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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden sür die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. NeununddreiHigfte* Vahrgang. Rr. 83. 1879. Dienstag, den 28. October Erscheint wöchentlich 3 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratcnannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) AbonnementLpreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Bekanntmachung. Nachdem die Rekrutirungs-Stammrollen für die Ortschaften des hiesigen Verwaltungsbezirks berichtigt worden sind, werden die Herren Gemeindevorstände hiermit veranlaßt, dieselben baldthunlichst hierselbst wieder abzuholen. Hierbei wird darauf aufmerksam gemacht, daß Formulare zu Rekrutirungs-Stammrollen durch die Canzlei der Königlichen Amtshaupt« Mannschaft bezogen werden können. Meißen, am 23. October 1879. Königliche Amtöhauptmanuschaft - von Bosse. Bekanntmachung. Nachdem von dem Leitfaden für die Gemeindevorstände des Königreichs Sachsen eine vierte umgearbeitete und vermehrte Auflage erschienen ist, wird auf Anordnung des Königlichen Ministerium des Innern den Herren Gemeindevorständen und Gutsvorstehern des hiesigen Verwaltungsbezirks die Anschaffung derselben mit dem Bemerken hierdurch empfohlen, daß in den Verfügungen der Amtshauptmannschaft nur diese neue Auflage angezogen werden wird. Meißen, den 24. Octvber 1879. Königliche Amtshauptmannschaft. voll Bosse. Bekanntmachung. I» der Zeit vom 1. bis zum 15. nächsten Monats ist der LV. Termin städtischer Ablagen an die 8tuätlcümmvroi abzuentrichten. Wilsdruff., am 27. October 1879. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Das deutsch-österreichische Biindniß. Die „Kölnische Zeitung" enthält ein langes Privattelegramm aus Berlin, enthaltend einen geschichtlichen Rückblick bezüglich des deutsch- österreichischen Bündnisses.' Von dem Tage an — heißt es da — wo Fürst Bismarck nach Berlin zurückkehrte, bis zu seiner Abreise nach Varzin, hat unser Staatsleben eine der schwersten Krisen durchgemacht. In der ersten Sitzung des Staatsministeriums, wo angeblich von der Reform unserer Verwaltung die Rede gewesen sein sollte, wurde über ganz andere Dinge verhandelt; der Reichskanzler nnd Ministerpräsident hielt einen tiefdurchdachten Vortrag über die Lage Deutschlands und Europas und über die inneren und äußeren Gefahren, denen es vor- zubeugen lind nöthigensfalls entgegenzutreten gilt. Diejenigen, die diesen Vortrag anhörten, wurden davon sehr ergriffen und versichern, wenn der Fürst öffentlich so gesprochen hätte, würde ganz Deutschland ihm zugejubelt haben. Mit dem vielbesprochenen Vertrage zwischen Deutschland nnd Oesterreich-Ungarn verhält es sich folgender maßen: Nachdem Bismarck und Andraffy sich vollständig geeinigt hatten, wurde in Gegenwart des Kaisers Franz Josef über diese Ver einbarung ein Protokoll ausgenommen und von diesem Protokoll zwei Exemplare ausgefertigt, jedes dazu bestimmt, von einem der beiden Kaiser unterschrieben zu werden. Das gesammte preußische Staats- mkbistcrium wurde vom Fürsten Bismarck von der Nothwendigkeit jenes hochwichtigen politischen Schrittes überzeugt und machte gemein schaftliche Sache mit ihm. Graf Stolberg reiste nach Baden-Baden, um die Zustimmung des Kaisers zu erlangen. Für den Fall der Nichtgenehmiguna lag das Entlassungsgesuch des Reichskanzlers im Kabinet des Kaisers. Man kann sich denken, daß der Kaiser, der stets durch die innigste Freundschaft mit dem russischen Hofe verbunden war, sich nur schwer entschloß, ein Abkommen zu genehmigen, das zwar nur friedliche Zwecke verfolgt, aber doch möglicherweise uns in einen Kampf mit Rußland verwickeln könnte. Dem Grafen Stolberg gelang es bei seiner achttägigen Anwesenheit, die Bedenken des Kaisers zu überwinden. Se. Majestät hat seine Zustimmung und Unterschrift ertheilt. Ob dick ganz in der ursprünglich beabsichtigten Weise geschehen ist oder ob, um die Gefühle Sr. Majestät zu schonen, irgend eine Aenderung beliebt ist, lassen wir dahingestellt. Genug, es handelte sich hierbei um eine bloße Förmlichkeit, auf die nur diejenigen Gewicht legen können, die den ganzen Zusammenhang nicht kennen. Allein wichtig ist, daß Kaiser Wilhelm eben so wie Kaiser Franz Josef feine aller höchste Zustimmung und Unterschrift ertheilt hat, und zwar, wenn wir recht unterrichtet sind, am 15. d. M. Die übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie sind mit den Wiener Abmachungen und mit der Politik deS Reichskanzlers vollkommen einverstanden." Nunmehr wird auch von offiziöser ungarischer Seite zngcgeben, zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutschland schriftliche Abmachungen bestehen, wenngleich der Abschluß eines formellen Vertrages noch immer in Pest geleugnet wird. Dem „Pester Lloyd" wird aus Wiener diplo matischen Kreisen berichtet, daß das Ergebniß der in Wien geführten " Verhandlungen in ein Protokoll zusammengefaßt fei, welches beiden Monarchen vorgelegt und von ihnen unterzeichnet wurde. In diesem Protokoll werde bestimmt, daß jedem Angriff auf den gegenwärtigen Besitzstand eines der beiden Staaten solidarisch begegnet werden soll, und weiter festgestellt, daß alle orientalischen Angelegenheiten ent sprechend dem Berliner Vertrage entschieden werden sollen. Fernere Bestimmungen beziehen sich auf die Zollfrage; endlich wird es als wünschenswerth bezeichnet, daß in gewissen inneren Angelegenheiten, namentlich in Rechtsfragen, eine gewisse Gleichmäßigkeit der Gesetz gebung versucht werden soll. Tagesgeschichte. Heute öffnet sich das preuß. Abgeordnetenhaus zum friedlichen Kampf. Bismarck selbst hat ja einmal von den „drei Bataillonen" gesprochen. Mustern wir noch einmal die Truppen. Sie bestehen aus 106 Alt- und Neuconservativen, 99 Nationalliberalen, 95 Mitgliedern des Centrums, 52 Freiconservativen, 34 Mitgliedern der Fortschritts partei, 18 Polen und 23 Wilden, von denen etwa 10 Liberale sind. 6 Mandate sind erledigt. Für den Ausfall der Kämpfe kommt viel darauf an, welche Gruppen sich vereinigen und zu welchen Zwecken und wer General Stab oder Staff wird, wie die Franzosen sagen. Wie sich aus dem Budgeteutwurf des preußischen Staats- ministeriums ersehen läßt, ist zwar keine wesentliche Verbesserung in den Finanzen Preußens eingetreten, dieselben haben sich aber gegen die Vorjahre buch nicht verschlechtert. Das Deficit des laufenden JahreS dürfte mit circa 70 Millionen abschließen, während das Deficit des neuen Finanzjahres wahrscheinlich nicht mehr als 40 Millionen be tragen wird, welche Verminderung hauptsächlich durch den Antheil Preußens an den neuen Zöllen herbeigeführt würde. Durch die Ministerdemissionen während der letzten beiden Jahren ist die preußische Staatskasse mit etwa 66,000 Mark jährlich belastet. So viel beträgt nämlich, nach der Berechnung eines Berliner liberalen Blattes, in runder Summe die Pension, welche Graf Eulen berg I, Camphausen, Hobrecht nnd Falk jährlich beziehen. Herr Or. Achenbach hat keine Pension, weil er als Oberpräsident wieder in den Staatsdienst eingetreten ist, und Herr l)r. Friedenthal ist ohne Pension aus dem Staatsdienste geschieden, weil er das zur Erlangung einer solchen erforderliche Dienstalter noch nicht erreicht hatte. In Berliner Kreisen will man mit Bestimmtheit wissen, daß in nächster Zeit eine abermalige Begegnung zwischen dem Kaiser Wil helm und dem Kaiser Alexander von Rußland stattfinden werde. Der Kaiser Alexander beabsichtige seine Gemahlin in dem Badeorte Cannes zu besuchen und werde auf dem Heimwege nach Berlin kommen. In Verbindung mit dieser Nachricht stehen auch wohl die anderen Mit- theilungen, wonach einestheils Rußland eingesehen habe, daß cs in seiner Haltung gegen Deutschland zu weit gegangen sei, und andern- theils auch hcrvorgehoben wird, daß der Abschluß der engeren Alliance zwischen Deutschland und Oesterreich nicht speciell gegen Rußland ge richtet sei, sondern nur einen gegenseitigen Schutz und die strikte Durch führung des Berliner Vertrages bezwecke. Der mittelrheinische Fabrikanlenverein, welchem fast alle Großindustriellen des Gebietes vom Mittclrhein augchören, hat in der letzten Sitzung eine Petition an den Reichskanzler gerichtet, die sich prinzipiell für das Recht der staatlichen Gesetzgebung ausspricht, den Arbeitern wie Arbeitgebern einen Kaffenzwang zur Errichtung von Altersversorgungs- und Jnvalidenkassen anfzuerlegen. Der Vorstand schließt sich einstimmig und ganz dem ähnlichen Antrag, welchen der Reichstagsabgeordnete Stumm im Reichstage gestellt, sowie den Be schlüssen, welche die zur Berathung desselben' niedergesetzte Kommission in dieser Beziehung gefaßt hat, an.