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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrSnumeralionS-Preis 224 Silbergr. (4 Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für dus ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bei u. Comp., Iägerstraße Nr. 2Ü), so wie von allen König!. Post- Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 36. Berlin, Sonnabend den 2!i. März 1844. Frankreich. Albert und Consuelo, oder der Bund der Unsichtbaren. Schluß-Kapitel von George Sand's „Gräfin von Rudolstadt".') Wenn wir über Albert's und Consuelo'S Leben seit ihrer Verheiratung ausführliche Dokumente uns hätten verschaffen können, so bliebe uns ohne Zweifel über ihre Reisen und Abenteuer noch viel Anziehendes zu berichten. Doch wir können deine Wünsche nicht erfüllen, standhafter Leser, und von dir, ermüdeter, erbitten wir nur noch einige Augenblicke Geduld. Wir verdienen hierfür weder Dank noch Vorwürfe. Von der romantischen Nacht an, in welcher der Bund unserer beiden Helden bei den Unsichtbaren gesegnet wurde, verlassen uns in der That fast alle Zeugnisse, auf welche sich unsere Darstellung bisher stützte; und dies ist der alleinige Grund unseres Schweigens. Die geheime Sendung, welche Albert und Consuelo zu erfüllen suchten, die zahl reichen Verfolgungen, denen sie ausgesetzt waren, mögen die Ursache gewesen seyn, daß sie mit ihrer Korrespondenz entweder vorsichtiger umgingen oder sie ganz vernichteten. Wir wissen nur, daß ihre Liebe ihnen hielt, was sic ver sprochen hatte, doch daß das Schicksal die Versprechungen brach, die cs in jenen seligen Stunden ihnen zu geben schien, welche sie ihren Sommernachts- traum nannten. Im Uebrigen ist das Leben unserer Helden in so tiefes Dunkel gehüllt, daß sich selbst nicht ergründen läßt, wo die deutsche Residenz lag, in welcher ein Fürst, dessen Namen unsere Dokumente verschweigen, geschützt durch das Gewühl der Jagden und Feste, dem sozialen und philosophischen Bunde der Unsichtbaren zum Bereinigungspunkt diente und den größten Ein fluß auf ihre Handlungen übte. Dieser Fürst führte unter ihnen einen sym bolischen Namen, doch sind wir mit den Chiffern der Eingeweihten nicht ver- traut genug, um zu entscheiden, ob er Christophorus, d. h. Christus- träger, oder ChrpsostomuS, d. h. Goldmund, hieß. Der Tempel, in welchem Consuelo getraut und in den Bund ausgenommen wurde, führte dcn poetischen Namen „der heilige Graal", und die Richter des Bundes hießen Templer. Es ist bekannt, daß der heilige Graal nach den Sagen aus dem goldenen Zeitalter des RittcrthumS in einem geheimnißvollen Heiligthume tief in einer den Sterblichen unbekannten Höhle verborgen war. Die Graals- ritter oder Templcisen bewachten in dem Heiligthume den kostbaren Kelch, dessen sich Jesus bedient hatte, um das Abendmahl einzusetzen. Dieser Kelch umschloß die göttliche Gnade, welche symbolisch bald durch das Blut Christi, bald durch seine Thränen dargestellt wurde; wer dieses Bild der Gottcsgnade nur erblickte, war geistig und leiblich umgewandelt und konnte, so lange er es sah, weder sterben noch sündigen. Die frommen Paladine, welche als irrende Rittcrumherzogen, hatten keinen heißeren Wunsch, als den heiligen Graal zu finden. Sie suchten ihn zwischen dem Eise des Nordens, an den Küsten Frankreichs und in den Wäldern Deutschlands. Um ihr Ziel zu er reichen, stürzten sie sich in ähnliche Gefahren wie einst die, welche in die Gärten der HeSperiden zogen ; sie kämpften mit Ungeheuern, mit den Elemen ten, mit wilden Völkern; sie gaben sich den Qualen des Durstes und Hungers preis und forderten den Tod in allen Gestalten heraus. Einige gelangten in das Heiligthum und wurden durch den Anblick des Kelches umgeschaffen; doch fix verriethen das Geheimniß nie; man erkannte ihr Glück nur an ihrer kräf tigen Gestalt, an der Reinheit ihres Lebens und an der Unbezwinglichkeit ihrer Waffen; allein sie lebten, nachdem sie eine so hohe Weihe empfangen, nicht mehr lange, sondern gingen, wie Christus nach der Auferstehung, von der Erde über in den Himmel, ohne die Pforte des Todes zu sehen. DicS war das Symbol, unter welchem die Unsichtbaren ihre eigenen Be strebungen darstelltcn. Mehrere Jahre hofften sie, dcn heiligen Graal der ganzen Menschheit zugänglich zu machen ; besonders Albert suchte mit glühen dem Eifer ihre Lehren auszubrciten. Zugleich erhob er sich zu dcn höchsten Stufen des Ordens, und er muß lange Zeit hierzu gebraucht haben, da man ') Die Anfänge deSRrmäneS, von welchem wir hier die Schlußkapitcl liefern, haben 'n Nr. 0b. M u. IM dcS „Magazins" vom I. ins» mitgctheilt, wo die Versagerin Großen und seine Jugendfreunde, fo wie die ersten Vorstellungen ine Berliner Qre.nbame, schildert. Nachmals haben wir in Nr. w!t u. 101 die Geschichte Consuelo'S rekapitulin, po„ welchem Romane die „Gräfin von Rudolstadt" die Fortsexung bildet. Gegenwärtige Erzählung, als „Epilog" des Ganzen bezeichnet, wird auch denjenigen Lesern, die jene Ansänge nicht kennen, vollkommen verständlich senn, doch gewährt sie mit ihnen zusammen einen vollständigen UeberbliS der beiden lehten Werke George Sand'S, welche damit zugleich eine Geschich« Zirka'» und der Huisucn i» Böhmen sogt. Nr. I des Magazin» von 18«), s° wie eine Darstellung der JlluminKen und anderer mystisch, poststschm Ge sellschaften deS vorigen Jahrhundert», verbunden hat. bekanntlich schon einundachtzig Monate bedarf, um die dreiunddreißig Grade deS Freimaurer-Ordens zu erlangen; um die fast zahllosen Stufen in der mysteriösen Rangordnung der neuen Graalsritter zu ersteigen, war jedoch weit längere Zeit erforderlich. Wir suchen nun durch das Labyrinth der Thaten und Schicksale der Unsichtbaren den irrenden Stern unseres jungen Paares zu verfolgen, und die Phantasie des Lesers mag ergänzen, was die Unvollkom menheit unserer Quellen zu wünschen läßt. Es ist wahrscheinlich, daß Consuelo, als sie dcn heiligen Graal verließ, sich an den kleinen Hof zu Baireuth begab, wo die Markgräfin, Friedrich's Schwester, Paläste, Gärten, Lustwäldchen und Wasserfälle besaß, die im Geschmack des Grafen Hoditz zu Roswald, doch mit geringerem Aufwand, angelegt waren; denn diese geistvolle Prinzessin war an einen sehr unbegüter- tcn Fürsten ohne Mitgist verheiratet, und sie hatte doch noch kurz zuvor Kleider mit recht ansehnlichen Schleppen und Pagen mit immer neuen Tressen röcken gehabt. Ihre Gärten oder, um nicht in Hyperbeln zu sprechen, ihr Garten lag in einer reizenden Gegend, und sie ließ daselbst in einem antiken Tempel, der etwas an den Geschmack der Pompadour erinnerte, italiänische Opern aufführen. Sie war eine große Philosophin, das heißt, eine Anhän gerin Boliaire's; der junge Markgraf, ihr Gemahl, war dagegen das ge feierte Haupt cincr Freimaurer-Loge. Wir wissen nicht, ob Albert mit ihm in Beziehung stand, oder ob er sich von diesem Hofe entfernt hielt, um später mit seiner Frau wieder zusammenzutreffen. Ohne Zweifel aber hatte Consuelo eine geheime Sendung an dem Hofe zu erfüllen, und sie lebte vielleicht in den ersten Zeiten ihrer Ehe absichtlich nicht öffentlich mit ihrem Gemahl zusammen, um die Augen der Mengc, welche sie stets auf sich zog, nicht auch aus ihn zu lenken. Ihre Liebe erhielt hierdurch allen Reiz des Geheimnisses, und sie war zugleich eine stillschweigende Protestatio» gegen die bestehenden Verhältnisse, wodurch sic ihre Thatkraft und Begeisterung erhöhte- Mehrere italiänische Sänger und Sängerinnen entzückten damals den kleinen Hof von Baireuth. Die Corilla und Anzolcto erschienen daselbst, und Consuelo entbrannte in neuem Zorn gegen den Verräther, den sie erst kurz zuvor allen Qualen der Hölle übergeben hatte. Allein Anzoleto suchte schlau die Zürnende zu begütigen und Gnade vor ihr zu finden; der Ehrgeiz war jetzt die herrschende Leidenschaft des jungen Tenoristen; seine Liebe wurde von dem Verdruß, daß er noch immer nicht berühmt genug war, erstickt, und an die Stelle seiner Genußsucht schien Ucbersättigung getreten zu scyn. Er liebte daher weder die keusche Consuelo, noch die feurige Corilla, doch er suchte sich Beide geneigt zu machen, um sich an die enger anzuschließen, welche ihn bei seinem Streben, berühmt zu werden, unterstützen würde. Consuelo crtheilte ihm manchen freundlichen Rath, um die Ausbildung seines Talents zu fördern; die innere Aufregung, welche sie früher in seiner Nähe empfand, verlor sich, und sie bewies ihm jetzt durch Wort und That eine stille Freundschaft, durch welche sich Anzvleto'S Eitelkeit bald verletzt fühlte, da er sah, daß er der Primadonna jetzt unbedeutend schien und keinen tieferen Einfluß mehr aus sie zu üben vermochte. So brach bald seine alte Tücke wieder hervor, und er begann neue Jntriguen, als die junge Baronin Amalie von Rudolstadt mit der Fürstin von Culmbach, der Tochter dcS Grafen Hoditz, nach Baireuth kam. In jener Zeit sollen, wie indiskrete Berichterstatter versichern, ganz artige und unartige Dramen zwischen Consuelo, Amalie, Corilla und Anzo leto sich entspannen haben. Die junge Baronin fiel in Ohnmacht, als sie in der Oper zu Baireuth plötzlich dcn schönen Tenoristen erblickte. Niemand wußte den Grund hiervon; doch Corilla'S Scharfblick hatte in demselben Augenblicke auf der Stirn deS Sängers ein eigenthümlichcs Leuchten wie den Stolz der befriedigten Eitelkeit wahrgenommcn. Er stand bei der effektvollsten Stelle seiner Nolle, und der Hof, durch die Ohnmacht der Baronin erschreckt, hatte nicht applaudirt; gleichwohl knirschte er nicht, wie sonst, einen Fluch zwischen den Zähnen, sondern um seine Lippen spielte das Lächeln eines voll ständigen Triumphes. „Da hast du'S", flüsterte Corilla, als sie in die Couliffe trat, zu Consuelo; „er liebt weder dich, noch mich, sondern die kleine Thörin, die seinetwegen sich dem Gespötte preisgiebt. Kennst du sie? wer mag sie seyn?" „Ich weiß cs nicht", crwicderte Consuelo; „doch ich kann dir versichern, daß er sie so wenig liebt, als uns." — „Doch wen liebt er denn?" — „Sich selbst, »I 8alito", sagte Consuelo lächelnd. Die Chronik erzählt, daß Consuelo am folgenden Morgen in ein ent legenes BoSquet der Residenz zur Baronesse Amalie geladen wurde und da selbst folgendes Zwiegespräch mit ihr hatte. „Ich weiß Alles!" rief ihr Amalie in sehr gereiztem Tone entgegen, ehe Consuelo zu Worte kam; „er