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Ottendorfer Zeitung. Die „Dttendorfcr Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen t,2v Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag 40 Uhr. Inserate werden mit >o Pf, für die Spaltzeile berechnet Tabellar isch,r Latz nach besonderem Laris Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkilla. Nr. tt Mittwoch, drn 17. Januar 1906 5 Jahrgang Orrtliches und Sächsisches Dttendorf-Dkrilla, den 4s. Januar Mb — Zwischen Preußen und Sachsen ist ein Abkommen getroffen, daß Bautechnikcr, die eine preußische staatliche oder in Preußen anerkannte Baugeweckschule vollständig mit Erfolg besucht haben, in Zukunft als gleichberechtigt mit den Absolventen einer sächsischen staatlichen Bau gewerkschule zu der sächsischen Baumeisler prüfung zuzulassen sind. — Se. Majestät der König haben geruht, das Gesuch des Ministers des Innern von Metzsch um Entlastung aus seinem Amte mit Schluß des gegenwärtigen Landtages zu ge nehmigen und zu dessen Nachfolger den bis herigen langjährigen sächsischen Gesandten am Berliner Hofe Grafen von Hohenthal und Bergen zu ernennen. Graf Hohenthal wurde 1853 in Berlin geboren, wo sein Vater von 1852 bis 1866 sächsischer Gesandter war. Er ist vermählt mit der Schwester des Ober hofmarschalls Grafen Vitzthum von Eckstädt. Medingen. Sonnabend, den 13. Januar hielt der Landwirtschaftliche Verein von Medingen und Umgegend unter Vorsitz des Herrn Geheimen Hofrat ,Dr, Mehnert im Hauswaldschen Gasthof eine ;sehr gut besuchte Versammlung ab. Als Redner war Herr Oekonomie - Kommissar Merbach gewonnen < worden, welcher sich in stündiger Rede über ' die Behandlung der Wiesen verbreitete. In klarer und verständlicher Weise zeigte er, wie man besonders bei feuchten und nassen Wiesen durch Trockenlegung derselben ihre Er träge bedeutend erhöhen könne. Seine Aus führungen belegte er mit selbst probierten Bei spielen. Reicher Beifall lohnte den Redner und die sich anschließende rege Debatte bewies, daß sich unsere Landwirte für eine Verbesserung ihrer Wiesen sehr interessierten. Nach 6 Uhr Wurde die Versammlung geschlossen. — Sonntag, den 14. Januar fand im hiesigen Gasthofe eine Wiederholung der Kinderaufführung statt. Auch zu derselben hatten sich zahlreiche Zuhörer eingefunden. „Pilgerfahrt durchs Leben" betitelte sich das Slück, welches aufgesührt wurde. Die Kinder beherrschten ihre zum Teil großen Nollen voll ständig und es traten nirgends Stockungen ein Besonders schön! wirkten die von den Kindern gestellten lebenden Bilder, welche durch rote Glühlampen beleuchtet wurden und das mensch- , liehe Leben von der Wiege bis zum Grabe darstellten, Mit voller Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden der Aufführung bis zum letzten Wort und dankbar für das Gehörte und Ge sehene verließen alle den Saal, Auch Herr Kirchschullehrer Hauffe, der mit großer Mühe die ganze Aufführung eingeübt hatte und in besten Händen die ganze Leitung lag, kann vollrr Befriedigung auch auf diese Wieder holung zurückblicken. Königsbrück. In den Monaten Januar und Februar halten auf dem Schießplatz Königsbrück gefechtsmäßige Schießübungen ab das 2. Jäger-Bataillon Nr. 13 (Dresden vom 22. bis 25. Januar, das Schützen (Füsilier-) Regiment Nr. 108 (Dresden) vom 29. Januar bis mit 2. Februar und das 3. Infanterie-Regiment Nr. 102 (Zittau) vom 5. dis mit 10. Februar. Die Truppenteile werden in der genannten Zeit im Baracken lager Königsbrück u hergebracht. Dresden. Zum Kampf um das große Los der sächsischen Staatslotterie ist den „Dr. Nachr." eine Mitteilung aus juristischen Kreisen zugeganaen, aus der zu entnehmen ist, daß die Gewinnerin Müller schon seil acht 'Jahren wegen Geisteskrankheit entmündigt und auch bereits längere Zeit in einer Irrenanstalt unlergcbracht gewesen ist. Das das bekannte . Urteil, welches ihr den vollen Gewinn zu'prichl niemanden befriedige, s.i klur, Schuld an dem Ergebnis sei nicht das Ges tz, sond.cn der Umstand, daß die Müller, solange sie wegen Geisteskrankheit entmündigt war, sich einer un- 'tatthasten tatsächlichen Versügungsfreiheit er- reuen und sogar einen Geflügelhandel be- reiben konnte, was in ihr selbst und anderen Personen den Glauben erwecken mußte, daß sie B. einen Loskauf rechtSgiltig vornehmen bunte. Wenn die Müller imstande war, ihre Angelegenheiten zu besorgen, hätte man ihre Entmündigung aufheben mästen. Aus der Duldung dieser tatsächlichen Verfügungsmacht 'tehe gleichwohl den Mitspielern kein Ersatz anspruch zu, da ihnen ein reeller Schaden nicht erwachsen sei, sie hätten nur einige Zeit ohne Grund das Bewußtsein gehabt, Anspruch auf einen Teil des großen Loses erheben zu können. Wie der Fiskus sich gegen die Müller verhalten würde, sei noch ungewiß. Ihr den ganzen Gewinn zu lasten, wäre jeden falls unbillig. Das angemestendste würde es sein, wenn der Fiskus das Geld einzöge und dann aus freier Entschließung, als ob sämtliche Verträge giltig gewesen wären, das Geld ver teilte. — Ein Privatbeamter der Felsenkeller brauerei im Alter von 41 Jahren, der nach 15 jähriger Dienstzeit wegen mutmaßlicher Nervenkrankheit seine Stellung aufgeben mußte lauerte am Montag früh dem im Hause Hallesche Straße 18 wohnhaften Direktor der Brauerei Otto Kämpfe auf und bedrohte ihn, als er seinen Wagen besteigen wollte, mit einen 6 fach geladenen Revolver, um auf diese Weise eine andere Stellung zu erzwingen. Durch schnelles Hinzuspringen von vorübergehenden Personen und des Kutschers ist der Täter noch ergriffen worden, bevor er seine Waste in An wendung bringen konnte. Darnach wurde er verhaftet. Meißen. Wie der hiesige Polizeibericht meldet, hat dort seit Jahren eine Arbeiterin in Gemeinschaft mit ihrem Sohne einen schwung haften Handel mit geschlachtenen Katzen be trieben und diese als wilde Kaninchen verkauft Im jetzigen Winter soll sich der Umsatz bereits auf ca. 25 Stück stellen. (Katzenbraten kann demnach so übel nicht schmecken I) Chemnitz. Von der hiesigen Kriminal polizei festgenommen wurden ein 45 Jahre aller Spinner aus Waldkirchen, ein 33jähriger Handarbeiter aus Potschappel und eine 33 Jahre alte, geirennt lebende Ehefrau aus Frauenstein. Der Spinner hat in den Jahren 1904 und 1905 in der näheren und weiteren Umgebung von Chemnitz eine große Anzahl Einbruchsdiebstähle verübt, der Hand arbeiter und die Frauensperson dagegen sind bei dem Vertriebe dec gestohlenen Sachen zu ihrem Vorteile behilflich gewesen- Eine Anzahl der geraubten Gegenstände find aufgefunden worden. Ein an der Verübung der zahlreichen Einbrüche Beteiligter, der Handarbeiter Schön feld aus Tautenhain bei Lausigk ist flüchtig. Die Diebe haben meist Bauerngüter heim gesucht und sich den Zugang ins Innere Mrch Eindrücken von Fensterscheiben verschafft. Es ist ihnen nachgewlesen worden, daß sie jahre lang die Wilddieberei ausgeübt und auf Eubaer Lichtemvalüer, Frankenberger, Ober- und Niederhermsdorfer und noch anderen Fluren Hasen, Fasanen und dergleichen geschossen haben. Weiter haben sie im Sommer vorigen Jahres sogar auch Teiche abgelasten und die Fische gestohlen. -- Ein sonderbares Wettrennen wird den Besuchern des beliebten Varietes allabendlich gebolen. Auf feststehenden Apparaten, die mit einem Streckenzeiger verbunden sind, an dem das Publikum selbst die zurückgelegten Strecken ablesen kann, führen ein Reiter und ein Rad fahrer Weltrennen aus Wenn das Pferd auf die rollende Plattform kommt, ist es mitunter recht unruhig. An einem Abend zerstampfte oes erregte Trer ein Fahrrad. Am Donners lag aber kam eä schlimmer. Als der Theater bienec das Tier befestigten wollte, bäumte es auf und schlug aus- Durch einen Hufschlag wurde der Mann am Kopfe so erheblich ver letzt, daß ein Arzt die Wunde vernähen mußte. Zittau. Bekanntlich hatten die hiesigen Stadtverordneten den Stadtrat veranlaßt, der Kceishauptmannschaft in Bautzen! über die Unterschlagungen des Buchhalters Neustadt in der städtischen Mühlsteinfadrik zu Jonsdorf ein gehenden Bericht zu erstatten und diese Be hörde um eine Entscheidung bezüglich der Schadenersatzfrage zu bitten, Die Kreis- hauptmannschast hat die erbetene Entscheidung jedoch abgelehnt, indem sie darauf hinweist, daß der Stadlrat sich vor den Stadtverordneten wegen seiner Tätigkeit bei Beaufsichtigung des Geschäftsbetriebes in der Jonsdorfer Mühl steinfabrik zu rechtfertigen habe. Danach Haden die Stadtverordneten dann Entschließung zu fasten, ob sie sich bei der Rechtfertigung des Stadlrates beruhigen wollen oder ob sie diesen und seine Organe wegen etwaiger Fahrlässigkeit bei der Ueberwachung Neustadts für den der Stadt erwachsenen Schaden haftbar machen wollen. Falls der Stadtrat eine Verpflichtung zur Schadenersatzleistung bestreitet, haben die Stadtverordneten wegen Klageerhebung und Bestellung eines Aktors zu diesem Zweck Be schluß zu fassen. Hohenstein-Ernstthal. Nach Unter schlagung eines seinem Dienstherrn, dem Be sitzer des Mineralbades in Hohenstein-Ernstthal gehörigen Geldbriefs mit etwa 700 Mark war der Kellner Töpfer geflohen und spurlos ver schwunden. Jetzt wurde der Dieb in dem -Moment in Hamburg festgenommen, als er auf das Schiff wollte, um ins Ausland zu flüchten. Reichenbach i. V. Der früh 6 Uhr 12 Minuten von Plauen i. V. hier ein- treff^nde Güterzug ist am Sonnabend bet der Einfahrt in den oberen Bahnhof auf eine Wagengruppe aufgefahren, wobei 2 Wagen entgleisten und 3 Wagen sowie die Lokomotive beschädigt wurden. Elsterberg i. V. Eine Anzahl Weberei firmen von Elsterberg und Umgegend beabsichtigt eine gemeinschaftliche Weberei zu erbauen, die Raum für 1500—2000 Stühle enthalten soll. Eine geeignete Persönlichkeit, die die nötigen kaufmännischen und technischen Fertigkeiten be sitzt, dieses Projekt zu verwirklichen, ist bereits gefunden auch sind aus Bankkreisen Kapitalien zur Verfügung gestellt worden. Außerdem ist den Unternehmern die Unterstützung des Stadt rates zu Elsterberg gesichert, da durch das Unternehmen die Industrie in Elsterberg nicht nur befestigt, sondern auch noch erweitert werden kann. Ein weiteres Projekt geht dahin neben der großen Weberei noch eine genügende Anzahl Arbeiterwohnungen zu erbauen. Aus der Woche. Es wird niemand behaupten wollen, daß es auf der Welt ruhig und zufriedenstellend hergeht, aber die Politik quält sich doch großen teils mit alten Ladenhütern ab, die dem neuig- keitssüchligen Leserpublikum nicht mehr gefallen Die russischen Wirren, die jimmer noch den breitesten Teil der Nachrichtenmenge ausmachen, töten durch die ewigen Wiederholungen, Ueber- treibungen, Widersprüche und halbamtlichen Schönfärbereien, und wenn Rußland anch an der in den nächsten Tagen zusammentretenden Marokko-Konferenz in Algeciras teilnimmt, so hätten die marokkanischen Vertreter wohl recht, wenn sie sagten: „So schlimm wie in Rußland lst es bei uns noch lange nicht nnd die Inter essen dee Staaten, die sich jetzt an der Regelung unsrer inneren Einrichtungen herabdrängen, sind ein Lufthauch im Vergleich zu den derben Interessen, die alle an Rußland haben; wer hat und acht Milliarden geborgt?" Allzuvie Nutzen schafft das gemeinsame Vorgehen der Mächte selten, wie man an Mazedonien sehen kann. Die türkische Regierung hat einen Schlachlbertchr über das ganze vergangene Jahr geliefert, woraus man erkennt, wie wenig ich die mazedonischen Dinge geklärt haben, rotzdem europäische Polizei im Lande ist und )ie Finanzen unter europäiscke Kontrolle ge teilt worden sind. Die fortschreitende Auf- lärung in den Kreisen der Türken selber läßt die Zeit der Mosleminenherrschaft in Europa als avgelaufen erscheinen. Nur sind die Erben unter sich nicht einig, sonst könnte die Teilung )er Masse unschwer erfolgen. Auch die lang weilige ungarische Krisis rückt keinen Zoll vom Flecke. Drohungen hier und Drohungen dort und dazu Gewalttätigkeiten wie in Debreezin! Wo will das schließlich hinaus und für wen arbeitet und kämpft der Kaiser Oesterreichs? — Die entschiedenen Bestrebungen der ver nünftigen Leute in England und in Deutschland ihre beiderseitigen Länder einander näher zubringen, haben durch den englischen Minister wechsel noch eine Stärkung erfahren und König Eduard tritt etwas mehr in den Hintergrund. Allerdings ist Campell-Bannerman noch nicht vollständig Herr der Lage. Erst die Wahlen sollen für ihn entscheiden und das „freieste Volk der Welt" wird in den nächsten vierzehn Tagen diese Wahlen vornehmen Schon jetzt ist das ganze England voller Aufregung, denn dort Haven wie in Amerika die ParlamentS- wahlen den Charakter eines großen Jahrmarktes Der Kandidat muß schreien wie ein Bajazzo sich auf kunterbunten Plakaten empfehlen und vor allem tief in den Beutel greisen, um einem hochgeehrten Wahlpublikum seine Person bestens zu empfehlen. Allerdings hat England im voraus den Vorteil, daß es dort keine Stichwahlen gibt; wer die verhältnismäßig meisten Stimmen hat, ist gewählt,- Diese Ein richtung verdankt ihre Entstehung der Zeit in der es in England nur zwei Parteien gab, Torys und Whigs. Heute treten dazu noch die „Unionisten", die gegen die Selbstver waltung Irlands sind, und die Sozialisten, die Arbeiterpartei, die aber unter sich gespalten ist, und daher zu keinem Einfluß kommen kann. — Für Frankreich steht die Wahl des Präsidenten der Republik vor der Tür, da Loubets Amtszeit Mitte nächsten Monat» ab läuft. Der jetzige Präsident des Senats, der dicke Weinbauer Fälliges hat die meiste Aus sicht, die erste Stelle in Frankreich einzunehmen Rouvier riecht noch von früher her etwas nach Panama, Bourgeois ist zu bequem, um die Bürde des höchsten Amtes »auf sich zu nehmen und Doumer (der zum Präsidenten der Deputiertenkammer wiedergcwählt ist) stößt durch seinen ganz undemokratischen Stolz viele vor den Kopf. — Jnzuischen wird auch die Marokkolonferenz eröffnet worden sein, die allem Anscheine nach sechs Wochen lang die Welt langweilen wird. Vielleicht beeilen sich die Abgesandten etwas, denn Algeciras ist jer- freulicherweise ein kleiner langweiliger Ort, den die englischen Kanonen Gibraltars bestreichen können und der für größere Festlichkeiten nicht einmal die geeigneten großen Lokalitäten be sitzt. Die Herren Diplomaten sind da auf ihren Skat oder Whist beschränkt und das allein ermüdet die verwöhnten Herren auf die Dauer, die sonst in den Hauptstädten Politik und heiteren, vielgestalteten Lebensgenuß ver binden. Die braunen Herren aus Marokko muß ein spanisches Kriegsschiff abholen, das einzige, das der Krieg mit Nordamerika dem einst so reichen und mächtigen Lande übrig ge lassen hat. Der scherifischen Majestät ist es hauptsächlich darum zu tun, Geld in seinen Beutel zu bekommen; aber wenn sie pumpen sollen, wollen die Europäer auch geordnete Zustände und dadurch eine gewisse Sicherstellung haben. Den Marokkoanern aber liegt an der ihnen zugedachten Ordnung gar nichts; daher kommt es auch, daß der europafeindliche Prätendent Bu Hamara immer wieder neuen Anhang im Lande findet, so oft er auch von den Sultanstruppen geschlagen wird. Die Kultur des Kreuzes und des Halbmondes kannen eben nicht nebeneinander bestehenl