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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188310296
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18831029
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18831029
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-10
- Tag 1883-10-29
-
Monat
1883-10
-
Jahr
1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ne-artio» nutz Lrprditioa IohanneSgaffe 33. Sprechstunden der Ledartien: Vonniltag« 10—13 Uhr. Nachmsttag« 5—8 Uhr. 8>cr »tt NitgZ-d« eui,«i<u>»«»r »Uuuifcrw«« «acht sch d>» «»»»cusn nicht »erdindUch, Annahme der skr dte «ächfts«l,ru»e Kummer befttmmten -nierate an Wochentagen di« 3 Udr Nachmittag«, an Lonn- und Kesttageu früh di« V,v Uhr. 3n den Filialen siir 3ns.-^noah«r: » Otto Klemm, Unlversitättstraße 31. ^ / LontS Lisch», Katharinenstrage 18. p. >- nur di« '/.3 Uhr 302. MWtr.Tageblatt Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Montag dm 2V. Oktober 1883. Auflage IS L00. Adonnemratipreis viertelf. 4'/, Mi. incl. Bringerloh» 5 AN., durch die Post bezöge» 6 Ml. Jede einzelne Nummer 30 Ps. Belegezemplar 10 Ps. Gebühren tür Srtrabeiluae» ohne Postbeiörderuug 3V Mk> «it Postbesorderuag «8 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile 20 Pf. LrLhere Schriften laut uusrrrm Proi«. Verzeichniß. . Tabellarischer o. Zissernsatz nach hoher« Tarif. Lttlamen unter dem Redartirndstrich die Svaltzeile 50 Ps. Jalerate sind stet« an die ExdedtttoN zu senden. — Rabatt wird nicht gegebe». Zahlung praeoumerullijo oder durch Post» uachaanme. 77. Jahrgang. Amtlicher Thetl. Stsenllilhe Sitzung -er Handelskammer Montaa, den 29. vetoder 1883. Adond« 3 Uhr t« deren Litzunsssaale, Nenmarkt 19, l. Bon der veröffentlichten Tagesordnung kommt Nr. Id in Deg- sast: dagegen treten hinzu, nach Nr. 9, ä: Berichte de« Berkehrs- SluSi'chusseS über s. da« Gesuch de« Herrn Bürgermeister -schiedrlch in Nossen, die Atseiidadn - Praleete Dresden - Wtliidrnff- reutschenbora und PotschaZpel-Wtlddniff-Uossen betr.: k. die Bcrordnuna des königl. Finanzministerium«, di« Gifenbahnzks» zwischen Leipzig und Lhrmnttz bete.; die Eingabe de« Eilcnbahn-ComitS« zu Lieberlwolkwitz, weitere Verwendung für da« Projekt «eithain-Lausigk-LiebertmolkvttznLeipitg betr. LteckiriefsergSnzung. Der unterm 1. Octoder er. gegen die unverehelicht« Anna Emilie Fehrmann au» Dre«den wegen Diebstahl«, Unterschlagung und Betrug« erlassene Steckbrief wird dahin ergänzt, daß sich die stehrmami auch Arbeiterfrau Emilie Juliane Brandt ged. Netchardt au« SennrSau bei Magdeburg nennt. Magdeburg, den 22. Octoder 1883. Der Erste Staatsanwalt. Widerruf. Die auf Dienstag, den 30. diese« Monat«, Nachmittag« 8 Uhr im Gasthos zu Klinga bei Naunhof anberaumtr Versteigerung findet Nicht statt. Grimma, den 37. Oktober 1883. Der «ericht-voüzieher de« Königliche« Amtsgericht«. Wolf. Nichtamtlicher Thetl. Leipzig, 2S. Oktober 1883. * In der Zeitschrift „Die Nation" untersucht der Abgeordnete Barth den zeitigen Stand der Bremi schen Zollanschlußfrage. Mit Recht macht der sach kundige Bersasscr darauf aufmerksam, daß die Verhandlungen über diese Frage, von deren Fortsetzung von Zeit zu Zeit dunkle Andeutungen durch die Presse gehen, irgend einen bemerkbaren Fortschritt nicht machen und daß auch gar nicht einzusehen ist, woran e« liegt, daß die Sache sich erfolglos von Jahr zu Jahr hinschleppt. Die Abneigung der Bremer gegen den Zollcinschluß bestand bi« zum Anfang de« Jahre« 1881, war aber, wie in dem Artikel versichert wird, nie in Zweifel, daß die Freibafenstellung für Bremen unhaltbar geworden sei, sobald Hamburg den Widerstand aufgegeben habe Der Zollanschlutz Hamburg« ist bekanntlich eine langst entschiedene Sache und rückt seiner Verwirklichung immer näher. Man hätte ganz gut gleichzeitig auch mit Bremen zur Entscheidung kommen können, wenn man die Verhand lungen pari pasüu wie mit Hamburg geführt hätte. An der Bereitwilligkeit Bremen« hierzu hat e« nicht gefehlt. WaS ist der Grund dieser dilatorischen Behandlung? „Derartige Entscheidungen, welche sür die gesammte wirtbschastlich« Eut- wickelung einer Handelsstadt von entscheidender Bedeutung sind, eignen sich gewiß nicht zur Verschleppung. Ein that- krästige« Gemeinwesen wird im Freihafen wie im Zollgebiet sich entwickeln können, wenn auch in der einen Lage besser, als in der andern, aber eS kann seine VerkebrScmstatten nickt auSbilden, wenn e- in beständiger Unsicherheit lebt, ob die nächste Zukmtft nicht die zeitigen Voraussetzungen über den Hausen wirst, von denen man bei Einrichtung derselben auS- gehen muß. Es kann ja sein, daß die Verhandlungen nicht zum Ziele führen, weil die Eoncessioneo, welche Bremen glaubt beanspruchen zu dürfen, nicht bewilligt werden. Aber dann weiß Bremen wenigsten«, wie es daran ist» dann wird man eventuell die öffentliche Meinung zu einem llrtheil der- aniassen können, ob die Wünsche Bremen« billig sind oder nicht. Dann wird man endlich beurtheilen können, ob über. Haupt auf den Eintritt Bremen« in« Zollgebiet kein erheb ticheö Gewicht mehr gelegt wird, und ob sich Bremen des halb im Freihafen wieder häuslich einrichten kann. E« ist auch ein Zeichen der unerfreulichen Verhältnisse unserer inneren Politik, daß man um da« Ziel, welche« auf dem geraden Wege in acht Tagen zu erreichen wäre, Jahre lang geheimnißvolle Kreise zieht." Man wird diesen Klagen gewiß die Berechtigung nicht absprechen können. E« mag aus fallend sein, da« gerade diejenigen, welch« noch vor Kurzem die Folgen de« Zollanschlussr« nicht düster genug schildern konnten, jetzt aus Beschleunigung desselben dringen. Wir vermögen auch nicht einzusehen, warum sür Bremen der Zoll anschluß gerade darum eine Nothwendigkrit geworden sein soll, weil er für Hamburg jetzt entschieden ist. Indessen e« steht fest, daß Bremen jetzt den baldigen Zollanschluß wünscht und seinerseits aus alle Weise zu fördern bereit ist, und wa« da« Reich betrifft, fo sprechen jedenfalls dieselben Gründe, welche bei Hamburg in- Gewicht fallen, auch sür die Zolleinigung mit Bremen, und eS wäre unbegreiflich, wenn, nachdem man sowohl die segensreichen wirtschaftlichen Folgen kür beide Theile al< den großen nationalen Gewinn der Zolleimgizng so warm brrvorachoven. nun Bremen allein noch länger außen stehen bleiben sollte. Ganz gewiß hat die« auch weder die Negierung »och sonst Jemand bei Abschluß de- Vertrage« mit Hamburg gemeint. Uni so gerechtfertigter ist der Wunsch, in diese langverschlepptc und stockende Frage endlich Klarheit zu bringen, zn erfahren, warum die Verhandlungen nicht von der Stelle rücken und ob sie überhaupt noch ernstlich geführt werken. Wenn die Aufklärung nicht früher erfolgt, wird der Reichstag bei seinem nächsten Zufammentreten die Aufgabe haben, die Sache gründlich zu beleuchten. * Tie „Nationalliberale Eorrespondenz" schreibt: „Kreuz- zcitung" und „Germania" stellen mit Entrüstung in Abrede, daß ein „Wahlaufruf" der Eentrumspartei in dem preußischen LandtagSwahlkrei» Deutschkraae-Flatow den Deutschconservativen da« Ansinnen gestellt habe, für den polnischen Candidaten gegen den freiconservativen rinzutretrn. Tie Nachricht ging in dieser Form durch eine Reihe van Mättern, wie die ,Ranziger Zeitung" und die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung". ES mag indessen zngrffanden werden, daß in einem förmlichen „Wahlaufruf" diese Zumuthung nickt enthalten war. Aber da» leitend, klerikale Blatt dortiger «Hegend, da» „Westpreußische BolkSblatt", hatte kurz vor der Dahl und nicht etwa gelegentlich an versteckter Stelle, son dern in einem ganz in Ton und Stil ofsicieller Wahlaufruf« ikhaltenen Ärmel geschrieben. „Ist e« den (konservativen rrnst, mit un« für Wahrheit, Freiheit und Recht rinzustehen, dann mögen sie jetzt den Bewei« liefern dadurch, daß st« mit un« für unseren (d. h. den polnischen) Tandidaten ihre Stimmen abgeben." Wenn der „Kreuzzeitung" und der .Germania" an dieser Berichtigung diel gelegen ist. so sei sie »iermit gegeben. Unsere Bemerkung, daß die Aufforderung ein charakteristische« Zeichen sei, wa« man im klerikalen Lager den Deutschconservativen nach dem Herzen der „Kreuzzeitung" zuzumuthen sich getraue, wird dadurch Nicht im Mindesten erschüttert." * Die „VolkSzcitung" bestätigt, daß noch jetzt rin Diätensond« der Fortschrittspartei rxistirt. au« welchem den nicht in Berlin ansässigen FractionSmitgliedern eine Entschädigung für die mit der Ausübung eine- Mandat» verknüpften pecuniären Opfer gewährt und der gemäß be- iimmten Beschlüssen der Fraktion verwaltet wird. Wir müssen in dieser Maßnahme einen Widerspruch gegen Art. 32 der Verfassung erblicken, welcher besagt: „Die Mitglieder de« Reichstags dürfen al« solche keine Besoldung oder Ent- chäbigung beziehen", und abgesehen davon müssen wir befürchten, daß daS Auseben und die Unabhängigkeit von ReichStagSabgeordneten durch eine solche Parleiunterstützung zesährdet wird. Die Sache ist in dem GreisSwalder Wabl- !amps von konservativer Seite stark und mit Erfolg auS- gebeutet worden. * Die ReichStagSersatzwahl in Dillingen« Günzburg, wo der Äbg. v. Sigmund, ein Hospitant des CentrumS. der häufig seine eigenen Wege ging, sein Mandat, wohl in Folge eine« sanften Drucke», niedcrgelegt hat, ist ans den 27. November anberaumt. ES wirb nun wohl ein echter CentrumSmann gewählt werden, der sich keine Unbotmäßig» leiten zu Schulden kommen läßt. Der Wahlkreis ist für andere Parteien ziemlich aussichtslos. Bei den vorigen Wahlen sind andere al« ultramontane Stimmen fast gar nickt abgegeben worden. Nur im ersten Reichstag war der WahlkreiS durch ein Mitglied der „liberalen ReicbSparlei" vertreten, in päteren Wahlen stimmte eine ansehnliche Minorität für die nationalliberale Partei. Es hat noch nicht« verlautet, daß gegen da» Eentrum ein Gcgencanditat aufgestellt werden wird. Luther in Leipzig. l-ipai» llpeimlt. M. Luther. Eine große, vielleicht eine allzu große Fluth von Luther literatur aller Art — Biographien, Charakteristiken, Studien, Dichtungen — knetet seit Wochen und Monaten ihre Dienste an, bei der bevorstehenden Lutherfrier Alt und Jung, Hoch und Niedrig, Arm und Reich mit dem äußern LrbenSgange de» Reformator« vertraut zu machen und seine vielseitige, schier unerschöpfliche Bedeutung sür unser Volk, sür unser ganze« Volk, ihnen zu Gcmüthe zu führen. Demselben Zwecke wird aller Orten an den festlichen Tagen selbst daß lebendige Wort dienen, in Kirche lind Schule, in Hallen »nd auf Markten. Aber außer diesem Blick auf da« Ganze wird — und da« ist menschlich und natürlich — gerade bei solchem Anlaß der Blick lieber und eifriger denn ze auch aus den nächsten Nmkrei«, auf Heimatb »nd Wohnsitz gerichtet. Jede« Dorf in protestantischen Lande», da» einen schönen alten Lindenbaum auf seinem Kirchhofe bat, preist jetzt seine „Luthertindr" und erzählt, wie Luther einst unter ihren Zweigen gevredigt, weil da« Kirchlein die zuströmende Menge nicht habe fassen können. Um wie viel näher liegt für eine Stadt wie Leipzig, dir für einen der entscheidendsten Fortschritte in dem Werden und Wachsen de« Resormationswerke« den Schauplatz und Boden abgegeben hat, der Wunsch, in diesen Tagen reckt Genaue« zu erfahren über die Bedeutung» dt« sie für Luther und Luther für sie gehabt hatl Den letzten Anlaß, sich eingehende« mit v«r Geschichte der Beziehungen Luther'« zu unserer Stadt und der Geschichte ihrer Schicksale in der ReformattonSzeit zu beschäftigen. bot da« dreihundertjährige Jubiläum der Einführung der Refor mation in Leipzig »n Jahre 1839. Aber fast Alle», wa« damals über den Gegenstand gesprochen, geschrieben und gedruckt wurde, war nicht« al« «ne Wiederholung de« lücken haften und zum Thcil zweifelhaften Material», welche« sich in I I BogrL«Annalen(l7l4)»nd außerdem in dcnbeiven Jubel- schriften derIahre1639 und 1739 findet: in L.IerrmiaS Weber'« „Evangelischem Leipzig" und Carl Gottlob Hofmann'« ,.A»S- sützrlicher Reformation-Historie der Stadt und Universität Leipzig". Nur ein einzige« Buch machte eine rübmliche Aus nahme : K. Chr. Gretsckel'S „Kirchliche Zustände Leipzig« vor und während der Reformation im Jahre 1539", da« zum guten Theil au« bi« dahin ungedrucktrn Quellen geschöpft war. So war noch im Jahre 1844 die Klage wohlberechtigt: „Die ResormationShistorie Leipzig« ruht saustest noch auf demselben unsicher« Grunde, den nach einigen Chronisten Weber, Vogel und Hosmann ihr einst gegeben." Aver der diese Klag« erhob — e« war Carl Geidemann, der Pfarrer in Eschdors be, Pillnitz, gestorben 72 jährig im Jahre l879 —, hat auch Jahrzehnte lang mit lauterstem und unermüdlichstem gorickerriser dafür gewirkt, daß sie hin fällig wurde. Seine Arbeiten zur sächsischen Resormations- aeschichte — sein „Thomas Münzer" (1842), seine „Leipziger Disputation" (1843), sein „Karl v. Miltitz" (1844), seine .Erläuterungen zur Resormatioii4geschichte" (1844), seine „Beiträge zur RrsormationSaeschicht»" (1848 — 48) — iämmtlich beruhend aus einer umfassenden Kenntniß der Streit, schriftenliteratur ans der Reformationszeit und einem reichen, von ihm zuerst gehobenen Urkundenschatze, haben auch der Rrf»rmation«gesch>chte Leipzig« erst rin sichere» wissenschaft liche« Fundament gegeben. Leider sind diese unschätzbaren Arbeiten selbst manchem Kenner «nd Freunde unserer Ort«, gesckichte unbekannt geblieben. Die nachfolgenden Aufsätze dürsten daher zualeich der erste versuch sein, die Ergebnisse von Seidemann'S Studien für eine populäre localgeschicht liche Darstellung zu verwerthen. 1. vor der Leipziger Disputation. Schon bei dem äußern Lnstoße zur Reformation war Leipzig durch ein Stadtkind betheiligt. Der Ablaßkrämer Johann Tehel war der Sohn eines Leipziger Goldschmied» (Teyel — Dietzel), wurde 1442 an der Leipziger Universität inscribirt und um >489 in den Dominikanerorden aus- genommen. Auf seinen Wanderzügen durch Deutschland hatte er schon zwischen 1502 und t504. dann wieder 1508. 1507. 1516 und 15l7 in Leipzig den «blaß gepredigt. Namentlich zu Messenszeiten fand er sich ein. Seit dem Jahre 1518 lebte er eingeschüchtert und zurückgezogen im Leipziger Dominikanerkloster, nachdem er einen schwache» Versuch gemacht hatte, auch schriftstellerisch gegen dulher in die Schranken zu treten: mit Gcgenthesen gegen die Thesen Luther'« von l517. Zu der Zusammenkunft m Alten burg, zn der ihn Miltitz gleichzeitig mit Luther >m December 15l8 einlud. wagte er. au- Furcht sür sein Leben, ruckt zu erscheinen, so daß Miltitz, um ihm seine Sünden vorzuhalle», nach Leipzig kommen mußte. Aber auch die Gelehrten, mit denen Luther sonst im Kampfe zuerst znsainmcnstieß. waren Leipziger. AlS er im Juli >517 zum ersten Male in Dresden war, wo er vor Herzog Georg di« bekannte „Möucheprcdigt" hielt, lud Hieronymus Emser, des Herzog« Caplan und Secrctair, ihn mit Ankeren zu einem Abendlrunke ein. Bei dieser Gelegenheit fand Luther, wider sein Erwarten, ein „Leipziger Magisterlein" (lüpssnni» mogistvrculu») vom Dominikanerorden vor, da« ibn in einen Streit über den „fünften Evangelisten", den Thomas von Aquino, verwickelte, insolge dessen sich Luther bann als un wissender Mann verleumden lassen inußte — ein kleine« Vorspiel zu den zahllosen Angriffe», die bald von Seiten der Leipziger Universität gegen ihn ergehen sollten. Durch die Theilung Sachsen», welche im Jahre 1485, 21 Jahre nach dem zu Leipzig erfolgten Tod« Fricdrich'S de- SanftmUthigcn, stattgefunkcn batte, war Leipzig mit seiner Universilät der albertinischen Linie der Wettiner zugefallen, die von 1485 bi« 1500 mit Herzog «lbrecht dem Beherzte» begann. Kurfürst Friedrich der Weise, der ein Jahr nach der Theilung, I486, nach Ernst'« Tote die Negierung de« ernrstinischen Lande« bekam, trug sich aber schon Anfang der neunziger Iabre mit dem Gedanken, auch in seinem LandeS- theile eine Hochschule zu errichten. So wurde im Octoder lb02 die Universilät Wiltenberg gegründet. Bald wurde die ältere Schwester von der jüngeren überholt. Wiewohl Herzog Albreckt und später Herzog Georg bemüht waren, di« Leipziger Universität in jeder Weise zn fördern, konnten sie dock nicht verhindern, daß unter den Einflüssen theologischer Univrrsiläl«m!inner und Collegiaten, durch zake« Festhatten an der alten scholastischen Wissenschaft und Mißgunst aus die neue humanistische Richtung, überdies auch durch faule«. Üppige« und liederliches Leben — man sehe nur. welche Rolle Leipzig in den Briefen der Dunkelmänner (^pwtolas virorum odscurorum) spielt! — die Universität bergab ging und von Wittenberg, wo Friedrich der Weise die humanistischen Studien begünstigte u»V wo eckte« wissenschaftliches Leben herrschte, überflügelt wurde. So stände» beide Universitäleu schon in einem Gegensätze, noch ehr die kirchliche Frage auch nur »igerührt war. Seit vollend« Luther am 31. Octoder 15t7 1 - übrigen» einer alten Uttiversitätsgewohnheit folgend — seine 95 Sätze gegen den Ablaß zu mündlicher und scbrist sicher TiSpulalion an die Thür der Schloßkircke zu Willen« brrg geheftet hatte, wurde die Stellung der beiden Universi täten zu einander immer gespannter, die Studcutenzahl Wittenbergs stieg, während die Leipziger zurückgiug; die Miß gunst Leipzig» wuchs, die Leipziger Dominikaner fingen an. aus aebäftlge Weise von den Kanzeln herab da« Volk zu bearbeiten, gegen de» dreisten Augustiner Partei zu nehme». Mit dem Führer der Leipziger Universilät-thcologen, dem Dr. Hieronvmu« Dunger-heim von Ochsensart oder Ochsensurt a. M. in Franken (daher auch kurz l)r. Ocksenfarl genannt), gerieth Luther schon im März l5l8 brieflich in Zwiespalt wegen der Legende von der Großmutter Christi, der Heiligen Anna. Der AnnencultuS stand in Sachse» seit den neunziger Jahren de« 15. Jahrhundert« in besonderer Blüthe. Luther kannte die Stadt Leipzig wohl, al» diese Kämpfe auSbrachen. Er batte sie jedenfalls schon 15l0 aus seiner Romfahrt berührt, denn ohne Zweifel ist er die gewöhnliche Handelsstraße gezogen, die von Leipzig über Nürnberg. AuaSburg und den Brenner nach Verona fübrte. Ii» Jahre 15l2 hatte er sich persönlich da« Geld, welche« ihm Kurfürst Friedrich zur Bestreitung seiner Promotiontkosten schenkte, in Leipzig bei den kurfürstlichen Rentmeistern Pfefsinger und Dolzig geholt. Dann war er vielleicht 1516, sicher 1517 und avermal« zur Neujahr«messe 1518 in Leipzig. Im April 1518 berührte er die Stadt wieder aus der Reise zu dem nach Heidelberg zufammeilgerusenen Convent des Äugustiner-Ordcn«. Er reifte in den ersten Tage» nach dem Sonntag Quasimodogeniti (v. i. t l. April) von Wiltenberg ab, war am 15. Apnl in Coburg, am 17. in Würzburg, am 2t. in Heidelberg, wird also am 13 oder 14. April in Leipzig gewesen sein. Bei wem er damals eingekchrt, er fahren wir au« einer Untersuchung, die vier Jahre später der Leipziger Ralh aus Befehl Herzog Georg'« anstellte, weil dieser gehört batte, daß Luther sich öfter heimlich in Leipzig aushalten sollte. Da wurde auch (im Februar 1522) „Liboriuö Dietmar, etwan (V. h. ehemals) ein Buchführcr (Buch händler)" mit vorgesordert und sagte au«, „daß Doctor Martinu« Luther niemals bei ihme gelegen, denn ungefähr lich vor vier Jahren sei er hie durch aus ein Capttel ge» zogen, da Hab er da« Mittagsmahl in seinem Hause gesscn und wieder von dannen gereist." Andere Augustinermönchc von Wittenberg bätten öfter bei ihm geherbergl. Wo dieser Dietmar seine Herberge gehabt, ist nicht mehr zu sagen; im Stadtbuch ist er nirgend« zu finden. Wie aber Luther in dem angeführten Falle bei einem Buchsührer einkebrte, so trat er überhaupt früh in enge Beziehungen zum Leipziger Buchdruck und Buchhandel. Die Wiltenberger Universität war in den ersten Jahren ihre« Bestehen« aus au»wärtige Druckereien angewiesen. Erst seit 1509 ist eine eigene Wittenberger Druckerei nachweisbar, die ihr Domicil im Augustiner-Kloster hatte, und au« der auch >517 die These» Lutber'« hervorgingrn: die de» Johannes Grünenberg. Aber Niemand war mit seinen Leistungen zu frieden. Er hatte keine griechischen Lettern, wa« namentlich Melanchthon'« Kummer war. seine Schriften waren schlecht, man klagte über seine Faulheit, seine Drucke waren unsauber »nd voller Fehler So wandte sich Luther schon seit dem Sommer 1518 mehrfach mit Druckausträzr» an den besten Drucker, den Leipzig damals auszuweisen hatte, der Alle« für den Leipziger Rath und den Meißner Bischof druckte und daneben eine umfangreiche VerlagSthätigkeit ent- faltete, a» Melchior Lotter, der aus der Hainstraße (da wo jetzt da« Hotel de Pologne steht) rin eigene« Hau» besaß, worin er sein Geschäft und zugleich — wa« damal« bei Gewerbtreibenden keine Seltenheit war — eine Hrrberg« mit Weiilscbaiik halte.*) Bei längerem Verkehr mit Lotter wurde aber in Lutber der Wunsch rege, den vortrefflichen Leipziger Drucker, der überdies sein Namensvetter war — den» Lutber ist Lotter und wird in jener Zeit bisweilen selbst so geschrieben — ganz sür Wittenberg zn gewinnen und ih» zur Uebersiedelung nach Witlenberq zu bewegen. Die« gelang ihm; im Mai llilS mar die Errichtung einer Druckerei in Wiltenberg durch Lotter beschlossene Sacke. Hocherfreut schreibt Luther damals an Spalati», den Caplan und Secrctair Friedrich « de« Weisen: „Melchior Lotter kommt, mit trefflichen Matrizen versehen, die er von Froben jdem berühmte» Baseler Druckers bekommen hat, und ist bereit, bei un« eine Druckerei einzurichlen, wenn unser durchlauchtiaster Fürst geruhen wird, seine Zustimmung dazu zu geben. Wir glaube», daß die« für un«. insonderheit >ir unsere Universität eine Zierde sein werde, aber auch ein Vorlheit sür die Hörer, zumal da PüilippuS zugegen ist, der die griechische Sprache gern treulich und reichlich au«breitcn möchte." Die Vorbereitungen zur Ueberstedctuiia Lotter'« zogen fick aber noch bi« Ende de- Jahre« 1519 hin. In zwischen sollte Luther noch Gelegenheit finden — falls es nicht schon früher geschehen — die Herberge Lotter's zu be nutzen, und zwar bei demjenigen Ereigni«, welches m der Geschichte der Beziebungen Luther'« zu Leipzig unzwrisel- bast die hervorragendste Stelle einnimmt: bei der Leipziger Disputation. Der Hauptgegner, den sich Luther durch seine Witten berger Thesen zugezogen hatte, war der Psarrer und vice- kanzler der Universität Ingolstadt I)r. Johann Mair aus Eck (gewöhnlich vr Eck genannt). Dieser trat gegen Luther mit einer Streitschrift auf, den „Obelisken" (eigentlich „Spießchen", wie man sie zur Bezeichnung verdächtiger Stellen in Handschriften brauchte), aus welche zunächst vr. Andreas Bodcnstcln von Carlstadt (kurz vr. Carlstadt genannt) ant wortete und an welche sich dann ein weitläufiger Schriften, Wechsel anschlcß. Unterdeß wurde Luther im August löt8 zur Verantwortung nach Rom gefordert, wo unter dem Vorsitz de« alten Dominikaner« Sylvester Prieria« (au« Prierio), der Ende deS Iabre« ldl? gleichfalls mit einer Streitschrift gegen die Luther'schen Thesen, einem „DialoguS", aufgetretrn war, ein Gericht über Luther abgehalten werden sollte. Politische Rücksichten bestimmten den Papst, seine Citation wieder fallen zu lasten und statt dessen seinen Legaten in Deutsch land, Cardinal Thomas de Vio von Gaeta (daher Eajetanus), niit der Beilegung der Luther'schen Sache zu beauftragen. Da» Verhör, da« Cajetan im Oktober 1518 in Aug-burg mit Luther anstelltc, verlies erfolglos. Ende Oclober kehrte Luther nach Wittenberg zurück, wobei er wieder durch Leipzig kam. Jur Decembcr traf rin neuer Unterhändler von Rom ein, der päpstliche Kämmere- Carl v. Miltitz, «in junger iäLssscher Adeliger, der Luther sür Januar 1819 zn «iner Zusammenkunft in Alteubnrg einlud. Durt versprach Luther, den Streit ruyen zu lassen, wenn auch die Gegner schweige» würden, verstaub sich auch zu einem einlcnkenven Schreiben an den Papst. Aber noch ehe de« Papste« gnädige Antwort eintras, war durch Eck der Streit von Neuem angefacht worden. Eck war zufällig in A»a»bura mit Luther zusammen getroffen. al« dieser sich aus die Vorladung Cajetan'» dort eingestellt halte. Bei dieser Gelegenheit hatte Eck den Vor schlag einer Ti-putation gemacht und zwar zunächst mit Carlstadt. Aber auch Luther, der sich schon Cajetan gegen über dazu erboten hatte, war zu einer Ti«putation mit Eck bereit, und e« waren verschiedene Städte, vor allem Erfurt und Leipzig, dazu in Vorschlag gekommen. Eck, der sicherlich die zwischen den Universitäten Leipzig und Witten berg bestehende Eifersucht kannte, wablte Leipzig und wandte sich am 4. December I5t8 mit der Bitte, ihm eine Dispu tation mit Carlstadt zu gestatten, gleichzeitig an die theolo gische Faeullät in Leipzig, an die Universität selbst und an den Herzog Georg. In Folge dessen kam e« »wischen den drei Genannten zu einem heftige» Zwiesvalt. Der Herzog und die Universität waren geneigt, die Disputation zu ge statten» die Faeintät war dagegen und bewog auch den Bischof Adolf von Merseburg, zu dessen Sprengel Leipzig gehörte, den Herzog von seinem Vorhaben ahzubrinaen. Daraus schrieb Georg, gereizt durch die hierarchischen Absichten feines Bischofs und der Leipziger Theologen, einen bitter» Brief an den Ersteren unv ertheilte der Universität Besebl, die DiSputatiou zu gestatten. Münd liche Unterhandlungen, die der herzogliche Rath Cäsar Pflug auf Bitten deS Bischof« in Merseburg gepflogen halte, führten zu keinem Vergleich; der Bischof erklärte, daß er ge zwungen sein werde, die DiSputatiou durch ein öffentliche« Mandat zu verbieten. Noch während aber so im Januar und Februar t519 zwischen Leipzig, Dresden und Merseburg die Boten hin. und vergingen, änderte sich die Sachlage aus Seite» der Dispu tatoren. Eck hatte bereit» Ende December seine bevorstehende Disputation mit Carlstadt öffentlich angekündigt und zwölf Thesen bekannt geniacht, über die er disputiren wollte. AuS seiner Ankündigung aber wie au« seinen Thesen ging un zweifelhaft hervor, daß er die Absicht hatte, Luther mit in den Kamps bineinzuziebcn. Und sowie er die ZiU'ge de- Herzog», der Universität und der theologischen Faeullät in den Händen hatte, lud er denn auch Luther» geradezu zur Disputation nach Leipzig, da Carlstadt nur Verfechter, Luther da« Haupt de» Kampfe« sei. Gleichzeitig rickietc Luther einen offenen Brief an Carlstadt, worin er die Disputation gegen Eck als ihre gemeinschaftlich« Angelegenheit ausfaßte und Carlstadt aufforderte, zugleich mit ihm an den Herzog und an den Leipziger Rath z» schreibe», daß ihnen ein weltliche« Hau« zur Disputation cingeräumt werde, da die Herren Doctores an der Universität da» Richtkramt abgelebnt hätten. Darob große Entrüstung der Universität, die sie Liilhcrn in einem Briefe auSsprach, während sic zugleich de» Herzog bat, die Disputation Luther'« zu verhindern. Aber auch Luther schrieb an den Herzog und an die Universität und bat. seinerseits ihn zur Ditputation zuzulafscn. Der Herzog verlangte. Lutber möge sich mit Eck der Disputation wegen einigen, dann solle ihm Antwort werden. Zu dieser Verständigung kam e« nicht; es war genug, daß Eck bei einer nochmaligen Veröffentlichung seiner Thesen im März anstatt der früheren zwölf deren dreizehn gab. von denen die neue auaenfchrinlich gegen Luther gerichtet war, und ankündigte, daß er „gegen Luther und *) Lotter'« Hau« war von den drei Häusern, an desse» Mell« jetzt da« Hotel de Pologne steht, da« am weitesten heraus »ach de« Markte zu gelegene. Im 17. Jahrhundert hieß e« „Zum Blrubü»»*,
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