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Adorker Wochenblatt. Mittheilunften über örtli6)e und vaterländische Angelegenheiten. Vierzehnter Jahrgang. »reit für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Thaler, bei Bestellung des Blatte« durch Botengelegenhcit: LU Neugroschen. Mittwoch, 14. Februar. 1849. Unsere Gesellschaft. „Es gicbt nur zwei Mittel, die gesell- fchaftliche Ordnung zu retten: 1, ein all gemeiner Krieg, oder 2) Unterdrückung der Volksschu len." Dies ist der Ausspruch des geistreichsten, scharf sinnigsten Vertheidigcrs der bestehenden Gesellschaft, des ch-maligen Ministers: Thiers. Dahin sind wir denn also gelangt! Diese „ge sellschaftliche Ordnung, dieser bestehende Zustand," der über jeden Versuch ihn zu stürzen, die schwersten Strafen verhängt, der selbst schon „die Aufreizungen der Unzusriedenbeit" mit Gefängniß und ZuchlhauS belegt, dieser beglückende bestehende Zustand bekennt unverhohlen, daß ihm zur Sicherung seiner Fortdauer nur allein der körperliche oder geistige Mord übrig bleibt; er gesteht offen, daß er sich nur noch auf Leichen oder entmenschie Thiere stützen kann, daß er verloren ist, sobald das Volk aus dem Zu stande der geistigen Nacht herauslritt und durch wach sende Bildung zum Bewußtsein seiner Rechte und Pflichten, zur Erkenntnis; seiner menschlichen Aufgabe gelangt; diese „gesellschaftliche Ordnung" verkündet es laut in alle Welt, daß sie verloren ist, wenn dies zum Bewußtsein, zur Erkcnntniß gelangende Volk nicht sogleich durch Kugeln und Kartätschen vernich tet wird. Doch, wäre vielleicht dieser Ausspruch des von allen Anhängern der „bestehenden Ordnung" so hoch- gepricsencn LhierS nur eine leichtsinnig, gedankenlos hingeworsenc Rede, ohne lieferen Sinn und ernste Bedeutung? O nein! gebt nur hin, überall in allen „civilisirten" Landern kurpas, vom höchsten Staats mann bis zum kleinsten adramer, hört ihr im prun kenden Saale, wie in der raucherfüllten Schenke den selben Ausspruch: „ein Krieg nur kann dem Uebel abhelfen, und Ruhe und Ordnung wieder Herstellen." Der scharfsinnige Tbiers unterscheidet sich von jenen schwächer» Politikern nur allein dadurch, daß er zwei Mittel entdeckt hat, dem Uebel abzuhclfcn, während sie >uir eines kannten, Thiers hat die Ursache der Gefahr auigefuni en, welche unsere gesellschaftliche Ord nung bedroht, er Hut erkannt, daß sie in der wachsen- , den Bildung des Volkes liegt, und darum stellt die ser geistreiche Mann uns zur Rettung des bestehen den Zustandes die Wahl, entweder die Ursache der Gefahr zu zerstören, durch die Verhinderung der Volks bildung oder die Wirkung dieser Ursache zu ver nichten durch ein allgemeines Blutbad des erwachen den Volkes. Doch bei etwas genauerer Prüfung der Gegen wart und jüngsten Vergangenheit schwindet auch un sere anfängliche Bewunderung für den Scharfblick deS berühmten Thiers, wir finden, daß er eigentlich nichts Neues entdeckt, sondern nur mit seltener Auf richtigkeit ausgesprochen hat, was unsere Gesellschaft schon längst übte. Der Selbsterhaltungstrieb, er Hal unsere bestehende Gesellschaft schon früher aufmerksam gemacht, auf die Gefahr die sie bedroht; und wenn sie sich auch nicht immer klar wurde und Rechenschaft von ihrem innern Drange geben konnte, so Hal sie doch stets mir richtigem Gefühle die Grundsätze be folgt, welche jetzt Herr Thiers im Drange der höch sten Noth so rücksichtslos und unvorsichtig in alle Welt hinausschreit. Wahrend dort in Westindien der Sclavenbesitzer gesetzlich die Todesstrafe verhängt, gegen denjenigen, welcher einen Sclaven lesen und schreiben lehrt, so wie gegen den Sclaven der es lernt, während hier der edle Ruffcnkaiser mit ritterlicher Offenheit bei Strafe der Knute dem Volke lesen und schreiben un tersagt, daß irgend Jemand der nicht dem höchsten Adel angehörig, studirt, können wir nur bewundern, mit welcher Zähigkeit unp Ausdauer auch in unsern frei er» Staaten die bestehende Gesellschaft sich der Bil dung und Aufklärung des Volkes entgegengestemmt, wen» sie cs auch nicht wagt, so offen ihre Absicht auszusprechen! Seht das gepriesene England'. Dort wußte cs die bestchende Gesellschaft möglich zu ma chen, daß von 55 Millionen Pf. St. Staatseinnah men glücklich nur 40,000 Pf. für die Volksschulen übrig bleiben. Nicht ganz der tausendste Theil der Ausgaben ist für die Volksbildung bestimmt. Doch damit selbst dieses kleine Gift ja nicht zu nachtheilig wirke, hat man zugleich verordnet, daß blos die'Bibel und iiamrntlich das alte Testament in den Schulen gelesen werde, wodurch es zu erwarten stand, daß