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Wmmm Ameiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abvnnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mk. Zeitluig fir Ullriuld, Skiftrsdüks, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Liiban, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Mittwoch, den 31. Oktober 1900. 13. Jahrgang. Nummer 129 Aus Nah und Fern. — Du Kollekte für den G u st a v - A d o l f - V e r e in, die nm Reformationsfeste in allen Gotteshäusern unserer evang.-luth. Landeskirche gesammelt wird, sei auch an dieser Stelle auf das Wärmste empfohlen. — Wie in früheren Jahren, so wird auch am morgenden Reformationsfest der beliebte Rabenauer Männergesangverein „Apollo" ein Gesangs-Concert im Amtshof abhalten. Bei der anerkennenswerthen Pflege, die der Verein ernsteren Liedern angedeihen läßt, als auch der Originalität der jedes Mal zum Vortrag kommenden Couplets und Gesammtspiele, darf man be haupten, daß keiner der Concertbesucher bereuen wird, die Vorführung besucht zu haben. — Am Sonntag Mittag 12 Uhr ertönten in Soms dorf Feuersignale. Im Borlas'er Wald brannte Buschwerk. Dnrch schnelle Hilfe der Feuerwehr und sonstige Einwohner wurde das Feuer ohne bedeutenden Schaden anzurichten gelöscht. — Der Cigarrenfabrikant und Trichinenschaner Herr Julius Oswald Kummer in Seifersdorf ist als Laienfleischbefchauer für Seifersdorf, Spechtritz, Malter, Paulsdorf, Paulshain und Seifen in Pflicht genommen Morden. — Der bisher im plauenschen Grunde als Brett schneider lhätig gewesene Clemens, in Tharandt Mohnhast, hatte am Sonnabend Nachmittag auf der Halde des Carolaschachtes zu Döhlen, beim Ausgraben von röth- licher Asche, das Unglück, von nachrollenden Haldengestein bis an den Hals verschüttet zu werden. Durch den furcht baren Druck wurde dem Aermsten der linke Oberschenkel gebrochen. Auch klagt er über Schmerzen in der Brust. Statt der Asche brachte das Tharandter Lohngeschirr den verunglückten bejahrten Mann nach Hause. — Ein nettes Kriminalgeschichtchen wird aus Meran berichtet: Der Knecht eines Bauern in der Umgebung sollte wegen Wilddiebstahls eine zehntägige Arreststrafe absitzen. Da der Bauer wegen dringender Arbeit den Knecht schwer entbehren konnte, bewog er gegen Entlohnung von 20 Kronen einen anderen Knecht, als „Stellvertreter" des seinigen die 10 Tage zu brummen. Am zweiten Tage wurde der Schwindel entdeckt und nun sitzen alle drei. Der erste Knecht erhielt 20, der Bauer 14 und der Stellvertreter 10 Tage Arrest ohne Entlohnung. — Da es nicht ausgeschlossen ist, daß der am 28. Okt. in der verlängerten Hennigsdorfer Straße in Berlin todt anfgesundene Steinsetzer Hoffmann das Opfer eines Verbrechens geworden ist, setzt das Polizeipräsidium 1 0 0 0 M ' Belohnung auf die Ermittelung des Thäters aus. — Wegen Ermordu n g der eigenen Mutter wurde vom Schwurgericht Landsberg a. W. die geschiedene Eigen- thümersfrau Luise Sauermann geb. Schröder aus Stein höfel bei Gurkow zum Tode verurtheilt. Die Angeklagte gestand vor Gericht ein, ihre Mutter im Bett unter der Decke erstickt zu haben. Dann habe sie die Leiche ent kleidet und auf den Hof geschleift, im Dunghaufen eine tiefe Grube gegraben und die Leiche hineinzuwerfen ver sucht. Da die Grube als zu klein sich erwies, habe sie sich ein Beil geholt und ihrer Mutter zunächst den Kopf abgeschlagen, Arme und Beine geknickt, sowie den Brust kasten eingeschlagen. Es sei dunkel gewesen und sie habe nicht genau sehen können, wohin sie schlug und welche grauenhafte Wirkung die Hiebe mit der Axt ausübten. Nachdem sie die schrecklich zugerichtete Leiche in die Grube geworfen, habe sie dieselbe wieder mit Dung ausgefüllt. Die Angeklagte ist eine kräftige Person, die immer schwere Männerarbeit verrichtet und auch das Schlachten von Schweinen u. dergl. in ihrem Haushalt stets selbst besorgt hat. Sie ist als gewaltthätig in der ganzen Gegend bekannt. — Der in Bamberg angestellte Postbureaudienerge hilfe Passing hat 50000 M., darunter 47 Reichskassen scheine zu je 1000 M., unterschlagen und ist geflüchtet. — Ein Nachspiel. Aus Elberfeld wird berichtet: Ein starker Sturm warf am 27. d. M. drei, vom Kaiser besuch her noch stehende Obelisken um. Eine vorüber gehende Fran aus Barmen wurde von dem Balkenwerk so unglücklich getroffen, daß sie einen schweren Schädel bruch erlitt. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. — Ein Wiener Blatt veröffentlicht Enthüllungen zum Transvaalkrieg, welche von dem soeben aus Transvaal nach Berlin zurückgekehrten Grafen Otto v. Waldstein-Wartenberg stammen. Darnach soll erwiesen sein, daß die Boerengenerale Joubert, Lukas Meher und Sneman Verräther waren. Joubert, der einige Häuser in Ladysmith besaß, habe zur Vermeidung des Bombarde ments freiwillig die Belagerung aufgegeben, als das eng lische Entsatzkorps nahte. Man habe Joubert feiten der Boeren Gift gegeben, an dem er gestorben sei. Lukas Meyer und Sneman hätten, von den Engländern be stochen, den Freistaat ausgeliefert; sie seien dafür er schossen worden. Meyer sei von Dewet eigenhändig niedergeschossen worden. — Uebers chwemmungen haben im Norden Englands an mehreren Stellen stattgefunden, so daß die Eisenbahnlinien überflnthet sind. — Unglücksfall bei einer Hochzeitsfeier. Wie man aus Konstantinopel berichtet, hat sich vor Kurzem in Ergheri (Vilajet Janina) ein schwerer Unglücksfall er eignet. Bei einer Hochzeitsfeier stürzte das Dach des Hauses, in welchem die Hochzeitsgäste versammelt waren, plötzlich ein und begrub über 50 Männer, Frauen und Kinder unter den Trümmern. Der Herr von Neurodc. Von Josephine Gräfin Schwerin. (RvchdnM verboten.) Fräulein Hartfeld hatte seit länger als sechs Jahren Elisabeth Waldau bei sich, die nach jeder Richtung hin ihrer Stellnng genügte, nicht nur, daß ihre gesellschaftliche und wissenschaftliche Ausbildung eine vollkommene war — sie hatte sie ja im Hause des Fräulein Hartfeld genossen, dar über konnte also kein Zweifel auskommen — sie war, da sie miltlerweile ihr viernndzwanzigstes Jahr erreicht hatte, auch wohl geeignet, die jnngen Damen hier und da zu be gleiten, ja, sie war auch bereit und im Stande, Fränlein Harlfeld im Haushalt zu unterstützen. Eme Perle, nannte die Dame sie zu Jedem, der es hören mochte, und versäumte es nie, ihre Anwesenheit im Hause als einen besonderen Vortheil den sich bei ihr meldenden Pensionären gegenüber hervorzuheben. Als Elisabeth Waldau noch kaum vierzehn Jahre zählte, hatte ihr Vater sie zu Fräulein Hartfeld gebracht. „Waldan, Hauptmann a. D., Münch.n,Theresienstraße," hatte auf der Karte gestanden, mit der er sich anmelden ließ. Er wünsche seiner Tochter eine ausgezeichnete Erziehung zu geben, in seinem Hause gehe es etwas lebhaft zu, seine Frau sei durch viel Geselligkeit beansprucht, habe nicht Zeit, auf Else genügend zu achten, ihm sei das Pensionat des Fräuleins besonders empfohlen, seine Tochter solle die beste Schule besuchen, namentlich Französisch und Englisch fließend sprechen lernen. Fräulein Hartfeld hatte Bedenken gehabt; die jungen Damen in ihrem Hause seien alle älter, Kinder pflege sie nicht bei sich aufzunehmen; doch Hauptmann Waldau war so dringend in seinem Wunsch und sagte schließlich eine so hohe Pension zu, daß sie einwilligte. Elisabeth war dann bis zu ihrem achtzehnten Jahr bei ihr geblieben, hatte fleißig gelernt, sich als sehr begabt erwiesen, sich auch leicht in das Leben des Hauses geschickt, jedoch ohne sich an Fränlein Hartfeld oder eines der vielen jungen Mädchen, die im Laufe der zwölf Jahre im Hause aus und ein gingen, wärmer anzuschließen; sie stand mit allen freundlich aber kühl, so daß, als einmal eine jnnge Engländerin gesagt hatte: „Mich scheint zu sein dies Else cku Vesuv," alle andern nicht nur über den drolligen Wort laut, sondern auch über die Idee gelacht hatten. , In regelmäßigen, ziemlich langen Zwischenräumen war ein Brief ihrer Ellern, meistens ihres Vaters, angekommen, den sie jedes Mal ohne besondere Freude empfing und be antwortete; sie hatte auch niemals Bangigkeit nach Halise Mr den Wunsch einer Ferienreise dorthin geäußert. Bald nach ihrem zurückgelegten achtzehnten Jahre sollte sie das Haus des Fräulein Hartfeld verlassen, und jetzt zum ersten Mal trat ein tieferes Gefühl bei ihr hervor: sie weinte lange und heftig, als es ihr initgetheilt wurde; alle sahen sie ungern scheiden und jedem fehlte sie. Zwei Monate waren vergangen, dann kam sie Plötzlich wieder, es gefalle ihr im Elternhaufe nicht und sie bitte das Fränlein, sie wieder bei sich aufzuneymen — freilich nicht gegen Pension, die könne sie nicht zahlen, doch stelle sie ihre ganze Kraft ihr zur Verfügung, sie beherrsche ja die fremden Sprachen vollständig, könne darin unterrichten n. s. w. Das alles hatte sie sehr bleich, mit zitternden Lippen und sichtlich nur mühsam beherrschter Erregung gesprochen. Fräulein Hartseld war zunächst die ganze Sache ziem lich unangenehm, sie konnte sie in Konflikte mit Elsens Vater bringen, die ihrem Pensionat Schaden thun möchten. Vielleicht aber wünschten die Eltern selbst Elsens Rückkehr zu ihr und so forderte sie nähere Erklärungen. Else sagte: es sei da nichts zu erklären, es gefalle ihr zu Hause nicht, sie wolle Beschäftigung und Fräulein Hartfeld habe ja schon längst davon gesprochen, eine junge Dame zu ihrer Unter stützung zu engagiren. Fräulein Hartfeld überlegte: eine geeignetere Kraft als Elisabeth konnte sie kaum finden; so erklärte sie ihr: sie wolle sie gern behalten, müsse nur die Genehmigung ihres Vaters haben. Darauf schien Elisabeth nicht vorbereitet, doch nach kurzem Zögern versprach sie, zu schreiben, und umgehend erfolgie in knappen Worten die erbetene Zustimmung des Hauptmanns. Damit war die Sache geordnet. Fräulein Hartfeld war sich ganz klar darüber, daß hinter dieser schleunigen Rückkehr Elisabeths und dem Plötzlichen Ent schluß des doch zum mindesten wohlhabenden Mädchens — denn außer der hohen Pension hatte der Hauptmann auch ein reichliches Taschengeld für seine Tochter geschickt — eine bezahlte Stellung anzutreten, irgend ein besonderer Grnnd stecke, etwas war in diesen Verhältnissen nicht richtig. Else — wie man sie hier nannte — erschien überdies sehr still und abgeschlossen, sah bleich aus und um ihren Mund lag ein fremder Zug. Doch Fräulein Hartfeld fühlte sich nicht veranlaßt, nach dem, was man ihr nicht mittheilte, zu fragen; vielleicht hätte es dem jungen Mädchen wohl- gethan, sich aussprechen zu können, vielleicht bedurfte sie eines Rathes, allein Fräulein Hartfeld war nicht geneigt, das Wohl anderer Leute über ihr eigenes zu stellen. Für sie war es Vortheilhaft, von den irgendwie zweifelhaften Verhältnissen eines jungen Mädchens, das in ihrem Hause eine Stellung einnahm, nichts zu wissen, dadurch war sie frei von jeder Verantwortung und vor unnützen Klagen und Fragen bewahrt. Bald dachte sie über diese Dinge auch nicht mehr nach; Elisabeth füllte ihren Platz vortrefflich aus, daß von ihren Eltern nie mehr ein Brief kam und daß keine Spur von der Fröhlichkeit eines jungen Mädchens in ihr war, was ging es ihre Herrin an? Nach länger als fünf Jahren traf die erste Nachricht von Elisabeth's Eltern ein, es war die Anzeige von dem Tode ihrer Mutter „nach kurzer Krankheit". Fräulein Hartfeld erwartete, daß Elisabeth nun den Wunsch äußern würde, zu der Beerdigung nach München zu reisen, doch es geschah nicht; sie legte Trauerkleider an, zeigte aber im klebrigen keine besondere Betrübniß. Ein Jahr war seitdem vergangen, als durch die Zeitungen allerlei sensationelle Nachrichten schwirrten. In München habe ein nobel auftretender Mann, der sich sogar den Titel eines Hauptmanns a. D. beigelegt, die reiche und vornehme Männerwelt in sein Haus zu ziehen gewußt, seine schöne Frau — eine Dame der Halbwelt — habe ihn dabei durch ihre Reize unterstützt, man habe dort hoch und, wie sich jetzt herausstellt, falsch gespielt; der betreffende Herr habe auch gegen Wucherzinsen Geld verliehen und den Ruin, ja das Leben von mehr als einem jungen Manne auf dem Gewissen. Die Untersuchungshaft sei über ihn verhängt. Zuerst las Fräulein Hartfeld die Notiz ohne besonderes Interesse. Dann kam eine zweite: der Prozeß gegen den Wucherer und Falschspieler Hanptmann a. D. W gewinnt noch an Umfang, da jetzt der begründete Verdacht vorliegt, daß er seine Frau durch Gift umgebracht habe. Seit langem hatten ernstliche eheliche Zwistigkeiten bestanden, durch die Eifersucht der Frau auf eine junge Rivalin hervor gerufen, die den abendlichen Zusammenkünften im Hause wohl einen Reiz verleihen sollte, den die alternde Frau nicht mehr auszuüben vermochte. Es sei häufig zu Scenen gekommen, die für alle übrigen Bewohner des Hauses zum Aergerniß geworden; der plötzliche Tod der Frau habe dem ein Ende gemacht. Durch die damals zur Schau ge tragene Trauer habe der Mann zu täuschen gewußt, jetzt glaube man sicher annehmen zu müssen, daß er selbst die Frau getödtet habe. Nun wurde Fräulein Hartfeld aufmerksam: Hauptmann a. D- W., der Tod der Frau vor einem Jahre — ihr wurde sehr unheimlich bei der Geschichte; sie fing an Elisabeth zu beobachten, diese war ganz ruhig, sie las selten Zeitungen, so wußte sie wohl nichts. — Fortsetzung folgt. —