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TIBDIL ■ Fasergewinnung und ^Untersuchung, Roh? und Hilfsstoffe - Bericht über die Arbeiten des Deutschen Forschungsinstituts für Textilindustrie in Dresden im Jahre 1928. Im 11. Jahr seines Bestehens hat sich die Arbeitstätigkeit des Instituts auf gleicher Höhe gehalten wie im Vorjahr. Eine Zusammen stellung der Titel und Autoren der Veröffentlichungen seit der Gründung wurde gedruckt. Bis Ende 1927 umfaßt sie 157 Nummern, der Nachtrag für 1928 enthält noch weitere 15 Nummern: das Forschungsheft Nr. 8, „Die Einwirkung von Härtebildnern auf Natron- und Kaliseifen“ von K rais und Sinn e r, für welches die Druckkosten aus eigenem Antrieb von einer Chemischen Fabrik des Rheinlandes gestiftet wurden, und 14 Aufsätze, die zusammen mit 320 Kurzberichten über Veröffentlichun gen in Fachzeitschriften des In- und Auslandes die 119 Druckseiten der 3 Hefte „Textile Forschung“ des 11. Jahrgangs bilden. Unter diesen Aufsätzen befinden sich je z,wei von Generaldirektor Dr. Oster Setzer und Dipl.-Ing. Müllerin g, die mit Erlaubnis dieser Autoren aufge- nommen wurden, wofür auch an dieser Stelle gedankt sei. Im Laufe des Jahres wurden folgende Diplom- und Doktorarbeiten beendet und führten zur Promotion ihrer Verfasser: Dipl.-Ing. K. K. Müller: Über Festigkeit, Elastizität und Glanz bei Zwirnen aus Baumwolle und Kunstseide. Dipl.-Ing. J. S t r ö ß n e r: Über die Bestimmung des kritischen Drehungsgrades von Langflachs- und Flachswerggespinsten. Dr.-Ing. G. K r a u t e r: Über die Feinheitsbestimmung der Wolle in Kammzügen. Dr.-Ing. H. Böhringer: Über die Schlichterei der Kunstseide. Dr.-Ing. V. Schieber: Über die Schädigung der Wolle durch alkalische und saure Behandlung. Die Krauter sehe Arbeit hat nach außerordentlich mühsamen Untersuchungen zu einem für Wollkammzüge geeigneten Feinheitsbestim mungsverfahren geführt, das die Ungenauigkeiten anderer Verfahren ver meidet und auch in Anbetracht des Zeitaufwandes innerhalb der für die technische Anwendung nötigen Grenzen bleibt. Als besonders schwierig hat sich die Aufgabe erwiesen, die sich II. Böhringer gestellt hat, weil über die Schlichterei der Kunstseide noch sein- wenig praktische Erfahrungen vorliegen. Es ergab sich, daß die mit größter Sorgfalt für den besonderen Zweck eingestellten Prü fungsverfahren zum Vergleich der mechanischen Eigenschaften der unge schlichteten und geschlichteten Viskoseseide auf Scheuerfestigkeit, Reiß festigkeit und Bruchdehnung zu keiner' sicheren Beurteilung führen konn ten, sehr im Unterschied von den bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Baumwollschlichterei im Vorjahr gemachten Erfahrungen. Bei der Kunstseide wird also vorläufig nur der praktische Webversuch ein Urteil über die Güte eines Schlichtverfahrens zulassen. Die Arbeit von V. Schieber hat wichtige Aufklärungen gebracht, besonders darüber, daß durch unvorsichtige chemische Behandlung der Wolle vor oder während der Verarbeitung latente Schäden in der Faser erzeugt werden können, die erst nach dem Färben zum Vorschein kom men. In solchen Fällen .wurde bisher stets der Färber verantwortlich gemacht. Die von Schieber gewählten und näher ausgearbeiteten Methoden gestatten nun aber, bei jeder Wolle schon ganz genau vorher festzustellen, ob sie beim Färben leiden wird oder nicht. Am Ende des Jahres 1928 waren noch folgende Doktorarbeiten im Gang: Dipl.-Ing. H. Arnold: Studien über den Filzvorgang. Dipl.-Ing. G. Neumann: Schlichterei von Flachsgarnen. Dipl.-Ing. R. Geier: Färberei der Kunstseide. Dipl.-Ing. H. Weinges: Die elastische und die bleibende Deh nung der Kunstseide beim Wirken und Weben. Im Jahre 1928 fanden 26 Besichtigungen des Instituts statt, davon eine mit 30 und eine mit 20 Personen. An Vorträgen wurden folgende gehalten: Bei Gelegenheit der Jahresversammlung der Mitglieder des Insti tuts sprachen H. V o 11 p r e c h t über Glanzstellen bei Kunstseiden schußgeweben, G. Krauter über die Grenzen der mechanischen Tex tilprüfung. Ferner sprach H. V o 11 p r e c h t in Zittau vor dem dortigen Bezirksverein Deutscher Ingenieure über die Eigenarten der Kunstseide, deren Auswirkung und Berücksichtigung beim Verarbeiten. P. Krais sprach in Greiz vor dem Verband Sächsich-Thüringischer Webereien und in Berlin vor dem Forschungsausschuß der Reichstextilstiftung über die Arbeiten des Forschungsinstituts, ferner vor der Bezirksgruppe Dresden des Deutschen Färberverbandes und vor der Färbereivereinigung von Chemnitz und Umgegend über Schwierigkeiten bei der Färberei der Kunstseide. Umfangreiche Arbeiten im Auftrag der Indu strie haben sich hauptsächlich auf Fehlererscheinungen bei der Mer- cerisation der Baumwolle, bei der Filzerei der Wolle und bei der Ver arbeitung der Kunstseide erstreckt, ferner auf Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Teppichgarnen und auf Prüfung und Begutachtung neuer chemischer Textilhilfsmittel. Die Bibliothek des Instituts, in der jetzt im ganzen 62 in- und ausländische Fachzeitschriften gehalten werden, ist im Berichtsjahr durch 39 weitere Werke vermehrt worden. Ferner sind mehrere neue Apparate angeschafft worden, so eine Filzmaschine, eine Versuchskrem pel, ein Mikroprojektionsapparat von W. & H. Seibert, ein Wollfein heitsprüfer von Ewles, Leeds, ein Garngleichmäßigkeitsprüfer und eine weitere Ultraviolettlampe. Am 1. August 1928 ist Herr Geheimrat Prof. Dr. E r n s t M ü 11 e r aus Gesundheitsrücksichten auch von seiner Tätigkeit beim Forschungs institut in den Ruhestand getreten. Im übrigen ist der Personalbestand des Instituts unverändert geblieben. Die im Jahr 1928 für die Industrie ausgeführten Einzelarbeiten (Untersuchungen, Analysen, Gutachten, Beratungen) beliefen sich auf 1184 und verteilten sich auf die verschiedenen Faserstoffe wie folgt: Wolle 31% Kunstseide 25% Baumwolle 23% Seide 7 % Alle anderen 14% 100% Nach Industriezweigen ergibt sich ungefähr folgende Verteilung: Fasergeiwinnung, Spinnerei, Zwirnerei, Garne usw. . . 42% Weberei, Web waren 40% Wirkerei, Wirkwaren 18% 100% Ein Drittel sämtlicher Arbeiten betraf textilchemische Fragen, also Wäscherei, Bleicherei, Filzen, Schlichten, Färben, Zeugdruck, Appretur und Echtheitseigenschaften. Die anderen zwei Drittel waren mechanisch technologischer oder allgemeiner Natur. Die Gesamtzahl der Einzelarbeiten ist mit 1184 etwas geringer als im Vorjahr (1272), dafür waren aber zahlreiche Aufgaben so umfang reich, daß sie sich über mehrere Wochen hinaus erstreckt haben, so be sonders die Untersuchungen von Fehlererscheinungen in Kunstseiden waren, die Stabilitätsproben beschwerter Seide und die Prüfungen neuer chemischer Textilhilfsmittel. Zum Vergleich mit dem Jahr 1927 kann noch gesagt werden, daß die Beschäftigung mit Kunstseide stark zugenommen hat, indem deren Anteil von 17 auf 25% gestiegen ist. Außer den im vorstehenden angeführten vier Themen, die als Doktorarbeiten wissenschaftlich bearbeitet werden, ist das Institut noch mit einer Reihe anderer Probleme beschäftigt, deren vollständige Auf zählung indes zu weit führen würde. Es seien daher nur einige genannt: 1. die schon länger im Gang befindlichen eingehenden Versuche zur Feststellung der technisch und wirtschaftlich bestmöglichen Geschwindig keit des Jacquardwebstuhles. Diese Arbeit konnte äußerer Verhältnisse wegen nur mit längeren Unterbrechungen fortgeführt werden, ist aber jetzt abgeschlossen, 2. die Ausarbeitung eines neuen Anilinschwarzver fahrens, 3. die Herstellung eines Garngleichmäßigkeitsprüfers auf opti schem Weg, 4. die Verwertung und Weiterausbildung eines Einbad-Ver fahrens zum Wasserdichtmachen, 5. die Konstruktion eines Garnfestig keitsprüfers, nach Art des Einzelfaserprüfers Deforden. Man wird aus diesem Bericht ersehen, daß das Institut bemüht ist. seinen Aufgaben gerecht zu werden, sodaß auch heuer wieder die drin gende Bitte an die Firmen der deutschen Textilindustrie gerichtet wer den darf, dem Institut durch Beitritt als Mitglieder, durch Zuführung neuer Mitglieder und durch erhöhte finanzielle Unterstützungen die Fort führung seiner Arbeiten zu ermöglichen und zu erleichtern.