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'>4 Nr. 3S. v. ,r»nx»ov >lt«,NÄ^ «8t:KILx», tvrs b«i i nrrsIL- lvrv tt«- u. «iodvr oimpkotr- lläv wit ^si» prL- n lUlso 1 (tii-stct ^Usuü^. >l L V«., 20 Pf. ailarre- stunmt. Jllustr. ikh««P r». tr, m T- hl ch >n b„ i. ig ft e, >r > r- n >7 r i Sonntag den 9. Februar 1998. 7. Jahrgang. Wische MKsMllg l Unabhängiges Tageblatt siir Wahrheit, Recht «.Freiheit > WMMZMZW-M t 8 /^U5iI<Zlleli ZÜei' Z 8eIeucIiiunZ5-Tölpel' kirvsieiten in 5sIon-, Isnr- unä l_ieäer-^It>um5, ftumoribtül«. Tasten, kiotenpspiere etc. empfiehlt tteinricli ponelt. DrezcIen-8, dtoriUstr.Z «RÄ»ti(ü«iz-^v!isnn-Är.:: lei. 6310:: isatslog gratis u.ieaai» Die neue« Kolonialdenkschriften. Ein Reichstagsabgeordneter schreibt uns: Die neuen Denkschriften über die Entwickelung der Schutzgebiete sind erschienen; es sind die ersten, die nach den Anweisungen des Staatssekretärs Dernburg ausgestellt worden sind. Daß es hierbei an kühnen Bildern nicht fehlt, daß neben der Wirklichkeit auch die Phantasie ihr Recht be hält, sagt uns schon die Geschichte von der Dattelkiste. Aber streicht man einige Prozent ab. so bleibt doch die sehr um fangreiche neue Denkschrift ein Werk, das eingehendes Studium verdient. Wir empfehlen dieses auch allen Kolo- nialfreunden. Tie Denkschrift ist offenbar von dem Bestreben geleitet, Dernburgs Politik zu rechtfertigen, und so legt sie einen besonderen Wert auf die Eingeborenenpolitik. Wir gestehen ganz offen ein, daß Nur für Dernburg nach seiner ganzen Vergangenheit keine besondere Sym pathie übrig Haben. Aber wir treiben keine Politik der Rache, sondern eine solche der Sache. Daher gestehen wir auch offen zu, daß uns seine Darlegungen über die Ein geborenenpolitik sehr gut gefallen, daß wir in fast allen Teilen mit ihr einverstanden sind. Mehr wollen wir zum Lobe Dernburgs nicht sagen, denn er könnte sonst einen roten Kopf erhalten, wie ein junger Backfisch, der erstmals einen Leutnant sieht. Mit besonderer Genugtung aber stellen wir fest, daß Dernburg in dieser Politik nur den Bahnen folgt, die der Zentrumsabgeordnete Erzberger schon vor Jahren gezeigt hat. Wir würden diesen Abgeordneten wahrhaftig nicht nennen, wenn es die Pflicht der Ehren haftigkeit nicht von uns fordern würde. Durch die Block presse wurde seine Tätigkeit unverdientermaß-.n herabgesetzt, und selbst Katholiken glaubten Lügen, die über ihn ver breitet wurden und suchten ihn von sich abzuschütteln. Das Zentrum freilich hat Erzberger stets als tüchtigen Arbeiter hochgeachtet. Ueberhaupt kann wohl niemand mit größerer Genugtung die neueste Denkschrift lesen, als dieser Abge ordnete, dessen Beschwerden nun an amtlicher Stelle selbst bestätigt werden. Wir wollen dies nur an einer Frage zeigen, an der vielerörterten Arbeiterfrage in Oftafrika. Gouverneur v. Rechenberg und Staatssekretär Dernburg sind schwer an gegriffen worden, weil sie aus Ostafrika keinen Sklaven- siaat machen wollten, in dem einige hundert Weiße die Herren und die Millionen Schwarze die Arbeitstiere sind. Mit Recht hebt die Denkschrift hervor, daß es total falsch sei, anzunehmen, daß der Neger ohne einen Zwang nicht arbeite. Im Gegenteil ergeben die Berichte der Verwal tungsbehörde, daß der Eingeborene, von einigen Hirten völkern und sonstigen Stämmen abgesehen, überall ohne Druck seine Produktion vergrößert, wo er einen genügenden Erfolg seiner Arbeit sieht. Wo die Arbeit nichts einbringt, arbeitet er freilich ebensowenig, wie dies der Europäer tun würde. Da der etwaige Ueberfluß der Ernte wegen der Schwierigkeit, den Vorrat vor Insekten- und Rattenfraß zu schützen, selbst beim besten Willen nur schwer aufbewahrt werden kann, so produziert der Neger gewöhnlich nicht mehr, als er unbedingt braucht. Wo sich aber die Absatz möglichkeit bietet, arbeitet auch der ackerbauende Neger in böserem Maße, als anzunehmen bei uns Gewohnheit ge worden ist. Ein lehrreiches Beispiel dafür teilt der Be richt aus den Ansiedelungen der Munyamwefi in den Be zirken Vanga und Wilhelmsthal mit: Diese Ansiedelungen nmrden gegründet, um die Bevölkerung in den Plantagen bezirken zu vermehren, und waren früher von den Pflanzern gern gesehen: das ist nicht mehr der Fall. Tie Pflanzer haben sich vielmehr gegen eine Vermehrung dieser An siedelungen ausgesprochen, denn die Munyamwefi, welche den guten Absatz ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei den Vlantagenarbeitern bemerkten, fingen an, den Ackerbau im großen zu betreiben und selbst Arbeiter anzunehmen, um größere Landslächen zu bebauen. Ein Haupthindernis, weshalb in manchen Gegenden die Negerarbeit nicht vorankommt, ist die über alle Maßen schlechte Bezahlung. .Schon 1906 stellte der Abgeordnete Erzberger fest, daß dort ein Tagelohn von Pf. be zahlt worden sei. Alle „nationalen" Blätter stellten dies in Abrede. WaS sagt nun die Denkschrift? Sie stellt als Grund der angeblichen „Faulheit" der Neger die Tatsache fest, daß der Eingeborene von der von ihm verlangter, Ar beit nicht stets einen entsprechenden Vorteil hat. „Ost wurde von den Eingeborenen eine Summe von Arbeitsleistungen verlangt, die keinen entsprechenden Nutzen brachten. Ins besondere war dies bei den kommunalen Baumwollschamben der Fall. Bei der Verteilung des Gewinnes kam auf den Arbeiter für zweimonatliche Arbeit ein Verdienst, welcher zwischen 6—18 Pesa schtvankte. Außerdem sollte er war ten, bis die Baumwolle in Hamburg verkauft, der Erlös verrechnet und verteilt worden sei. Daß die Eingeborenen tür 6r>5 uns klrkti-iLck in jertrr Preislage Hpatte usicj (Wellen ksMel ln bieLLlng, stupler, rirrn etc., aller eigene hrreugnirie, emptekirn Loli me L Hennen, Mton^lmKe 9 sich gegen eine derartige Bezahlung ihrer Arbeit auflehnten, ist nickst zu verwundern. Daß sie der Kultur der Baum wolle an und für sich nicht feindlich gegenüberstanden, be weist der Umstand, daß dieselben Leute, welckx? sich gegen die gemeinsamen Schamben sträubten, jetzt vielfach frei willig Baumwolle anpflanzen, weil sie ihnen jetzt abge kauft und voll bezahlt wird, so in den Bezirken Rufiji, Bagamoje, Morogoro und teilweise in Kiltoa." So die Denkschrift. Also für ztvei Monate Arbeit — 6 bis 18 Pesa, d. h. 12 bis 36 Pf.; das ist der Lohn für zwei Monate — 60 Tage; im günstigsten Falle erhält also der Neger pro Tag einen halben Pfennig; ganz so wie der genannte Zentrumsabgeordnete es schon vor Jahren ge geißelt hat. Jetzt sucht die liberale Presse durch Lot- schoeigen ihre Niederlage nicht bekannt werden zu lassen. Tie Denkschrift geht aber auch mit dem Geschrei der Weißen, als habe man keine Arbeiter in Ostafrika, scharf ins Gericht. Sie stellt fest, daß eine „Arbeiternot" im eigentlichen Sinne des Wortes znxir objektiv nicht vor handen ist, daß aber durch den Verlust an Zeit und Geld, niit der Arbeiterbesckiaffnng verbundene, mannigfache Un bequemlichkeiten und Verdrießlichkeiten entstehen, denen durch eine geeignete Organisation, bessere Verkehrswege und geeignetere Arbeitsbedingungen abgeholfen tverden muß. Entschieden verworfen wird ein Arbeitszwangsgesetz, wie es von mancher Seite im Hinblick auf die angeblich „unverbesserliche Faulheit des Negers" gefordert wird. Wie aber der Arbeiter dort behandelt wird, sagt folgende Stelle aus dem amtlichen Berichte: „Die gewöhnliche Verpflichtungsperiode eines Muyam- wesi beträgt sechs Monate. Damit sind aber nicht Kalender monate, sondern Zeiträume gemeint, die je 30 Arbeitstage enthalten. Ooscho (Verpflegungsgeld) wird täglich oder wöchentlich, der Gesamtlohn aber am Ende der Verpflich- tungszeit gezahlt. Dadurch kommt es, daß die Kontrakt brüchigen ihres gesamten Lohnes verlustig gehen. Natür lich soll eben das Einbchalten des Lohnes ein Vorbeugungs mittel gegen den Kontraktbruch sein, und es wäre dagegen auch nicht viel zu sagen, wenn nicht durch die Art der Be rechnung der Kontraktbruch in etwas milderem Lichte er schiene. Da die Sonntage, Regentage, Krankheitstage und Ruhetage in die Verpflichtungszeit nicht eingerechnet wer den, so kommt es häufig vor, daßein Jahr und mehr vergeht,ehedie sechs Monateab gearbeitet sind. Dazu kommt, daß noch jetzt das System auf einigen Plantagen herrscht, daß, wenn der Arbeiter in der Zwischen zeit einen Barvorschuß erhebt, für jede Rupie Vorschuß, auch wenn sie im gleichen Monat zurückgezablt wird, die Ver pflichtungsdauer um je zwei Monate ivächst. Jeder Arbeiter erhält täglich eine Arbeitsmarke und für je 30 derselben eine Monatsmarke. Erst beim Vorzeigen von sechs Monats marken wird der Gesamtlohn gezahlt. Auf diese Weife kommt es vor, daß ein Mann, der sechs Monate zu bleiben gedachte, jahrelang an die Plantage gefesselt ist, und wenn er endlich des langen Wartens müde, entläuft, seines ge faulten rückständigen Lohnes verlustig geht." Außerdem wird daraus aufmerksam gemacht, daß es bei dieser Rechnungsart fast ausgeschlossen ist, daß auch nur zwei Mann von einer größeren Anzahl zugleich ange- wordener Leute an demselben Tage mit ihren 6X30 Ar beitstagen fertig werden. So kommt es, daß, wenn von den Sultanen auS einer Landschaft 60 Mann in einen Trupp gestellt worden sind, diese nicht, wie erlvartet wird, auch in einem Trupp zurückkommen, sondern sich in ganz verschiedenen Zeiträumen einstellen. Das erregt natürlich Erbitterung und macht die Sultane nicht geneigt, ein zweites Mal Leute zur Verfügung zu stellen. Solche vernünftigen Sähe und eine solche scharfe Miß billigung des Verhaltens der ostafrikanischcn Kultur- Pioniere haben wir noch nie in einer amtlichen Denkschrift gelesen: sie sind einfach vernichtend für gewisse Anklagen. Wenn Dernburg so weiter geht, hat er in diesen Fragen die Unterstützung des Zentrums; denn er sieht die Ein geborenen wenigstens nicht als Objekte der Unterdrückung und Ausbeutung an. Herzog Ernst von Sachsen-Nltenbnrg Der „Reichsanzeiger" schreibt zum Tode des Herzogs: „Seit dem 3. August 1868, als er seinem Vater folgte, hat der Heimgegangene edle Fürst in gesegneter Regierung fast 60 Jahre über dem Geschick der altenburgischen Lande ge- ivaltet. Seine Teilnahme am Kriege 1870/71, seine ver- dienstvolle, von Sr. Majestät dem Kaiser hoch in Ehren ge- baltene Mitarbeit um die Einigung Deutschlands, sein? vielfach bekundete Treue gegen den Reichsgedanken sicherten dem ehrwürdigen Herzog einen hervorragenden Platz im Kreise der deutschen Bundesfürsten und in den dankbaren Empfindungen der Nation. Die Verehrung für seine Per- l'roblsren 8is: Voi-rüßiNovs esin uncl (oeriing k sioeßstroli, Oresäen UisclsnlLkba in silsn Ltsct^tellsn sönlichkeit und für sein Wirken gaben sich lebhaft kund, als er am 16. September 1906 die Feier seines 80. Geburts tages beging. Heute vereinigen sich an der Bahre di« patriotisch gesinnten Deutschen aus allen Teilen des Reicher mit den altenburgischen Landeskindern in schmerzlicher Trauer." Thronfolger in Altenburg war bis vor kurzer Zeit des Herzogs Bruder, der feinsinnige, mit Auguste von Sachsen-Meiningen vermählt gewesene Prinz Moritz, der indessen am 13. Mai 1907 in Arco tiefbetrauert gestorben ist. Sein einziger Sohn, Prinz Ernst, ist nunmehr Herzog von Altenburg geworden. Er ist am 31. August 1871 geboren, seit dem 17. Februar 1898 mit der Prin- zessin Adelheid zu Schaumburg-Lippe, einer Cousine deS Fürsten Georg, vermählt und Vater von vier Kindern, darunter zwei Söhnen, von denen der jetzige Erbprinz Georg Moritz acht, Prinz Friedrich Ernst drei Jahre alt ist. Die beiden Töchter Charlotte und Elisabeth sind sieben und fünf Jahre alt. In diesen Brudersenkeln des Herzogs Ernst hat der alte Altenburger Stamm des Hauses Wettin neue, hoffnungsvolle Sprossen getrieben. Der neue Her zog hat sich die Bezeichnung Herzog Ernst II. beigelegt. Der Kaiser sandte an Herzog Ernst II. folgendes Tele gramm: „Tief schmerzlich berührt durch das Ableben Deines Oheims, des Herzogs Ernst von Sachsen-Altenburg, Hoheit, spreche ich Dir mein herzlichstes Beileid aus. Ich und mein Haus verlieren in dem Dahingegangenen einen wahren, aufrichtigen Freund, seine Landeskinder einen fürsorgenden Vater, das Reich einen treu erprobten Fürsten, der ein langes, reich gesegnetes Leben stets in den Dienst des Vaterlandes gestellt. In der tiefen Trauer um ihn fühle ich mich mit Dir eins. Ich weiß, daß Du seine Nachfolge in seinem Sinne antreten wirst, und danke Dir vom Herzen ür die in Deinem Telegramm ausgesprochene Gesinnung. Vom König von Sachsen ging folgendes Tele gramm ein: „Ich spreche Dir und den Deinen mein aufrichtigstes und herzliches Beileid zum Ableben Deines von niir so hoch geschätzten und verehrten Onkels aus, der ein Wahrer Vater seines Volkes war. Gott gebe Dir eine reich gesegnete und glückliche Regierungszeit." Der herzogliche Hof legt eine Hoftrauer von sechs Mo naten an. — Die Leiche des Herzogs wurde heute einbalsa miert und wird am Sonnabend abend ^5 Uhr aus dem Sterbezimmer in die Schloßkirche übergeführt. Sonntag und Montag wird die Leiche öffentlich in der Schloßkirche ausgestellt sein. Am Mittwoch vormittag 10 Uhr wird so dann die Ueberführung in die Gruft der Herzogin-Agnes- Gedächtniskirche stattfinden. Deutscher Reichstag. Der Reichstag erledigte am Freitag zunächst die Zuckerkonvention. Nationalliberale und Konservative waren auf der ganzen Linie zurückgewichen, sie wollten nun keine sofortige Herabsetzung der Zuckersteuer mehr, sondern begnügten sich mit dem Gesetzentwurf, wonach diese Herab setzung erst eintreten soll, wenn der Ausfall von 36 Millionen Mark gedeckt sei. Staatssekretär Vetbmann- Hollweg erklärte, daß der Bundesrat ge«en den KommissionS- antrag sei, daß er aber dem vom Block eingebrachten Antrag zustimmen werde, Graf v. Schwerin erklärte sofort, daß er den Rückzug antrete und mit dem nichtssagenden für künftige Steuersragen aber leitenden Kompromißautrag einverstanden sei. Der Zentrumsantrag Dr. Spahn geißelte diesen Antrag sehr scharf; er sprach von einer Steuerherab setzung in den Zeiten der großen Finanznot, obwohl nicht sicher sei, daß das konsumierende Publikum von der Herab setzung einen Vorteil habe. Damit hat der Zentrumsredner den Nagel auf den Kopf getroffen, da diese Steuerherab setzung in erster Linie den Zuckerinteressenten zugute kommen würde. Der Zentrumsredner führte auS, daß das Zentrum die Konvention bedingungslos annehme, daß es sich aber nicht binden lasse, damit e» für neue Steuern eintreten müsse. Die Redner der Blockparteien Dr. Paasche (Nl.) Dr. Wiemer (Frs. Vpt.). ». Oertzen (Rpt.). Schweikhardt (Frs. Vpt.), Vogt-Hall (W. V.) und v. Grabski (Pole) verkündigten ihre Zustimmung zum Blockantrag. Graf v. Schwerin, der so mutig den Rückzug angetreten hatte, suchte sich in einer höchst unartigen Schlnßbemerkung zu rächen, indem er von Zentrum und Sozialdemokratie als Bundesgenossen sprach und dem Zentrum vorhielt, als sei es gegen die Verbilligung des Zuckers. Dr. Spahn wies dies mit aller Entschiedenheit zurück. Bet der Abstimmung gab es nun ganz interessante Momente. Die Sozial- demokraten beantragten die Steuer von 1-1 Mark auf 10 Mark berabznsctzen, und gegen diesen Antrag stimmte der ganze Block, während das Zentrum ruhig sitzen blieb. -r- . ML M /'vö MW IM -ML JIM