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MeWtz-Milng Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. 74. Jahrgang. Dienstag, den 20. Oktober 1908. Nr. 121. Mit achtseitigem „Illustrierten Anlerhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtfchastlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tage» wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. Bestellungen an. Amtsblatt sm die Königliche AmkhmlptmamMsi. das Königliche Amtsgericht Md den Stadtiat W Dippoldiswalde. Inserate werden mkt 1: Pfg., solche au» unser« Amtshauptmannschast mit 12Pfg.die Spaltzeil« oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35 bez. 30 Psg. - Tabellarische und komplizierte Inserate mit entsprechendem Aus schlag. Eingesandt, im redaktionellen Teile, dir Spaltenzeile 30 Pfg. Die .Weiheritz-Zritung" rrscheint wöchentlich drei- mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird an den vorhergehen- denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern lv Pfg. — Alle Postan- statten, Postboten, sowie «msereAusträgernehmen * Verstimmungen. Der Friedenstraum, in welchem sich noch vor vierzehn Tagen Europa wiegte, hat zwar keinen bedingungslosen Kriegsbefürchtungen den Platz einräumen müssen, aber die ganze politische und auch die wirtschaftliche Welt der Gegenwart leidet schwer unter ärgerlichen Verstimmungen. Die Orientkrisis hat nicht nur den Berliner Vertrag zu einem wertlosen Stück Papier gemacht, sondern sie hat auch die guten Beziehungen der Großmächte und der kleineren Staaten in Europa zu einander wesentlich beein trächtigt Man braucht gar nicht erst auszuführen, daß die Besitzergreifung Bosniens und der Herzegowina durch Österreich und die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens in allen Hauptstädten Europas stark verschnupft hat, weil diese Ereignisse Überraschungen waren, und weil sie in Szene gesetzt wurden, ohne vorher gewisse Einverständnisse erzielt zu haben. Aber nicht nur im Wirtschaftsleben, sondern auch in der hohen Politik gelten Schillers Worte: „Vom Nutzen wird die Welt regiert!", und die meisten Mächte suchen danach nun bei der Gelegenheit der Revi sion des Berliner Vertrages Nutzen für sich herauszu schlagen. Rußland will sicher die freie Durchfahrt durch die Dardanellen und wird wahrscheinlich von dieser Kon zession seine Beteiligung an der Konferenz zur Regelung der orientalischen Streitfragen abhängig machen. England und Frankreich haben inbezug auf den Orient, zu dem ja auch Asien und Afrika gerechnet werden können, sicher ebenfalls einige Wünsche, zumal der Sultan der Türkei ja auch noch der nominelle Oberherr über Egypten und Tripolis ist, und als das geistliche Oberhaupt aller Moha- medaner gilt. Griechenland, Serbien und Montenegro möchten natürlich auch etwas wegkchnappen, und in Rom hofft man auch auf irgend eine Konzession in Afrika oder gar auf der Valkanhalbinsel. Da solcherlei begehrlichen Wünschen aber allerlei Schwierigkeiten gegenüberstehen, so herrscht natürlicherweise in den zunächst beteiligten politi schen Kreisen Ärger und Verstimmung und man darf vor allen Dingen darauf gespannt sein, was der russische Minister Iswolski in London ausgerichtet hat. Fast scheint es ja sogar, als ob Rußland die Berufung einer Konferenz der Großmächte zur Regelung der Streitigkeiten am meisten betreibe, denn der Minister Iswolski wird auch in Berlin und wahrscheinlich auch in Wien eintreffen. Auch Deutsch land ist an der Verstimmung beteiligt, denn die bekannten Vorgänge im Orient und die von Oesterreich geschaffene veränderte Lage hat sicher nicht dazu beigetragen, das Bündnis Deutschlands mit Oesterreich und Italien zu be festigen. Aber es wäre auch übereilt, wenn man an nehmen wollte, daß der Dreibund nicht auch die orienta lische Krisis und den Tanz Oesterreichs außerhalb der Reihe auf einige Zeit ertragen könnte, denn ein ehrliches Bündnis muß sich gerade in bedenklichen Lagen bewähren. So leidet jetzt die ganze politische Welt an einem Alp druck, der natürlicherweise auch den Unternehmungsgeist und den Kreditverkehr aus dem weiten wirtschaftlichen Ge biete beeinträchtigt, und es ist nur zu wünschen, daß vor allen Dingen die Konferenz der Großmächte recht bald zustande kommt, damit der gefährliche Zustand der Un klarheit, der Befürchtungen und der Zwischenfälle aufhört. Wird doch auch schon in der Diskussion über die orienta lische Frage öffentlich mit sehr scharfen Worten gekämpft, zumal in der russischen, französischen und serbischen Presse, wo dem österreichischen Minister v. Aehrenthal und dem russischen Minister Iswolski solche schlimmen Spitznamen angehängt werden, daß man sie nicht gut nachdrucken kann. Ein Wunsch besteht aber wohl auch in Deutschland allgemein, daß Oesterreich bald Gelegenheit nehme, seine Politik im Orimt noch mehr zu rechtfertigen, als es bisher geschehen ist, denn in diesem Mangel liegt mit ein Haupt- grund der bedenklichen Verstimmungen. Lokales and Sächsisches. Dippoldiswalde. Mit Eintritt des Herbstes nimmt auch der Unterricht der landwirtschaftlichen Abteilung 6 unserer Handelsschule wieder seinen Anfang. War der erste, vorjährige Lehrgang von 17 Schülern besucht, welche nunmehr die I. Klasse bilden, so sind zu Beginn des Unterrichts in der II. Klasse bis jetzt nur 9 Schüler neu eingetreten, obwohl vorher noch weitere Anmeldungen eingelaufen waren. Ein entmutigender Rückschritt, wie es leicht scheinen könnte, ist mit dieser geringeren Schüler- I zahl keineswegs eingetreten, da die derzeitige l. Klasse I ältere Jahrgänge mit umfaßt, während die neueinge tretenen fast durchgängig erst Ostern die Volksschule ver lassen haben. Immerhin könnte man aber auch jetzt schon in den beteiligten Kreisen ein etwas besseres Verständnis für die großen Vorteile, welche derartige Fachfortbildungs schulen gegenüber der allgemeinen obligatorischen für die Zukunft angehender Landwirte bietet, in den beteiligten Kreisen unseres AmtsgLrichtsbezirks erwarten. Das König- siche Ministerium des Innern, die städtischen Kollegien von Dippoldiswalde, das Konsortinm der Handelsschule, die beteiligten Herren Lehrer, besonders aber auch der hiesige landwirtschaftliche Verein bringen dem Unternehmen derartige Opfer an Geld, Mühe und Zeit entgegen, daß eine etwas schnellere Entwickelung der Anstalt doch wirk lich sehr am Platze wäre. Man rühmt bekanntlich uns Sachsen nach: wir Sachsen seien Helle, wovon wir Land wirte uns doch zweifellos nicht ausgeschlossen betrachtet wissen möchten. Nun was sich seit Jahren im Ausland (Belgien und Holland) bereits glänzend bewährt hat, der Fachfortbildungsunterricht für Söhne bäuerlicher Land wirte, sollte da doch wohl auch bei uns schneller frucht baren Boden finden. Und wahrlich, wer der erstmaligen Frühjahrsprüfung beigewohnt, die schriftlichen Arbeiten eingesehen, oder sich an den beiden Sommererkursionen beteiligt hat, welche unter anderen dem Besuch der neuen großartigen genossenschaftlichen Milchverwertungsanstalt in Dresden, den bekannten Baumschulanlagen von Haubner- Tolkewitz usw. galten, der muß unbedingt über den Lern eifer und frischen Geist der betr. Schüler feine Helle Freude gehabt haben. Welches rege Interesse in anerkennens werter Weise auch die Herren Väter der Schule entgegen bringen, bekundet am besten die Beteiligung verschiedener derselben an obigen drei Veranstaltungen. Es will scheinen, als ob unter den älteren solcher für diesen Schulbesuch ge eigneter junger Leute die irrige Ansicht herrscht, als ob diese neue Anstalt zu einseitig sich lediglich mit theoretischen Sachen beschäftige. Dieselben stoßen sich daran, daß diese Abteilung 6 von einer Handelsschule in das Leben ge rufen ist und an dieselbe angegliedert wuHe. Das ist aber im vorliegenden Falle reine Nebensache. Sobald sich diese Abteilung soweit an Schülerzahl entwickelt hat, daß die Einnahmen derselben die Anstellung eines ständigen Landwirtschaftslehrers gestatten, ist dieselbe sofort berechtigt, sich landwirtschaftliche Schule zu nennen und liegt es da her lediglich an der regen Teilnahme der Interessenten, das heißt solcher Landwirte, welche aus irgendwelchen Gründen ihren Söhnen den Besuch der Schulen zu Frei berg oder Meißen nicht zu bieten geneigt sind, um obiges Ziel recht bald zu erreichen. Um auch nach außen jeden Zweifel zu heben, ob diese Abteilung 6 inbezug auf ihren Unterricht in fortdauernder Fühlung mit der Praris unsres Gewerbes bleibt, ist neuerdings auf Antrag des Vorsitzen den des Handelsschulkonsortiums, Herrn Fabrikant Rudolf Reichel, der Vorsitzende des hiesigen landwirtschaftlichen Ver eins zum Vorsitzenden des Konsortiums der Handelsschule Abteilung 8 gewählt worden. Der beste Beweis dafür, daß den betreffenden Eltern Geld und Zeit zu dieser Schule für ihre Söhne gut angewendet erscheinen, ist wohl der, daß diesmal bereits jüngere Brüder von Schülern der l. Klasse der II. zugeschickt worden sind. Noch ist es bei sofortiger Anmeldung Zeit zur Beteiligung an dem laufen den Kursus. Möchten sich doch schnell noch viele Eltern der Umgegend entschließen, diesen Herbst ihren Kindern die Wohltat dieser landwirtschaftlichen Fach-Fortbildungs schule zu teil werden zu lassen. Der Dank derselben durch verdoppelte Arbeitslust bei den praktischen Arbeiten in der heimischen Wirtschaft und die Freude der Eltern über die weitere geistige und gesellschaftliche Entwickelung ihrer Sühne wird dann schnell die gebrachten Opfer vergessen machen. Jeder einzelne Schüler mehr zählt jetzt beim Anfänge für das weitere Gedeihen unserer Abteilung 8 doppelt, und der Segen dieses erweiterten Fach-Fortbildungsunterriufts für die nächste Generation der Landwirte unseres Amts gerichtsbezirks wird, mit Gottes Hilfe, dann auch sicher nicht ausbleiben. — Einen interessanten Einblick in die aufopferungsvolle Tätigkeit der Sanitätskolonnen gewährte eine kriegsmäßige Lehrübung, welche die Freiwilligen Sanitätskolonnen zu Hänichen, Dippoldiswalde und Kreischa unter Leitung des Herrn Stabsarzt Or. Voigt am gestrigen Sonntag auf den Feldern hinter dem Vorwerk St. Nikolai veranstalteten. Als Inspizient des Jnspektionsbezirks Dresden war Herr Sanitätsrat vr. Menzel—Dresden und als Vertreter des Direktoriums des Landesoereins vom Roten Kreuz Herr Hauptmann Götze erschienen. Auch waren die Mitglieder des Krankenpflegerverbandes zu Dresden und Dippoldis walde zugegen. Der Situationsplan gründete sich auf die Idee, daß ein Gefecht am Geiersberge stattgefunden habe. Die Kolonnen hatten die Aufgabe, die Verwundeten auf zusuchen, zu verbinden, auf Wagen zu verladen, nach einem improvisierten Feldlazarett zu bringen und dort durch Speise und Trank weiter zu verpflegen. Zu letzterem Zwecke wurden Lagerfeuer unterhalten, über denen in Kesseln ein Gericht aus Erbsmehl, gütigst gespendet von der Firma Louis Schmidt in Dippoldiswalde, zubereitet ward. Die Kolonnen verteilten sich nach geschehenem Aufmarsch mit ihren Tragen über das Gefechtsfeld und entledigten sich der ihnen gestellten Aufgabe mit großer Sicherheit. In der nachfolgenden Kritik sprach ihnen des- halb Herr Sanitätsrat vr. Menzel seine volle Anerkennung aus mit der Bitte, in Treue nach dem gesteckten Ziele weiter zu streben. Herr Hauptmann Götze dankte ihnen im Namen des Direktoriums für treue Arbeit und brachte ein freudig aufgenommenes Hoch auf Se. Maj. König Friedrich August und Ihre Maj. die Kaiserin Viktoria Augusta als Protektorin des Roten Kreuzes aus. Zahl reiche Zuschauer verfolgten mit Interesse den Verlauf des kriegsmäßigen Schauspieles. Mitglieder der hiesigen Frei willigen Feuerwehr und des Turnvereins hatten sich in dankenswerter Weise in den Dienst der guten Sache ge stellt. — Am Abend vereinigten sich die Mitglieder der hiesigen Sanitätskolonne mit ihren Angehörigen im „Stern"- saale zur Feier des fünften Gründungstages der Kolonne. - — Am gestrigen Sonntage weilte Herr Feuerwehr- Hauptmann Vogel aus Glashütte, der am letzten Feuer- wehrsührerkursus in Chemnitz sich beteiligt hat, hier, um seine Erfahrungen der Führerschaft der Feuerwehren unseres Bezirks, die sich ebensalls zahlreich in unserer Stadt ein gefunden hatte, vorzutragen und Neues einzuüben. — Unter dem Vorsitze ihres Vorstandes, des Schar werksmaurers Kühnel, hielt die Zweite Grabegesell- schaft am Sonntage ihre 7l. Generalversammlung ab. Der Einnahme von 935 M. stand eine Ausgabe von 943 M. gegenüber. An 12 verstorbene Mitglieder wurden 720 M. ausgezahlt. Ausgenommen wurden 19 neue Mit glieder. Freigesteuerte gab es im letzten Rechnungsjahre 19 Mitglieder. Die Mitgliederzahl beträgt zurzeit 270, und die Gesamtausgabe an Begräbnisgeldern beträgt seit Bestehen des Vereins 25545 M. Die Krankenkasse unter Leitung des Tischlermeisters Rüdiger, aus freiwilligen Mit gliedern bestehend, zählte am Jahresschlüsse 172 Mitglieder; an 27 Mitglieder wurden in 144 Krankheitswochen 216 Mark gewährt, und der Einnahme von 339 M. stand eine Ausgabe von 283 M. gegenüber. Seit Bestehen des Vereins wurden in 3502 Krankheitswochen 6820 M. ge- währt. Das Vermögen der Unterstützungskasse besteht aus 1019 M. 77 Pf. und das der Sterbekasse aus 2647 M.65Pf. — Die Ausstellung des Bezirks-Obstbauvereins erstellte sich der allgemeinsten Teilnahme der Bevölkerung und war der Besuch stets ein ungemein reger. Einen Spezialbericht bringen wir in einer der nächsten Nummern. Schmiedeberg. Das Begräbnis des so plötzlich aus dem Leben geschiedenen Holzwarenfabrikanten Hern Carl Hermann Estler fand hier vorigen Freitag statt. Eine zahlreiche Traueroersammlung, darunter Vertreter der kgl Staatsbehörden, der gesamte Gemeinderat, sowie der hiesige Militärverein mit umflorter Fahne, gab dem Ver ewigten das letzte Geleit; reicher Blumenschmuck zierte den Sarg. Als Zeichen der Liebe und Verehrung brachte ihm der Männergesangverein am Grabe einen letzten Gruß und der Vorstand des Militärvereins widmete seinem Kameraden und Kriegsveteranen warme Dankesworte. Nach Gebet und Segen des Geistlichen gab eine Abteilung des Militär vereins das Ehrenfcuer in Gestalt dreier Salven über das Grab ab. Glashütte, 18. Oktober. Die vom hiesigen Obstbau verein Im Gasthof „zur Sonne" eröffnete Obstaussteilung zeichnet sich durch herrliche Früchte aus. Die sonnigen Herbsttage haben dieselben gut ausreifen lassen und pracht volle Farben gegeben. — Drei eigenartig gekleidete und mit viel Orden und Münzen behängte Reisende, welche bereits fünf Jahre auf der Reise um die Welt sich befinden, halten sich im Durch marsch hier auf und haben dem hiesigen Touristenklub