Volltext Seite (XML)
WenM sm Msdmff / Erscheint I wöchentlich zweimal u.zwarDienstags s und Freitags. — Abonnementspreis ^vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 ML 25 Pf. — Einzelne 10 Pf. ThmM, Me». Mtnlkhn und die AMMden. Imtsblult Inserate werden Montags und Donnerstag» bi» Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionSpreiS 10 Pf. pro drrigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauxtmannschast Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. No. 18. Freitag, den 2. März 1894. Tagesgeschichte. Kaiserin Augusta Victoria wird,"wie sich nunmehr bestätigt, nebst den kaiserlichen Kindern vom kommenden Monat ab einen mehrwöchigen Aufenthalt in dem österreichischen See bade Abazzia nehmen; man trifft daselbst bereits Vorbereit ungen für den Empfang und die Aufnahme der erwarteten hohen Gäste. Für dieselben ist die prächtige Villa Angiolina gemiethet worden, welche sich durch ihre wundervolle Lage »am Meeresstrande und ihren großen Park auszeichnct. Kaiser Wilhelm gedenkt dann seine Familie in Abazzia auf einige Zeit zu besuchen und hierbei von diesem Orte aus Seeausflüge auf einer besonders gecharteten Jacht zu unternehmen. Auch heißt es, er würde mit einem deutschen Kriegsschiffe den Kriegs hafen Oesterreichs, Pola, sowie einige Plätze der dalmatischen Küste besuchen. Wie versichert wird, gedenkt aber der hohe Herr erst nach vollständiger Erledigung des russischen Handelsver trages im Reichstage die Reise nach Abazzia anzutreten. Wahr scheinlich findet hier eine Begegnung des Kaisers Franz Josef mit dem deutschen Majestäten statt. Die Bedeutung der Reichstagsentscheidung über den Han delsvertrag ruht hauptsächlich auf dem Gebiete der inneren Politik. So ist es eine unbestrittene Thatsache, daß Fürst Bis marck als den entscheidenden Gesichtspunkt für die Stellung nahme zu dem deutsch-russischen Handelsverträge die Aufrechter haltung der Solidarität zwischen Landwirthschaft und Industrie erblickt, in der er sicher nicht mit Unrecht das Fundament nicht nur für die Aufrechterhaltung des Schutzes der nationalen Ar beit, sondern auch einer Politik staatserhaltender Natur überhaupt sieht. Dieser Zusammenschluß ist leider nicht am wenigsten durch die allzu leidenschaftliche Agitation des Bundes derLand- wirthe, schon etwas gelockert worden. Ist doch bereits die Rede davon gewesen, unter der Protektion des Freihandels Industrie und Handel zu einem Bündniß gegen die agrarischen Tendenzen zu vereinigen. Bisher ist allerdings ein völliger Bruch noch glücklich vermieden worden. Ein solcher würde aber unvermeid lich werden, wenn eine Reichtagsauflösung erfolgen sollte, denn bei Neuwahlen, bei denen der deutsch-russische Handelsvertrag die Parole abgiebt, müßte die Industrie geschloffen auf die Seite der Anhänger des Vertrages treten, während wenigstens ein großer Theil der Landwirthschaft auf der gegnerischen Seite stehen würde. Sehr richtig schreiben die „Berl. Pol. Nachr.": Wer die leidenschaftliche Erregung beobachtet, welche schon jetzt M Sachen des Handelsvertrages einen großen Theil der Bevöl kerung ergriffen hat, wird nicht im Zweifel darüber sein können, daß der Wahlkampf von ungewöhnlicher Schärfe sein und auf lange Zeit hinaus wirken müßte. Mit dem Zusammenschluß von Landwirthschaft und Industrie wäre es, wenn nicht für immer, so doch auf geraume Zeit vorbei. Daß die Gegner des Handels vertrages ganz besonders davon berührt werden würden, ist eben so unbestreitbar, wie daß die konservativen Parteien, aus denen diese sich übrigens rekrutiren, am meisten unter der Schwächung der Grundlage einer verständigen Schutzzoll- und Gesammtpo- litik zu leiden hoben würden. Wird jetzt eine Reichstagsauf- lösung vermieden, so werden auch die schlimmen Folgen, welche man von der erregten Leidenschaft der agrarischen Kreise in der Richtung der Förderung extremer Strömungen nach Art des Antisemitismus befürchtet, nicht eintreten. Bevor wieder Wahlen stattftnden, wurde vielmehr, da die Landwirthschaft von dem deutsch russischen Handelsverträge thatsächlich wenig Schaden haben würde, wieder eine ruhige Meihnung platzgegriffen haben. Sie weisen gerade auch die schutzzöllnerischen und konservativen Interessen darauf hin, den deutschrussischen Handelsvertrag jetzt gleich zu stande zu bringen. Die Berechnungen über die Aussichten des rus- sifchenHandelsvertrages, die jetzt in den parlamentarischen Kreisen mit größter Lebhaftigkeit angestellt werden, kommen ganz überwiegend darauf hinaus, daß eine Mehrh eit dafür gesichert ist. Die Größe dieser Mehrheit wird allerdings sehr verschieden geschätzt, von einer ganz knappen bis zu einer ansehnlichen Mehr heit. Das Mittel der Schätzungen bildet ungefähr die Mehr heit für den rumänischen Handelsvertrag (24 Stimmen). Das ungefähr kann man augenblicklich als die wahrscheinlichste An nahme betrachten. Genaue Berechnungen werden durch verschiedene Umstände erschwert, durch den noch nicht genau zu übersehenden Grad der Trennung innerhalb verschiedener Parteien, durch die vielleicht nicht ganz geringfügigen Stimmenthaltungen oder ab sichtlichen Entfernungen mancher Abgeordneten, durch die zahl reichere oder geringere Anwesenheit mancher Gruppen. Die Haltung des Centrums ist noch nicht genau zu übersehen; man wird der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man die Partei bei den Berechnungen ganz aus dem Spiel läßt, da sie sich voraussichtlich durch annähernd gleiche Spaltung in zwei Hälften selbst aufheben wird. Von verschiedenen Seiten hört man, daß die Frage der Staffeltarife von entscheidender Einwirkung auf die Abstimmung mancher Abgeordneten sein werde. Die Verweisung des Handelsvertrags an eine Kom mission steht fest; eine große Mehrheit des Reichstages dürfte sich dafür entscheiden, woraus aber selbstverständlich keinerlei Präjudiz für das Schicksal des Vertrages selbst zu folgern ist. Die Kommission wird im wesentlichen aus denselben Mitgliedern bestehen, welche schon die kleinen Handelsverträge vorberathen. Die Nachricht einiger Blätter, daß sämmtliche süddeutsche Cen trumsmitglieder gegen die Vorlage stimmen werden, wird nur für die Bayern als zutreffend bezeichnet, nicht für die Würt temberger und Badener. Zu dem patriotischen Unternehmen, der Erbauung eines Bismarckthurmes auf dem Hainberge bei Göttingen, ist folgendes interessante Schreiben dem Oberbürgermeister Merkelin Göttingen zugegangen: Ew. Hochwohlgeboren theile ich in Erwiderung des gefälligen Schreibens vom 1. d. M. ergebenst mit, daß Se. Majestät der Kaiser und König Allerhöchstsich an der Er richtung des dortigen „Bismarckthurmes" durch Stiftung eines sogenannten Ringes gern zu betheiligen geruht haben und den hierzu erforderlichen Betrag von 500 M. Ew. Hochwohlgeboren hierneben zugehen zu lassen. Wegen der Widmungstafel wollen Se. Majestät Allerhöchstsich die Bestimmung noch Vorbehalten und einer Meldung Ew. Hochwohlgeboren entgegensetzen, sobald der Zeitpunkt zur Aufbringung der Tafel gekommen sein wird. Der Geheime Kabinets-R"th, Wirklicher Geheime Rath v. Lucanus". Die Angst vor den Anarchisten hat auch Wien schon zum Theile ergriffen. In Folge der Pariser Schreckensthaten hat man im Reichsrathsgebäude in Wien die umfassendsten Sicher heitsvorkehrungen getroffen. Der Eintrit ist unter strengste Aufsicht gestellt. Selbst Journalisten erhielten Legitimations karlen. Des Weiteren sind selbstthätige Vorrichtungen ange bracht, durch welche einerseits die unmittelbare Verbindung zwischen dem Präsidium und den Aufsichtsorganen ermöglicht, andererseits Vorsorge getroffen wird, daß bei der geringsten Erschütterung sämmtliche Pforten sich schließen. Der Inspektor des Parlamentsgebäudes, Ingenieur Ehrhardt, hat eine Vor richtung erfunden, welche jedes ungewöhnliche Geräusch und jede Bewegung auf Treppen und Gängen sofort anzeigt. Paris. Im Prozeß Leauthier beantragte der Staats anwalt die Todesstrafe und sagte, die Anarchisten könnten sicher sein, daß nach jedem Verbrechen Bestrafung gefordert würde. Man werde wissen mit ihnen fertig zu werden. Der Ver- theidiger stellte Leauthier als naiven, durch anarchistische Theorien verwirrten Menschen dar. Leauthier verlas eine lange Abhandlung, die anarchistische Theorien auseinandersetzt und die Gesellschaft und die Regierung beschimpfte. Er schloß: Ich könnte vor einem Kinde weinen und werde vor Eurer Guillotine lächeln, hurrah die soziale Revolution." — Die Jury bewilligte ihm mildernde Umstände, was die Unzufriedenheit des Publikums erregte. Leauthier wurde zu lebenslänglicher Zwangsarbeit ver- urtheilt. Nach Verlesung des Urtheils rief er aus: „Es lebe die Anarchie." Das Auditorium zischte ihn aus. Der Wahr spruch wurde von den Zuhörern mit Pfeifen und Johlen aus genommen. Einige Blätter werfen den Geschworenen ihre Schwäche vor. Nur „Gaulois" vertheidigt sie laut mit der Begründung, daß Georgiewitzsch doch nicht gestorben und ein Messerstich immerhin weniger ruchlos sei, als ein geplanter Massenmord durch Dynamit. Leauthier hatte vor einigen Wochen den serbischen Gesandten Georgiewitzsch mit einem Messerstich bedacht. In Paris fanden wiederum zahlreiche Haussuchungen bei Anarchisten statt. Mehrere Personen wurden verhaftet, darunter die Frau v. Marlin. Vaterländisches. Wilsdruff. Wieder ein Schritt zur Hebung unseres Gewerbestandes, zur Heranziehung Fremder und besonders kauf lustigen Publikums. Die vereinigteHandwerker-Jnnung, als deren Obermeister Herr Fabrikant Bruno Bretschneider fungirt, hat bereits seit längerer Zeit beschlossen, durch ein da üern de Ausstellung zur Hebung unseres Handwerkes beirutragen. Als Ausstellungsraum hat man den Saal unseres Rathhauses gewählt, welcher auch durch die Stadtvertretung den Unternehmern zur Verfügung gestellt worden ist. Gewiß ein sehr gerechtfertigtes Handeln unserer Stadtvertretung. Aber gewiß ist es auch hier am Platze, die Frage aufzuwerfen: Ist dieses Lokal, insbesondere der Zugang sehr geeignet, um fremde Besucher der Ausstellung dort würdig zu empfangen? Ist der Aufgang zum Ausstellungslokal nicht ein sehr unzureichender und bei ungenügender Beleuchtung geradezu unpassender, wenn auch gerade nicht gefährlicher. Doch über diese Frage hinweg zukommen, mußte man eben mit den Verhältnissen rechnen; es war, um den Unternehmen Lebensfähigkeit zu geben, nicht gleich ein anderes Lokal zu finden, welches den Zeitansprüchen genügt, und überhaupt im Mittelpunkt unserer Stadt gelegen hätte. Man hofft, wenn fdie Ausstellung prosperiren sollte, dieser Frage einmal in anderer Form näher treten zu können. Wie uns nun von zuverlässiger Seite mitgetbeilt wird, sind die Vorbereitungen soweit gefördert, daß man hofft die Ausstellung bereits am 11.März d. I. eröffnen zu können. Die Aussteller, zumeist Jnnungsmeister der vereinigten Handwerker-Innung, werden gewiß auch bei dieser Gelegenheit beweisen, in welch bester Weise sie mit der Konkurrenz der Großstadt rechnen können. Die Zahl der Aussteller ist bereits auf ca. 30 ge stiegen. Jedem Besucher wird nach erfolgter Besichtigung der Ausstellung ein Annonxenblatt überreicht werden, welche« die Empfehlungen der Handwerker enthalten wird. Schon heute rufen wir dem Unternehmen ein herzliches „Glück auf" zu, mit dem Wunsche, daß alle Mühen der Betheiligten zum Segen der ganzen Stadt gereichen möchten. Ueber die näheren Punkte des Unternehmens ein anderesmal mehr. — Besondere Sorgfalt legt der Gesangverein „Anakreon" auf die Durchführung des Programms gelegentlich seiner Vergnügungen; dies zu beobachten hatte man auch in dem Fastnachtsvergnügen vom 27. d. M., welches genannter Verein in den prächtigen, neurenovirten Räumen des „Hotels zum goldenen Löwen" abhielt, Gelegenheit. Vor Allem war die Auswahl der Gesangsstücke sehr glücklich getroffen und die ge mischten, wie Männerchöre mit vielem Fleiß einstudirt, so daß sie der immer stärker werdende Sängerchor, welcher über gute« Stimmenmaterial verfügt und dem in seinem Dirigent, Herm Cantor Hientzsch, eine tüchtige und begabte Kraft gegeben ist, seiner Aufgabe in bester Weise entledigen konnte. Die dargebotenen 2 gemischten Chöre „Das Lied von Noah" aus dem „Winzerleben" und „Frühlingsgruß" von Schumann wurden von den frisch erklingenden Stimmen, denen die deut liche Textaussprache, sowie das Forte wie das Piano in gleich abgerundeter Weise zu Gebote stand, vorzüglich vorgetragen. In gleicher Weise wurden die Männerchöre „Stillruht der See" und „An das Vaterland" zum Vortrage gebracht. Sehr sympathisch wurden die von unserer Stadtkapelle gebotenen Musikstücke ausge nommen, weshalb es hier auch an lebhaftem Beifall nicht fehlte. Der heitere Theil des Programms wurde durch einige Couplets und zwei kleinere Aufführungen bestens ausgefüllt. Wenn schon das Couplet „Der große Trommelvirtuos" reichen Beifall er gab, so erzielte doch „Der schöne Hahnemann" den reichsten Applaus. Am heftigsten wurden aber die Lachmuskeln bei den 2 kleinen Aufführungen „Wer trägt die Pfanne weg" und „Der Gesangverein Reform" in Bewegung gesetzt. Der an haltende Applaus war auch hier die Folge der guten Aufführung. Der ungezwungene gesellschaftliche Verkehr innerhalb deS Ver eins und die Fröhlichkeit der Sängerinnen und Sänger gestaltete den folgenden Ball zu einem trefflichen Abschluß des Fast nachtsvergnügens. — Am Dienstag Nachm. trafen einige Offiziere vom 2. Grenadier-Regiment No. 101 auf einer Generalstabsübung begriffen in unserer Stadt ein. Die Herren speisten im Hotel zum Adler und kehrten mit dem Abendzuge per Bahn nach der Residenz zurück. — Aus deui Bericht der Finanzdeputation L der Zweiten Kammer über die bei dem Landtag wegen Erbauung von Eisen bahnen und Errichtung von Haltestellen eingcgangenen Petitionen ist mitzutheilen, daß die Deputation Beschluß gefaßt hat, unter 30 anderen Punkten auch die 2 nachfolgenden Projekte der Regierung behufs Kenntnißnahme zu überweisen: 1. Die Erschließung der Gegend zwischen Wilsdruff, Nossen und Freiberg durch Erbauung einer Eisenbahn von Wilsdruff über Mohorn, Zollhaus nach Nossen, bez. Siebenlehn. 2. Die Weiterführung der Schmalspurbahn Wilsdruff-Miltitz- Gadewitz noch Lommatzsch. — Das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium zu Dresden giebt dem Wunsche Ausdruck, daß die G rab-Denkmäler und Grab-Inschriften auf den Friedhöfen mehr dem Verlangen nach dem Tröste des göttlichen Wortes Ausdruck geben möchten. In der betreffenden Verfügung heißt es: „Das die Christengräber Stätten der christlichen Hoffnung sein sollen ist an den Denk mälern und Inschriften oft gar nicht zu ersehen. Es wird des halb fort und fort zur Abwehr namentlich ungeeigneter Inschriften darauf zu halten sein, daß die gewählte Inschrift, wenn sie mehr enthält als bloße Namen und Zeitangaben, vor dem Auftrag an die Bildhauer u. s. w. dem Geistlichen zur Prüfung vorge legt wird. Es werden die Kirchenvorstände angewiesen, aus drückliche Bestimmungen hierüberüber in die Gotte-acker-Ord- nungcn aufzunehmen. — Die Sächsisch-Böhmische Dampfschifffahrts- Gesellschaft nimmt am Sonnabend ihre Fahrten zwischen Scbandau-Dresden-Mühlberg und vom Sonntag ab bls Leit- meritz wieder auf. — Auch Kinder können, wenn sie bei einer Arbeit ver unglücken, eine Unfallrente erhalten, wie das Reichsverstcher»