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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumerativnS-Preis 22j Silberar. (j Thir.) vierteliahrlich, 3 Ldlr. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumetütioneil werden von jeder Buchhandlung (ru Berlin bei Veit u, Comp., Iagcrstraßc Nr. 2b), so wie von allen König!. Post^ Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 1IA . Berlin, Sonnabend den 25 September 1847. Böhmen. Das Unterrichts-System in Böhmen. *) i. Soll ein unterworfenes Volk nicht nur physisch, sondern auch moralisch be herrscht werden, so ist es erforderlich, alle Aufmerksamkeit auf das heran, wachsende Geschlecht zu wenden. Die Alten haben bereits ihrer Pflicht genügt und leben in den Erinnerungen der Vergangenheit, die Jugend aber wird sich auch einst zur That anschickcn, und cS ist wichtig, die Hebel in Be wegung zu setzen, welche ihre GemüthSrichtung nach dem gewünschten Ziele leiten. Wir wollen sehen, wie Oesterreich, von diesem Gedanken ausgehend, sein ErziehungS-Shstem bei allen Klaffen der böhmischen Gesellschaft durchführt, und mit den Volksschulen beginnen. Jeder Landmann ist nach obrigkeitlicher Bestimmung verbunden, seine Kin der vom 6ten bis zum l2ten Lebensjahre in die Schule zu schicken. Die Nicht, bcobachtung dieser Anordnung wird an den schulpflichtigen Kindern geahndet. Vom Men bis zum lbtcn Jahre nimmt die weibliche, wie die männliche Ju- gend an den sogenannten Nepetirstunden (opakuzio, >>oüin>) Theil, welche an Sonn- und Festtagen des Nachmittags unter der Leitung des Pfarrers und Lehrers stattfinden. Es werden in diesen Stunden die Elementar-Unterrichts- Gegenstände wiederholt Wer später in den Ehestand treten will, muß den Nachweis führen, daß er diesen Ucbungen beigewohnt habe, oder sich einem neuen Kursus unterwerfen. Die Handwerksmeister dürfen, bevor sie sich nicht von der Absolvirung dieses Kursus bei denen, welche ein Gewerbe lernen wollen, überzeugt haben, dieselben nicht aufnehmcn. Die Schulanstalten, welche sich mit dem Elementar. Unterrichte befassen, zerfallen in drei Klaffen: I) Filial-, 2) Parochial- und 3) Normalschulcn. Filialschulen bestehen auf den Dörfern, welche mit keinem Geistlichen versehen find. Ist die Bauernschaft zur Unterhaltung einer eigenen Schule zu schwach, so nimmt ihre Jugend an dem Unterricht des nächsten Dorfes Theil, wo eine Schule besteht. Der Geistliche leitet den Religions-Unterricht, der Schullehrer in der Kalligraphie, im Rechnen, auch in der Kirchenmusik. Die Parochial- schulen unterscheiden sich von den Ersteren nur durch ihren größeren Umfang und dadurch, daß das UntcrrichtSwesen unter spezieller Aufsicht des Ortsgcist- lichen steht. Der Eigenthümcr des Dorfes ist der Patron der Schule, welcher in Bezug auf den Lehrer mit dem Wahlrecht versehen ist. Jeder Lehrer, der eine Anstellung erlangt, muß nachgewiesc» haben, daß er den Kursus der Normalschulen und einen ein- oder zweijährigen pädagogi schen Kursus beendigt hat. Mit einem Zeugniß hierüber versehen, kann er den Unterricht nur in den Filial - und Parochialschulcn übernehmen. Die Un terrichtssprache ist in den von Slawen bewohnten Provinzen die czcchischc, in den deutschen Theilen die deutsche ausschließlich. Mehrere Parochiecn vereinigt bilden ein Dekanat. Der Dekan ist der Vorgesetzte der Pfarrer, und hat die Aufsicht über die Schulen seines Deka- nats, welche er jährlich revidirt, den Examen beiwohnend, um über den sittli- chen und materiellen Zustand der Schulen dem Konsistorium Bericht zu crstat- tcn. Auf diese Weise ist der Dekan zugleich Administrativ-Beamter, unv bei ihm haben die Lehrer ihre Klagen gegen den Patron oder die Gemeindeglieder anzubringen, soweit jene das Schulwesen betreffen. Mit dem Kreisamt ge- meinschaftlich erledigt der Dekan Angelegenheiten dieser Art. Zweimal im Jahre versammelt der Dekan die Lehrer zu einer Konferenz, um mit ihnen über zweckmäßige Verbesserungen des Schulwesens zu bcrathcn, und den jüngeren von ihnen Themata zur Ausarbeitung zu geben. Ohne Be stätigung des Dekans kann kein Patron einen Lehrer austcllcn. Mehrere Dekane vereinigt, bilden eine Diöccse, die vom bischöflichen Kon sistorium verwaltet wird. Dieses ist in Ansehung des VolksschulwcsenS die höchste Instanz. Jedes ist mit einem Kanonikus, der den Titel ScholastikuS führt, versehen; er ist Referent in allen Schul-Angelegenheiten und führt die Aufsicht über die Dekane. In wichtigen Administrationsfällcn wendet das Konsistorium sich an das Gouvernement. Die Dorfschullehrcr beziehen durchweg einen sehr geringen Gehalt, oft müssen sie mit 23 Thaler eine Familie erhalten. Bei größeren Schulen, wo dem Lehrer ein Stück Ackerland zur Benutzung überwiesen ist, beläuft sein Einkommen sich allerdings höher, aber nicht über 300 Gulden C. M. (330 Thaler). Die Uebcrnahme von Organisten- und Sakristandiensten vermag die sen Betrag allenfalls noch um etwas zu erhöhen. Nach der Echrist: l c»ri>vvi«. Berlin, Schneider und Üomp., lks7. Daß dieses Unterrichts-System nicht nur von dem geistlichen Einflüsse, unter welchem cS steht, leidet, sondern auch dadurch, daß bei den kärglichen Aussichten auf äußere Versorgung die Begabteren sich nicht für den Lchrerstand bestimmen, liegt auf der Hand. In Anerkennung dieser Mißstände haben einige von den böhmischen Magnaten schon wiederholt den Versuch gemacht, in Prag ein Seminar zur Ausbildung brauchbarer Jugcndlchrcr zu begründen ; in der letzten Zeit thatcn dies namentlich die Rohan; ihre Bemühungen sind jedoch an der Unwillfährigkeit der Regierung gescheitert. Diese hat zwar an- geordnet, daß die Lehrerstcllen besser fundirt, und ein Parochiallchrer mindc- stcns 200 Gulden, ein Filial- oder HiilfSlehrcr 73 Gulden E. M. jährlich er halten soll, jedoch diese Anordnungen sind nur auf dem Papiere geblieben und haben in der Stellung der Lehrer nichts geändert. Bei dem höchst geringen Einkommen werden an die Elemcntarlehrer noch übermäßige Ansprüche gestellt: er muß nicht nur in seinen gewöhnlichen Schulunterrichts-Gegenständen, son dern auch in der Musik, und zwar sowohl auf der Orgel, als auf einem Saiten« Instrument so weit ausgebildet scpn, um sich aus seiner Schuljugend eine Chorkapelle zu bilden, die bei öffentlichen Messen den musikalischen Theil des Kultus vertritt. Ein Vorzug der böhmischen Schulen ist der, daß sic fast durchweg mit geeigneten Bibliotheken versehen sind, die zur Benutzung der Schüler gestellt, sich unter der Aufsicht des Pfarreü befinden. Einzelne solcher Bibliotheken, meist a»S freiwilligen Gaben des Landvolks, selten der Gutsbesitzer, «»geschafft, zählen mehrere hundert Bände. Bei der großen Liebe des czcchischcn Volks zur Lektüre sind diese Büchersammlungen rin wesentliches Ausklärungsmittcl. Die sogenannten Haupt- oder Normalschulcn sind von Joseph II. zu dem offen ausgesprochenen Zweck, die Nation zu gcrmanisireu, eingerichtet worden. Es giebt von ihnen 44 in Böhmen und 2> in Mähren. Ihr Besuch ist die unerläßliche Bedingung der Aufnahme in ein Gymnasium. Sie unter scheiden sich von den Parochialschulcn nur dadurch, daß sic mehrere Klassen haben; der Unterricht ist derselbe, wie dort, das Czcchischc hier aber fast völlig verdrängt. Die Lehrer an Normalschulcn sind verpflichtet, einen Kursus in Prag oder Brünn durchzumachen. Außer den vorgenannten hat Böhmen noch mehrere Realschulen, deren Haupt in Prag ist und gegen tausend Schüler zählt- Die Pragcr Realschule ist mit einem technologischen Institut verbunden, und ihr Untcrrichtsplan ent' spricht unzweifelhaft am Meisten dem allgemeinen Bedürfniß. Die böhmischen Stände suchen in Ansehung der Nützlichkeit dieser Institute, durch welche na mentlich die unbemittelte Jugend für das praktische Leben ausgebildet wird, dieselben mit Eifer zu erweitern, und den Piaristcn die Verwaltung zu cntzie- Heu. Die gegenwärtigen Realschulen, vom Pragcr Bischof Chlumczanski in Reichenberg und Rakonitz gegründet und mit Piaristen besetzt, sind in so elen dem Zustande, daß sie mehr Schaden als Nutzen bringen. Deshalb übergab vor drei Jahren die Negierung, welche die Indolenz der Piaristcn erkannte, die Realschule in Reichenberg den Pragcr Prämonstratenscrn, doch ist es zweifelhaft, ob durch diese Veränderung ein Gewinn erreicht ist. Man kann sich kaum denken, daß Priester, die sich während ihrer Studienzeit bloö mit der lateinischen Sprache und etwas österreichischer Philosophie beschäftigt haben, nun mit eincmmal tüchtige Realschullehrer werden sollen. Gewöhnlich bcschrän- ken sie sich darauf, ihren Schülern Bücher, welche die vorgcschricbenen Gegen- stände behandeln, vorzulcsen, Bücher, deren Inhalt ihnen eben so fremd ist, wie jenen. Indessen die Unterhaltung solcher Schulen unter der Aufsicht und Leitung von Priestern ist die vcrhältnißmäßig billigste, und dies ist der Haupt- grund dieser Einrichtung. Die Stände wollen in die Realschulen mindestens die czechische Sprache einführen, welche bis jetzt darin noch ausgeschlossen ist. Doch find ihre Bemühungen gleich wie die, mehrere Gymnasien in Realschulen umzuwandeln, noch erfolglos geblieben. Betrachtet man diese Gymnasien, so hat man in ihnen die bequemsten Orte, in denen der Obskurantismus sich vollkommen heimisch fühlt. Der Ausländer kann den Darstellungen der Czcchen über das bei ihnen herrschende ErzichungSsystcm kaum Glauben schenken, selbst wenn sie, abgesehen von ihren nationalen Inter essen, mit vollkommener Wahrheitsliebe den Zustand des BildungswcsenS schildern; so tief liegt dasselbe darnieder. Die Gymnasien zerfallen in 6 Klaffen, vier sogenannte gramatikalische und zwei humanitarische. In den vier unteren haben die Schüler noch einen positiven Gewinn an Sprache und wissenschaftlichen Kenntnissen, in den beiden oberen Klassen verfließt der Unterricht in poetischen, stylistischcn und rhetorischen Ucbungen. Böhmen zählt 20 Gymnasien und zwar 3 in Prag, 17 in den bedeutenderen Städten des Landes. Acht stehen unter weltlicher Aufsicht, 12 unter d»r