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Rk. 29« II. Deeember 18SY. Donnerstag. 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. «Wahrheit unbd Recht, Freiheit uud Gesetz!» 3u beziehen durch alle Postämter de« In-- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. -Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Au-Nahm« des p Ld- Dclltschc AllgkMkM Ztltmig Preis für das Vierteljahr Die Geldkrisis. X Leipzig, 10. Dec. Die große epidemisch aufgetretene Sucht, schnell reich zu werden, welche ungefähr 18 Monate lang die civilisirte Welt be- herrschte, hat DaS zur Thatsache gemacht, was kommen mußte: eine Krists. Seit Eintritt dieser Krists streitet sich nun ein Theil der Herren National» ökonomen herum, ob solche eine Börsen», Credit- oder SilberkrisiS sei, und sie suchen der Welt zu beweisen, daß wir durch starken Verbrauch von Thee, Seide und Tusche unser kontinentales Silber an China losgeworden, oder im Begriff sind, eS ganz loszuwerden, und daß über kurz oder lang eine rasche Entwcrthung des Golde- eintrcten müßte, welches in übergroßen Mas sen der civilistrten Welt zügeführt werde, während eine Steigerung aller Waarenpreise andererseits aus solchem Goldüberstuß hervorgehen werde, weil das Gold billig und demgemäß die Producte hierdurch thcuer würden. Ein gro ßer schwedischer Minister hat einmal geäußert, die Geschicke der Völker wür den mit wenig Verstand regiert, und wenn er sich dabei gedacht hat, wie wenig der schärfste menschliche Verstand die Dinge im voraus zu berechnen vermag, und wie viel sich ohne alles menschliche Zuthun Und gegen alle Erwartung, von einer unsichtbaren Macht geleitet, vor unsern Augen ab wickelt und bereitet, so stimmen wir ihm vollkommen bei. Wer dies nicht glauben will, der lese die geistreichen und unerfüllt gebliebenen Aussprüche eine» Arago in der französischen Depütirtenkammer während der dreißiger Jahre über die Eisenbahnen, wie so manchen Ausspruch der Weisesten im Rathe bei großen volkswirthschaftlichen Ereignissen, vor einer Reihe von Jahren der Oeffentlichkcit übergeben, und vergleiche sie mit der Gegenwart. In solchen Fragen haben sich fast immer die besten Köpfe im Volke ver rannt, weil sie sich — von einem localen Standpunkte nicht losmachen konn» ten und die bedeutenden nationalökonomischen Capitalwerthe der civilisirten Völkerschaften gar nicht in Betracht zogen, oder viel zu klein schätzten. Durch eine kurze Darlegung des neuern großen volkswirthschaftlichen Ereignisses: die Auffindung großer Goldlagcr bei leichter Ausbeutung, mit einigen Bemerkungen von unserer Seile versehen, wird sich am leichtesten iibWlicken lassen, inwieweit die schwarzen Fernsichten einiger Nationalöko- noMn für die Zukunft begründet sind oder nicht. Die Entdeckung der Gold- lager in CaliforNien und Australien fand vor ungefähr 11 Jahren, eine scharfe Strömung von Abenteurern aller Art nach jenen Gegenden vor neun ^Jahren statt. Die leichte Gewinnung dieses edeln Metalls brachte in jenen Gegenden einen außergewöhnlichen, Vergeudung zu nennenden Consum her vor. Laster aller Art nisteten sich rin, und Spielhöllen, Freudenbouliqucn, Trunksucht, Raub, Mord und Brand, Alles mußte dazu dienen, um die Lem Muttcrschoose der Erde entnommenen Goldkörner aus des glücklichen Finder- Hand rasch in die weitesten Kreise der übrigen Erdtheile zu tra- gen. Dem statistischen Ausweis (Soelbeer) zufolge betrug die gesammte Golderzeugung aller Lander der Erde in den acht Jahren von 1848—55 1264 Mill. Thlr., während solche 1846 nur die Höhe von 41 Mill., zu Anfang diese« Jahrhunderts aber gar nur 22 Mill. Thlr. jährlich erreichte. Sie hat sich sonach in den letzten acht Jahren verdreifacht, gegen Anfang dieses Jahrhunderts versechsfacht. So staunenswerth und überraschend auch für den ersten Anblick die binnen acht Jahren in den Verkehr gekommene Goldfumme von 1264. Mill. Thlrn. für Viele sein mag, den National- ökonomen, dem nicht unbekannt sein kann, daß Länder wie Frankreich, wie Deutschland, ein jedes für sich und in wenig längerer Zeit eine gleiche Summe für Eisenbahnanlagen ausgegcben haben, dem nicht unbekannt sein darf, welche noch viel größern Summen England für gleiche Zwecke in fast gedrängtcrm Zeitraum ausgegeben hat, der andern Tausende von Mil lionen Thalern gar nicht zu gedenken, die für Anleihen und andere Zwecke aufgebracht worden sind, ohne eine Erschöpfung oder Ermattung des Na tionalwohlstandes herbeizuführen, einen Nationalökonomcn, bemerken wir, sollte eitle solche Summe von 1264 Mill. Thlrn. Gold, gegenüber dem Un geheuern Capitalwerth der civilisirten Menschheit der Erde, nicht hinrcißcn, eine Entwcrthung des Goldes und Werthstcigcrung der Producte wie der liegenden Gründe, die sich hieraus folgern sollte, als ausgemachte Thatsache hinzustellen. Wir sind der Ansicht, daß jene Goldsumme von 1264 Mill. Thlrn. sich zu der Capitalmasse der civilisirten Menschheit beider Halbkugeln ungefähr so verhält, als wenn ein Mann von 100,600 Thlrn. Vermögen 1060 Thlr. in der Lotterie oder sonstwie gewinnt. Es wird ihm dieser Glücksfall angenehm sein, ihn möglicherweise zu einer Luxusausgabe veran lassen, seine übrigen Verhältnisse aber unberührt lassen. Für die Nichtig keit dieser Auffassung zeugt die Thatsache, daß trotz der schon vor fünf Jah ren von Chevalier aufgestellten schwarzen Bilder der Zukunft, auf das Zu strömen größerer Goldmassen basirt, sich auch nicht eins bis heute verwirk- licht gezeigt hat. Was sich hiervon im praktischen Vcrkehrslcbcn heraus- gestellt hat, und was wir biejetzt als eine Folge der sich im Handel und Wandel bewegenden größern Masse des edeln Metalls verwirklicht gesehen haben, ist eine größere HandclSthätigkeit, ein lebhafterer Weltverkehr, eine größere Neigung zum Speculiren wie zur Begründung irgendeiner Anlage, und durch endliche Uebcrtrclbung alles Dessen die jetzige Krisis. Aehnltche Krisen haben wir aber schon früher gehabt und werden sie haben, so ost die durch langen Frieden oder andere günstige Verhältnisse hervorgerufenc allzu große Prosperität der Völkerschaften ein allzu große» Gebühren, ein Gehen über die Kräfte hervorruft. Wer erinnert sich nicht der Actienwuth der Jahre 1837 und 1838 und ihres endlichen Ausgangs. Auf alle solche Ueberstürzungen folgen Ruhepunkte und damit der allenthalben in Gottes großer Schöpfung begründete Ausgleich. Die jetzige Krisis ist für Deutschland eine Creditkrisi», die sich durch fortwährende Zuströmungen von Edelmetall aus den Goldländern, bei nicht gestörtem Welthandelsverkehr und bei der sonstigen Besonnenheit de- deut schen Volks, schneller als erwartet, beseitigen wird. In Frankreich, wo ganz andere Umstände vorliegen und mit in Rechnung gebracht werden müssen, dürfte diese Krisis länger dauern. WaS die Ansicht anlangt, daß die Steigerung der Waaren- oder Productenpreise durch vermehrten Um lauf von Edelmetallen erfolge, so halten wir diese Ansicht für einen theo retischen Jrrthum, da Edelmetall, sowol Gold als Silber, wol ein bequemes Tauschmittel, nimmermehr aber ein Werlhmesser für Producte sein kann. Für den Werth eines Erzeugnisses entscheidet stets nur Angebot und Frage, nie die größere oder kleinere Quantität des im Umlauf befindlichen Edel metalls, denn sonst müßten ja, je nach dem Mangel oder Ueberfluß von Edelmetallen, sämmlliche Erzeugnisse zu gleicher Zeit im Preise fallen oder steigen, während die tägliche Erfahrung das Gegcntheil lehrt. In Ländern mit primitiven Verkehrsmitteln, wie solches in Ungarn und Rußland sowie der Türkei vorkommt, tritt diese Erscheinung dadurch am deutlichsten her- vor, daß wenige Meilen voneinander für die wichtigsten Lebensbedürfnisse die abnormsten Preisdifferenzen bestehen. Wo die dichteste Bevölkerung be steht, formiren sich in der Regel die höchsten Preise der nothwcndigsten Le bensbedürfnisse, weil das Angebot geringer als die Frage danach ist. Möchte demnach die wenig durchdachte Phrase: die Waacc ist theuer, weil das Geld billig ist, oder umgekehrt, bald fallen. Gold und Silber sind selbst nichts weiter als eine Handelswaare, solange sich diese Metalle im ungeprägten Zustande befinden. Erst mit der Prägung erhalten sie einen leicht erkenn baren festcrn Werth, oder wenn, wie in England, wo die Unze reines Gold auf 3 Pf. St. 18 Schill. 3 Pence gesetzlich normirt ist, der Werth des ungcprägten Edelmetalls festgestellt ist. Obschon nun England muth- maßlich den ersten und stärksten Anprall jener seit 1848 gewonnenen 1264 Mill. Thlr. Gold hat aushaltcn müssen, so ist doch in Wahrheit weder die erwartete Ueberfüllung der englischen Bank mit Gold, noch die Nöthigung zur Herabsetzung oder Aufhebung der angenommenen festen Goldwährung bis heute in Erfüllung gegangen. Eine ähnliche Wahrnehmung macht man bei dem Silber, welches trotz des nicht unbedeutenden Abflusses nach Ost indien, China rc. kaum eine Werthschwankung von V, Proc. gegen Gold erlitten hat, die aber in früher» Perioden ebenfalls vorgekommen ist und leicht auf Rechnung anderer Verhältnisse kommen kann. Im Herbst 1838 sank das Gold in Deutschland auf einen viel niedriger« Werth als seit eini gen Jahren, weil durch starken Getreidecxport nach England große Massen geprägten Golde- in den deutschen Verkehr kamen. Die jktzige mäßige Stei gerung des Silberwerths dürfte dagegen aus dem Gesuch der vielen in Deutschland neuentstandenen Banken nach diesem Metall zum Theil herzu- leiten sein, da solche bei der Ausgabe von Noten verpflichtet sind, einen Gegenfonds zu hinterlegen. Infolge der in Deutschland allgemein gellen den gesetzlichen Bestimmungen, mit Ausnahme Bremens, hat Silber die feste, Gold aber die bewegliche Valuta, und es liegt sonach auf der Hand, daß, um den bei Gold eintretenden Cursschwankungen zu entgehen, von den Banken lieber Silber als Gold aufgespeichert wird. Die eingetretene Cre- ditkrisis hält glücklicherweise sür längere Zeit von weitern Unternehmungen und Gründung von Anlagen ab, und die bereits begonnenen Unternehmun- gen werden hinsichtlich der auszuschreibenden Geldcinzahlungen im eigenen Interesse möglichst langsam Vorgehen. Hierin liegt ebenso wie in der Hun- gercur bei überstrcngtcm Magen die Heilung der jetzigen Krisis. Im Uebri- gen sehen wir ohne Furcht und Bangen für die nächsten acht Jahre einer weitern Zuströmung von 1264 Mill. Thlrn. Gold entgegen., Deutfchlanv. Preußen, t Berlin, 9. Dec. In den hiesigen unterrichteten Kreisen will man wissen, daß Preußen in den nächsten Tageq der Bundesversamm lung einen Bericht über die bisher in der ncuenburger Angelegen heit gckhanen Schritte und deren Erfolg vorlcgcn werde. Verharrt die Eidgenossenschaft auch noch ferner in ihrer bisherigen Stellung, so dürften, wie man hier glaubt, die deutschen sowie die Gesandten Frankreichs und