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Zweites Blatt. WchmM ßir WW ThmM, Wn, Siebtnlehn md die UMMdtk. Imlsdlull Dienstag, Zen 19. Dezember 1893. No. 191. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis ' vierteljährlich 1 Mk., durch die Post ^bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummern 10 Pf. Die Frau des Waffenschmiedes. Dem Holländischen nacherzählt von H. N. O. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ich muß er wissen," dachte sie, „ich will Gewißheit haben. Sie ging nach Hause und war jetzt so ruhig, als wenn nicht der geringste peinliche Zweifel ihre Seele marterte. Da heim angekommen mußte sie ihrem Herzen Luft machen; sie warf sich ihrem Manne in die Arme und umhalste ihre Kinder herzlich. Während des Mittagsmahles war sie redseliger als sonst. Sylvester sah sie schweigend an. Er wollte sie aber nicht fragen. Beide ahnten, was m der Seele des Andern vor ging, aber keiner von Beiden wollte aus Liebe zum Andern durch Berühren des furchtbaren Zweifel das Gewicht des Schmerzes vermehren. Beide Härten sich glücklich gefühlt, wenn sie gehört hätten, daß man sich getäuscht habe, oder die bösen Nachreden eitel Lügen seien. Nach dem Mittagsmahl trat Dorothea ein; dieselbemachte Gertrud ein Zeichen, daß sie sie in ernster Angelegenheit zu sprechen wünsche. Sylvester dies erkennend, entfernte sich mit den Kindern. „Gertrud," sagte jetzt Dorothea, beide Hände ihrer Freundin erfassend, glaubst Du, daß ich es aufrichtig mit Dir meine?" „Davon bin ich überzeugt," antwortete Gertrud. „Wenn ich Dir nun Unangenehmes mittheilen muß, dann kannst Du gewiß sein, daß ich ebenso wie Du darunter leide." „Das weiß ich auch," sagte Gertrud erbleichend. „Du erbleichst und bebst," fuhr Dorothea fort, „habe ich denn nicht nöthig, es Dir zu sagen, weißt Du: . . „Ich weiß es," sagte Gertrud, „ich weiß, daß Du von meiner Schwester sprechen wolltest." „Arme Gertrud, arme Begga!" „Aber," frug die Frau Sylvesters, „was weißt Du von ihr? Ich hörte einem Gespräche zwischen zwei Frauen zu, ohne daß diese es wußten; der ersten jedoch traue ich nicht und die andere kann sich getäuscht haben. Du allein kannst die Wahrheit wissen, da Du nicht mit mir darüber reden würdest, wenn Du keine Sicherheit hättest. Sprich, was es auch immer sein möge, ich sterbe fast vor Angst und Sylvester theilt meinen geheimen Kummer und Zweifel. Wir wollen gerne alles opfern, unser Vermögen, unsere Gesundheit, wenn nur unsere Ehre fleckenlos bleibt, die gilt uns als das höchste der irdischen Güter und Niemand hat das Recht, dieselbe anzuzweifeln Erinnere Dich, Dorothea, erinnere Dich, die Du uns ge kannt hast, als wir noch bei unserer Großniutter waren, wie Begga immer so zurückgezogen, sittsam, zartsinnig und mitleids voll war .... bedenke, daß sie viel gelitten hat ... . die Burgunder haben ihren Mann gemordet, sie war allein mit ihrem Kinde ..." „Gerade weil sie Mutter ist, finde ich es unverzeihlich!" sagte die Freundin, ein Kind ist für eine Mutter ein Schatz, der ihr das Recht der Klage nimmt. Sie muß bedenken, daß sic bei dem kleinen Ludwig Vater- und Mutterstelle vertreten soll. Das arme Kind ist ihrer Sorge anvertraut." „Das ist wahr," murmelte Gertrud, „aber . . ." „Gewiß ist es wahr! Unter dem Vorwande, jeden Abend in den Beguinenhof zu gehen, verläßt Begga ihre Wohnung, um das Gespensterhaus aufzusuchen, in dem sie stets mehrere Stunden verbleibt. Ich an Deiner Stelle würde auch daran zweifeln, aber es ist nicht mehr möglich; ich werde Dir den Beweis liefern, den ich selbst vor dem Gerichte verschweigen würde, aber um ihrer selbst willen, sage ich Dir alles, damit Du sie an ihr: Pflichten erinnerst." „Der Beweis, der Beweis!" keuchte es angstvoll in Ger truds Brust. „Mein Mann ist von Jugend auf ein Freund desSchlos- scrmeister Arent, der als ein kundiger Handwerker bekannt ist. Zur Zeit, als derselbe noch als Geselle bei seinem Vater ar beitete, bat derselbe einmal auf Veranlassung der Herren vom Gericht die Tdüren am Hause des Juden Elie geöffnet. Der Letzterer wußle seine Schätze und Geheimnisse gut zu bewahren und es kostete Arent viel Mühe, den Mechanismus der Schlösser herauszufinden. Vor etwa 3 Monaten nun kam eines Abends eine Fran zu Arent, und ersuchte denselben, ihr einen Schlüssel anzufertigen nach einem vorgelegten Modell. Das letztere brachte dem Schlossermeister sofort die Schlösser des Gespensterhauses in Erinnerung; er fertigte den Schlüssel an und als die Frau kam, denselben in Empfang zu nehmen, glaubte er Begga zu erkennen. Von Neugierde getrieben, folgte er ihr und sah sie den Schlüssel in die Thür des Gespensterhaus, S bringen, letztere öffnne und dort eintreten. Als Arent dieses meinem Manne erzählte, wollte ich es auch nicht glauben. Was konnte Begga im Gespensterhause zu thun haben? Einige Tage später be gaben wir uns Abends einmal in die Nähe des Hauses und da sahen wir ein gedämpftes Licht durch die Fenster schimmern, hörten auch sprechen." „Warum hast Du mir das nicht schon früher mitgetheilt?" fragte Gertrud trostlos. „Ich wollte es geheim halten, da ich veraussetzen mußte, daß Euer guter Name darunter leiden würde .... Aber ich war es nicht allein, die Begga dort gesehen haben, andere Frauen kennen auch das Geheimniß und da mußte ich doch befürchten, Du würdest etwas erfahren." Gertrud brach in Thänen aus und rief; „Ach die Unglück liche, die Unglückliche!" „Und was gedenkst Du zu thun?" frug Dorothea. „Ja, was soll ich thun, da auch unfer guter Nam: da runter leidet. „Zunächst trachte zu erfahren, was Begga in das Haus treibt und dann kann noch alles wieder gut werden." Dorothea erhob sich darnach, umarmte ihre Freundin herz lich und verabschiedete sich. Gertrud blieb so in Gedanken verloren sitzen, daß sie den Eintritt ihres Mannes gar nicht bemerkte. VI. Sylvester und Gertrud saßen schweigend im Zimmer ihre Mienen zeigten deutlich, daß sie die Nacht schlaflos verbracht hatten. Der Mann suchte seine ganze Aufmerksamkeit der Zeich nung eines Helmes zu widmen, woran er die letzte Hand legte; Gertrud hatte den Spitzmrahmen vor sich, ihre Hände jedoch lagen in ihrem Schooße; ihre Augen voll Thränen waren angst voll auf ihren Mann gerichtet, dessen Züge entstellt waren durch quälende Gedanken, die ihren Kummer noch vermehrten. Sie schickte die Kinder in ein anderes Zimmer. Ein Geräusch beim Oeffuen der Hausthüce ließ beide erschrecken und beide er hoben sich, wobei Gertrud zu Sylvester trat, ihn flehentlich an blickte und bat: „Aus Liebe zu mir, bitte ich Dich, sei nicht zu strenge." In denselben Augenblicke trat Begga in das Zimmer. „Guten Tag, Schwager, guten Tag Gertrud!" sagte Begga freundlich. Keiner der Beiden beantwortete den Gruß und die Wittwe ließ sich, einigermaßen ängstlich, weiter ver nehmen : „Ihr scheint betrübt . . sind die Kinder . . ?" „Die sind Gott sei Dank wohl." „Eure Geschäfte?" „Gehen gut und mehren sich täglich." „Aber, was ist denn der Grund Eures Kummers, wenn die Kinder keine Sorgen machen und Geldangelegenheiten nicht drücken." „Es giebt ja noch andere Schätze in der Sparbüchse, Begga." „O, ja," antwortete sie langsam, „wie ein guter Name, den aber habt Ihr und Niemand wird Euch denselben rauben können." „Gerade, weil ich meinen Namen rein und makellos haben will," sagte Sylvester, „sei demjenigen geflucht. ." Der Waffenschmied vollendete den Satz nicht, er schlug mit der Faust auf den Tisch und gerieth so in Aufregung, daß ihm die Kraft mangelte, sich nicht beleidigend auszudrücken, und darum mußte er schweigen; Begga sah ihn erschreckt an. Als er die nöthige Selbstbeherrschung wieder erlangt hatte, wandte Sylvester sich an Begga: „Begga, habe ich Dich nicht immer mit Liebe behandelt ?" „Ja," antwortete die Wittwe. „Habe ich mein Gelöbniß nicht ritterlich gehalten?" „Ja", antwortete die Wittwe wiederum. „Wohlan, was kannst Du mir denn vorwerfen?" „Ich? ich, die Dir stets dankt, dankt aus dem Grunde ihres Herzens. In den Tagen Deiner glücklichen Jugend gabst Du stets die höchsten Beweise von Geneigtheit für Hubert und jetzt ..." „Genug!" rief Sylvester, heftig aufstehend, „genug!" Ich scheute mich, den Namen auszusprechen, der Dich be schuldigt!" Deine Lippen sind zu besudelt, daß Du nicht länger das Recht hast, den Namen zu wiederholen; nunmehr Du sein Andenken entehrt hast, ist alles zwischen uns aus .." „Sein Andenken entehrt . . . durch mich!" rief die Wittwe weinend aus, „bedenkst Du wohl, wessen Du mich beschuldigst?" Begreifst Du denn nicht, daß ich Dich vorhin wie ein Richter ausgefragt habe? Begga schlug die Augen nieder; ihre zarte Gestalt schien dagegen zu wachsen und sie bereitete sich zur Vertheidigung gegen über Sylvester vor. „Wessen beschuldigst Du mich denn? Es ist dies hart, wenn man ein reines Gewissen hat, ich selbst habe mir nichts vorzuwerfen. „Wenn etwas meine Verzeihung hätte erwirken können, Begga, dann wäre es ein reumüthiges Bekenntniß. Durch Dein Leugnen erschwerst Du nocy die Beschuldigung, aber ich werde Deine Unverschämtheit schon blos legen." „Sylvester, Sylvester! rief Gertrud klagend aus. Der Waffen)chnned fuhr weniger hart fort: „Ich werde gerecht sein, Begga! Du hast selbst meinen Edelmuth erkannt, ich denke Deiner Treulosigkeit; Du hast selbst die Makellosigk.it meines Namens erkannt, der Duft Deiner Tugend und Sittsamkeit ist verschwunden Während ich meine Kinder in der Furcht Gottes erziehe, ver gißt Du die Wiege Ludwigs und suchst bei Dunkel der Nacht das Gespensterhaus auf .... Leugne nicht weiter, ich weiß alles, man hat Dich beobachtet und ist Dir gefolgt." „Sylvester", wiederholte die Wittwe, während sie mit Ge walt sich aufrecht erhielt, Sylvester, Du beschuldigst mich, die schon so viel gelitten hat, ungerechter Weise. Höre nicht auf die, welche mich beschuldigen, glaube mir auf mein Wort . . . ich habe nie gelogen, Bruder! Gertrud kann es bezeugen . . ." Ich bin unschuldig und kann Euch ins Auge sehen ohne vor Scham erröthen zu müssen ich könnte meinen ganzen Lebens wandel ohne Scheu meinem unschuldigen Kinde erzählen. Bei dem Grabe meiner Mutter, bei der Wiege meines Kindes schwöre ich, daß meine Ehre fleckenlos ist." Heiße Thränen traten aus den Augen der Wittwe, schmerz voll rang sie die Hände und ihre Stimme traf wehmüthig die Herzen von Gertrud und Sylvester. „Gott weiß es," sagte Sylvester jetzt langsam, „daß ich mein Leben darum geben möchte, Dich unschuldig zu sehen, aber die Wahrheit, die Wirklichkeit muß ich wissen .... Untcr dem Vorwande, in den Beguinenhof zu gehen, verläßt Du jeden Abend Deine Wohnung um Dich in das einsame Haus des auf dem Scheiterhaufen gestorbenen Juden Elie zu begeben." „Sagt man nicht immer, daß es dort spuke?" „Gehe meinen Fragen nicht aus dem Wege, Begga! ich will von Dir bie Wahrheit wissen. Bist Du in dem Ge, spensterhause gewesen?" „Auf diese Frage werde ich," sagte Begga, „nicht ant worten. Mit welchem Rechte stellst Du mir die Frage? Was soll ich mir haben zu Schulden kommen lassen? Habe ich mich vergangen, dann soll das Gericht eine Untersuchung an stellen. Ich habe lange genug mit Geduld Deinen Beleidigungen zugehört, die ich nicht länger dulden darf. Ich bin keine Hexe ebensowenig wie Deine Frau; Gertrud verstehst Du dieses? Gertrud und ich sind Schwestern, dasselbe Blut strömt durch unsere Adern und das kann nicht lügen. Hast Du beschlossen, mir Dein Haus zu verbieten, so schmerzt es mich tief, durch Dich verstoßen zu werden." Begga näherte sich ihrer Schwester. „Und Du, Gertrud, hast Du mich auch nicht mehr lieb ?" Gertrud umarmte sie. . . . „Das ist mir ein großer Trost," ließ Begga sich dar nach vernehmen. „Sylvester hälft Du Deine Beschuldigungen aufrecht?" „Schwöre denn," antwortete der Waffenschmied, „ja, schwöre bei allem, was Dir heilig ist, daß Du unschuldig bist. Ein Mensch kann fallen, aber er wird doch nicht zu gleicher Zeit Meineidiger. . . ." , Jch schwöre es," sagte die Wittwe. „Ach, glaube ihr, ja glaube ihr jetzt," rief Gertrud da zwischen, „Begga hat noch nie gelogen." „Es ist gut so," antwortete Sylvester, „vergessen und vergeben wir dieses Gespräch." Auf Ansuchen ihrer Schwester holte Begga den kleinen Ludwig und die Wittwe verbrachte den Abend bei Gertrud. Bevor sie nach Hause ging, liebkoste sie zärtlich die Kinder ihrer Schwester. Ihre Augen waren feucht und ihr Herz klopfte oft hörbar. Sie suchte nach den herzlichsten und liebevollsten Worten, um ihrer Freude Ausdruck zu geben, daß sie ihrem Platz an diesem Heerde nicht verloren. Die späte Stunde nörhigte sic, den Beweisen ihrer Liebe und Anhänglichkeit zu machen und sie ging nach Hause; kaum hatte sie die Wohnung verlassen, als Sylvester mit tief in das Gesicht gezogenen Hute die Straße ebenfalls betrat und seine Schritte dem Gespenster hause lenkte. „Wenn sie mich belogen hat," dachte er, „wenn sie doch schuldig ist, dann werde ich nicht eher ruhen, bis sie mir ihren Mitschuldigen genannt hat; allerdings wird sie für einige Zeit die größte Vorsicht gebrauchen. Möglicherweise wird sie in den ersten Tagen fürchten, beobachtet zu werden, heute glaubt sie, daß sie mich überzeugt habe." (Forts, folgt.) Rechmmgsformnlare empfiehlt die Hrnckerei dieses Blattes.