an Deutschland ver pachtet sei. China würde zur Zeit seinen Be sitz wiedernehmen und Deutschland gern die hineingesteckten Kosten ersetzen. Da die Pachtung Kiautschous bekanntlich auf 99 Jahre erfolgte, so können wir leider nicht mit der geistvollen Bemerkung schließen: „Wir wollen es abwarten."