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Nr. 171. 24. Juli I8S« Donnerstag. gegeben. «Wahrheit «vd Recht, Freiheit und Gcsehl» Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch dl« Erpedition in Leipzig (Querstraße Rr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Di« Zeitung --UM Deutsche AllgemeM Zeitung PrelS für da« Vierteljahr IV, Thlr.; jede einzelne Rümmer 2 Ngr. Ein Blick in die nächste Zukunft Europas, hauptsächlich in Bezug auf Deutschland. i. t» Leipzig, 23. Juli. Bei Jedem, der den politischen Ereignissen der letz ten Jahre nur einigermaßen aufmerksam gefolgt ist, wird es wol kein Geheimniß sein, daß die scheinbare Ruhe, deren wir uns jetzt freuen, wesentlich nur auf Eine hervorragende Persönlichkeit bastrt ist, und daß von dem früher» oder späterü Abtr«t«n dieser Persönlichkeit vom politischen Schauplatz auch die kür- jett »der längere Dauer dieser Ruhe bedingt ist. Denn wollen wir uns nicht verhehlen, daß ungeachtet des Kinde« von Frankreich, ungeachtet aller R«- gentschaftsgesttze und RegentschastSräthe, nach dem Tode de- jetzigen Kaisers unser« große Rachbarnation den Turnus der Regierungen zwischen Republik, Bonapartisten, Bourbonen älterer und jüngerer Linie, der mit dem letzten Jahrzehnd deS vergangenen Jahrhunderts begonnen hat, in conscquenler Weise fortsetzen wird, ja daß dieser Turnus selbst vor dem Ableben des Kaisers feine Fortsetzung haben kann, da das jetzige Nögime drei mächtige Parteien, die Legitimisten, Organisten und Republikaner, zu bekämpfen, rrsp. niederzuhalten hat, was ihm auf die Dauer bei seinem, bei dem größ- ttn Theil der Nation notorisch unbeliebten System von Tag zu Tag schwe rer Herdep dürste. Ob in kritischen Momenten mit Sicherheit auf die Armee zu rechnen ist, möchte mit Bestimmtheit wol auch nicht vorherzusa- gen sein,'M» sie den Kaiser wol für Denjenigen ansieht, der ihr Gelegen heit zur GMchung de- dem Franzosen höchsten Gut-, der Gloire, gegeben hat, allein ihst km Kriege selbst nicht an ihrer Spitze und ihre Gefahren und Drangsal« theilen sah, wie dies bei seinem großen Onkel der Fall war, in dessen ungeheurer Armee sich wol nicht ein einziger Mann befand, der nicht jeden Augenblick gern da- Leben für ihn gelassen hätte, weil Jeder in ihm dg« Jnbifv de- höchsten Ruhm- erblickte, dessen glänzende Strahlen auch auf jeden einzelnen Soldaten als Mitbetheiligten fielen. Utber kurz oder lang dürsten wir also in Frankreich wieder einen politi schen Wschwung zu erwarten haben, und leider hat unS die Erfahrung gelehrt, daß ein solcher Umschwung nie ohne nachtheiligen Einfluß auf Deutschland, überhaupt auf den Frieden der Welt war; denn sollte cs auch den deut schen Regierungen gelingen, al-daün die in den Jahren 1849 und 1850 nnterdrückte, aber doch nicht vernichtete revolutionäre Partei im Zaum zu halten, so wird dessenungeachtet die al-dann in Frankreich ans Ruder kom mende Partei, sie mag sich nennen wie sie will, irgendeine Gelegenheit vom Zaun« brechen, UM durch eine kriegerische Unternehmung die Aufmerksam- keit der Ration vdHdtn inner» Angelegenheiten abzuwenden und der Ar mee zur Erringung rtUeS noch größern Quantums des schon oben erwähn ten, vom Franzosen über Alle» geschätzten Guts, der Gloire, Gelegenheit zu geben, denn Sie Erfahrung hat un- auch Das gelehrt, daß jede durch einen solchH ANifchwung an- Ruder gekommene Partei sich dieses MittelS bedient hat, um Zeit zu gewinnen, um sich im Innern zu befestigen, indem man durch dieses Mittel drei Zwecke erreicht: erstens wendet man, wie ge sagt, die Aufmerksamkeit der Nation von den inner« Angelegenheiten ab, da der Erfolg ihrer Waffen dieselbe stet- in Spannung erhält; zweitens macht man sich bei der Armee beliebt, an deren Zuneigung jeder französischen Re gierung außerordentlich viel gelegen ist, weil dieser Armee zu denken erlaubt ist und sie daher häufig auch als denkendes Wesen handelt; drittens ist ein auswärtiger Krieg eine sehr gute Abzugsquelle für etwa misvergnügte Ele- mente in der Armee, auf deren Tüchtigkeit und Eifer im Felde jede jewei lige Regierüpg sich aber ebenso gut verlassen kann al- auf den der eben herrschenden Partei ergebenen Theil der Armee, da der Franzose im Felde nur Ein HsungSwort kennt: „Frankreich- Ruhm", vor welchem alle Par- teiansichten verschwinden. Die Kriege der ersten Republik, welche durch Napoleon bi- 1815 fort- gesetzt wurden, sind noch im lebhaften Andenken de- gesammten Europa. Der ältere Zweig der Bourbonen, durch fremde Bayonnete der französischen Nation wieder aufgedrungen, bedurfte anfang- bei der allgemeinen Ermü dung oder Erschlaffung Frankreich- diese- Mittel- nicht, bi- endlich die Na tion wieder erstarkte und au- ihrer Apathie erwachte, was sich durch eine kräftige Opposition -egen die sich dem Absoluti-muS immer mehr zuwen- dende Regierung zeigte. Da endlich verfiel letztere auch auf obige- Mittel, indem man Stroitigkeiien mit dem Dpi von Algier suchte; denn in Eu- ropä, dem man seine eigene Rehabilitation zu verdanken hatte, konnte man doch füglich keinen Zwist vom Zaune brechen; man beschloß alsq, 4«ch die Eroberung Algier- sich bei der Armee und der Nation beliebt zy machen. Allein e- war zu spät, und beinahe zugleich mit dem Dei von Algier fiel auch di« ältrr« Linie der Bourbonen. Dir darauffolgenden vrle'aniflrn such ten durch die Unterstützung der aufrührerischen Belgier gegen die Holländer sich die Zuneigung der Nation und der Armee zu erringen und der Schluß ¬ act dieser Komödie war die Belagerung Antwerpens durch eine Arme«, welche die feindliche um- Dreifache überstieg. Nur die zweite Republik, deren wirkliche Dauer wir jedoch nur bis zur Wahl Ludwig Bonaparte'« zum Präsidenten bemessen, hat den Ruhm, sich diese« Mittels nicht bedient zu haben, weil sic, selbst aus dem wahren Willen de- Volks hervorgegan- gen, desselben nicht bedurfte. Ludwig Bonaparte jedoch, als Präsident der damals schon nur noch nominellen Republik, debütirte zuerst durch Vernich tung einer andern Republik, durch die wenig ruhmreiche und daher auch bei der französischen Nation sehr kalt aufgenommene Belagerung und Ein nahme RomS, und eS bedurft« daher für den durch den Staatsstreich vom 2. Dec, erstandenen Kaiser einer größern Action, um sich der Sympathie der Armee und der Popularität beim Volk zu versichern. Daher bemächtigte man sich mit beiden Händen der sogenannten orientalischen Frage, einc« ProblemS, das heute, nach so vielem Blutvergießen und vergeudeten Sum men, durch den über da« Knie gebrochenen Frieden noch kaum in di« «rsten Stadien seiner Lösung eingetreten ist. Der schlecht motivirte und sehr zur Unzeit unternommene Angriff Rußlands auf die Türkei bot eine schöne Ge legenheit dar, im Verein mit England, dessen innerste Interessen durch das Gelingen des russischen Vorhabens gefährdet worden wären, sich mit einem würdiger« Gegner zu messen und zugleich der Armee und der Nation durch AuSwctzung der in den Jahren 1812,1815,1814 und 1815 erhaltenen Schlap- pen zu schmeicheln, welcher Zweck jedoch nur scheinbar erreicht sein dürfte, da einesthcils die Armee den errungenen Ruhm mit ihren derzeitigen Ver bündeten thcilen muß, andernthrils die Nation für ihre ungeheuer» Peru- niäre» Opfer wol ein andere- Resultat als das, was dieser faule Frieden ihr gebracht hat, hätte erwarten dürfen. Vorläufig wollen wir indessen hoffen und wünschen, daß sowol Kaiser wie Nation sich mit dem errunge nen Ruhm begnüge« und nicht andere derartige Entreprisen für nölhig erachten, um dessen Quantum zu vermehren. Deutschland. Frankfurt a. M-, 19. Juli. In der Bundeslagssitzung vom 17. Juli ließen mehre Regierungen in Vollzug deS am 14. Febr. d. I. gefaßten Beschlusses anzeigen, daß sie es nicht für angemessen erachten, die zur Verhinderung des Nachdrucks bestehenden bunde-gesetzlichen Bestim- mungen zu dcm Zweck einer Modifikation zu unterwerfen, um den in öf fentlichen Blättern aufgcnommenen telegraphischen Nachrichten Schutz gegen Nachdruck zu gewähren; eine Negierung aber ließ ihre Geneigtheit, auf desfallsige Verhandlungen einzutreten, für den Fall kundgeben, daß sich die Mehrheit hierzu bestimmt finden sollte, wenngleich sie die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit derartiger Maßnahmen bezweifelt. In der Reclama- tionssache der im Königreich Württemberg begüterten Standesherren wegen Beeinträchtigung ihre« RechtszustandeS sind infolge de- BundeSbc- schlnffes von, 25. Oct. v. I. seither Vrrgleich-unterhandlungen zwischen Ver- trelern der württembergischen Regierung und dem Bevollmächtigten der Nr- clamanten gepflogen worden und eS haben dieselben zum Abschluß einer Uebereinkunft geführt, welche eine befriedigende Erledigung der Sache in Aussicht stellt und welche von Seiten der Standesherren bereit- ratificirt worden ist, zur Zeit aber der Genehmigung der württembergischen Regie rung noch entgegensieht. Diese Ucbercinkunft ist nun von dem Bevollmäch tigten der R«clamanten vorgelegt worden und es beschloß di« Versamm- lung, d«ss«n Eingabe der württembergischen Regierung mit dem Ersuchen zuzustellen, ihre hierauf bezügliche Erklärung baldigst anher gelang«» lassen zu wollen. Zwischen der Freien Stadt Frankfurt und den deutschen Rhein - uferstaatcn bestehen bezüglich des Anspruchs der erstem auf «ine subsidiari sch« Rheinoctroirente Differenz««, zu deren Verhandlung und Entschei dung da- auSträgalgcrichtliche Verfahren eingeleitct ist. Der Fürst und Alt graf v. Galm-Neifferscheid-Dyck, welcher einen Antheil an gedacht« Oktroi- rente beansprucht, hat gebeten, ihm die Geltendmachung seiner de-fallsigen Rechtszuständigkeiten und Ansprüche in dcm eröffneten Austrägalverfahrrn zu gestatten, und eS hat die Bundesversammlung beschlossen, zunächst di« NegitAivgen der bctheiligten Rheinuferstäatcn um ih-e Erklärung über die» sen Akttrag zu ersuchen. Au« Anlaß einer ntuerlichen Vorstellung det gt- nannten Fürsten beschloß nun die Versammlung, demselben den Inhalt der bi«her tingegängmen zustimmenden Erklärungen zu eröffnen, di« mit ihr«r Atußrrung noch rückständige Regierung aber um deren baldig« Abgab« zu rrsuchrn. (Frkf. Bl.) Prtußen. -2-Berlin, 22. Juli. Neue Nachricht«« au- Spa- nien sind nicht eingegangcn, und diejenigen Dcpeschm, welche außer den von den heutigen Zeitungen veröffentlichten noch hier eingegangcn sind, mel- den in der Hauptsache nur, daß die letzten Depeschen, welch« von Pari- aus nach Deutschland befördert worden sind, apokryph und untergeschoben