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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. VrönumxraUons- Prcis 22^ Sgr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für Las ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirt aus Liese« Beiblatt Ler Allg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in Ler Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in Ler Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 31. Berlin, Montag den 12. Mar) 1838 Italien. Paganini. Ich habe Paganini wiedergesehcn in den Sälen des Casino, welches seinen Namen fahrt, aber wesentlich verändert in seiner Person von seinem früheren Auftreten in den Jahren 18»! und 1832. Abgespannt und zusammengefalle», bezahlt er der Natur den Tribut für seine übermäßigen zwanzigjährigen Anstrengungen, die er dem Auge des Publikums stets zu verbergen suchte. Wcr Paganini in seiner jetzigen Verfassung sieht, der muß fühlen, wie lheuer der Kunstler seinen Ruhm erkauft habe, und daß selbst ein Genie die Lorbeern nicht im Fluge erhasche, wie man so oft den Dichiern nachspricht. Ja, ich habe ihn wiedergesehen in der Gestalt, die vier neue Jahre strenger Studien und Zurückgezogen- heil ihm aufgedrückt haben. Ich brauche wohl nicht erst hinzu- zuselzen, daß ich einen bleichen und gebrochenen Malin gesehen habe. Aber Personen hohen,Standes, gründliche Musikkenner, versicherten mir, daß er, trotz seiner Leiden, in den letzte» Kon zerten zu Mailand und Venedig sich größer und mannigfaltiger als 1834 in London und Paris gezeigt habe. Seine Seele ist noch frisch und ungebeugt, strahlt kühnere Geistesblitze als je, wenn auch der Leib verfällt und seinem Ruin emgegcngeht. Durch den Verlust der Zähne bekommt der untere Then seines Gesichts den Ausdruck des höheren Altere; verschwunden ist das Auge, in welchem der erste Wicderschein seiner magischen Töne glänzie. Vergeblich sucht man noch den kräftigen und beherrschenden Künstler, welchen der Griffel Veron's so täuschend.wiedergab, oder den keuchenden Mann, wie er aus der geistreichen Zeichnung einer bekannten Gräfin hervorging. Der einzige Schmuck des frühzeitigen Greises ist seine gewölbte glänzende Stirn, auf der die Jahre ihre Furchen gezogen haben. Aber noch tritt aus die sen verfallenen Zügen die denkende Seele hervor, noch umspielt jenes sardonische Lächeln seine Lippen, welches mehr von Ueber- druß als Erstorbenheil zeug«, von Ueberdruß an einer Welt, die er in dem fröhlichen Gewühl der Soireen kennen gelernt zu haben glaubt, in der Thal aber nie kennen gelcrm Hai. Wer wollte heute den jungen Künstler in ihm erkennen, der in den höchsten Zirkeln von Lucca und Piombino sorglos seine Zeit verbrachte und den kleinen Hof Elisa Bonapartens durch den Ruf seiner Talente in Bewegung setzte! Oder den, welcher in einer späteren Epoche sein Geld mit vollen Händen auf Vergnü gungen und seine Zeit in nutzloser Gesellschaft vergeudetes Diese Periode liegt wen Himer ihm; das sagt Euch sein veränderter Anblick, fasset ihn nur ins Auge: gleichgültig gegen die Ver gangenheit, krank, launisch, nachlässig und auffallend in seiner Tracht, sehet, das sind einige Züge zu dem Portrait des gealter ten Paganini. — Aber, ist es ihm allein so gegangen! Föx, den großen Fox traf das nämliche Schicksal. Zu den Zeilen des Lord Nonh der lebendige Modcnspicgel für die Welt der Stutzer, kam er i» den Tagen seines höchsten Ruhmes mit schlotternden Bein kleidern, einem abgetragenen kastanienbraunen Rocke, einem Ost indischen Schnupftuche um den Hals geschlungen und einem zer drückten Hut unlcrm Arm ins Parlament; aber wo Geistesgröße so entschieden hervoririlt, verzeiht man gern eine Eigenheit oder ein Vorrecht dem Genie. In seiner Jugend halte Fox in den Niederlanden um die Dom-ftnen gespielt,'die der begüterte Lord Holland ihm hinterlassen halte. — Auch Paganini verlor im Spiel bedeutende Summen, wie sis ihm durch die Hände gingen, oder gab sie auf Genüsse aus. Seine Gläubiger wuchsen wie sein Ruhm, und cs kam so weit, daß er zuletzt allein für ihre Befriedigung arbeiten mußte, daß sie an Konzen-Abenden mit der Schaar der Dürftigen den Ausgang des Saales förmlich belagerten, um ihre Papiere gegen sein Geld einzmauschcn. In diesen Jahren hatte das Geld für ihn keinen Werth, seine Studien und der Beifall des Publikums galten ihm Alles, und in dieser Beziehung gleicht er Fox: er Hai nie mehr gearbeitet, als in der Periode seiner unmäßigen Verschwendung. Beide sind von die sem Extrem, der Eine zu geregelter Lebensweise, zu strenger Ockonomie der Andere zurückgekommen. In Folge seiner besseren Winhschaft hat Paganini in erstaunlich kurzer Zeit ein bedeuten des Vermögen gesammelt; doch hält er auf Geld nur als ein Mittel, zu Einfluß zu gelangen, und weil das Talent „nicht lange seine goldene Anziehung zu bewahren" pflegt. Zu seinem eigenen Gebrauch hat er stets eine gewisse Baarsummc; der Genuß seines Vermögens bleibt seinem jungen Sohne, der seine Gesellschaft, seine Fainilie bildet. Sein gegenwärtiger Haushalt ist beschränkt; er Hal kein Hotel, keine Dienerschaft, während die Verwalter den Palast, dessen Eigemhümer er ist, nach Herzenslust bewohnen und den gütigsten, vielleicht großmüihigsten Herrn an ihm finden. An Beweisen seiner Freigebigkeit und seines Ldrlmuthcs fehlt es nicht, und wir selbst entsinnen uns einiger. — Jüngst sucht ihn ein alter Freund auf mit der Erzählung seiner vielen Unglücks fälle und rührt ihm dermaßen das Herz, daß er üO,0ON Francs zu seiner Abhülfe demselben überweist- — Sein Jtaliänischcr Geranc giebt ihm Rechenschaft von der Unterbringung der Gelder, die er in vielen Jahren gesammelt Hal; Paganini zeigt Freude über das Verfahren und macht ihm aus Erkenntlichkeit ein Geschenk von 20<>,MX) Francs (?). — Man erinnert sich, daß Janin ihm in seinen Referaten vorgeworfcn, ein Konzert zuin Besten der Armen von St. Etienne verweigert zu haben. Als die Nuinmer des äournal cles vöbittü in Genua dem Künstler zu Gesichte kam, ver sagte ihm die Stimme, und er konnte nur lispeln: „Ich habe Herrn Janin nichts abgeschlagen, wollte lediglich nicht in den Tuilerieen spielen." Doch machte Janin's Won auf ihn eine« solchen Eindruck, daß er von der Zeit ab nur zum Besten der Armen gespielt hat. — Vor wenigen Monaten besucht ihn ein Jugendfreund, findet offene Thür und fürstliche Aufnahme neben der Vertraulichkeit längst verflossener Tage, ein Mann, der das Gepräge der Dürftigkeit in seiner ganzen Erscheinung trug. So wenig Paganini sonst von Musik spricht, sein Freund wünscht es, und er bricht sein Schweigen, indem er ihm einige Im provisationen auf der Guitarre" spendet mit den Reichchümern seines Talents, welche sich an den engen Wänden des Zimmers brechen. Im Jahre 1832 bezeugte der Hof der Tuilerieen den Wunsch, ihn zu hören; man trägt ihm ein Konzert an, und er gehl darauf ein. Nachdem der Künstler sich dahin erklärt Hane, Tages vor her den Saal in Augenschein zu nehmen, um sein Instrument nach der Lokalität zu stimmen, führt man ihn seinem Verlangen gemäß auf das Schloß. Er macht gegen den Intendanten die Bemerkung, daß die Tapisserie des Saales der Entwickelung des Echo's ungünstig wäre, und begehn einige leicht zu bewerk stelligende Umänderungen, die er angiebl; aber der Intendant scheint kein Ohr dafür zu haben. Paganini zieht sich betroffen zurück^ fest entschlossen, am folgenden Tage nicht zu spielen. — Die Stunde des Konzens naht heran, der Hof findet sich ein, füllt die Logen, nur der Künstler ist nicht im Orchester. Da er lange auf sich warten läßt, giebt man Zeichen der Ungeduld, und endlich ist's entschieden, er kommt nicht; und als man nach ihm schickte, erfuhr man, daß er gar nicht ausgewesen wäre, sondern sich früh zu Bette begeben hätte. — Aehnlich ist folgender Zug. Vor fünf Jahren reist Paganini nach Turin und versetzt Stadt und Hof in einen musikalischen ParoxismuS; der König selbst bietet ihm die Hand zu einem Konzert. Von den Beweisen fürstlicher Huld gerührt, fragte Paganini den König während der Audienz, ob cs ihm gefällig wäre, eine eben fertig gewor dene Piece zu hören. Der König nimmt cs mit Lebhaftig keit auf, und Paganini führt sein phantasierciches Werk aus. Als er senig war, erhob sich der ganze Hof und bezeugte zu wiederholten Malen seinen lauten Beifall. Oer König ist der begeistertste der Hörer. — Den folgenden Tag läßt der Inten dant öffentlich anzeigcn, daß Paganini morgen in der Soiree bei Hofe spielen werde. Der Künstler macht einige Entschuldigungen, er könne nicht spielen, sey noch zu angegriffen, wird aber mit denselben nicht gehört. Er erhebt nun laute Klage und will nicht Folge leisten- Die Sache nimmt einen ernsten Charakter an: man fordert, wird dringender; er bleibt bei seiner Weigerung. Die Stunde des Konzerts kommt und mit ihr der König; Alles ist da, nur Paganini nicht, und man muß dem Könige sagen, daß er nicht spielen wolle. Gendarmen griffen ihn Tages darauf und führten ihn an die Gränzen Italiens. — Man wird einen Mann vom höchsten Verdienst nicht tadeln, daß er an seiner Person das Recht der freien Zustimmung und die Würde des Charakters geachtet wissen will. Ucbrigens haben solche Vor gänge das Gute, daß sie die längst vergessenen Pflichten der Höf lichkeit den Intendanten wieder einschärfen werden.