Volltext Seite (XML)
Inserate Blatt Amts und des Stadtrathes des Königs. Amtsgerichts 22. Mai 1895 Mittwoch Erscheint: Msttwoch und Sonnabend. Vorm. 9 Nhr aufzugeben. Preis fiir die einspaltige Cor- puszeile loder deren Raum) 10 Pfennige. Heschäftsstessen: Buchdruckereien von A. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausche, Kamenz, Carl Daberkow,Groß röhrsdorf. Annoncen-Vureaus von Haascn- stein L Vogler, Jnvalidendank. Rudolph Mosse und G. L. Daube L Comp. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Beiträge für diesen Theil werden gegen Vergütung dankend angenommen. Pulsnitz. Die öffentliche Versammlung, welche, vom hiesigen Reformvereine veranstaltet, am vergangenen Sonntag Nachmittag 5 Uhr im Saale des Hotel „grauer Wolf" stattfand, war von Bewohnern der Stadt und Um gebung zahlreich besucht. Der Saal war gefüllt, ebenso die Galerie. Eine große Zahl Mitglieder der Sozialde mokratie mit ihren Führern waren gleichfalls anwesend. Kurz nach 5 Uhr eröffnete der Vorsitzende des Vereins die Versammlung, hieß die Anwesenden willkommen und ertheilte nach einem aiff Kaiser und König ausgebrachten Hoch dem Herrn Reichstagsabgeordneten Gräfe das Wort, der in seinen Ausführungen unter anderen auf die letzte Versammlung des konservativen Vereins und des damaligen Redners H. v. Schorlemer Bezug nahm und einen Brief des eben genannten Herrn zur Verlesung brachte, in welchem der Briefschreiber sein Nichterscheinen zum heutigen Vortiage, zu welchem er speziell eingeladen worden war, entschuldigte. Als zweiter Redner des Abends, der das eigentliche Thema: „Die deutschsoziale Reformpartei im Kampfe zur Errettung des Mittelstandes" behandelte, sprach Herr Reichstagsabgeordnete Bindewald. Dieser Redner fesselte die Zuhörer sowohl durch seine formvollendete Redeweise, als auch durch sein wohlklingendes Organ. Er sprach ziemlich 2 Stunden mit einer kurzen Unter brechung. Zur Debatte meldete sich zuerst ein Vertreter drr Sozialdemokratie, Herr Buchdrucker Sintermann, der gleich im Anfänge seiner Ausführungen sich eines unparla mentarischen Ausdruckes (er bezeichnete den Reichstagsab- ceordneten Pastor Jskraut als „Knüttelpastor") bediente, Als Beiblätter: l. Jllustrirtcs Sonntagsblatt (wöchentlich); , 2. Landwirtschaftliche Beilage (monatlich). Abonnements - Preis Bierteljährl. 1 M. 25 Pf. uf Wunsch unentgeltliche Zu sendung. Zu WuLsnih und damit unter den anwesenden Reformern'einen Slurm der Entrüstung hervorrief. Als zweiter Gegner trat Herr Töpfer Fraßdorf auf; beide Männer griffen wiederholt in bekannter Weise die Reformpartei an, letzterer Redner in gemäßigter Form. Als Gegner des Befähigungsnachweises sprach Herr Töpfer Franz, auch Sozialdemokrat; sämmt- liche Herren waren aus Dresden, wahrscheinlich von hiesigen Genossen zu dieser Versammlung verschrieben worden. Ferner sprach noch der Vorstand des LePpsrS- dorfer Resormvereins Herr Schäfer, der wiederum die Ausführungen der sozialdemokralischen Redner kritisirte. Zur Widerlegung der Angriffe der Sozialdemokraten er griff nunmehr Herr Gräfe, hierauf zum Schluß Herr Bindewald das Wort. Beide Herren verstanden es, die Ausführungen der Sozialdemokraten einer vernichtenden Kritik zu unterziehen und die Unhaltbarkeit der sozialde mokratischen Partei den Anwesenden vor Augen zu führen. Da die Zeit schon weit vorgeschritten war und die Herren von der Sozialdemokratie den Zug nach Dresden nicht Versäumen wollten, verließen dieselben, sowie deren An hänger den Saal noch vor Schluß der Versammlung. Nach einem Schlußwort des Herrn Gräfs endete die Ver sammlung '/M Uhr mit Gesang des L.sdes Deutschland über Alles. Die Versammlung verlief zuweilen äußerst stürmisch, ohne jedoch den anwesenden Aufsichtsbehörden Anlaß zum Einschreiten zu geben. Oft mußten die sozial demokratischen Führer ihre Leute zur Mäßigung und Ruhe auffordern, die sie hiernach auch beobachteten. Pulsnitz. Eine wirklich lohnende und durchaus nicht anstrengende Parthie unternahm am vergangenen Sonntag der Gesangverein „Liederkranz" zu Pulsnitz M. S. Mittags 1 Uhr versammelten sich die Mitglieder nebst Angehörigen im Gasthof zu Böhm.-Vollung und bei gutem Wetter marschirte man durch den Wald nach dem bei Radeberg herrlich gelegenen Felixthurm. In der daselbst befindlichen guten Bewirthschaftung gestärkt und nach Be steigen des Aussichtsthurmes, woselbst ein frisches Lied angestimmt wurde, begab sich die heitere Gesellschaft durch das prächtige Thal nach der Hüttermühle, von wo aus später der Heimweg über Leppersdorf angetrsten wurde. Allen Freunden von Bergpartien ist der Felixthurm bei Radeberg nur zu empfehlen. — Laut Bekanntmachung des Vorsitzenden des Bie- nenwirthschastlichen Bezirksvereins für die westliche Lausitz findet den 23. Mai (Himmelfahrt) in Arnsdorf die diesjährige Bezirksversammlung statt, zu welcher nachste hendes Programm aufgestellt worden ist. Vormittags 10 Uhr Standschau von seiten der Preisrichter, Mittags '/zl Zusammenkunft auf dem Bahnhofe und von da Besichti gung sämmtlicher Bienenstände in Arnsdorf, '^4 Uhr Versammlung im Gasthofe zur guten Hoffnung daselbst, wobei Herr Kantor sw. Krancher einen Vortrag über das Schwärmen der Bienen nebst Vorführung der neuesten Schwarmfangapparate halten wird, desgleichen wird Herr Rektor Opitz einen Vortrag über die Feinde der Bienen halten. Auch hat der Verein Arnsdorf eine Ausstellung von Bienenwirthschaftlichen Gcräthen arrongirt. Wenn der Himmel gutes Wetter sendet, wird diese Versammlung gewiß eine recht stark besuchte werden, da überhaupt der Verein Alles aufbieten wird, um es seinen Gästen recht angenehm zu machen. Himmelsahrts - Fest fällt herein in eine Zeit des Blühens und Grünens, in eine Zeit neuen Lebens draußen; und wen lockte es jetzt nicht hinaus in die freie Gottesnatur! Himmelfahrt soll aber unsern Blick lenken nicht bloß hinaus, sondern auch hinauf: „aufgefahren gen Himmel" ist die Tagesloosung. Dieser Hinweis war wohl zu keiner Zeit so nöthig, als in unseren Tagen, in denen der irdische Sinn, das Hasten und Rennen so stark ist, daß man das Einst, das Jenseits darüber vergißt; ja das Irdische hat viele so geblendet, daß sie eine Ewigkeit nach der Zeit, eine Heimath droben hinter der Herberge hier unten gänzlich leugnen. Daher die Männer des Umsturzes, die sich mit Vorliebe die Ent erbten nennen und darüber ungehalten sind, daß ihnen kein Fuß breit Erde gehört, die glücklich werden wollen und glücklich zu machen versprechen in einer Welt, die ihnen eine Wüste sein muß, weil sie den ewigen Quell aus Gott nicht kennen, in einer Welt, die durch sie werden soll ein Schutthaufen ohne Ordnung, ein Tummelplatz der rohen Gewalt und starken Faust. — Himmelfahrt soll uns gemahnen an unsere Himmelfahrt und Heimfahrt. Wahrlich "wir sind nicht bloß der Mensch, der von Erde genommen ist und wieder zu Erde werden soll, der sicht bar und greifbar ist, der Tag für Tag essen und trinken und schlafen muß, um leben zu können, der zuletzt doch krank wird und stirbt und unter dem Grabesh.igcl zu Staube zerfällt. DaS wäre eine elender Mensch und gäbe ein kaum lebenswerthes Leben ! Wir sind Menschen Gottes, HimmelSpilqer, für die Ewigkeit bestimmt; unsere Sehnsucht geht wir mögens zugeben oder leugnen, wirmögens glauben vder'bespötteln.auf etwas Höheres, Ewiges, Unvergängliches; unsere Ruhe finden wir nicht in der ruhelosen und friedlosen Welt, sondern allein in Gott schon hier und einst auch droben. Himmelfahrt weist uns hinauf, aber nicht so, als ob wrr nun darüber die Erde und unsere Pflichten vergäßen und unparteiische Leute wären. Nein, der rechte Blick hinauf, schärft auch den Blick hinein ins alltägliche Leben. Und was brauchen wir da nüthiger als die Geduld? Jedes Häuslein hat sein Kreuzlein, auch das Haus der vielbeneideten Reichen und Großen und Glücklichen; jedes Leben hat sein Leidet, auch das sorgenfreieste und unange fochtenste Leben. Wieviel Herbes und Bitteres, Unfreund liches und Undankbares; wieviel Verleumder und falsche Freunde! Wieviel Demuthigung im Amt und Verkehr, wieviel Enttäuschungen, wenn nicht alles Gold ist, was Mnzt, wenn nicht alles erfüllt wird was man gehofft! Wieviel Hiobsposten und Schicksalsschläge, wieviel Leiden, schwer durch die Größe und durch die Dauer! Huft es denn, wenn man außer sich geräth und murret, flucht und lästert, verzweifelt und seinen Bankerott erklärt? Hüft eS, wenn man sagt: das Leben habe nicht gehalten, was es versprochen, das Leben sei ein Geschäft, bei dem man nicht auf die Kosten komme? Das Leben verspricht nichts, sondern wir versprechen uns viel, oft zu viel von ihm. Das Leben bringt den Ertrag, den wir selbst bestimmen durch unsere Treue oder Untreue, durch unsere Gewissen haftigkeit oder Pflichtvergessenheit! Bei aller Noth des Lebens Hilst ein Kräutlein, das ist Geduld! Geduld ist nicht leicht. Kinder sind von Natur unge duldig, sie sind flatterhaft und neugierig, fangen alles an und hören bald wieder auf, sind mit Begeisterung bei einer Sache und finden sie in der nächsten Stunde wieder recht langweilig. Es gäbt auch große Kinder der Art. Sie unternehmen viel, treiben aber nichts gründlich; sie leiden an Flatterhaftigkeit und Unbeständigkeit, es fehlt Ausdauer und Geduld. Kann aber je etwas Ordentliches und Tüchti ges geleistet werden ohne Beharrlichkeit? Geduld ist nicht leicht. Wenn ein Kind sein Gärtchen bestellt und ausgesäet hat, so kann es nicht warten, bis der Same aufgeht; es wühlt vielleicht im Boden, um zu sehen, ob der Same schon keimt und wächst. Aber hindert, ja zerstört es nicht durch solch thörichtes Treiben das Wachsthum? Gut Ding will Weile haben. Das weiß niemand besser als der Landmann. Wenn er seine Bestell ungsarbeiten gethan hat, so kann und darf er nichts wei ter thun, bis die Erntezeit kommt und er heimholt, was er ausgestreut. Er hat doch keine Macht, daß der Früh regen zur rechten Zeil komme, damit das Körnlein keime; keine Macht auch, daß der Spätregen nicht ausblejbe, damit am Halm die Körner ansetzen. Er muß warten und sich gedulden, ab auch recht langsam die edle Frucht reife. Solche SSeleute im höheren Sinne sind auch wir Menschen. Daß wir nur edlen Samen ausstreuen, damit eine gute und reiche Ernte uns zu theil werde! Im übrigen aber heißt es geduldig warten, bis unser Tag der Himmel fahrt kommt. Auf einem Leichenstein steht die köstliche Inschrift: „Bis der Tag anbricht!" Verstehen wir, was das kurze Wort sagen will für dieses und für jenes Leben? — s. Freitag, Sei» 24. Mai 1895, Abends 1-8 Uhr öffentliche Stadtverorbnetensihung im Sitzungssaal. Die Tagesordnung hängt in der Rathhausflur aus. Pulsnitz, am 21. Mai 1895. Der Stadtverordnetenvorsteher. Georg Hempel. Unterstützungen für Bolksbibliothelen betreffend. Die Vorsteher der Volksbibliotheken werden hiermit darauf aufmerksam gemacht, daß Gesuche um Gewährung von Staatsbeihilfen für das Jahr 1895 spätestens bis zum I. Juli dieses Jahres hier einzureichen sind. Später eingehende Gesuche können dem Königlichen Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts in diesem Jahre zur Entschließung nicht vorgelegt werden. Zu den Gesuchen sind Formulare zu verwenden, welche an hiesiger Canzleistelle bezogen werden können; darin ist vor Allem zu bemerken, was von der polnischen, der Schul- oder Kirchengemeinde rc. für die Unterhaltung der Volksbibliothek im Jahre 1894 gethan worden ist und im Jahre 1895 geschehen soll. Bethätigen Gemeinden rc. ihr Interesse an dem Bestehen der Volksbibliothek nicht durch Bewilligung von Beiträgen zur Erhaltung und Vermehrung des Bücherbestandes, so haben sie auch keine Aussicht auf Bewilligung eines Betrages aus Staatsmitteln. Königliche Amtshauptmannschaft Kamenz, am 11. Mai 1895. Von Erdmannsdorff. Königsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg und Umgegend. l " sind bis Dienstag und Freitag »uck""" E-b-u MiebenulldvttvfigKex Jahrgang.