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Sk. LVS KM. Jahr«. Sonnabcud, 29 Nov. i9 9 Vesch8st»ftel»e ««»d Redaktion, Mresden » A. 1«, Hotdetnstrahr IS Fernsprich« LI S«S Postscheck«,»'»«» Lrtpzl, Nr. " »lerteliühni« «n der «etzhastsslell. »der von d« Itzoll a^echok „««,,»« L 1« M. »«»«ad« » Ms«« F>. In Dresden und g-n, Deuckchland frei Hau» «»«„de 4 4.«L M. «»««»de » 4.« -». - Dt« «üchflsch» erscheint an »lleq Wochentagen nachmittag». — Sprechstunde der Itedavton: It dt» IS Uhr vermtttag». «nsetern, Nnuahm« v« «eschSNSanzetgr» »iS »« Uhr. den F°mUtenan»«ig»n »»» »» »he den». - »»et« «4» P,ttl>Spo>»,»Ue «0«, im «eNameteUlgN'M. 8-MiltenMn,eigen «g — Für undeutlich getchrtedene. samt« dnech g« sprecher ausgegeben« Anzeigen Wimen »tr die Berant: wörtlich teil skr die AichttgkeU de» Kepe» ntch, Wb«««h» /Lr- T'/tsorsr-vec/a^/; <r7r- S6LS//Lc7/ro//'L'ei. ri-r- /rorc/'/0/'/6'PS ,V7 s/70^rr?s^>?uoroc7/7» -flovr/ D^s^L/s/7 /7. ^5(7/7/I Ein Jahr in der Reichskanzlei Der Rittmeister Gras von Hertling, der Sohn des bayrischen Ministerpräsidenten und nachmaligen Reichs- Kanzlers Grafen Hertling, hat im Verlage von Herder in Freiburg i. Br. (Preis 12 M.) unter dem Titel: „Ein Jahr in der Reichskanzlei", Erinnerungen an die Kanzler schaft seines Vaters herausgegeben, die zweifellos große Be achtung finden dürsten. Von ganz besonderem Interesse ist dabei die Schilderung des Verhältnisses zwi schen der Obersten Heeresleitung und dem Kanzler Hertling. T-er überragende Einfluß der Alldeutschen, dem sich auch vorab Ludendorff zugänglich zeigte, hat das politische Wirken nach Hertlings Zeugnis ungemein bHnnträchtigt. Die Vorgeschichte des Sturzes von Bethmanh. konnte natürlich den Grafen Hertling durch aus nicht reizen, die Nachsolgeschaft Bethmanns anzutreten. Als daher am 13. Juli 1917, dem Tage der Entlassung Bethmanns, der Kabinettschef des Kaisers, Herr von Va lentins in kaiserlichem Aufträge zu Hertling kam und ihn hat, Bethmanns Nachfolger zu lverden, hat Graf Hertling abgelehnt. Er sagte sich, daß er als Süddeutscher sowohl wie als Katholik nicht imstande sein würde, auf die Dauer die zahlreichen Hemmungen zu überwinden, die sich ihm als Kanzler entgegenstellen würden, und mit -er O. H. L. er folgreich zusammen zu arbeiten, deren Eingreifen in die Führung der Politik ja schon unter Bethmann zu den schwersten Kämpfen geführt hatte. In einem Briefe, den Graf Hertling am 18. Juli 1917 seinem Sohne ins Feld schrieb, äußert sich Hertling iiber die damalige Lage in Berlin unter anderem wie folgt: „In Berlin fand ich insbesondere in RkichStagSkreisen Ver- «ixrung, Mutlosigkeit und Direktionslosigkeit. Einigkeit schien nur in dem einen Gedanken vorhanden: Bethmann muß weg, wer nachkommt, ist einerlei. Ich suchlc den Kanzler noch am Donners tag vormittag anf und fand ihn ganz ruhig, gar nicht erregt, vollkommen sachlich, wirklich vornehm. UebrigenS hatte ihn der Kaiser soeben wieder seine« vollen Vertrauens versichert, und auch der Kronprinz, der, als er ankam, in das allgemeine Geschrei mit einstimmte und Tirpitz als den starken Mann haben wollte, war unter dem Einfluß seines Vaters umgestimmt worden. Aber es kam anders. Noch am Donnerstag kursierte in parlamentarischen Kreise» die Nachricht, Hindenburg habe seine und Ludcndorffs Entlastung verlangt falls Betbmann bleibe. Unerhört, aber wahr. Nun ^eichte Bethmann seine Entlastung ein und schlug mich als » seinen Nachfolger vor." Graf Hertling schreibt dann von dem Besuche Dalen- tinis uv- dem offiziellen Angebot des Reichskanzleramtes das folgende: „Als ich ihm lBale.itini) sagte, eS gehe nicht, schien er sehr verzweifelt. Ich setzte ihm dann aber meine Gründe auseinander, die persönlichen und die sachlichen, und als ich ihm sagte, ich fühlte mich nicht stark genug, um den Kampf mit der Obersten Heeresleitung, d. h. Ludcndorff. die sich unaufhörlich in die poli- ttsche Leitung einmischte, durchzuführcn, meinte er zwar einen Au genblick, die Herren müßten eben schwören, das künftig zu unter- lassen, sah aber dann die Unmöglichkeit der Durchführung ein und fand diesen Grund der Ablehnung seinerseits durchschagend." Es kam dann die drei Monatskanzlerschaft -es Herrn Michaelis, von dem, nach Hertlings Erinnerungen, behaup tet wird, daß Ludendorff ihn „entdeckte", Danach hat der Kaffer zum zweiten Male den Grafen Hertling gebeten und der Bayernkönig hat ihn ersucht, „um des Vaterlandes willen nicht nein zu sagen". Da glaubte Graf Hertling sich in vaterländischem Interesse verpflichtet, die schwere Bürde im Alter von . 74 Jahren auf sich zu nehmen, um so mehr, als — so berichtet sein Sohn — die O. H.» L. feier lichst erklärt hatte, sich in die Führung der Politik nicht mehr einmff'chen zu wollen. Dieser Zustand hat nicht lange gehalten. Wie ein roter Faden zieht sich durch Hertlings Blich die Schilderung der Ludendorffschen Einmischungsversilche und direkten Einwir kungen auf die Entschließungen der politischen Leitung. Während Gras Hertling zum Kaiser wie auch zu Hinden burg dauernd gute und angenehme Beziehungen hatte, war sein Verhältnis zu Ludendorff ganz anders. Hertlina sagt darüber, daß sein Vater dem berühmten Strategen nie in nerlich nahegekommen sei. „So sehr er dessen militärische Gaben anerkannte, so wenig konnte ihm dessen persönliches Austreten angenehm sein, d. h. die Art Ludendorffs, auch die Politik durch die militärische Brille zu sehen, wobei nach kurzer Ueberlegung nur der Befehl als einzige Folge si-b er gab, lief den Anschauungen meines Vaters, für den Politik die Kunst des Möglichen war, entschieden zuwider." Es ist dieserhalb zu mehrfachen Zusammenstößen zwischen Lu dendorff und Hertling gekommen, die in dem Buche göWst- dert werden und die überoOs interessante Einblicke in die politische Werkstatt der O. H. L. geben. Gras Hertling bringt dabei ein von Ludendorff unterschriebenes Tele gramm der O. H. L. in Erinnerung, in welchem sich, dieser beklagt, daß er „von dem Herrn RfickManzler gänzlich an die Wand gedrückt würde". Bemerkenswert für Luden dorffs fortdauernde Versuche, auf die Politik entscheidenden Einfluß zu gewinnen, war sein Verhalten in der polnischen Angelegenheit. Rittmeister Hertling schildert, wie Luden dorff damals mit seinem Vorschläge der polnischen Grenz- regulierung nicht durchdrang und wie der Kaiser vielmehr demjenigen des Generals Hoffmann beitrat. Er sagt über die darauf hin einsetzenden Vorgänge, die ein bezeichnendes Licht auf Las ganze dainalige Getriebe Wersen, das folgende: „Ludendorff, nicht gewöhnt, auf ernsten Widerstand zu stoßen, machte nun den Versuch, durch eine Art verschleierten Ulti matums die Abneigung der Reichsleituna gegen seine östlichen Pläne zu überwinden. Und da in nNsernn Laterlande wohl selten etwas geheim blieb, was strikt geheimzuhaltcii war, nie aber das, was man aus Zweckmäßig kcitsgrüiue» lieber gedeimhielt, so hatten Berlin und die Alldeutschen im Lande recht bald einige Kenntnis von dem, was anläßlich der Anwesenheit der Obersten Heereslei tung zur Diskussion stand. Die Folge war schon in den nächsten Tagen zu erkennen. Eine Hochflut von Telegrammen aus dem Alldeutschen Lager überschüttete eine Woche läng Kaiser, Kanzler und Oberste Heeresleitung. Sämtliche Telegramme wandten sich in mehr oder weniger heftige» Ausdrücken gegen den schmählichen sogenannten Verzichtfrieden, den die Ncichsleitung im Osten zu schließen im Begriffe stehe. Was an Telegrammen an den Kaiser gerichtet war. wurde durch daS Z vilkatnnett meinem Vater zuge» leitet, so daß der ganze Dienstbetrieb in der Reichskanzlei gestockt hätte, wenn man sich mit der genauen Durchsicht derselben bis ins einzelne befaßt hätte. Die Inszenierung dieser alldeutschen Hetze wäre vielleicht geschickt zu nennen gewesen, wenn wcht eine Reihe von Depeschen aus den verschiedensten Gauen Deutschlands genau den gleichen Wortlaut gehabt hätten. Das war zu durchsichtig und gab dem Ganzen derart daS Gepräge einer politischen Mache, daß auch harmlosere Menschen sich abgestoßen fühlen mußten. Auf meinen Vater machte die Ueberschmemmnng keinerlei Eindruck. Ihn« war das Treiben der Alldeutsche» schon in München unsym pathisch gewesen, als Kanzler konnten sie ihn nicht beeinflussen, und er sagte zu mir, wenn ich ihm wieder einen Stoß solcher Telegramme brachte: „Lege das dumme Zeug nur weg, es ist nicht der Mühe wert, es zu leien " Rittmeister Hertling teilt dann mit, wie trotz des an fänglich gegebenen Versprechens immerfort die Heereslei tung sich Einfluß auf die Politik schaffen wollte. Da hat Graf Hertling eine Denkschrift ausgearbeitet, in welcher die Grundsätze für die Führung der Politik festgelegt wurden. Die Denkschrift hatte die volle Billigung des Kaisers, und auch die O. H. L. erklärte sich in Berlin mit dem Inhalte derselben vollkommen einverstanden. „Kaum nach dem Großen Hauptquartier zurückgekehrt, versuchte sie jedoch, Abänderungen an dein Wortlaut derselben zu erreichen, um sich einem größeren Einfluß aus die Leitung der Politik zu sichern. Ter Versuch mißlang indes." In seinen Notizen aus jener Zeit findet Rittmeister Hertling die Bemerkung: „Es mackst mir den Eindruck, daß Ludendorff aus den .Konflikt. mit der Reichsleitung hintreibt, um nach dem Sturze des Kanzlers die Militärdiktatur einzusühren." Von größtem Interesse ist die Schilderung des Ritt- Meisters Hertling über das Drängen der O. H. L. nach einem Friedensangebot an die Gegner. Am 29. September kam Hertling in Spaa an. Herr von Hintze erklärte ihm, datz die O. H. L. verlange, datz so bald als irgend möglich ein Friedensangebot bei der Entente gemacht wird. Hertling war schon lange zuvor entschlossen, seine Entlassung zu nehmen, lieber die Rolle, die Ludendorff bei diesem Frie densverlangen spielte, gibt folgende, Schilderung des Ritt meisters Hertling Ausschluß: Am 30. September besprach sein Vater vormittags mit dem Kaiser wiederum die Frage der Nachsolgeschaft im Kanzleramte. Dieser konnte sich nock nickst für den Prinzen Max von Baden -n'.fichließen. „Wahrend der Unterredung", so beichtet Hellings Sohn, „betrat auf einmal Ludendorff unangemeldet das Zimmer und fragte sofort im Tone größter Erregung: „Ist die neue Negierung jetzt noch nicht gebildet?", woraus der Kaiser ziemlich barsch erwiderte: „Ich kann dock) nicht zaubernl" Daraufhin Ludendorff: „Die Regfirung muß aber sofort gebildet werden, denn das Friedens.ngebot muß noch heute heraus!" Der Koffer: „Das hätten Sie mir vor vierzehn Tagen sagen sollen."*) Am 1. Oktober erhielt dann der Reichskanzler Hertling die erbetene Entlassung. Inzwischen war alles drunter und drüber gegangen und in Berlin trafen andauernd telepho nische Anfragen ans dem Großen Hauptquartier bei der neuen Negierung ein, ob das deutsche Friedensangebot noch nicht nach Amerika gegangen sei. Graf Hertling zog in die Einsamkeit seines Gebirgsdorfes. „Als wir unser .Haus betraten," so berichtet sein Sohn, „sah ich langsam eine Träne aus dem Auge meines Vaters rinnen, ahnte er des Vaterlandes Schicksal?" Wer das Leben mrd Wirken dieses her.wringenden Mannes für Staat, Reich und Volk verfolgt hat, wird sich der Meinung seines Sohnes anschließen, daß die Revolu tion, die in wenigen Stunden das zerstörte, was die Lebens arbeit des Grafen Hertling war, ihm das Herz gebrochen hat. „Wohl ihm, daß es ihm erspart geblieben ist, das zu schauen, was wir, vor den Trümmern des Deutsch.n Reiches stehend, täglich erleben!" *> Ludendorff hat inzwischen die Richtigkeit dieser Schilderung dementiert; Graf Karl Hertling hält aber in einem Briefe an die „Schles. Volkszeitg " seine Mitteilungen in vollem Umfange aufrecht. Neuorientierung der tschechische« Rußlandspolitik? Von unserem eigenen Korrespondenten Prag, 26. November. Im Bewußtsein ,daß nur ein nationalistisch orientier tes Großrnßlmtd in der Ostflanke des Deutschen Reiches die restlose Durchführung des Versailler GeloaltfnedenA '0 > 'i ' Deutschs Spar»Prämienanleihe sysy Mündelsicheve Vernrog ensanlage Im ungünstigsten Fall in 20 Jahren verdoppelte« Rapital! - MI