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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.03.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080303025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908030302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908030302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-03
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
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Sez«g».Prer» Abend Ausgabe S. Lazeigev-Prrlt »ad Nr. 82 L,r» »„ »s« »q»ed«»i fl mol lt-ltch) timerhal» sa» d« »«urlch«» «olmiimi »t«r«Ni L.L M., monatlich I.7L «. ««chl. d«gellg-t». yk drsterratch » » Dienstag 3. März 1908. MpMerTagMall HandelszeUttng. Äitttskkatt -es Nates im- -es Votizeiamtes -er Lta-1 Leipzig. Nr Anlrrar« »»« >»» llmgrdun, di» Sgelealrr» P«m»eU« » PI„ ftnanjiell« mn»«t-r» SÜ Pi., IN-Nam-» l M.; »an anlwsrt« SV Pt.. «-N-m-v l.ÄIM.; da» Ausland S0P1., knanz a»^,-»7LP1. -ieklam«, llv M I »Irrare», vehstde» tni »mUIchrn r-ci«0PI Neilagegedübr d M. ». lanlrnd ertl. Poll» oedühr »richLttsanteisrn an deaarzugie, Krell- im Preise rrhLht. Siadari noch laril grfteneill« >u!trsg» Unaen nichr zurück, aerogea werde» Für do« Erscheinen an drmminre» La^n an» Plü»«n wir» kein« VaranN« übernommen. Anzeigen.Ilaiiadmei Auguftusvlah 8, del sümtlichen Filiale» u. allen tlnnoncen. Expeditione» de« Ja» and Auslandes. »««Vl.Alltal» «erltai Lsrl Lancker, Herzogl. Paar, tzofdach- dandlaag, Lüdowftrak« lO. Sei«»!»»» VI. -ir- «M3). 182. Jahrgang. Dar rvichttgste vonr Tage. * Der aufgelöst« Kolonialrak soll durch Kommission««, die dem ReichSlolonialamt beigeordnet werden, ersetzt werden. * Gestern hat die deutsch-französische Kommission für die Grenzregulierung im Kamerungebiet ihre Sitzungen in Berlin begonnen. * Im englischen llnterhause wurde ein radikaler Antrag auf Einschränkung der Marineausgaben mit großer Mehrheit abgelehnt. lS. Ausl.) * InSizilieu kam es zu neuen N a s i -T u m u l t en. sS. AuSl.j Irr* Theninitzev Ortskrankenkassen-Angelegenheit wird uns aus Chemnitz geschrieben: Seit mehr denn Jahresfrist sind über die Gemsrnsauve Ortskrankenkasse Chemnitz Nachrichten ver breitet, die die Leitung der Kaffe in sehr ungünstigem Lichte erscheinen ließen. Es wurden Manipulation«» des Vorstandes bekannt, die sich als direkte Gesetzwidrigkeiten, mindestens aber als starke Pflichtver- letzungen herausstellten. Da die Verschlingen zum Teil Jahre zurück reichen, muß es wuudernehmen, daß die Aufsichtsbehörde nicht schon längst zugcgriffen hat; und man ist wohl berechtigt, die Frage aufzu werfen, wie es geschehen konnte, daß die verschiedenen groben Verstoße und Verfehlungen der Aufsichtsbehörde so lange verborgen bleiben konnten. In einem Falle sagt die Aufsichtsbehörde selbst, daß „seit Jahren" falsche Beitragserhebungen stattgefunden hätten. Mit großer Verwunderung muß demgegenüber gefragt werden, wie war es mög lich, daß die Aufsichtsbehörde diesen Fehler nicht schon „seit Jahren" beseitigt hat? Jedenfalls kann man sich bei genauer Betrachtung der Sachlage der Vermutung nicht erwehren, daß es die Aufsichtsbehörde gegenüber der Ortskrankenkassenleitung an rechtem Eifer hier und da Kat fehlen lassen. Nun haben ja endlich Erörterungen stattzefunden, und deren Folge war die Absetzung des Vorsitzenden der Kasse und eines weiteren Vor- standsmitgliedes, sowie eine eindringliche Vermahnung an die übrigen Vorstandsmitglieder. Der Rat der Stadt Chemnitz hat diases Urteil eingehend begründet. Maßgebend für seine Entscheidung sind acht ver schiedene schwere Verfehlungen der Leitung der Ortskrankenkasse bzw. der beiden besonders bestraften Vorstandsmitglieder gewesen, die hier kurz skizziert werden sollen: Man hat Mitgliedern der Kasse während des Bezugs der Wöchnerinnenunterstützung Krankenkaffenbeiträge ab verlangt und damit gegen das Gesetz verstoßen' man hat Wöchnerinnen die. Rückerstattung der ärztlichen Entbindungskostcn vorenthalten: man Kat ungefähr 60 000 F zuviel Beiträge eingehoben, indem man die eine Klaffenversetzung bedingenden höheren Beiträge bereits vom Tage des Eintritts der Veränderung ab, anstatt vier Wochen nach deren Ein tritt erhob, anderseits aber die Entschädigungen in Krankheitsfällen den Kassenmitgliedern nach den alten Sätzen, b. h. also ohne Rücksicht auf die veränderte, gesetzwidrige Einhebung ausgezahlt. Der Vorsitzende hat häufig in die ärztliche Behandlung von Kaffenmitgliedern einge- griffen, indem er die von ärztlicher Seite festgesetzte Aufenthaltsdauer von Kaffenmitgliedern im Genesungsheim Grünhain nach reinem will kürlichen Gutdünken verminderte. In diesem Genesungsheim ist von Vorstandsmitgliedern einmal eine Festlichkeit auf Kaffenkosten veran staltet worden. Die Kgl. Staatsanwaltschaft spricht in bezug darauf von „direkter Verschwendung", „grober Pflichtverletzung" und sagt, daß das dabei beobachtete Verhalten des Vorstandes „mit den Pflichten eines Vorstandes keineswegs in Einklang zu bringen" sei. Die Staats anwaltschaft hat jedoch das deshalb schwebende Verfahren eingestellt, weil der Nachweis einer vorsätzlichen Veruntreuung der bei jener Festlichkeit lGänscschmaus) verzehrten Summe nicht zweifelsfrei zu erbringen sei. Endlich wird dem Vorsitzenden noch die Entgegennahme von Speck, Wurst und Eiern in Grünhain zum Vorwurf gemacht, die er nicht zurückgegeben habe. Das gleichfalls aboesetzte Vorstandsmitglied hat seinen elfjährigen Sohn 14 Tage lang in Grünhain ohne Entschädigung, also auf Kosten der Kaffe verpflegen kaffen, und schließlich haben die beiden abgesetzten Vorstandsmitglieder den auf sie entfallenden Teil einer zu Besichtigungs zwecken ausgeworsenen Summe zwar erhalten, die betreffenden Besichti gungen aber nicht vorgenommen und auch das Geld nicht zurückgezahlt. Nach 8 43 Abs. 4 des Krankenversicherungsgesetzes kann die Auf sichtsbehörde Vorstandsmitglieder, hinsichtlich deren Tatsachen bekannt werden, die sich als arobe Verletzung der Amtspflichten in bezuo auf die Kcssensührung darstellen, ihres Amtes entheben. Daß die Aufsicht-Z- behördc endlich von diesem ihr zustehenden Rechte Gebrauch gemacht hat, wird jeden billig Denkenden mit lebhafter Befriedigung erfüllen. In einer herzlich schwachen und vorsichtigen Entgegnung sucht sich zwar der Vor stand zu reinigen, vermag jedoch nicht überzeugend zu wirken. Außerdem steht ja auch noch das gerichtliche Verfahren wegen einzelner Vorkomm nisse bevor/so daß die Akten über die Chemnitzer Ortskrankenkasse noch nicht gleich geschlossen werden können. Hoffentlich ziehen die Arbeiter aus dieser ünerguicklichen Vorgängen die Lehre, daß ihr Heil nimmer- mehr von der Sozialdemokratie kommt, denn Sozialdemokraten waren es, die die Geschäfte der Kasse so schlecht geführt haben. Sicher dürste auch sein, daß die in Cbcmnitz gemachten Erfahrungen bei der bevor- stehenden Reform des Kronkenvcrsicherungsgcsctzes ihre Verwertung finden werden. Und das von Rechts wegen. Gegen -en Münchener Senat. Die letzte Sonntaasnummer der „Augsb. Postztg.", mit der das Klerikerblatt in die Fastenzeit eintritt, ist für ihr Gemüts- und Kultur- Niveau überaus bezeichnend. Vorn ein spaltenlarrger Fastenbriei des Augsburger Bischosts, und gleich darauf eine aus Heuchelei und Hoch mut zusammengeschweißte Pharisäerphilippika gegen den Münchner Universitätssenat, di« von Beleidigungen und rohen Anwürfen geradezu strotzt. Besonders gegen den Rektor werden alle Schleusen ultramon taner Verhetzung aufgezogen. Er habe gewagt, die „Bande von frechen Eindringlingen und Friedensstörern" mit „Kommilitonen" anzureden, habe einer „heulenden Meute^' einen Kollegen preisgegeben und einen völligen Triumps der „verrohten", tumultierenden Elemente vorbe reitet. Das Urteil, das der Senat über das kollegiale Verhalten des Professor? Bardenhewer gefällt hat, ist dem Blatte so in die Glieder gefahren, daß es für den Augenblick sogar dem Antimodernismus abge schworen hat und als furchtbarsten Vorwurf den gegen den Senat schleudert, daß er ein „mittelalterliches Fehmgericht" ^gehalten habe. Das hätte sich am wenigsten an einer Stätte geziemt, wo „die Fackel des geistigen Fortschritts in die schwerfällig aus dem Dämmer herauf steigende Gesellschaft hineinleuchte". Die „Augsb. Postztg." mit der Fackel des Fortschritts: das ist wirklich ein Bild aus dem Fasching. Aber der Zweck der Hebung ist dochei ein verdammt ernster. Der Ultra- montanismus hält die Zeit für gekommen, um zu einer neuen Macht probe auszuholen. Die „Augsb. Postztg." macht gegen die Rechte des Senats mobil: „Die vermoderte Einrichtung ist wert, zu Grabe getragen zu wer den. Die Selbstverwaltung der Universitäten werden nicht ange tastet. Aber der Senat als Standesgericht höre auf zu existieren. Daß in unserem Fall der Spruch eines Standgerichtes vorliegt, ist nicht zu bestreiten. Inwieweit dieses mit s«inen Einzelbefugniffen in unseren Rechtsorganismus eingegliedert ist, ist eine Frage, deren Klarlegung die Öffentlichkeit derzeit intensiv interessiert." Mit der Oeffentlichkeit ist natürlich der bayrische Landtag gemeint, mit dessen Eingreifen die „Augsb. Postztg." ganz offen droht. Die Knebelung der Staats-Universitäten soll also >oweit getrieben werden, daß sie zwar nach wie vor Männer ä la Bardenhewer als Rektoren dulden müssen; über den Umgangston aber und die Verkehrssitten, die zwischen Kollegen an den Universitäten zu gelten haben, sollen sie nicht mehr mit zu raten und zu richten haben; das soll Sache des Zentrums werden und der Prälaten in Rom. Man mag und kann nicht glauben, daß der Staat der Wittelsbacher auch schon dazu reif ist. Deutsches Reich. Leipzig, 3 März. is. Reichsgericht. Der neuernannte Reichsgerichtsrat Hehnacher, der bisher Oberlandesgerichtsrat in Marienwerder war, ist vor dem IV. Zivilsenat des Reichsgerichts unter dem Vorsitz des Präsidenten Freiherrn Dr. v. Seckendorfs vereidigt und hat seinen Sitz im V. Zivil senat eingenommen. * b. Die Beamteubesolduugssrage. AuS Berlin wird uns geschrieben: Das Staatsministerium hat sich zwar am Sonnabend wiederum mit der Besoldungs frage für die Reichs- und preußischen Staatsbeamten befaßt, ist aber mit seinen Beratungen noch nicht zu Ende gekommen, mindestens noch eine Sitzung wird zu dem Behufs nötig sein. Die Besoldungsvorlage für die Reichsbeamten geht dann erst au den Bundesrat, der sie seinerseits an die Ausschüsse zur Vorberatung überweisen wird, dem Reichstage dürfte sie also frühestens nach 14 Tagen zugehen. Die Vorlage enthält nicht nur Er höhungen der Bezüge für die unteren und mittleren, sondern auch für einige höhere Beamtenklassen, jedoch sind die Erhöhungen nicht derart, daß alle verlautbarten Wünsche befriedigt werden, vielmehr wird in unterrichteten Kreisen befürchtet, daß die Vorlage vielen eine große Enttäuschung bereiten wird, lieber alles Weitere herrscht noch völlige Ungewißheit. In den Kreisen der Reichsregierung besteht zurzeit keine Neigung, die Besoldungserböhungen auf eine Anleihe zu nehmen, viel mehr soll das Gesetz mit Rückwirkung auf den 1. April d. I. erst in Kraft gesetzt werden nach Bewilligung der neuen Reichssteuern; die frühestens im Herbst erfolgen wirb. Bis zum Herbst wird auch die Entscheidung über die Zivilprozeßnovelle vertagt werden müssen. Die preußischen Beamten werden voraussichtlich früher in den Besitz der höheren Bezüge gelangen mit Rücksicht auf die Landtagswahlen, die im Spätsommer stattfinden werden. * Das Zuckersteucrgesetz. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das neue Gesetz über die Abänderung des Zuckersteuergesctzes. Demzufolge wird di« Zuckersteuer vom 1. April 1909 ob auf 10 .11 von 100 Kilo gramm Reingewicht herabgesetzt, sofern bis dahin Gesetze zustande kommen, die eine Erhöhung der eigenen 'ffnnahmen des Reiches um mindestens 35 Millionen Mark jährlich bezwecken Kommen solche Ge setze erst nach dem 1. April 1909 zustande, so erfolgt die Herabsetzung der Steuer gleichzeitig mit deren Inkrafttreten. Das neue Gesetz tritt gleichzeitig mit der in Brüssel am 28. August 1907 vollzogenen Zuiah akte zu dem Vertrag über die Behandlung des Zuckers vom 5. März 1902 in Kraft. * Der gothaisch-kodurgische Zwischenfall hat sich aufgeklärt: nicht der Präsident des gemeinsamen Landtages der beiden Herzogtümer Gotha und Koburg, Oberbürgermeister Liebetrau-Gotha, sondern der Präsident des koburgischen Sond«rlandtages, Fabrikant Arnold, hat das bayrische Abgeordnetenhaus durch seinen Präsidenten v. Ortcrer auf gefordert, in der Frage des Vereinsrechtes fest zu bleiben. * Die neuen Felduniformen für die Kavallerie. Es steht, wie die „Inf." zuverlässig erfährt, seit längerem fest, daß für unsere gesamte Kavallerie Felduniformen wie für die übrigen Waffengattungen vorge- Feuilleton. Wären die Menschen mit ihrem Glück so zufrieden al« mit ihrem Verstände, welche Millionen Glücklicher! Karl Jul. Weber (Demokrites). S Die Vorgeschichte -es modernen Museums. Eine Geschichte des Sammelwesens, wie es sich mit den ersten An- sängen aller Kultur langsam entwickelt und fortgebildet hat, würde sich in wunderlich verschlungenen Irrwegen, in seltsamen Antrieben und Auswüchsen des Menschengeistes vor uns ausbreiten, bevor sie zu der geläuterten und staatlich geordneten Form des heutigen Museums auf stiege. Steht doch der Sammeltrieb, der sich in seinen ersten Ansätzen ja schon in der Tierwelt verfolgen läßt und die ganze Welt des Kindes in Spiel und Ernst mit absonderlichen Vorstellungen erfüllt, in engem Zu sammenhang mit der dem Menschen ti«f innewohnenden Sehnsucht nach persönlichem Besitz, mit der ihn lockenden Begier nach Schmuck des eigenen Leibes und prächtiger Ausstattung seiner Umgebung. Der primitive Mensch, der sich mit allem Wertvollen und Köstlichen seines Besitzes behängt, ist ja zunächst seine eigene wandelnde Schatzkammer, und sobald er erst einmal die elementare Freude an Schmuck und glän zenden Nichtigkeiten von seinem Körper in die soziale Welt seiner Ge meinschaft überträgt, uud Macht und Ansehen, wie sie ihm von feinen golden«» Armspanaen und den Halsbändern aus Kaurimuscheln aus strahlen, auf die Gegenstände selbst übergehen läßt, dann entstehen jene wohlgefüllten Schatzkammern der Negerkönige, die die Urformen unserer Museumssammlungen bilden. Noch andere solcher Aufspeiche rungen von Schätzen weisen in frühen Kulturen auf den erwachten Sammeltrieb hm. Dem Toten werden ins Grab die besten Stücke, die er als Lebender besaß, mitgegeben; «den Göttern werden die herrlichsten Weihgeschenke dargebracht, weil man annimmt, daß auch sie an Schätzen Freude haben und es übel vermerken, wenn der Mensch sie, die Herr lichen und Mächtigen, in prunkendem Besitz übertreffe. So wird bei den Griechen der Tempelschatz, der in den orientalischen Reichen ein nicht immer respektiertes Depot göttlichen Reichtums gewesen war, ein öffent licher Besitz, an dem das ganze Volk Anteil hat; um das Bild der hellenischen Gottheit versammelt sich schon in alter Zeit eine Reihe be- deutender Kunstwerke, die mit dem nationalen Leben und Kult aufs innigste verknüpft sind. „Die Tempelschätze Griechenlands sind die ersten öffentlichen, jedem Bürger zugänglichen Museen lebender Kunst wie jener der nationalen Vergangenheit geworden", so erklärt Julius von Schlosser, der in einem inhaltsreichen, im Verlage von Klinkhardt und Biermann in Leipzig erschienenen Werke „Die Kunst und Wunder- kammern der Spätrenaissance" die Grundlinien einer großzügigen Ge- schichte deS Sammelwesens darlegt. Die antiken Tempelschätze spiegelten nicht nur den freien Kunstsinn deS Griechenvolkes, sondern auch seinen nach fernen Wunderlanden schweifenden Märchensinn. Neben den Siegesstatuen und den wunder- vollen Gebilden der Kleinkunst gab es Reliquien verehrter Heroen, Waffen und Beutestücke aller Art, mythologische Wunder und Merk würdigkeiten der Natur, die Knochen urweltlrcher Geschöpfe als Gigan tengebein, Straußeneier, Kokusnüsse, ausgestopfte Tiere aus fabelhaften Ländern, von kühnen Seefahrern heimgebracht. Rom nahm diese Form der Tempelsammlungen, die sich an die Neugierde und den Aberglauben der Besucher wandten, auf; aber zugleich trat in der Periode der Dia- dochen ein persönliches, privates Element in die Kunstpflege, das von den Herrschern des zerfallenen Alexanderreiches ausging. So haben die Könige von Pergamon und die Ptolemäer in Aegypten große Kunst sammlungen und Gemäldegalerien, z. T. schon aus historischem Interesse heraus, angelegt, und in dem Kreise dieser alexandrinischen Sammel tätigkeit, die sich auf Kunstwerke aller Art wie auf Bücher erstreckte, ist auch der Name unserer „Museen" entstanden, freilich zunächst als Be zeichnung für eine Art Gelehrtenakademie. Die großen Sammler der römischen Kaiserzeit, die in der Stille ihrer luxuriösen Villen erlesene Kunstsachen aufstellten, waren nicht so großherzig, den Zutritt der All gemeinheit zu öffnen, bis schließlich der Besitzer einer vielbewunderten Kollektion von Statuen, Asinius Pollio, mit gutem Beispiel voranging. So öffneten sich auch einzelne Privathäuser dem römischen Bürger, aber den höchsten Kunstgenuß boten ihm die Hallen und Plätze der ewigen Roma, auf denen eine unermeßliche Schar steinerner Bildwerke und Denkmäler als ideales Frciluftmuseum versammelt war. Dieser Reich- tum Roms wurde noch Überboten in Byzanz, das Konstantin der Große zum Mittelpunkt der Kultur machte. Konstantin ließ den künstlerischen Besitz ganzer Städte nach seiner Residenz überführen; aus einer welt entrückt«« Provinzstadt am pontinischen Gestade, aus Amastris, allein wurde z. B. ein förmliches Museum berühmter Kunstwerke auf das sog. Forum Amastrianum versetzt; Konstantinopel verschlang die Herrlich keiten einer ganzen besiegten Welt in noch viel größerem Umfange, als das später Napoleon für sein riesiges Museum in Paris versucht hat. So ward die Kaiserstadt am Bosporus zum größten Museum alter Kunst, das jemals existiert hat, in einer Umrahmung ohnegleichen. Aber ihr märchenhafter Glanz erschien dem Abendlande bald nur wie ein ferner zauberischer Spuk, und das siegende Christentum hüllte die leuch tend aufragenden Gestalten der Heidengötter in die Dämmerung dämo nischen Aberglaubens und einer verächtlich unheimlichen Scheu. Di« Kirche, die im Mittelalter zum allumfassenden Zentrum des gesamten Lebens wurde, entwickelte sich auch bald zum Behältnis aller künstlerischen und nationalen Erinnerungen. Tie als teuflisch verfluchte Antike muhte nicht nur mit manchen architektonischen Ueberresten zum Bau der neuen Gotteshäuser dienen, sie entfaltete auch ihr geheimes Leben in dem glänzenden Prunk der Feste und Auszüge, in den Kirchen schätzen, die den kostbarsten Besitz mittelalterlicher Gotteshäuser bildeten. Ein vorzügliches Beispiel für solch einen mittelalterlichen Kirchenschatz, der ein ganzes nationales Museum bildete, ist der Schatz von San Marco zu Venedig. Phantastifche Romantik, Wunder- und Kuriosi- tätensucht vereint sich hier mit frommem Glauben. Da gibt cs reich ge- ichnitztc Elefantcnzähne, „Greifcnklauen" sagenhafter Vögel. „Ein- gehürne", die Zier des mystischen Einhorns, in Wirklichkeit Narwal- zähne, kostbar gesoßte Straußeneier, Riesengebcinc urweltlicher Tiere, die man wohl gar dem biblischen Goliath zuteilte, kurz all die Raritäten mittelalterlicher Sagenphantasie neben Monstranzen und Weihekelchen. Dazu kamen noch die zahlreichen profanen Geräte, die als Werkzeuge des Teufels von bekehrten Weltkindern reumütig dem Kirchenschatz ge- spendet wurden, Schmuckkästchen vornehmer Damen, Toilettengeräte jeder Art, Spielbretter und anderer Tand. Diese von der Kirche unter ihren mächtigen Schutz genommenen und gleichsam geheiligten Tinge wirr- den nun bei feierlichen Gelegenheiten dem Volke öffentlich vorgezeigt und erklärt. Im „Heiligtumsstuhl" war das köstliche und wundersame Gerät der Kirche zu sehen^ ein unendlicher Schatz der Anschauung und Beleb- rung; auf der „Heiligtumsfahrt" wurde es der Menge dargeboten, in den „Heiligtumsbüchern" in Wort und Bild Lernbegierigen zum Stu dium zugänglich gemacht. Neben diese kirchlichen Schaustellungen traten dann aber die welt lichen Schatzkammern der Fürsten, die die eigentlichen Vorfahren unserer Museen geworden sind. Besonders ragen die französischen Herrscher aus dem Geschlechte der Valois als Kunstmäcene und leidenfchaftliche Samm ler hervor und unter ihnen findet sich auch der erste moderne Kunst freund im großen Stile, der nicht bloß aus Prunkliebe oder der Kurio sität halber sich eine Kunstkammer anlegte, sondern bei dem neben der echt mittelalterlichen Freude am Stoff auch schon ein Verständnis der schönen Form hervortrat, Herzog Jean von Berry. Dieser joviale Lebenskünstler, dem die Regierungssorgen hinter seinen Sammlungen zurücktreten mußten und der auch eine gelinde Erpressung nicht scheute, um in den Besitz eines ersehnten Schatzes zu gelangen, freute sich an antiken Kameen und Münzen, wie an prächtig illustrierten Büchern und brachte das Sammeln unter den Hohen Herren in Mode, aber die bei ihm schon zutage tretende feinere Freude am reinen Kunstwerk ward bei den andern fürstlichen Sammlern dem Raritäten- und Kuriositäten wesen gegenüber wieder in den Hintergrund gedrängt. Wohl regten sich in dem Italien der Renaissance Geschmacksrichtungen, die eine Samm- lung von Kunstwerken begünstigten, wohl brachte die Statthalterin der Niederlande, Margarete von Oesterreich, eine Kollektion hervorragender Gemälde zusammen, deren Auswahl rein künstlerische Gesichtspunkte bedingten, aber der eigentliche Typus der Kunstsammlungen, der sich zum herrschenden entwickelte, war die fürstliche Kunst- und Wunderkammer, deren wunderlich zusammengewürfelter Bestand in der Zeit deS Barocks die höchste Blüte erreichte. Tie hervorragendsten Beispiele dafür sind die Sammlung Erzherzog Ferdinands von Tirol auf Schloß Ambras, die Rudolkinische Kunstkammer in Prag, die der bayri cyen Herzöge Albrecht V. und Wilhelm V. in München, endlich der sächsischen >1ur- fürsten in Dresden. Ein Gang durch die bochbcrübmte Ambraser Sammlung, die jetzt im Wiener Hosmuseum zum größten Teil aus gegangen ist, veranschaulicht am besten die Art dieser Sammlungen. Außer der stattlichen Bibliothek und der wohlgefüllten Rüstkammer waren in 18 Schränken die Herrlichkeiten ausgestellt. Ta gab es in phantastischen Formen und aus seltenem Material gestaltete Trink gefäße, Parfümticre, die mit einer wohlriechenden Masse überzogen waren, seltene Hörner exotischer Tiere, „indianische Schnecken" und dergleichen seltene Gesteine und Proben fremder Erze, kostbar aus geführte und wunderlich geformte Musikinstrumente. Kunsiubren und all die magischen Geräte, mit denen wir uns das Zimmer eines alten
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