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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrännmerntionS Preis 22Z SUberqr. (j Lhlr.) viertcliüdrlich, 3 Mir. sür das ganze Iadr, ol>ne Erhöhung, in alle» Ldeilen der Preußischen Monarchie. Magazi n sür die Man pränumerirt aus dieses Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. StaaiS Zeitung (ZriedrichS- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post - Acmtern. Literatur des Auslandes. 141. Berlin, Freitag den 25. November 1842. England. Der Anblick eines Seehafens. Von Cap. Basil Hall. Es sind zwei ganz verschiedenartige Schauspiele, die uns ein Hafen dar bietet, der abwechselnd von den Fluthen des Oceans bedeckt und wiederum von denselben verlassen wird! Du bewunderst dieses prachtvolle Bassin, das bis an die Ränder angefüllt ist, so wie alle darauf schwimmenden Fahrzeuge, die du kaum zu zählen vermagst. Wie herrlich erscheint der Reflex dieses Waldes von Mastbäumen, dieses Tauwcrks und dieser hoch aufgespannten Segel in dem weiten Wasserspiegel! Du folgst mit deinen Blicken, so weit du ver magst, jenen kleinen Nachen und Barken, die nach allen Richtungen sich hin und her bewegen; du siehst die großen Schiffe ankommen oder abgehen; hier lassen sie mit krachendem Getöse den Anker zu Boden sinken, während sie dort die plumpe Eisenmasse mühsam aus dem Wasser hcrausziehcn. Welch' ein Leben, welch' ein Geräusch, welche bunte Mannigfaltigkeit in dieser bewegten Scene!... Aber woher kommen diese lustigen und fröhlichen Melodiken? Es ist der Gesang der Matrosen, mit der Stimme der Steuermänner vereint; eine höchst seltsame, aber doch im Ganzen so wohlklingende Musik! Dieser charakteristische Gesang oder, wenn du es lieber so bezeichnen willst, dieses taktförmige Gelärm der Matrosen hat für uns sein ganz besonderes Interesse. Schau nur, wie sie im Hafen überall hin und her ziehen, bewaffnet mit ihrem dreifach gewundenen Tau, das sie von einem Schiffe an das andere mit einer Gewandtheit los- und anbinden, welche die Unwissenden in Erstaunen setzt, wäh rend sie die Leute, die es verstehen, nicht wenig ergötzt; sieh' nur, wie sie den ganzen Raum rings umher mit ihrem Takclwcrk, gleich einer Spinne, um weben und wie sie die Schiffe, deren Abreise sie beschleunigen oder Mre» An kunft sie befördern helfen, in ihr Netz gleichsam aufzufangen scheinen. Der Augenblick der eintretenden Fluth ist am meisten belebt; da werden die Quais und Hafendämme mit einer Menge von Zuschauern bedeckt, von denen die Einen da find, um lang ersehnte Freunde ankommen zu sehen oder um sich von Bekannten zu verabschieden, die eben abreiscn sollen, während die Anderen, und zwar die meisten, aus müßigen Leuten bestehen, die eben gar nichts Be stimmtes hier zu thun haben und die täglich, durch die Zerstreuung, die das Schauspiel an und für sich gewährt, hcrbcigelockt, ohne sich von ihren Gefühlen und Empfindungen dabei Rechenschaft zu geben, von dem malerischen, reizenden Anblick eines bewegten Seehafens unwillkürlich gefesselt werden. Wer möchte aber auch wohl je müde werden, einer Scene von so mannig faltigem Wechsel beizuwohnen, die nicht zwei Tage im Jahre als eine und dieselbe erscheint? Bald erhebt sich ein leichter Sturmwind, bald tritt allge meine Windstille ein. Im letzteren Falle gleiten die Schiffe mit eintrctcndcr Ebbe sanst ins Meer hinab, während andere den letzten Augenblick der Fluth abwarten, um in den Hafen einzulaufcn; die einen wie die anderen lassen sich durch einen leichten Kahn helfen, der an das weit größere Fahrzeug vermittelst eines Kabeltaues befestigt ist, das abwechselnd ins Wasser taucht und wieder aus demselben hervorspringt, je nach den Bewegungen des über die Ruder ge lehnten Schiffsvolks. Zuweilen läßt sich auch wohl ein Schiff, um ein- oder auszulaufen, durch ein längeres Kabeltau herbeiziehen, das gleich einer Eisen stange fest ausgcspaunt ist und an welchem fünfzig bis hundert Matrosen längs des HascndammeS hinzichen, auf dessen in die Fluthen hinreichendem äußersten Ende ein Leuchtthurm sich erhebt, dessen Licht hier ganz unbeachtet bleibt, gleich einem Freunde, den man, nachdem die Gefahr vorüber ist, bereits vergesse» hat. Denn die Sonne ist heute in ihrem Hellen Glanze erschienen, die Winde find alle wie eingewiegt, das Erwachen eines Sturmes scheint für immer un möglich zu sepn: der Hafen ficht ohne Aufhören aus alle» Enden der Welt Kaufmannsschiffe aus- und cinlaufcn, die sich gegenseitig drängen, ohne jedoch einander zu stoßen, trotz der anscheinenden Verwirrung ihres unaufhörlichen Treibens und Bewegens, das für den unerfahrenen Zuschauer eben so unerklär lich bleibt, wie die Bewegung der Planeten auf der Himmelskugcl. Aber plötzlich erhebt sich ein Sturm, und die Scene verändert sich ganz und gar: die in den noch vor wenigen Augenblicken so ruhigen und stillen Hafen mit Gewalt eindringende Fluth setzt alle Kräfte der Matrosen in Be wegung, um den Widerstand zu überwinden. Jetzt ist's kein Spiel mehr; jetzt bedarf es alles Talentes der Steuermänner, der Kenntniß der Lokalität und der Unerschrockenheit der Capitaine. Alsdann bewährt sich die wahre Ueberlegcnhcit der vor Anderen sich auszeichnenden Männer, die noch kurz vorher unter ihre Gefährten vermischt waren. In solchen Angenblicken wird jeder Capitain aufs eifrigste selbst von allen denjenigen respektirt, die aus aufgeblähtem Stolze oder falscher Einbildung, zur Zeit der Windstille, am ungehorsamsten erschienen. Beobachten wir hier einmal ein Fahrzeug, das eben ankömmt, so bemerken wir, wie der Anker schon bereit ist, um hinabgesenkt zu werden; die Kabel taue sind längs des Verdeckes hin in Ordnung gelegt; der Sondirer berechnet so schnell als möglich die Angaben des Senkbleies und theilt sie in seiner eigenihümlichcn Kunstsprache dem aufmerksamen Steuermanne mit. Endlich ist der Eingang des Hafens überschritten, die großen Segeltaue werden ange zogen, das Steuer wird mächtig gesenkt, die Schoten werden losgelaffen, und du hörst auf einmal das Schiff ankommcn, du vernimmst das Krachen seiner Masten und Segelstangen, das unaufhörliche Getöse seines Takelwerks und seiner Segel, und es ist dir, als wenn die ganze Maschine plötzlich in Stücke zerfallen wollte. Aber wenn du ängstlich bist, so rührt dies nur davon her, daß du keine Kenntniß von der Sache hast. Beobachte nur einmal den ver ständigen Blick des Steuermannes oder, zur Seite des Steuermannes, die ruhige Kaltblütigkeit des CapitainS; höre, wie das Schiffsvolk mitten unter den schäumenden Welle» lacht und singt, und du wirst bald begreifen, selbst ohne zu wissen wie, daß trotz dieses anscheinenden Tumults, trotz aller Gefahren und Schwierigkeiten, Alles bereits wohlgeordnet und regelmäßig hergeht. Glaubst du auch zuweilen, daß das Fahrzeug gegen die Felsen anläuft, oder kommt cs dir so vor, als wenn es von dem klaffenden Abgrunde dort plötzlich verschlungen wird, so verfolge es nur, sep es, daß es herannaht, oder daß es sich entfernt, auf seinem weiteren Gange, und du wirst bald bemerken, daß diejenigen, die der Gefahr am nächsten sind, gar wohl wissen, daß keine solche mehr vorhanden ist, und daß sic sogar unter einander zu ihrem Zeitver treibe von den gleichgültigsten Dingen schwatzen. Verweilen wir noch etwas auf dem Hafendamme, obgleich es daselbst, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln, weder ein ganzes Geschwader von großen Schiffen, noch eine Miniatur-Flotte von jenen kleinen Kähnen und Nachen mehr giebt, die bei schönem Wetter den Hasen unaufhörlich durchkreuzen. Der Wind hat sie zerstreut oder hält sie am Anker zurück; aber du siehst hier zwei Kaufmannsschiffe, die dem contrairen Winde Trotz bieten; sep cS die Macht der Konkurrenz oder der Stachel des Eigennutzes, gleichviel wie du es immer nennen magst, waS sie treibt, sic find entschlossen, trotz aller drohenden Gefahren, ihre Reise muthig anzutrcten. Du sichst auch dort in der Ferne jenes von der Sonne und dem Regen dcr Tropengcgcndcn gebleichte Segel. Für den bei der Sache nicht betheiligtcn Zuschauer ist es ein Punkt am Horizont, oder ein Lichtflecken, der das düstere Gemälde des Himmels und des Meeres malerisch durchschneidet; aber der unruhige Blick des besorglichcn Kaufmanns hat be reits lange vor dir das Schiff erspäht, das er täglich erwartet; schon berechnet er die Prozente, die er an der für ihn bestimmten Ladung gewinnen wird, und er täuscht sich auch keincsweges, denn das Schiff ist ein ausgezeichneter Schnell- segler, wohlbekannt in dem Hafen, wo es, von tausend freudigen Stimmen begrüßt, eben einläuft. Der glückliche Kaufmann ist voller Fröhlichkeit und bewillkommt den muthigcn Capitain, er gratulirt sich selber dazu, daß er seine Waaren einem so geschickten Steuermanne anvertraut. Das durch die Elemente bewährte Fahrzeug selbst scheint an der Freude über den guten Empfang Theil zu nehmen; gleich einem Meteor fährt eS daher, indem cS kühn die Wogen theilt, und endlich sieht es sich, nach über standener Gefahr, bei den Magazinen des Kaufmanns in Sicherheit geborgen. Schon sein äußerer Anblick verräth die Länge der Reise: sein Kiel ist schmutzig und grünlich, sein Takclwcrk ist geschlitzt, und seine geflickten und bis auf die einzelnen Fäden abgcriebenen Segel scheinen besonders da, wo sie mit den Stnrmwindcn am meisten zu kämpfen hatten, fast durchsichtig zu scyn. Welch' ein Kontrast gegen diesen ganz neu erbauten Kiel, gegen die proper angcfer- tigtcn und in vollkommener Güte ausgcspanntcn Segel, gegen die gut ausgc- thecrten Strickwände und das elegante Takclwcrk des Schiffes hier, das eben erst den Hafen verlassen soll! Aber verachte ja nicht das eben angekommene Fahrzeug, ehre vielmehr die charakteristischen Kennzeichen seiner langen Reise und achte den Veteranen, der die Narben seiner Felvzüge nicht verbergen kann! So denkt insbesondere der, welcher das Schiff ausgerüstet hat. Gleich einem Freunde eilt er dem Capitain entgegen, der für ihn in den heißen Tro pengegenden seinen Teint verbrannt : du siehst, wie herzlich sie sich die Hände reichen, und der feine Kaufmann findet den robusten Händedruck eben gar nicht zu rauh. Die Freude ist in der That auf beiden Seiten gleich. Der Capitain erzählt gern von den Gefahren, den Verzögerungen und allen sonstigen widrige» Ereignissen, die er glücklicherw«se überstanden und die nunmehr nur in der