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Wöchentlich erscheine» drei Nummern. PrönumkrononS-Preis 22 >- Silbcrgr. (4 Tblr.) vierteliährlich, 3 Th!r. für dns ganze Jahr, ohne Erhöhung, in alten Theilen der Preußischen Monarchie. ,.M agazin für die Man prönumerirt auf diese» Literatur- Blatt in Berlin in der Erpedition der Mg. Pr. Staats-Zeitung sgricdrich»- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie in> Mrlande bei den Wohltödl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 14 Berlin, Mittwoch den l. Februar 1843. Norwegen. Norwegen und die Norweger. Zweiter Artikel.') Charakter und Sitten der Norweger. Was wir hier über die Einwohner Norwegens sagen werde», gilt nicht von den Gebildeteren, sondern dem eigentlichen Kern der Nation, dem Volke; denn nur bei diesem kann man den National-Charakter kennen lernen, indem er hier allein ohne Verzierung der Kultur und Verzerrung der sogenannten (?) Civilisation hcrvortritt. Was die äußere Körperbilvung anlangt, so sind die Normänncr mittlerer Größe, jedoch öfter darüber als darunter, und durchgehends von starkem Gliederbau und schöner Gesichtsfarbe, die nur als Folge der Witterung ins Braune fällt. Blaue Augen und gesunde, weiße und schöne Zähne sind bei ihnen vorherrschend. Sie haben größtenthcils braune Haare, wiewohl in einigen Gegenden auch gelbe oft Vorkommen. Man hat öfters, besonders von den Dichtern, gelbes Haar als ein Zeichen nordischen Ursprungs anführcu hören -, allein cs ist zu bezweifeln, ob dasselbe jemals allgemein oder besonders vorherrschend gewesen sep. In den alten Sagen wird häufig irgend ein König oder ein Held als ein Mann mit schönem gelben Haare geschildert; allein gerade dies könnte ein Beweis scyn, daß gelbes Haar auch damals eine Seltenheit gewesen, da man das Gewöhnliche nicht gern rühmend hervorhebt. Schwarzes Haar gehört aber zu den Ausnahmen. In den Gesichtszügen der Normänner findet sich nichts, was ein aus schließlich nationales Gepräge andeutet. Man sieht bei ihnen eben so oft Römische und Griechische Profile, als die runderen Züge (Gesichtsformcn), die man den nördlichen Nationen beiznlegen pflegt. Doch giebt cs auch Pro vinzen, deren Bewohner durch Physiognomie und Körpcrbilvung von ihren Nachbarn sich merklich unterscheiden. So habe» z. B. die Einwohner von Boß im Stifte Bergen mit ihren Adlernasen und ihrem hohen Wüchse nichts mit den Einwohnern des benachbarten Distriktes Sogn gemein, die Lurch niedrigen Wuchs, starken Gliedcrbau und leichte geschmeidige Bewegungen kennbar sind. Eine Bemerkung, die sich dem Beobachter öfters aufdringt, ist die, daß die Eingcborncn gewisser Gegenden Anders an Schönheit übertreffen, und daß man in gewissen Gegenden, wo die Männer vorzüglich wohlgebildct und von einnehmenden Gcsichtszügen sind, am seltensten schöne Weiber findet, und umgekehrt. So gehören z. B. die Männcr von Tinn in Tcllemarken zu den schönsten im Lande, während ebendaselbst nur selten hübsche Weiber anzutreffen sind, und kein Distrikt hat durchgehends schönere Weiber, als der Distrikt NöraaS, wo wiederum cin hübscher Mann zu den Seltenheiten gehört. Obgleich die Normänner im Allgemeinen von sehr lebhaftem Charakter sind, so haben doch die äußeren Verhältnisse bei Einigen eine gewisse Träg heit erzeugt, die sich j» ihren Bewegungen und ihrem ganzen Weftn zu erkennen giebt- Die Städter z. B. und die Bewohner der an die Städte glänzenden Gegenden haben viel von jener natürlichen Lebhaftigkeit und Treuherzigkeit verloren, durch welche sich Thal- und Alpen-Bewohner so vortheilhaft auSzcichnen, und die Fischer äußern in allen ihren Bewegungen die Trägheit, die eine natürliche Folge ihres Gewerbes ist, daS ihnen keine Gelegenheit giebt, ihre Muskelkraft vielseitig zu entwickeln. Dahingegen findet man bei den Letzteren Beharrlichkeit und ruhigen Muth, die Gefahre» ihres Gewerbes zu bekämpfen. — Andererseits ist die Geschmeidigkeit der Thal- und Alpen-Bewohner bewuudernswcrth. Ihre Tänze, die sich übrigens keincsweges durch Anmuth auszeichncn, bestehen größtenthcils in dreisten Wendungen und Sprüngen, und die meisten jungen Alpenhirtcn können mit Sicherheit ihren 8»Iw mortale auSführcn. Den vielen und großen Hindernissen zum Trotze, welche die Lokalität einem wohleingerichteten Schulwesen aus dem Lande in de» Weg legt, steht die Elementarbildung der Norwegischen Bauern auf einer höheren Stufe, als man erwarten kann, und höher als in den meisten Ländern Europa'S. Der Englische Lordkanzler Brougham bemerkte im Parlamente am I. Mai I8I6, daß in Manchester in den letzten sechs Jahrcn 9763 Paare getraut worden seyen, von denen nicht eine einzige Person lesen over schreiben konnte. Nach der lievue enc^clopeäigne für den Oktober t8Z2 konnten in den nördlichen Departe- -1 MS G- P- BI°n>: „Da» Königreich Norwegen, ßaü,lisch beschrieben." Bgl. Nr. I« de« Magazin«. ments Frankreichs von 100 Jünglingen 74, in den westlichen 12, und im ganzen Reiche überhaupt 38 von 100 lesen. In Norwegen findet sich fast kein Bauer, der nicht lesen kann, und Viele können auch schreiben und etwas rechnen. Es giebt manchen Bauer, der seine Gedanken nicht bloß mit logischer Deutlichkeit, sondern auch mit stylistischer Zierlichkeit auszudrücken im Stande ist.... Der Antheil, den die Norwegischen Bauern jetzt an allen öffentlichen Ge schäften haben, wird viel zu ihrer geistigen Entwickelung beitragen, und die Fortschritte der letzten 28 Jahre lassen reiche Früchte für die Zukunft hoffen. Ihr natürlicher Verstand läßt sie fremde Begriffe mit Leichtigkeit auf. fassen, und ihre oft sinnreichen Fragen und treffenden Bemerkungen beweisen, daß sic in die mitgctheiltcn Ideen cindringcn. Man unterhalte sich nur mit dem Bauer, und die Wahrheit dieser Bemerkung wird sich bestätigen, ja man wird oft über die Richtigkeit seiner Einwendungen staunen. Der gesunde Menschenverstand findet oft auf geradem Wege Resultate, die ein Gebildeter, durch Systeme im freien Schwünge seiner Gedanken eingeengt, verfehlt oder auf weiten Umwegen suchen muß. Der Vortrag des Norwegischen Bauern ist durchgehends lebhaft und oft mit Witz gewürzt, der in seinen naiven Provinzial-Dialekten eine um so größere Wirkung hervorbringt, da diese Dialekte noch viel von der natür lichen Kraft und Genialität der Ursprache bewahrt haben. In seinem Verkehr mit Fremden ist cr frcimüthig und höflich, ohne in kriechende Unterwürfigkeit auszuartcn. Der Normann war stets ein freier Mann. In der Vorzeit gab es wohl auch in Norwegen Freie und Sklaven; allein schon früh hörte der Sklavcnstand auf, daS Eigcnthum wurde gleich mäßiger vcrtheilt, und mit dem Eigcnthum erwarb auch der Bauer die Rcchte eines freien Mannes. DaS Feudal-Spstem in seiner verhaßten Gestalt konnte in Norwegen nie festen Fuß fassen, und Leibeigenschaft war von jeher unbekannt, denn das Dicnstverhältniß war stets cin kontraktmäßiges und konnte gegenseitig aufgehoben werden. Das Gefühl der Selbständigkeit ist demzu folge dem Normann von Natur angeboren und seinem Wesen und Betragen einvcrleibt. Freimüthig äußert cr seine Gedanken gegen seine Oberen sowohl als gegen Seinesgleichen-, freundlich grüßt er Jeden der ihm begegnet, er mag Freund oder Fremder seyn-, bieder und treuherzig reicht cr Jedem die Hand, vom Könige bis zum Geringsten herab, und sein freier Blick verkündet deut lich, daß cr seiner Würde als Mensch und als Staatsbürger eingedenk ist. Allein er will auch als freier Mann behandelt seyn und leidet keine Unter- drückung oder Geringschätzung. Mit Güte kann man Alles von ihm erlangen, mit Trotz nichts. J:n Handel ist der Norwegische Bauer klug und zum Theil schlau. Be- sonders gilt dies von den Einwohnern derjenigen Gegenden, wo die Pferde- und Viehzucht stark getrieben wird. Mit einem kleinen Betrug im Pfcrdehandcl nimmt cr es nicht so streng, besonders wenn der Käufer sich eine Kennermiene giebt; wer sich selbst nicht auf Pferde versteht, thut daher am besten, sich der Redlichkeit des Verkäufers anzuvertrauen.... Die Norwegische Nation muß im Ganzen religiös genannt werden. Der beste Beweis dafür ist wohl der fleißige Kirchenbesuch, trotz der durch dic Lage vieler Gotteshäuser bedingten beschwerlichen Reisen. Oft wohnen die Bauern 2, 3 bis 4 Norwcg. Meilen ungebahnten Weges von der Kirche entfernt, und doch lassen sie sich nicht abhalten, beim Gottesdienst zu erscheinen. In den Küstengcgenden reisen sie oft mehrere Meilen zur See, trotzen Sturm und Un- gewittcr und opfern zwei bis drei Tage, um ihren religiösen Drang zu be- friedigen. In einigen See-Distrikten bauen sich die entfernt wohnenden Eiuge- bornen des Kirchspiels kleine Häuser nahe an der Kirche, um sich in denselben aufhalteii zu können, wenn widrige Winde ihre Rückreise verzögern. — In den elendcstcn Hütten wird man nicht vergebens cin geistliches Gesangbuch, eine Bibel und ein oder mehrere Gebetbücher suchen, und cin mit Silber ver ziertes Gebetbuch ist ein Prachtstück, das der Wohlhabende nicht entbehren kann In einigen, besonders den Alpengegeuden bestehen noch Gebräuche, dic aus ein weniger sittliches Gefühl hindeutcn. So geht z. B- dic Brautwerbung auf eine den Forderungen der Sittlichkeit keineswegcS entsprechende Weise vor sich. Sobald nämlich der Freier seine Wahl getroffen hat, besucht er seine Auscr- wählte des Nachts auf dem Boden über dem Kuhstaüe, wo die Mädchen im Sommcr schlaft», oder in der Sennerhütte, und legt sich zu ihr ins Bett. Gestattet sie ihm ohne weiteres Bedenken den Zutritt, so sind sie Brautleute; wird cr hingegen abgewiesen, so hat daS Freien cin Ende. In anderen Gegenden rotten sich die jungen Bauern zusammen und machen Erkursioncn zu Pferde, um die Mädchen des Sonnabend Abends zu besuchen;