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MsdmfferFageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei .Zustellung durch die Boten 2,3» RM., bei Poftbestellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Poftboienun^uni-rcAu-. tr-,-r»ndGcschLsiLftcUen - nehmen zu icdcr I-U De- ftelluugen enlgcgen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg ober sonstiger Betriebsstörungen besteh, Kern Anspruch aus Lieferung dn Heilung oder Kürzung des Bezugspreises. -Rücksendung eingesandter Schriststücke ersolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Beamte, Angeftellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Rpfg.. die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I Reichsmark. Nachwcifungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- gescbr'ebeneErscheinung»- rage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wrlsdruff Nr. 6 dcrücknchtigt. Anzeige«, annabme bis norm.lOUbr, —— > ' -- Für x»ie Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. IcderRabananspri ch ernicht, wenn der Betrag durch Klage eingezoijen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenlamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 131 — 88 Jahrgang Telegr-Adr „Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 8 Juni 1929 Ende gut, alles gut? Eine schwere Gewissensentscheidung. —Weltausstellungen * Der dicke Strich. Dieser Wochen und Monate Qual war groß — das wird wohl etwas die Empfindung sein, mit der Dr. Schacht den Pariser Frühlingsstaub von seinen Schuhen schütteln wird, sobald die Unterzeichnung der Youngschen Konven tion ihm das Abschiednehmen von den Konferenzgenossen erlaubt. Und vielleicht wird sich seiner Brust ein Stoß seufzer der Erleichterung entringen, wenn er erst die Hauptstadt der Französischen Republik in seinem Rücken liegen weiß. Diese Erleichterung würde dann aber un gleich mehr der persönlichen Lage unseres Reichsbankpräsi denten zu gelten haben als dem Abschluß des Werkes, mit dessen Inhalt nun sein Name auf Jahrzehnte hinaus ver bunden bleiben wird. Von ihm hat Dr. Schacht selber ge sagt, daß wir keinen Anlaß hätten, uns seiner zu freuen, und daß niemand den neuen Zahlungsplan für durchführ bar halte. Wenn er sich trotzdem entschlossen hat, seine Unterschrift zu geben, so geschah dies lediglich mit Rück sicht darauf, daß wir fortan in der Lage sein würden, aus eigenem Willen und ohne Aufsicht und Kontrolle an einer Gesundung unserer Finanzen weiterzuarbeiten. Be scheidener kann man Wohl nicht auf das Ergebnis so mühe voller und zugleich so lebenswichtiger Arbeiten zurück blicken, wie sie hier in Paris geleistet worden sind, und auch wer es beklagt hätte, wenn die Sachverständigen schließlich mit dem offenen Eingeständnis ihrer Uneinig keit auseinandergegangen wären, der wird gewiß weit da von entfernt sein, über die trotz allem erzielte Einstimmig keit dieser Vorschläge an die Negierungen so etwas wie Freude oder gar Genugtuung zu empfinden. Denn die Zahlungen, zu denen wir uns nun freiwillig verpflichten sollen, übersteigen ganz unzweifelhaft die Leistungsfähig keit der deutschen Wirtschaft, obwohl sie im Augenblick und auch für die nächsten Jahre um etliche hundert Millionen hinter den Ziffern des Dawes-Planes Zurückbleiben. Wenn wir sie, wie schon die bisher an die Gläubiger entrichteten Milliarden, nur mit Hilfe von Ausländsanleihen bereit stellen können, statt von Überschüssen unseres Ausfuhr handels, so wird die Aussicht auf ein rapides Ansteigen unserer Schulden- und Zinsenlasten gewiß niemand heiter stimmen. Also ablehnen, wie es die Rechtsparteien wollen, oder annehmen, im Vertrauen auf die Entwicklungsfähig keit unserer Wirtschaft, auf den Fleiß und die Tüchtigkeit unserer werbenden Berufsstände, wie es von denjenigen befürwortet wird, die den demonstrativen Rücktritt Dr. Böglers von seinem Amt als zweiter Sachverständiger des Deutschen Reiches nicht zu billigen vermochten? Eine schwere Gewissensentscheidung in der Tat. Die Franzosen und Belgier werden sich ihre Stellungnahme ungleich weniger zu überlegen brauchen. Sollte etwa der Starrsinn der Belgier, an dem der Einheitsbericht der Sachverständigen im letzten Augenblick noch gescheitert wäre, die Antwort sein auf die Mitteilung der deutschen Regierung, daß sie an der geplanten Welt ausstellung in Brüssel teilzunehmen nicht in der Lage sei, weil ihr hinreichende Mittel für solche Zwecke nicht mehr zur Verfügung stünden? Man soll allerdings Zusammen hänge nicht vermuten, wo andere Erklärungen nahe oder vielleicht sogar näher liegen. Aber daß eine sozusagen vor den Toren Deutschlands zu veranstaltende Schaustellung dieser Art nahezu eine Lächerlichkeit zu werden droht, wenn unsere Industrie, unser Handel, unsere Kunst und unsere Verkehrsleistungen sich von ihr fernhalten, das wird den Belgiern sehr wohl keinen Augenblick zweifelhaft sein, und sie werden sich über unsere Absage um so mehr geärgert haben, als alle Nachrichten über die kürzlich er öffnete deutsche Abteilung der Weltausstellung in Barcelona das dort gebotene Teilbild unserer Leistungen gar nicht hoch genug zu rühmen wissen. Aber man wird sich erinnern, daß auch diese Beteiligung schon nicht mehr in dem Umfang durchgeführt werden konnte, in dem sie ursprünglich geplant war, daß hier vielmehr der Reichstag die Rechnungen machte, die das Reichswirtschaftsministerium für diesen Zweck in Aussicht genommen hatte. Belgien legt mehr Wert darauf, von Deutschland noch rasch ein paar hundert Millionen extra zu erhalten, als auf baldige Wiederherstellung besserer freundnachbarlicher Beziehungen; von Eupen-Malmedy will es nicht zu reden erlauben, obgleich dessen Bevölke rung soeben vor der ganzen Welt ein deutliches Zeugnis für ihre deutsche Gesinnung abgelegt hat. Und seinen Rückhalt an Frankreich will es um keinen Preis aufgeben, als wenn es überhaupt keine Verträge von Genf und von Locarno gäbe. So wird und muß der neue Friedensbau, den geschaffen zu haben die Pariser Sachverständigen konferenz sich als unvergängliches Verdienst anrechnen mag, Stückwerk bleiben und man wird ihr nicht als Lohn für ihre Bemühungen den Segen mit auf den Nachhause- weg geben können, daß Ende gut alles gut sei. Die Börse allenfalls darf für heute und morgen etwas zuversicht lichere Kurse notieren, aber niemand wird zu behaupten wagen, daß dieser Glücksrausch andauern werde. Eine kurze Atempause allenfalls — mehr wird uns auch nach dieser sogenannten Revision der Dawes-Verpflichtungen nicht vergönnt sein. Dr. Sy. M der WW-Plaii mterzeiW mrde Nicht ohne störenden Zwischenfall. Der Bericht der Reparationssachvcrständigen in Paris wurde nach einer kurzen Ansprache des Vorsitzenden, Owen Young, in der er mit wenigen Worten den Sachverständigen sür ihre mühevolle Arbeit dankte, und nach einer kurzen Rede des Gouverneurs der Bank vo« Frankreich, Morrcau, unterzeichnet. Der englische Text erhält als erster die Unterschrift Belgiens, der französische die Unterschrift Dr. Schachts und Ge heimrats Kastl. Der erste Vertreter Belgiens, Francqui, der mit dem Zuge um 6 Uhr Paris verlassen hatte, hatte seine Unterschrift bereits vorher abgegeben. Dr. Schacht unterzeichnete genau um 5.51 Uhr. Nach der Unterzeichnung ergriff noch einmal Sir Owen Young in öffentlicher Sitzung das Wort. „T c r Bericht ist unterzeichnet,' führte der Vorsitzende aus, wir dürfen uns beglückwünschen zu der glücklichen Beendigung unserer Arbeiten. Wir nehmen an, daß er das beste Urteil zum Ausdruck bringt über die Frage, die wir zu regeln hatten. Zum Schluß richtete der Vor sitzende an den Ausschuß die Frage, ob noch irgend jemand Einwände zu erheben habe. Da dies nicht der Fall war, erklärte er um 6.10 Uhr die Konferenz für geschlossen. Zwischenfall bei der Unterzeichnung. Während der Aussprache über die Frage, ob der Be richt in englischer, französischer und deutscher Sprache unterzeichnet werden soll, ereignete sich ein über raschender Zwischenfall. Lurch einen Schein werfer geriet ein Vorhang in Brand. Der Saal fühlte sich mit Rauch und eine der großen Spiegelscheiben platzte infolge der Hitze von oben bis unten. Einem geistes gegenwärtigen Sachverständigen gelang es, den Vorhang Herunterzureißen und das Feuer mit einem Löschapparat zu löschen. Die Sitzung mußte für kurze Zeit unterbrochen werden. * Glückwunsch der Neichsregierung an Or. Schacht. Namens der Neichsregierung richtete der Reichs kanzler nachstehendes Schreiben an Reichsbankpräsident Dr. Schacht: „Sehr verehrter Herr Reichsbanlpräsident! Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis. Ihnen, sehr ver ehrter Herr Neichsbankpräsident, Herrn Ka st l und Herrn Melchior, namens der Neichsregierung für ihre auf opfernde Arbeit im Interesse der endgültigen Liquidierung des Krieges und seiner Folgen unseren besten Dank auszusprechen. Ihre vom höchsten Verantwortungsgefühl gegenüber dem deutschen Volke getragenen Bemühungen mögen uns Helsen, die politischen Ziele zu erreichen, die neben der Verwirklichung der in Paris gefundenen Lösung erst eine wahre und dauernde Befriedung Europas gewährleisten Mit dem Ausdruck meiner besonderen Wertschätzung Ihr sehr ergebener gez. Müller." Der AW des SWeWnWMWs Paris, 7. Juni. Der Sachverständigenbericht, der in der Schlußsitzung der Konferenz am Freitag nachmittag unterzeichnet wurde, zerfallt in zwölf Teile, acht Anhänge und eine besondere Denkschrift. Der erste Teil des Berichts handelt von der Ernennung der Sachverständigen und dem Zweck der Konferenz. Der zweite Teil nennt die Zahl der Sitzungen während der 17wöchigen Tätigkeit. Im dritten Teil findet die sogenannte Schiedsklausel Aufnahme, die am Donnerstagabend im letzten Augenblick geändert wurde und eine gewisse Verbesserung erfahren hat. Es heißt hier: „Wir müssen ebenso wie unsere Vorgänger feststellen, daß politische Faktoren unseren Entscheidungen eine Grenze gesetzt haben. Wir haben infolgedessen unsere Entscheidungen nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auf politische Betrachtungen eingestellt." In Teil 4 werden juristische Fragen aufgeworfen und darauf verwiesen, daß zum erstenmal unabhängige Sachverständige in die ser Form zusammen beraten haben und nach einer Lösung suchten. Zu der Frage der Prüfung der deutschen Leistungsfähigkeit heißt es: Die deutschen Sachverständigen haben alle notwendigen Aufklärungen gegeben über den Bedarf an fremden Kapitalien in Deutschland während der letzten Jahre, über die Wirkungen des Hereinströmens ausländischen Kapitals und über die Kapitals- emlagen Deutschlands im Auslände. Weiter wird ausgesührt, daß die deutschen Sachverständigen besonders darauf aufmerksam machten, wie sich durch den Krieg die Lage Deutschlands verändert hat, seine Rohstosfgrundlage in nerhalb und außerhalb der Grenzen vermindert und dadurch die deutsche Zahlungsfähigkeit beeinflußt wurde. Wir haben ein Schema empfohlen, das nach unserer Ansicht ebenso wirkt, wie der Transferschutz des Dawes planes. Es wurde der Versuch gemacht, die Ziffern so zu hakten, daß die unter Berücksichtigung der in den Plan eingebauten Schutzklauseln Deutschland die Zahlung er möglichen und die deutsche Entwicklung nicht ungebühr lich stören. Der fünfte Teil des Berichtes beschäftigt sich mit den Ar beitsmethoden des Ausschusses, der sechste mit der internationalen Bank und der siebente Teil mit dem Einfluß der „Form" der Jah resraten auf den deutschen Kriegsentschädigungsbetrag. Unter „Form" ist die Teilung der Iahreszahlungen in einen ungeschütz ten Teil zu verstehen. Teil 8 des Berichtes geht aussührlich auf die deutschen Iah reszahlungen und das Inkrafttreten des neuen Planes, sowie das Verlassen des Dawesplanes ein. Sollten die Regierungen einen späteren Zeitpunkt als den 1. September sestsetzen, so heißt es weiter, ist e§ trotzdem unsere Ansicht, daß die Grundlage sür die Zahlungen unter dem Dawesplan am 31. August enden und die Zahlungen unter dem neuen Plan am 1. Steptember beginnen sollen. Jeder lleberschuß für die Uebergangsperivde muß an Deutschland zurückgezahlt werden. Während dieser Zeit spanne sind im wesentlichen nur die Beträge für die in teralliierten Schulden sicherzustellen. Des weiteren wird bestimmt, daß für die Zahlungen, die Deutsch land nach den 36 ersten Noungraten zu leisten hat, der besondere Reservestock der internationalen Bank für die letzten 21 Jahre her angezogen werden soll. Einer der wichtigsten Teile des Berichts ist Teil 9. In ihm wird bestimmt, daß der neue Plan von dem Tage an, an dem er in Kraft gesetzt wird, alle früheren Verpflichtungen Deutschlands vollkommen ablöst. Die Zahlungen sind als eine endgültige Entlastung Deutschlands aus seinen Verpflichtungen anzunehmen. In einem Unterabschnitt werden die Quellen und die Sicherheit der deutschen Zahlungen behandelt. Sicherheitspfänder, wie sie unter dem Dawesplan be standen, kommen im neuen Plan vollkommen in Wegfall, wie die Industrie- und Eisenbahnschuldverschreibungen und sämt liche Kontrollen. lleber die Schutzmaßnahmen, die in dem neuen Plane vorgesehen sind, heißt es u. a.: Die haupt sächlichste Schutzmaßnahme besteht darin, daß man die Zahlung der Jahresraten für den geschützten Teil aufschieben kann. Wir empfehlen diese Annahme, um Deutschland sür den Fall einer De pression oder von Schwierigkeiten in der Wirtschaft und in seiner Währung die Möglichkeit zu geben, diese Schwierigkeiten über winden zu können. Das Reich hat nach einer Ankündigung, die neunzig Tage vorher gemacht werden muß, das Recht, den Transfer für eine Dauer von zwei Jahren aufzuschieben. Während dieser Zeitspanne besteht die Verpflich tung der Zahlung von Reichsmatt auf das Konto der internatio nalen Bank bei der Reichsbank. Nach einer solchen Erklärung hat die Bank sür internationale Zahlungen den beratenden Sonder ausschuß einzuberusen. Zu jeder anderen Zeit kann die Reichsre gierung den Gläubigerregierungen und der internationalen Bank erklären, daß sie zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß Deutsch lands Währung und Wirtschaft durch Weiterzahlung eines Teiles oder des ganzen Betrages der ungeschützten Iahreszahlungen in Gefahr geraten. Auch in dieser Frage ist der Sonderausschuß ein zuberufen. Der Ausschuß hat nur beratende Befugnisse, kann also den Transfer weder bewilligen noch ablehnen. Es folgen weiterhin Bestimmungen über die Zusammensetzung dieses Sonderausschusses. Ernannt werden die Mitglieder von den Zentralbanken und der Föderal-Rescrve-Bank oder einer anderen finanziellen Körper schaft in Amerika. Was die Sachlieferungen anlangt, so kam der Sachverständi- genausschuß zu keiner Neuregelung, sondern überließ diese den Regierungen. Die Sachlieferungcn beginnen mit 75V Millionen Goldmark und fallen dann auf 300 Millionen. Teil 10 behandelt die Liquidierung der Vergangenheit, die Kommerzialisierung und Mobilisierung und bringt eine Gegen überstellung der durch den neuen Plan geschaffenen Verhältnisse und der Regelung des Dawesplanes. Zum Schluß heißt es dann: „Es war unsere Ausgabe, Vorschläge für eine finanzielle Regelung zu machen. Wir glauben, daß wir diese unsere Aufgabe erfüllt haben. Wir sind uns der Verantwortung einer derartigen Erklärung bewußt und erkennen weiter an, daß alles vom zukünf tigen Verhalten der Länder gegeneinander und untereinander ab hängen wird, und zwar nicht bloß von den Völkern, die durch die Ratifizierung dieses Abkommens Vertragsparteien werden, son dern von der gesamten Welt. Die Lösung des Reparationspro- blems ist nicht nur eine deutsche Aufgabe, sondern sie liegt im In teresse der Gesamtheit aller Völker."