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WchnM für W-M r Erscheint I wichentlich zweimal u.zwarDicnstagS > und Freitags. — AbonncmentspreiS vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. Tharandt. Mn. Menleha nad die Umgegenden. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Ltadtrath zu Wilsdruff, No. 78. sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Freitag, Serr 29. September 1893. Tagesgeschichte. Kaiser Wilhelm hat nunmehr auch seinen Jagd aufenthalt in Ungarn beendigt, er reiste am Montag Abend 9 Uhr nach herzlichster Verabschiedung vom Erzherzog Friedrich und unter den lebhaften Zurufen der am Bahnhofe versammelten Volksmenge von Mohacs^ab; König Albert von Sachsen und Prinz Leopold von Bayern waren bereits Nachmittags von Mohacs abgereist. Soweit bekannt, gedachte der Kaiser am Mittwoch Abend in Swinemünde einzutreffen und alsdann sofort an Bord der Dacht „Hohenzollern" zu gehen, deren Ein treffen in Gothcnburg für Donnerstag Abend angekündigt ist. In letzterer Stadt wird Kaiser Wilhelm vom Kronprinzen von Schweden Namens des Königs Oskar empfangen werden, worauf sich der Kaiser und der Kronprinz nach Hunneberg be geben, woselbst die diesjährigen schwedischen Hofjagden auf Elchwild stattfinden; am Freitag trifft auch König Oskar in Hunneberg ein. Nach Beendigung seines Jagdbesuches in Schweden begiebt sich der Kaiser direkt nach Rominten in Ostpreuhen. Berlin, 26. September. Das Wolffsche Telegraphische Bureau ist in den Stand gesetzt, die zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck gewechselten Depeschen nachstehend zu veröffentlichen: Güns, 19. September. An den Fürsten Bismarck, Kissingen. Ich habe zu Meinem Bedauern jetzt erst erfahren, baß Euere Durchlaucht eine nicht unerhebliche Erkrankung durch- gemacht haben. Da Mir zugleich, Gott sei Dank, Nachrichten über stetig fortschreitende Besserung zugegangen, spreche ich Meine wärmste Freude hierüber aus. In dem Wunsch, Ihre Genesung zu einer recht vollständigen zu gestalten, bitte ich Euer Durchlaucht, bei der klimatisch wenig günstigen Lage Varzins und Friedrichsruhs für die Winterzeiten in einem Meiner in Mitteldeutschland gelegenen Schlösser ihr Quartier aufzu schlagen. Ich werde nach Rücksprache mit Meinem Hofmarschall daö geeignetste Schloß Euerer Durchlaucht namhaft machen. Wilhelm. Kissingen, 19. September. An Se. Mas. den deutschen Kaiser, Güns. Euerer Majestät danke ich in tiefster Ehrfurcht für den huldreichen Ausdruck der Theilnahme an meiner Er krankung und der neuerlich eingetretenen Besserung, nicht minder für die Absicht gnädiger Fürsorge für Förderung meiner Ge nesung durch die Gewährung eines klimatisch günstigen Wohn sitzes. Meine ehrfurchtsvolle Dankbarkeit für die huldreiche Intention wird durch die Ueberzeugung nicht abgeschwächt, daß ich meine Herstellung, wenn sie mir nach Gölte« Willen über haupt in Aussicht steht, am wahrscheinlichsten in meiner alt gewohnten Häuslichkeit und deren Zubehör an Einrichtung und Umgebung zu finden glaube. Da mein Leiden nervöser Natur ist, jo glaube ich mit meinem Arzte, daß das ruhige Winter leben in gewohnten Umgebungen und Beschäftigungen die förderlichste für meine Genesung sein würde, daß dagegen der Uebergang in neue, mir bisher fremde Umgebungen und Ver- kehrskreise, wie es die Folge einer Verwirklichung der huldreichen Absicht Euerer Majestät sein würde, in meinem hohen Aller im Interesse der Beseitigung der vorhandenen Störungen meines Nervensystems zu vermeiden sein würde. Professor Schweninger behält sich vor, diese seine und meine Ueberzeugung schriftlich zu begründen. Bismarck. Nach allem, was man über den Stand der Vorarbeiten zur Reichssteuerreform hört, ist eine Veröffentlichung der be treffenden Gesetzentwürfe vor dem Zusammentritt des Reichstags nicht zu erwarten. Es wäre aber sehr wünschenswerth, wenn wenigstens die Gegenstände, an welche man sich bei der Steuer- vcrmehrung zu halten gedenkt, recht bald zuverlässig bezeichnet würden. Die fortwährend wechselnden Gerüchte über dieselben sind nur zu sehr geeignet, in der öffentlichen Meinung eine große Verwirrung anzurichten und eine lebhafte Verstimmung hervorzurufen, eine Wirkung, di- mit jenen Gerüchten vielleicht gerade beabsichtigt ist. Sehr auffallend ist es, daß in kurzen Zwilchenräumen immer von neuem irgendwo die Nachricht auf taucht, man werde nun doch auf eine Erhöhung der Biersteuer zurückkommen, hauptsächlich, weil man sich überzeugt habe, daß inan dem Tabak eine neue Belastung nicht zumuthen könne, ohne zugleich das seit zwei Jahrzehnten von der Steuergesetz gebung in Ruhe gelassene Bier zu treffen. Dem gegenüber niuß denn doch noch einmal daran erinnert werden, daß der Reichskanzler in der Sitzung des Reichstags vom 15. Juli d. I. ausdrücklich erklärt hat, daß auf eine Erhöhung der Bier- und Branntweinsteuer zur Deckung der aus der Militärvorlage erwachsenden Kosten nicht zurückgegriffen werden sollte. Es ist also klar, daß zum mindesten Graf Caprivi in der bevorstehen- ben Session nichl eine Vorlage über Erhöhung der Biersteuer an den Reichstag gelangen lassen kann; und da die Beschlüsse des Bundesralhs durch einen anderen als den allein verant wortlichen Reichskanzler bezw. einen von diesem bevollmächtigten Vertreter nicht an den Reichstag gelangen könnten, so ist eine Wiederaufnahme des Biersteuerprojekts zur Zeit einfach aus geschlossen. Offiziös wird heute über die Reichssteuerreform- Angelegenheit in den „Berl. Polit. Nachr." geschrieben: Nachdem auch die technischen Schwierigkeiten, welche natur gemäß bei der Einzelberathung der in Frankfurt a. M. verein barten Steuerpläne hervorgetreten waren, nunmehr für über wunden gelten können und die volle Verständigung über die Details zweifellos ist, erscheint es gegenüber den Erörterungen über die Einzelheiten der Besteuerungöpläne, in welche sich die Presse zum Theil verliert, angezeigt, an die Ziele zu erinnern, welche bei der Reichssteuerreform verfolgt werden und zu deren Erreichung die Besteuerungspläne nur die Mittel liefern sollen. Neben der Beschaffung der Mittel zur Deckung des dauernden Mehrbedarfs infolge der Heeresverstärkung mit jährlich 55 Mill. Mark ist das Ziel, welches gleichmäßig im Interesse der festen Ordnung der Finanzen im Reiche und ihrer festen Scheidung von denen der Einzelstaaten erstrebt wird, die Verwirklichung des Gedankens, welcher bei Einführung der Klausel Francken stein verfolgt, aber infolge der nicht glücklichen Form nicht er reicht ist: ' die Erhaltung der selbstständigen Finanzwirthschaft der Bundesstaaten unter Betheiligung derselben an den Erträgen der Reichssteuern. Der Grund, warum dieser richtige Gedanke der Klausel Franckenstein nicht verwirklicht, sondern zur Bestreitung der Ausgaben des Reiches in immer stärkerem Maße auf die Finanzen der Bundesstaaten zurückgegriffen ist, liegt in der durchaus anormalen Einrichtung der Reichsfinanzen, vermöge deren das Reich und seine Organe souverän über die Ausgaben dieses beschließen, für die Deckung des Mehrbedarfs aber die Bundesstaaten sorgen lassen. Erscheint diese einzig in Deutschland bestehende Einrichtung schon unter dem Gesichtspunkt sparsamer Bemessung der Ausgaben im Reiche äußerst unzweckmäßig, so ist sie auch mit einer selbständigen und geordneten Finanzwirth schaft der Bundesstaaten unvereinbar. Man steht, wenn hier nicht Wandel geschaffen wird, vor der Perspektive, das Reich infolge der mit dem vermehrten Ausgabenbedarf stetig steigenden Inanspruchnahme der Finanzen der Bundesstaaten und der da durch bedingten stärkeren Anspannung der Steuerkraft in den letzteren mehr und mehr unpopulär werden und so an innerer Festigkeit verlieren zu lassen oder dem Einheitsstaate zuzutreiben. Es gilt darum, zu dem mit der Klausel Franckenstein erstrebten finanzpolitischen Ziel durch Aenderung und Verbesserung der Mittel zur Erreichung desselben auch wirklich zu gelangen. Geht man davon aus, daß die leitenden Gesichtspunkt- der Finanz reform des Jahres 1879 die waren, dem Reiche einen festen, nach seinem Bedarf bemessenen Betrag an Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchssteuern, und ebenso den Bundesstaaten einen festen Antheil an deren Ertrage zu sichern, so ergiebt sich ganz von selbst, daß an Stelle des jetzigen Systems schwankender Ueberweisungen und Matrikularbeiträge zweckmäßig eine Ein richtung getroffen wird, vermöge deren für eine Reihe von Jahren dem Reiche der Durchschnitt derjenigen Einnahme aus Zöllen und Verbrauchssteuern, welche ihm direkt und indirekt in der Form von Matrikularumlagen in den letzten Jahren zugeflossen sind, und außerdem den Bundesstaaten eine feste Rente gesichert wird. Der Gesammtertrag der Zölle und Reichssteuern würde demgemäß so zu bemessen sein, daß aus ihnen neben dem Mehr bedarf für die Militärvorlage jener Durchschnittsbetrag für das Reich und die Rente für die Bundesstaaten herauskommt, für deren Bemessung an die wiederholt vom Finanzminister v. Scholz als Grundlage für die Ordnung der preußischen Aus gaben erwähnte Summe von 40 Mill. Mark erinnert werden mag. Nun aber sind die Erträge der Zölle und Reichssteuern Schwankungen unterworfen. Wenn diese zumeist auch nach oben gegangen sind, so ist doch auch eine Schwankung nach unten nicht ausgeschlossen, und wird daher Fürsorge getroffen werden müssen, daß auch in einem solchen Falle das Reich wie die Bundesstaaten die volle Einnahme, auf die gerechnet werden muß, erhalten. Der Gedanke liegt nahe, aus den Ueberschüssen, welche sich durch Einnahmeschwankungen nach oben ergeben, einen Reservefonds anzusammeln, aus dem zunächst Einnahme ausfälle der bezeichneten Art gedeckt werden können, und dessen hierzu eben nicht erforderlichen Bestände demnächst zur Tilgung von Schulden zu verwenden sein würden. Auf diese Weise würde mit der Sicherung der Reichs- und Staatsfinanzen sich zugleich die Aussicht auf die angesichts der Höhe und Natur der Rcichsschuld so dringliche Tilgung der letzteren eröffnen. Der Chefredakteur der „Now. Wr." schildert seine neuesten Berliner Eindrücke und sagt, zu den Russen gewendet, Folgen des: „Nein, ihr könnt reden, was ihr wollt, ich glaube nicht, daß sich Kaiser Wilhelm nach Krieg und Siegen sehnt. Er wünscht den Frieden, er strebt nach jenen glänzenden Lorbeern, mit denen sich seine Vorgänger einst geschmückt haben. An einen Frieden mittels einer allgemeinen Abrüstung zu denken ist eine Phantasie, ein Friede, der auf allgemeinen Rüstungen beruht, ist aber keine Phantasie. Und in dieser Beziehung kann ihn wohl niemand übertreffen. Der von Wilhelm I. erworbene Kriegsruhm kann nicht aufs Spiel gefetzt werden; diesen Ruhm zu übertreffen ist unmöglich. Ec muß nur erhalten werden; er muß sich zu einem granitenen Thurm von Babylon, zu einer Schranke gestalten, hinter welcher nur der Friede bleibt und alle kriegerischen Unternehmungen aufhören. Dies ist das Traum bild Kaiser Wilhelms II. Daher zählt er so genau die feind lichen Truppen. Es brauchen nur in dem feindlichen Lager ein neuer Soldat und zwei neue Kanonen aufzutauchen, so finden sich sofort in Deutschland zwei Soldaten und drei Kanonen ein. Und dies geschieht nicht wegen des Sieges, sondern wegen des Gleichgewichts. Freilich können seine Bundesgenossen denken, daß es zu einem Kriege kommt und daß sie durch diesen Krieg etwas profitiren, und der deutsche Kaiser begünstigt diese Hoffnungen, aber im Grunde seiner Seele ist er nur für den Frieden, weil Deutschland nur den Frieden braucht. Ein jeder Krieg, selbst ein siegreicher, müßte Deutschland schädigen". Wien. Aus den bei den verhafteten Anarchisten vorge fundenen Korrespondenzen wurde festgestellt, daß die Leiter der Gruppe nicht bloß Verbindungen mit Amerika und London, sondern auch mit der Anarchistengruppe in Berlin, ferner mit Genossen in Budapest und Graz unterhielten. Die Verhafteten verweigern jede Auskunft, die ihre Genossen belasten könnte; einzelne benehmen sich fanatisch frech. Der Ministerpräsident Graf Taaffe besichtigte gestern die beschlagnahmten Gegenstände und beglückwünschte den Polizeipräsidenten zu seinem Erfolge. Die Wunden, die die beiden letzten Mißwachsjahre nament- ich aber das Jahr 1891, dem Nationalwohlstande Rußlands geschlagen, erweisen sich, sobald man genauere Rechnungen auf- t-llt, sehr viel schwerer, als man bisher geahnt hatte. Dies zilt z. B. für das Gouvernement Woronesch, das, in günstiger klimatischer Lage, fast durchweg mit Schwarzerd-Ackerboden, zu den fruchtbarsten Provinzen des Reiches gezählt wurde. Bei der letzten Anwesenheit des LandwirtbschaftSministers in Woronesch and der „Nedelja" zufolge, eine Sitzung der örtlichen Land- wirthschaftsgesellschaft statt, in welcher, in Gegenwart des Ministers, eine Denkschrift über die gegenwärtige wirthschaftliche Lage des Gouvernements zum Vortrag kam. Der Bericht bestätigt die ungeheuere Verwüstung, die die beiden Mißwachsjahre angerichtet: Zum Schlüsse des vorigen Jahres belief sich Darnach bei der Bauernschaft die Summe der Rückstände an Staatssteuern und VerpflegnngSgeldern auf über 31 Millionen Rubel, ungerechnet die übrigen Rückstände und Schulden mannigfaltiger Art. In den zwei Jahren gingen ferner 337 000 Stück Großvieh, und mehr als eine Million Stück Kieinvieh zu gründe, im Ge- sammtwerthe von ungefähr 44 Millionen Rubel; d. h. jede Haushaltung erlitt einen Durchschnittsverlust von 141^ Rubel oder jede Person der Bevölkerung einen solchen von 20^ Rubel. Als chronisch wirkende Ursachen für den ökonomischen Rückgang der Provinz führte der Bericht ferner den landwirthschaftlichen Raubbau an, den die Bauern treiben. Der Grund und Boden, dem man keine Dungstoffe zuführt, geht der Erschöpfung ent gegen, und allein in vier Kreisen des Gouvernements (dasselbe hat zwölf Kreise) sind während der letzten 25 Jahre nicht weniger als 76 000 ka fruchtbaren Ackerbodens zu völlig un produktivem „Unland" geworden und haben sich zum Theil in gefährliche Treibsand-Flächen verwandelt. Die früher ausge dehnten schönen Eichenwälder gehen der Ausrottung entgegen, Wiesenbau und Heuproduktionen sind in Verfall gerathen. Der Bergmannsstreik in Nordfrankreich droht einen allgemeinen Streik der französischen Bergleute nach sich zu ziehen; aus Carmaux, dem Mittelpunkte des Bergbaues im südlichen Frankreich, wird gemeldet, daß eine Versammlung der dortigen Bergleute den allgemeinen Ausstand beschlossen habe. Andererseits greift die Streikbewegung der Bergleute in Nordfrankreich auch nach dem benachbarten Belgien hinüber; etwa 5000 Bergleute des Beckens von Mons sind am Montag nicht angefahren. Die aus dem Kongo eingetroffene Post überbrachte, wie das „B. T." schreibt, äußerst präzise Nachrichten über das Schicksal Emin Paschas. Der Kommandant Dhanis hat unter den Gegenständen, welche er den Arabern bei Nyangwe ab nahm, auch eine Kiste entdeckt, welche einst Emin Pascha ge hört hatte und die sich im Besitze des Araberchefs Said-bin- Abedi befand. Diese Kiste enthielt eine Masse interessanter Dokumente und Manusskripte über die von Emin Pascha auSge- führten Arbeiten, sowie über seine letzte Reise von der Ostküste bis zu dem Tage, an dem er ermordet wurde. Herr Dhanis hat alle die Schriftstücke vorsichtiger Weise an sich genommen und behält sich vor, dieselben in eigener Person nach Europa zu bringen. Emin Pascha muß gegen den 20. Oktober er mordet worden sein, sechs Tage, nachdem er Kinene verlassen hatte und sich noch vier Tagereisen weit von Kibongs befand. Die That wurde durch den Führer Emins, Jsmaili, verübt, und zwar auf Anstiften des oben erwähnten Araberchefs Said- bin-Abedi, der seinerseits wiederum durch Muini-Moharra hier«