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Memner Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf, ^roß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Börlas Spechtritz ete. Aus unserer Gegend. Die Ungunst der Witterung letzter Zeit hatte sich "uf dar am Sonntag beginnende Schützen- erstreckt. Schon der Sonnabend vorher an dein der von früh bis Abend fast ununterbrochen hernieder- Wb, raubte die Hoffnung ans das Steigen des Barv- andern Tage. Und dieser selbst stieg trüb und aus dem nächtlichen Dunkel empor. Trotzdem zog u" ii Uhr der Weckruf fröhlich durch die Straßen und !Mte die Langschläfer aus den Federn. Bei wenigstens Ermaßen günstigem Wetter verlief das Concert beim Amkönig, vollzog sich der Empfang der geladenen Vel- Nathhause und konnte der Festzug nach dem i^Matz ausgeführt werden. Al» jedoch ein Kanouen- D den Beginn des Schießens nach der Scheibe ange- ' hatte und sich ein lustiges Vogelwiefentreiben ent- wollte, zog der Himmel plötzlich seine Schleichen L Msandte mit einem stillen Gewitter einen, über eine We andauernden Regenguß, der das Publikum unter Mtzmde Dach der Ncstaurationsrälnne flüchten ließ, selbst dies vermochte nicht, den Besuchern die gute W zu verderben, denn nach Aufhören des Regens ent- iIlte sich bald wieder reges Leben im Freien und dauerte bis zur späten Nachtstunde. Daß hierbei die Fre- lA des Tanzsaals, sowie des Circus Winter, der ameri- Schaukel und der verschiedenen Pfeffer- und ^Mbuden nicht gering war, bedarf als selbstverständlich besonderer Erwähnung. Hoffentlich endigt das Fest ' Allein so zufriedenstellend, wie es begonnen. Nun ist sie da, die von tausend und abertausend Übliche,, Herzen seit Wochen mit Inbrunst herbeigesehnte H der großen Ferien. Am Sonnabend wurden die W" sämmtlicher Schulen geschlossen und die Schaaren Dienstag, den 20. Juli 1897. von Schülern und Schülerinnen stürmten nach Hause, um hier Schulranzen und Schultaschen schleunigst einem stillen Plätzchen zu beschaulichem Dasein zu überantworten. Nun geht's hinaus in Gottes freie Natur, um Körper und Geist zu stärken und für die nach Ablauf der Ferien aufs Neue beginnende Arbeit neue Kräfte zu sammeln. — Das Gesetz über die Sonntagsruhe hat vielfache Denunziationen kaufmännisch Airgestellter gegen ihre Prin zipale herbeigeführt. In einem solchen Falle hatte der Prinzipal in der anonymen und unbegründeten Anzeige die Handschrift seines Gehülfen erkannt und ihn deßhalb ans der Stelle entlassen. Der Handlnngsgehülfe verlangte aber sein Gehalt noch bis zum Ablauf des Vierteljahres, was jedoch nicht gewährt wurde. In der hierauf von Seiten des Angestellten anhängig gemachten Klage entschied das Gericht zn Gunsten des beklagten Kaufmanns, indem es im Urtheil die sofortige Entlassung billigte, weil eine Denunziation eine unverantwortliche Verletzung der durch die dienstliche Stellung gebotene Treue darstelle. Die An gelegenheit kam sodann in-der Bernfsinstanz neuerlich zur Verhandlung. Doch auch die zweite Instanz entschied unter Aneignung der Gründe des Amtsgerichts zu Ungunsten des Handlnngsgehülfe». — Dem Jagdpächter von Seifersdorf, Herrn Merbitz, wurde dieser Tage das für unsere Gegend seltene Glück zutheil, einen feisten „Sechsender" erlegen zu können. Es soll dies überhaupt der erste Hirsch sein, der auf unserm Privatreviere geschossen wurde. Das Thier ist aus der sogen, niederen Haide ans Seifersdorfer Flur gewechselt. — Am 1. Augrist wird Herr Amtsstraßennreister Dietze von Dippoldiswalde nach Sayda versetzt und tritt an seiire Stelle Herr Amtsstraßenmeister Böttcher aus Scheibenberg. — Am Donnerstag langten in Tharandt die ersten Rohre zur städtischen Wasserleitung an. Der Erbauer der 10. Jahrgang. Leitung, Herr Funke, gedenkt dieselbe bis zum Herbste oder wenigstens noch vor Weihnachten fertig zu stellen. — Desgleichen ist der Bau der Wasserleitung in SeiferS- dorf in Angriff genommen und die diesbezüglichen Ar beiten Herrn Jngenieuer Löffler in Freiberg übertragen worden. — Der bisher von Herrn Ulmer bewirthschaftete Gasthof zum Erblehngericht inSomSdorf ist zum Preise von ca. 70000 Mark in den Besitz des Herrn Milch händlers Gläser in Döltzschen übergegangen. — Obgleich die Electrizität dem Gaskonsum Schritt für Schritt den Boden ab gräbt, ist es doch trotz der un geahnten Ausbreitung der ersteren ganz erstaunlich, welche Unmengen von Kohle jahraus jahrein noch in LeuchtgaS verwandelt werden. So haben die 742 Gasanstalten in Deutschland im vergangenen Jahre rund 60000 Centner Kohlen verbraucht und ihr Hauptrohrnetz ist zusammen fast 13 000 Kilometer lang, das ist also länger als die Strecke von Lissabon nach Peking. Das in den gesammten Gas anstalten Deutschlands steckende Kapital repräsentirt eine Summe von 500 000000 Mark, das ist eine halbe Milliarde. Die nachgewiesene Gasflammenzahl betrug dabei rund 5 750 000 Stück. — Ungetreue Vertrauensmänner. Außer der „Lese- gesellschast" in Köln, die 97 000 Mk. einbüßte, und der „Gesellschaft Erholung", die ebenfalls eine erhebliche Ein buße erlitt, soll nun auch der „Kölner Männergesangverein" durch Unterschlagungen seitens des Cassirers geschädigt worden sein. Der Verein erwählte bereits einen neuen Cassirer. Angeblich ist das Deficit inzwischen gedeckt worden. Die Untersuchung wegen der Betrügereien des Cassirers der „Erholung" dauert noch fort. Es heißt, die unterschlagene Summe werde den früher genannten Betrag von 47 000 Mk. beträchtlich übersteigen. (Nachdruck verboten.) Die Gewalten der Hieke. Roman von Lothar Brenkendvrf. „Ich kann Ihnen darauf nicht antworten — ich kann W Aber mein Gewissen ist rein, ich schwöre es bei meiner Eltern." r „Sie sollten das lieber nicht thun, Fräulein May- ü- denn ich habe Ihnen noch nicht Alles gesagt. Ich eine zu gute Meinung von Ihnen, um diesen ano- W« Verdächtigungen ohne Weiteies Glauben zu schenken. r mein Sohn, der nichts von alledem wnßte, ist in W hiesigen Restaurant Ohrenzeuge eines Gesprächs ge- W, das mein Vertrauen in die Lauterkeit Ihrer Lebens- d WS denn doch sehr stark erschüttern mußte. Der Name ^chsa ist Ihnen bekannt, nicht wahr?" z Die Gluth, die jäh in ihrem bleichen Antlitz auf- iWte, mußte ihm wohl Antwort genug sein; denn er ^fort, ohne ihre Bestätigung abzuwarten: „Wenigstens c^ie sich dieser Herr im Kreise einiger jungen Offiziere Juristen sehr laut der Eroberung, die er an Ihnen habe, und seine Ausdrucksweise war eine nicht " zarte." Helene richtete sich hoch auf. Ihre Schwäche war seinem Male überwunden, und ihre Augen blitzten öligem Zorn. d „Das ist nicht wahr!" fiel sie dem Stadtrath in's „Es ist eine erbärmliche Lüge. Nie hat Herr "eysa etwas derartiges gesagt." „Sie bezichtigen meinen Sohu also einer Unwahrheit, jj? Verlüumderischen Erfindung? Nun, ich muß gestehen, ^Dreistigkeit geht etwas weit. Lassen Sie mich denn ohne Umschweife reden! Herr v. Treysa hat in der jHilaune nicht nur jene Aeußerungen gethan, sondern i^at sie auch später — allerdings mit dem Ausdruck Bedauerns — ihrem ganzen Inhalt nach aufrecht Wen, obwohl man ihn nicht im Zweifel ließ über die Wi, welche daraus für Ihre Stellung entstehen müßten. Alles mag nicht sehr ehrenvoll für den Herrn Berg- j^Mssessor sein, aber es ist es jedenfalls noch weniger Sie, mein Fräulein! Sollten Sie übrigens Genaueres ^fahren wünschen, so wenden Sie sich getrost an Sohn, den Hilfsprediger Schreiner." Er befand sich ersichtlich in großer Entrüstung, rind Wcht war cs nur sein lebhafter Unwille, der ihn ver werte, die erschreckende Veränderung wahrzunehmen, die u während seiner rücksichtslosen Enthüllungen auf He- Ws Antlitz vollzogen hatte. Nicht ein Blutstropfen mehr schien unter ihrer durchsichtigen Haut zu sein, ihre Augen waren unnatürlich weit geöffnet, und von den Nasen flügeln herab zu den Mundwinkeln zogen sich zwei tiefe Falten, wie wenn sie innerhalb dieser wenigen Minuten um ein Jahrzehnt gealtert wäre. - Als der Stadtrath schwieg, stand sie regungslos, gleichsam erstarrt und der lähmenden Wirkung des Ent setzlichen, das sich da vor ihren Blicken aufgethan. Daun wandte sie sich ihm mechanisch zu und sagte mit ganz ver änderter, völlig klangloser Stimme: „Es ist Alles wahr, was Sie mir zur Last legen — darf ich nun gehen?" Die sonderbare Wandlung in ihrem Benehmen machte den Stadtrath stutzig; er sah sie an, und an die Stelle seines Zornes schien nnn doch allgemach eine Regung des Mitleids zu treten. „Sie hätten es mir ersparen sollen, Ihnen diese un angenehmen Dinge mit einer so überflüssigen Deutlichkeit zn sagen, mein Fräulein!" meinte er etwas frenndlicher. „Ich begreife ja, daß Ihre gegenwärtige Lage eine sehr peinliche ist, und ich hatte wirklich nicht die Absicht, sie ohne Noth zu erschweren. Wenn Sie von vornherein Ver trauen zu mir gehabt hätten —" „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf," klang es ihm in derselben tonlosen Weise von ihren Lippen zurück, „ich möchte Sie nur um die Erlaubniß bitten, gehen zu dürfen." „Ich werde Sie nicht zurückhalten; aber wir müssen zuvor doch zu einer Verständigung gelangen über das, was nun weiter geschehen soll. Sie thun am besten, wenn Sie um Ihre sofortige Entlassung einkommen. Es liegt durchaus nicht in meiner Absicht, Sie in Ihrer weiteren Erwerbsthätigkeit zu behindern, ich stelle Ihnen daher frei, irgend einen einleuchtenden Vorwand für Ihr Ge such zu finden. Die eigentliche Veranlassung zu dem selben wird dann in Ihrem Abschiedrattest nicht vermerkt werden." „Ich danke Ihnen, und ich darf mich jetzt entfernen, nicht wahr?" Der Stadtrath hatte wohl ein« wärmere Anerkennung seiner Menschenfreundlichkeit erwartet, denn seine Miene wurde wieder strenger. „Wenn Sie mir sonst, nichts mehr zu sagen haben — ja!" Die junge Lehrerin verbeugte sich grüßend und ging. Der würdige Herr rief ihr noch etwas nach, doch sie ver stand es nicht mehr und kehrte auch nicht um, ihn dar nach zu befragen. „Wie gründlich man sich doch in einem Menschen täuschen kann!" murmelte er, als sich die Thür geschloffen hatte. „Aber eine so hübsche junge Person werden wir nicht wieder anstellen, das ist ganz gewiß." Die Gemaßregelte ging wie betäubt die sonnenbe- schienene Straße hinab. Ihr Fuß hielt nicht inne, und sie wandte kaum den Kopf, als sie sich nach wenig hundert Schritten bei ihrem Namen angeredet hörte. Aber sie that auch nichts, um zu verhindern, daß der Obersteiger Neid hardt an ihrer Seite weiterging. „Wie angegriffen Sie aussehen, sagte er voll auf richtiger Theilnahme. „Sie sind doch nicht krank?" Helene schüttelte leicht den Kopf; eine andere Antwort aber gab sie ihm nicht, und nach einer kleinen Weile fuhr ihr Begleiter fort: „Es ist eine Dreistigkeit, daß ich mich Ihnen auf dränge, obwohl Sie mir doch vor einigen Wochen die Thür gewiesen haben. Aber ich meine, daß jetzt vielleicht die Zeit gekommen ist, wo Sie einen Freund brauchen können." Noch immer schwieg Helene, und ihr Blick war starr in's Leere gerichtet. Es lag gewiß nichts Ermuthigendes für Neidhardt in ihrem Benehmen; aber er schien ent schlossen, sich nicht so leicht abschrecken zu lassen. „Es ist am Ende nicht schwer zu errathen, warum Sie so blaß und leidend aussehen. Oben auf dem Berg amt spricht man von der Verlobung des Herrn Assessors v. Treysa ja schon als von etwas ganz Gewissem. Und er soll die Tochter eines Millionärs sein, die er heim führen will." Nnn wandte sie endlich den Kopf und sah ihn mit großen, angstvollen Augen an. „Warum sagen Sie mir das? Leide ich denn noch nicht genug? Hat sich Alles verschworen, mich zu peinigen und zu martern?" „Ha, ich wußte es ja, wußte er ja schon lange, schon seit dem Tage, wo er der hübschen jungen Dame das Bergwerk zeigte und sich gar nicht genug thun konnte an Artigkeiten und zuckersüßen Komplimenten. — Hätte ich ihn doch ersticken lassen, den Hund!" Helene beschleunigte ihre Schritte, als wollte sie ihm entfliehen. Doch er blieb neben ihr und sprach in seiner zornmüthigen Erregung weiter. „Sehen Sie, Fräulein Mayburg, sein Leben war in meiner Hand damals, als das große Unglück geschah in unserem Schacht. Er und ich, wir waren ganz allein vorgedrungen in den halb verschütteten Stollen; aber er hat keine richtige Bergmannsnatur, und die giftigen Schwaden, von denen der Gang noch voll war, betäubten ihn, so daß er Plötzlich bewußtlos vor mir niederstürzte. Hätte ich ihn liegen lassen, so wär' er verloren gewesen, und Niemand würde mir einen Vorwurf gemacht haben, wenn ich's gethan hätte. (Fortsetzung folgt.)