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I und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun in Freiberg. 31. Jahrgang. Erscheint jeden Wochentag Abends ü Uhr sür den ! . Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angcnom- - andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2ü Ps., MiitWNM. dtN I/L. MllN. men und betragt der Preis sur d,e gespaltene Zeile 1 o*/. zweimonatlich 1 M. 50Ps. u. einmonatl. 7ü Ps. oder deren Raum l5 Psennige. V. Vas Streben nach Vermittelung. Die gegenwärtige Session des deutschen Reichstages, welche nicht gerade unter verheißungsvollen Symptomen begann, scheint einen günstigeren Verlauf zu nehmen, als man vorausgesagt. Als der Reichstag zusammentrat, zeigte er so ausgeprägt hippokratische Züge, baß der Agent einer Lebensversicherung hätte in Schrecken gerathen können; sitzt aber scheint es fast, als gewinne er an Lebenskraft und werde das normale Lebensalter erreichen. Sowohl in dec Frage der Beschränkungen der Redefreiheit wie in der Zollfrage bahnt sich allem Anscheine nach eine Ver mittelung an und es ist heute nicht unmöglich, daß die Gewitterwolken, welche über dem Parlament lagerten, sich allmälig zertheilen. Denn jene beiden Fragen waren es ja, welche die unangenehme Temperatur erzeugten. Wenn in Bezug auf sie ein Mittelweg gefunden wird, dann ist auch die Versöhnung der feindlichen Brüder nicht fern. In den Debatten über das sogenannte „Maulkorb- Gesetz" zeigte der Reichskanzler eine Mäßigung, welche man überraschend nennen muß. Ec Hst dew-Gesetzentwurf kaum vertheidigt; resignirt prophezeihte er die Verwerfung der Vorlage und beschränkte sich auf die Andeutung, der Reichs tag werde schon selbst auf strengere Maßregeln gegen den Mißbrauch der Redefreiheit kommen. Im Uebrigen war seine Rede nur eine Entgegnung auf die Ausführungen Laskers. Aber diese Entgegnung erfolgte in so ruhiger Weise, daß sie Alle, welche pikante Szenen erwarteten, ge wissermaßen enttäuschte. Sicherlich kostete es dem Fürsten Bismarck Usberwindung, seinen Gegner so glimpflich zu behandeln. Aber der Reichskanzler hat diese Uebcrwindung geübt und sich beherrscht. Man kann sicher sein, daß dies nicht ohne Grund geschah, sondern daß er vielmehr eine Nebenabsicht dabei hatte. Und diese Nebenabsicht dürfte nicht schwer zu errathen sein, wenn man einige an sich un bedeutende Vorkommnisse in Betracht zieht. Auf den letzten parlamentarischen Soireen im Hause des Reichskanzlers führte Fürst Bismarck stundenlange Gespräche mit den Führern der national-liberalen Fraktion. Auch rühmte er in den wärmsten Worten seinen ehemaligen Kollegen Delbrück und sprach die Hoffnung aus, daß der selbe eine „vermittelnde" Thätigkeit in der Zollfrage entfalten werde. Genau zu derselben Zeit brachte die Wiener „Politische Korrespondenz", welche als ausge sprochen offiziös gelten kann, einen Artikel, welcher an die Thätigkeit Delbrück's die gleichen Hoffnungen knüpfte. Endlich erschien in der „National-Zeitung" eine Betrach tung, in welcher dieses leitende Organ der National-Libe ralen sich nicht rein ablehnend zu den Zoll- und Steuer- Plänen der Reichsregierung stellte, sondern sie der nähere Erwägung unterziehen wollte und deshalb die Ueberweisun an eine Kommission, am liebsten an eine parlamentarift Zwischen-Kommission vorschlng. Alles dies zusammengehalten führt zu der Vermuthung daß in der That jetzt eine Verständigung in der Zollfrag auf beiden Setten gesucht wird. Fürst Bismarck h ja schon oft ausgesprochen, daß er mit sich handeln lasse; auch bezüglich seiner Zollreformpläne äußerte er auf einer der erwähnten parlamentarischen Soireen, auf seinem Wei nachtStische wären einige „Waldteufel". Er wird al auch jetzt lieber Zugeständnisse machen, als durch die Au lösung des Reichstages einen Jnteressenkampf heraufbe schwören, dessen bedenkliche Folgen er gewiß nicht verkennt. Ist diese Vermuthung einer sich anbahnenden Verständi gung richtig, dann hat man auch den Schlüffe! zu der Mäßigung Bismarcks gegenüber LaSker. Er wollte eine Vermittlung — bei der es ja wesentlich auf die national- liberalen Führer ankommt nicht dadurch unmöglich machen, daß er einen dieser Führer so scharf angriff, wie es wohl nach seinem Sinne gewesen wäre. Darum also ehlen seiner Rede alle jene beißenden Bemerkungen, mit denen er sonst nicht gerade zu sparen pflegt, und jene Witze, die ihm ungesucht und ungezwungen über die Lippen kommen. Die national-liberale Partei wiederum mag einer Ver mittlung schon aus dem Grunde nicht abgeneigt sein, weil "ie die einzige Möglichkeit darbietet, ihr den bisherigen Ein- luß zu erhalten. Ihre Führer wissen sehr wohl, daß eine Auflösung des Reichstags gerade die Stellung dieser Partei ehr erschweren müßte. Denn fallen auch die politischen und wirtschaftlichen Gruppirungen keineswegs zusammen, giebt es auch in dieser Partei wie in anderen Fraktionen Männer aus beiden wirthschaftlichen Lagern, so würde doch eine Neuwahl mit der Loosung: „Schutz der vaterländischen Zroduktion oder Freihandel" ihr größere Verluste bringen als jeder anderen Partei. Denn die Strömung im deutschen Volke ist nun einmal entschieden für den Schutz der vater- läudischen Arbeit und die Wähler würden wenigstens zum Theil die ganze Partei entgelten lassen, was sie an der Haltung einzelner Führer auszusetzen haben. Wie freilich eine Vermittlung möglich werden soll, wissen wir nicht. Diese Unkenntniß erfüllt uns mit einigem Miß trauen gegen alle Vermittlungshoffnungsn. Aus verschie denen Aeußerungen erhellt, daß die Freihandelspartei in Bezug auf Getreide- und Viehzölle zu keimm Zuge ständnisse bereit ist, wenn sie auch bei anderen Zöllen Kon zessionen machen würde. Der Reichskanzler aber scheint gerade die Getretdc-Zölle nicht fallen lassen zu wollen und darum bleibt es noch immer sehr fraglich, ob die jetzige versöhnliche Strömung praktische Folgen haben wird. Tagesschau. Freiberg, 11. März. Das Befinden des Kaisers ist bester, der Husten ist geringer, die Anschwellung an der Hüfte zsrtheilt sich immer mehr. Gestern Mittag empfing der Kaiser den Grafen Moltke, der nach Berlin zurückgekehrt ist. Anläßlich seines Jubiläums erhielt Graf Moltke eine allerhöchste Kabinets- ordre, wodurch dem Jubilar in huldvollsten, zum Herzen dringenden Worten das Kreuz mit Stern des Ordens paar Io mölits, enthaltend das Bild Friedrichs des Großen, ferner die Reiterstatue des Kaisers verliehen wurden. Die Kabinetsordre schließt mit den eigenhändig geschriebenen Worten: „Ihr stets dankbarer König Wilhelm." — In den letzten Tagen ist vielfach die Rede gewesen von einer Konferenz der großmächtlichen Botschafter, welche den Vertrag von Berlin einer Revision oder theilweisen Modifikation unterzuhen sollen. Die Nachricht ist in dieser Form unrichtig. Wahrscheinlicherweise dürfte es sich nur darum handeln, die Frage wegen des Forts Arab-Tabia zu regeln. Alle Großmächte haben die Nothwendigkeit anerkannt, den Vertrag von Berlin in allen seinen Bestimmungen, ohne Ausnahme zur Ausführung zu bringen. Es ist nicht wahr scheinlich, daß die Mächte ihre dießbezüglichen Anschauungen geändert haben. Die Zolltarifkommision des deutschen Bundesraths hat vorigen Sonnabend einen Zoll auf Holz im Betrage von 10 Pf. pro Centner beschlossen. Vor einiger Zeit hieß es, daß die Referenten einen Zoll von 5 Pf. beantragt hätten. Die Kommission würde also diesen Satz um das Doppelte überschritten haben. Zur Kennzeichnung der Be deutung dieses Beschlusses sei bemerkt, daß Holz bereits vor 1865 zollfrei einging. — Der Landes-Ausschuß von Elsaß-Lot hringen ist maßgebenden Ortes dahin vor stellig geworden, daß Elsaß-Lothringen eine selbständige Verfassung als Bundesstaat mit dem Sitze der Regierung in Straßburg i. E. und Vertretung im Bundesrath erhalte, und daß es nothwendig sei, den Elsaß-Lolhringern eine konstitutionelle Negierung zu geben, sowie das Recht der Initiative für die Volksvertretung. Laut Bekanntmachung des General-Posimeisters beträgt vom 1.April ab das Porto im gesammten Umfange des Weltpostvereins gleichviel ob nördliche oder südliche Halbkugel: 20 Pf. für frankirte Briefe, 10 Pf. für Post karten, 5 Pf. für Drucksachen, Geschäftspapiere und Waaren- proben. Unfrankirte Briefe kosten 40 Pf. Bet Geschäfts papieren wird als Mindestbetrag 20 Pf., bei Waarenproben 10 Pf. erhoben. Für die Korrespondenz nach den, dem Weltpost verein noch nicht angehörigen Ländern: Britisch Australien, Kapland, Siam, Costarika,-Guatemala, Nicaragua, Kolum bien, Venezuela, BoUvia, Ecuador. Paraguay, Urugay und einzelnen Inseln wird vom 1. April gleichfalls ein ein heitliches Porto eingeführt: 60 Pf. für frankirte Briefe, 10 Pf. für Drucksachen und Waarenproben, für letztere jedoch mindestens 15 Pf. Unfrankirte Briefe kosten 80 Pf. Was das Gewicht betrifft, so wird allgemein das Porto ür Briefe von 15 zu 15 x, für Drucksachen u. s. w. von 50 zu 50x berechnet. Für den Verkehr mit Oesterreich- Ungarn und Helgoland bewendet es bei den bisherigen ermäßigten Taxen. Die Verhandlungen zwischen Oesterreich-Ungarn und der Pforte in Bezug auf die Regelung der Okkupations frage sind bekanntlich von Neuem zum Abbruch gelangt. Die Differenzen zwischen den beiden Mächten bestehen im Wesentlichen aus drei Punkten. Zunächst will die Pforte eine unbedingte Anerkennung der Oberhoheit des Sultans über die oktupirten.Previnzen. Sodann verlangt die Pforte, daß die in der Türkei reisenden oder sich dort auf haltenden Bosniaken in Bezug auf ihr persönliches Rechts- verhältniß den türkischen Untsrthansn gleichgestellt sein und demgemäß nicht unter dem Schutz der österreichischen Kon suln stehen sollen. Der letzte Streitpunkt besteht in dem Garnisonsrecht, welches die Pforte in den wichtigsten Orten der okkupilten Provinzen fordert. Es ist selbstverständlich, daß Oesterreich in diesen Punkten keine Nachgiebigkeit zeigen kann. — lieber die Waffergefahr bei Sz ege bin meldet der „Pester Lleyd" unterm 8. d.: Die Stadt Szegedin ist gegen Nordwesten, Norden und Nordosten auf Kanonen- schußweite eingeengt und das feindliche Clement brandet fast hart vor den äußersten Häusern wider die innerste, letzte Vertheidigungsltnie. Das ganze wasserfreie Terrain im Norden beträgt kaum vier Quadrat-Kilometer. Alles außerhalb dieser E>. ceinte — ein Terrain von nahe 100 Quadrat-Kilometer — ist Wassermeer. Und weich' ein böses, tückisches, heftiges Meer! Bis heute Vormittags kam das Wasser nur allmälig und sanft, weil es im Nord westen bei Szekhalom Aifluß in eine geräumige Niederung — Feherto — halte; nun ist aber diese voll und gegen 10 Uhr begannen die Wasser sich zurückzustauen, stoßweise, brausend, hochaufschäumende Wellen werfend, an die letzten Dämme zu schlagen. Ein wülhender Nordwind peitschte sie noch ärger zum Zorne auf. Sie wälzen Häuschen, Schafhürden, ganze Heuschober, Baumstämme mit sich he ran, Zeugniß gebend von der Verwüstung, welche sie drau ßen an den Tai Yen und Häusern der zum Glück nur schwach bevölkerten Niederung angerichtet, von den Saaten gar nicht zu reden; das Terrain war gut mit Winter saaten und Raps bestellt. Hinaus auf dieses tückische, un bekannte Wasser wagt sich kein Fahrzeug, unten lauern Gestrüpp, Bäume, Hütten als gefährliche Riffe. Die Fluth ist 3—5 Klafter hoch in den Szillerer Weingärten, es ragen nur die obersten Spitzen der Schornsteine aus dem Wasser heraus ; die Einwohner von Algyö und Tape wurden größtenthetls mittelst Dampfschiffen und Kähnen eingeholt und kampiren nun auf den Dämmen und Straßen Szege- dins mit Weib und Kind und Vieh und Hausrath wüst durcheinander unter freiem Himmel. Die wenigen Zurück gebliebenen werden von Vasarhely aus versorgt. Die Physiognomie der Stadt ist der Gefahr entsprechend; alle Geschäfte geschlossen, Handel und Wandel suspendirt, die Hausetngänge bis auf vier Schuh Höhe vermauert, die Stimmung ernst, aber gefaßt, die Ordnung wurde keinen Moment gestört. Ein neueres Telegramm vom 10. d. meldet: „Die Lage in Szegedin ist unverändert; der heutige Wasserstand gleicht dem gestrigen." Ueber die Situation am 9. d. berichtet man: Um halb 3 Uhr war die Situation verschlimmert. Bet Dorozsma fließt die Fluth über den Bahnkörper. Um halb 7 Uhr zeigten sich bedenkliche Nisse im Alsölddamm. Die Gefahr ist sehr hoch. Eine behördliche Kundmachung verkündet' die Abholung arbeitsfähiger Leute aus allen Häusern zur Arbeit. Der aufgestellte Militärkordon läßt Niemand rhne Paß in die Stadt zurück. Fünf Matrosen retteten acht Menschen unter eigener Lebensgefahr.