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Staatsan^eiger für Erscheint Werktag« nachmittag« mit dem Datum de« Erscheinung«tagr«. Bezug«prei«: Monatlich 3 Mark Einzelne Nummern 15 Ps. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Etadtgirokonto Dresden Nr. 140. den Freistaat Sachfen Ankündigungen: Die 32 ww breite Grundzeit! oder deren Raum 30 Pf, di« 66 ww breite Brundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Ps., unter Ein gesandt 90 Ps Ermäßigung auf GeschästSanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag« 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, LerkaufSliste »on Holzpflanzen auf den Staatösorstrevier«. verantwortlich für die Redaktion: I. v.: OberregieruiigSrat Han« Block in Dresden. 1925 Dresden, Montag, 15. Juni Nr. 136 Fortsetzung der Vcrfassungsdcbattc im Reichstag. Sitzung vom 13. Zum. In der fortgesetzten allgemeinen Aussprache über den Haushalt des Reichsministeriums des Innern bespricht Abg. Koch-Wejer (Dem.) zunächst die Pläne iincr Verfassungsrefvrm. Der Weimarer Pcrsassuug haben wir es zu verdanken, wenn das Volk in den letzten Jahren nicht unlergegangen, die Wirtschaft aufrecht erhalten und die Einheit des Volkes besser gewahrt worden ist, als es sonst in Zeiten der Not unter der Herrschaft der Fürsten der Fall gewesen ist. (Beifall links.) Jetzt ist es notwendig, die Verfassung nicht abzubauen, sondern ausznbanen. Wir brauchen jetzt nicht eine Verfassungsrefvrm, sondern eine Verwal- tungsreform größten Stils. Wir müssen min destens verlangen, daß uns in einer Denkschrift gesagt wird, welche Berfassungsresormen eigentlich erstrebt werden. Die Pläne des Herrn v. Kardorff auf Abschaffung des gleichen Ge- meindewahlrechts zeuge» von einer merkwür digen Ritterromantik. Nach diesem Welikrieg, wo Mn» »eben Mann im Schützengraben lag, wo die Armen ost mehr als die Reichen gelitten haben, wird sich keiner mehr mit einem Klassenwahlrecht abfinden. reo die Schieber und Bordellbesitzer in der erste» Klasse und die Gelehrten, Hand werker und Arbeiter in der dritten Klasse wählen. (Lebhafte Zustimmung links.) Der Redner wendet sich daun der bayerischen Denkschrift zu. Er unterstützt einige ihrer Forderungen, die sich gegen bureaukratischen Zentralismus wenden, bekämpft aber entschieden die Forderungen, die eine Schwächung der Reichsgewalt zu Gunsten der Länder wollen. Der Reichsminister des Innern hätte in schärfster Form die bayerische Zumntung zurückweisen müssen, daß der Landesausnahmezustand dem Reichs ausnahmezustand vorangeht, oder daß das bayerische Kontingent der Reichswehr nicht ohne Bayerns Zustimmung außerhalb Bayerns verwandt werde» dürfe. Unter keinen Umständen darf unser Volk jetzt durch «ine Neuaufrollnng der Flaggensragc wieder in neue heftige Kämpfe gestürzt werden. Wir verstehen und teilen die Empfindungen der Herren, denen die schwarz-weiß-roten Farben heilig sind als Symbol ruhmreicher Traditionen. Heilig sind aber uns auch die Kämpfe für deutsche Einheit und Freiheit, die unter der schwarz-rot-goldenen Fahne nach den glorreichen Befreiungskriegen von der deutschen Jugend geführt wurde» gegen den Widerstand der deutschen Fürsten. Heilig sind uns auch die schwarz-rot-goldenen Fahne», unter denen zum erstenmal 1848 wieder ein deutsches Reichsheer gegen Dänemark vereinigt wurde, die schwarz-rot-goldenen Farben, die den großdeutschen Gedanken über die Reichsgrenzen hinaus symbolisieren. Heilig ist uns auch die schwere Arbeit, die wir unter der schwarz-rot-goldenen Fahne fünf Jahre lang unter Einsetzung von Leben und Ehre geleistet haben, um den deutschen Staat wieder aufzubaue». (Beifall) Abg. Koch kritisiert dann Bcrwal- tungsmißstättde und bedauert u. a., daß dem Reichskunstwart ein lächerlich geringer Betrag zur Verfügung steht. Wenn die Parteien der Rechien einmal aufhöre», die Republik und ihre schwarz-rot-golde«en Farbe» zu schmähen, die Re publikaner ehrloser oder vaterlandsverräterischer Ge sinnung zu verdächtigen, die wertvollen Kräfte, die in der Sozialdemokratie stecken, abzustoßen, dann wird auch der Weg frei sein für eine Einigung des ganzen deutschen Bölkes. (Lebh. Beifall links.) Abg. Petzold (Wirtsch. Bgg.) hält es für falsch, den Freunden einer Verfassungsreform reaktionäre Absichten unterzuschieben. Eine Heraufsetzung des Wahlalters sei eine unumgängliche Notwendigkeit. Der Streik um die Flaggcnfrage habe leider sehr üble Formen angenommen und vergifte schon die Jugend. Es war ein Fehler, nach dem Kriege die Flagge zu wechseln. Es wäre aber eine Wiederholung dieses Fehlers, wenn jetzt schon wieder die schwarz-rot-goldene Flagge obgeschafft werden sollte. Wir sind dagegen, daß durch eine Volksabstimmung über die Flagqenfrage neue Erregung ins Volk getragen wird. Ein allgemeiner VolkStrauertag zum Gedächtnis unserer Gefallenen findet unsere Billi- aung. Er sollte aber nicht in die Karnevalszeit, sondern in die Herbstzeit gelegt werden. Wir würden auch die Einführung emes National- leie rtages begrüßen Abg. Nolte (Wirtsch. Bgg. dt. Hann.) wendet sich gegen eine etwaige Aufhebung des Ar tikels 18 der Reichsversassung. Ter Reichstag müsse dem verfassungsmäßigen Selbstbestimmungs- rccht der Länder, das im Artikel 18 angedcutct sei, seinen Schutz gewähren. Abg. Leicht (Bayr. Vp.) wendet sich grnnd- sätzlich gegen jede gewaltsame Verfassungs- anderung, die nicht ausbauend wirken könne, svndcrn nur zu Katastrophen führe. Gerade, weil die gewaltsame Änderung der Verfassung zu un erwünscht sei, müsse man die Einsetzung eines Bcrsajjungsausjchnjses als notwendig und erwünscht bezeichnen. Die Weimarer Ver fassung könne nicht als unabänderlich bezeichnet werden. In ruhigen Zeiten müsse die Weimarer Verfassung reformiert werde». Die Einsetzung eines Verfassungsaurschusses schaffe ein Sicherheits ventil für eventuell entstehende Erregungen. Dieser Ausschuß soll aus- und aus- bauend wirken. Es genüge nicht, die Länder mit Klammern zusammenzuhalten; viel mehr müsse das Fundament des Reiches be festigt worden, damit der Bau des Deutschen Reiches seststehe. Die Bayerische Denkschrift stelle nur ein Dokument dar, das zeigen solle, wie die bayerische Regierung um die Selbständigkeit Bayerns besorgt sei. Der Redner setzt sich dafür ei», daß ebenso wie es mit dem Antrag auf Ab schaffung des Artikels ,18 geschehen ist, auch der Antrag zurückgezogen werde, der sich mit der Flaggenfrage befaßt. Wenn die Flaggenfrage jetzt ausgerollt werde, würde man ein Aufein- Die Wirren in China. Eine chintfischc Protestnote on England. Peking» 14. Juni. Tas Auswärtige Amt stellte der briti- schen Gefandtschast einen Protest gegen die Schießerei in Han kau zu, in dem es heißt: Das Au WSrtige Amt habe mit großer Über raschung vernommen, daß, während die Schang hai-Angelegenheit noch nicht gcregelt war, ein ähnlich schwerer Vorfall sich in Hantan ereignet habe, wo britische Freiwillige am 11. Juni Ma schinengewehre verwendet, acht Chinesen ge tötet, eis verwundet und damit den Grundsatz der Meischlichkeit verletzt haben Tic Rote er hebt formell Protest uid behält «ich das Recht vor, weitere Forderungen zu stellen» sobald der Fall untersucht ist. Sie fordert endlich, daß der britische Grschäftsträ,er alle Konsuln und sonstigen fremden vehölden anweise, in Zukunft derartize Haudlunzswcije zu unterlassen Der Reuterberichl fügt hinzu, die Ausländer hielten diese Nole für ein bemerkenswertes Zeichen der Schwäche der chinesischen Regierung, da sie ein Rachgeben vor der bolschewistischen Presse und den ex tremen Studenten bed.ule, die verlangen, daß China mit seinen Forderungen sich allein an Großbriiannien hallen solle. Tie Studenten for dern weiter die Abberufung des brilischen und des japanischen Gesandten aus Peking und der beiderseitig n Konsuln aus Schanghai sowie die Ausl eserung des ausländischen Polizeipräsidenten von Schanghai an die chinesische Negierung, der bestraft werden müsse. Schließlich wird die end- gültige Zurückziehung der britischen und japanischen Kanonenboote aus den Gewässern von Schanghcti gefordert. Eine weitere Renlermeldunz unterstreicht noch einmal die Tatsache, daß der Protest gegen den Zwischenfall in Ha kau nicht wie der wegen Schanghai dem Doyen des diplomatischen Korps, sondern dec britischen Gesaud schast zugeslellt wurde. * Sturm auf das englische und das japanische Konsulat in Kiukiang. London, 14. Juni. Nach Meldungen ans Schanghai wurden das englische und das japanische Kon sulat in der Stadt Kiukiang von einer erregten Menschenmenge gestürmt und an- gezündet. Das britische «oniulat konnte von den Angreifern, die zu plündern begonnen hatten, wieder befreit werden, die daranf andere Ge bäude ausländifchcr Gesellschaften plünderten. So wnrden das «efitztnm der japanl- jchen Schiffahrtsgesellschaft nud die Häuser anderer Schiffahrtsgesellschaften völlig ein geäschert. Die Gewalttaten begannen da- mit, daß mehrere tausend Anfständitche, meist Stvdentkn und Arbeiter, in das britische Kon- zessionsgebtet eindrange» und gewalttätig wurde», «hinefische Truppen trieben schließlich )ic Aufrührer zurück. Ein japanisches Lindungskorps sucht die Ordnung aus- r, chtzuerhalten. Indessen werden von tloineu Gruppen der Empörer neue Gewaltalte verübt. Bei de» Unruhe» in Kiukiang ist ein Japaner schwer verwundet worden. * Einäscherung einer katholische» Kirche. Peking, 14. Juni. Nach noch nicht betätigten chinesischen Berichlen ist die katholische Kirche in Kaifang gestein eingeäschert und el» italienischer Priester getötet worden. Hier lausen Gerüchte um, daß der Mi nister des Auswärtigen sich verborgen halte, da er fürchte, daß die Studenten auf ihren extremen Forderungen, die er nicht bewilligen könne, beharren. * Hkngqhusiaug hat keine Angst vor England. Peking, 14. Juni. Reuter zufolge erklärte General Feng in einem Interview, daß er, falls es zu Feindselig keiten gegen England kommen sollte, als erster ins Feld ziehen würde. China brauche keine Angst vor England zu haben, das zwar eine große Flotte aber nur ein kleine? Heer besitze. Der Sieg der Kantontruppen. Kanton, 14. Juni. Reuter. Der Sieg der «antoutruppcn wird auf die Tatsache zurückgesührt, daß sie von rusjischrn Offizieren geführt wurden. Ans der «antonsrile des Fluffes befindcn fich jetzt 10«»« Mann. Ihr Abzeichen ist die rote Halsbinde. Gegenwärtig herrscht Ruhe. Geplündert wird nur wenig. Einige Plünderer wurden von den Siegern erschossen. Man fürchtet, daß nach diesem leichten Sieg der bolschcwistischrn Soldaten, sich die Erbitterung gegen die Ansländer noch steigern wird. Nach einer anderen Reuter-Meldung machen die Einwohner von Kanton nach ihrem gestrigen Siege Jagd auf die Punansoldaten und alle anderen Personen, die mandarinisch sprechen. Sie mißhandeln sie in smchtbarer Weise und werfen sie dann in den Fluß. Straßenredner halten überall aufieizende Reden. Ausländer sind bisher nicht belästigt worden. ES wild indessen befürchtet, daß es doch noch zu fremden- feindliche» Kundgebungen kommen werde. Drohender Generalstreik der chinefischrn Seelente. London, 14. Juni. Die Gewerkschaft der chinesischen Seeleute hat in Erwägung gezogen, für die ven indochinesischen und chinesischen Schiffahrt«, gesellschaften gehörigen Dampfer vom 15. d. M. ab den Streik zu proktamielen. Sie drohen damit, am 80. Inn! d-n Generalstreik auszurufen. anderprallen der verschiedenen Gegensätze erleben, das in der gegenwärtigen schwierige» außen politischen Lage im Interesse des einigen Deutschland vermieden werde müße. (Sehr richtig!) Reichsinnrnminister Schielt. Das Reichsinnen ministerium hat in erster Lienie die Aufgabe der Wahrung der Reichseinheit, der Volkseinheit und der sozialen Einheit. Ich werde cs als meine schönste Aufgabe betrachten, diese soziale Einheit gegenüber allen Spaltlings-undSonderbestrebungenzu hüten. Am allerwenigste» darf diese Ei»heit durch kvn- fessionelle Fragen gestört werden. Das Reich über alles, und im Unglück nun erst recht. (Beifall rechts.) Diese Betonung der Reichseinheit hindert uns nicht, im förderalistijchen Sinne das Eigenleben der Länder zu sichern. Ich bi» im Ausschuß über meine persönliche Stellung zur Verfassung ge fragt worden und will darauf ganz offen antworten: Dadurch, daß ich de» Eid auf die Verfassung ge leistet und das Amt des Ministers übernommen habe, ist eigentlich schon diese Frage dahin beant wortet, daß ich die geltende Verfassung als bindendes Recht und als vcrfaffungsrechtliche Grundlage meiner amtlichen Tätigkeit ansehe. Ich will aber kei en Zweifel darüber lassen, daß ich für meine persönliche Aufsas- sung diejenige Freiheit beanspruche,-die Art. l 18 der Verfassung jedem deutschen Staatsbürger einräumt. Der Beamte ist selbstverständlich vor allem Orga» des Gemcinweseus. I» der jetzige» schweren Zeit steht im Vordergründe nicht die Frage der Staatsform, sondern des Staatswescns. Dieses Staatswesen wollen wir gesund erhalle» und verteidige» gegen alle Schädlinge, von welchem Lager sie auch kommen mögen. Die Verfassung ist die Grundlage unseres Staates, aber sie ist kein ewiges Recht, auch nicht die geltende Ver- fassung. Am 6. Oktober 1923 schon hat der da malige Reichskanzler vr Stresemann für fei» KabmeUt, dem a»ch Sozialdemokraten und Demo kraten augkhörte», erklärt: „Wirkliche Abhilfe kann »ui geschaffen werden durch eine grundlegende Änderung des Verhütl.:isses zwischen Reich und Ländern." Äm 19. Jauuar 192 > hat vr. Luther eikärt, die Rcichsregicluug werde es sich angelegen jein lasse», die Bestimm»»ge» der Reichs- verfasjuiig i» der Richluug »achzuprüfc», daß unser Staatswesen mehr und mehr gesundet.' Tas ist auch das Leitmotiv für meine Vorschläge. Ich verwahre mich gegen die Annahme, daß ich Experi- meutalpolitik mit der Versassung treiben wollte. Au der bayerischen Denkschrift können wir nicht achtlos Vorbeigehen, auch wenn wir nicht jedes Wort darin decken wollen. Wenn wir im Sune dieser Vorschläge zu einer Dezentra lisation der Verwaltung kommen, so bedeutet das nicht eine Schwächling, sondern eine Stär kung des Reichsgcda»kens. Rach dcr Berfafjung find die Reichssarbcn fchwarzrot-gold. Tarau» ergibt fich von felvst, daß sie Anspruch auf den Schutz des Staates haben, den zu gewähren ich durchaus gesonnen bin. Weite Kreise des Volkeserst reben die Wieder kehr der alten Reichssarben schwarz.weiß-rot. Ich bin der Letzte, der bestreiten wollte, daß auch im schwarz-weiß-roten Deutschland die Farben schwarz- rvt-gold tiefe Verehrung genossen haben als das Symbol, unter dem die Bur-chenschasten und andere Kräfte der Jugend für Deutschlands Einheit und Freiheit gekämpsl haben. Aber Ächtung gegen Ächtung, es war die schwa rz-weiß-ro te Fahne, mner dcr ein starkes Deutsches Reich fünfzig Jahre hindurch der Hort des Weltfriedens war. Unter der chwarz-weiß-roten Kokarde habe» deulsche Männer aller Stamme jahrelang das Vaterland gegen eine tbermacbt von Feinden ruhmreich verteidigt. Beifall.) Der Minister Wendel sich daun den kulturelle» 'lufgaben feiner Verwaltung zu und bezeichnet es als fei» Strebe», die sittliche und körperliche Ertüchtig»,,g der Jugend mit alle» Kräften zu fördern. Im Sinne des Turnvaters Jah» müßten gcs»»de Körperpflege und die Hebung der nationalen sittlichen Kräfte eine Einheit bilden. Das verarmte Deutschland könne in der Unterstützung der wissenschastlichen For sch »ngseinrichtungen leider nicht ähnliche Mittel aufbrmgcn wie reichere Länder, aber das Innen- Ministerium werde alles tun, was i» sein-n Kräfte» steht, um durch seine Unterstützung der deutsche» Wissenschaft die Erhaltung der hervorragende» Stellung zu ermögliche», die sie in der Welt ein mmmt. In lultnrellen Fragen muß den Ländern ihr Eigenleben gesichert sem, aber das Reich muß auch hier entscheidend mit reden können, ohne z» reglementieren.