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llr. 89. Weißerih-Ieitling Verantwortlicher Ncdactenr: Carl Ich ne in Dippoldiswalde, 13. November 1855. Inserat» werden >ptt 8 Pf. silr die . Zeile berechnet 4 und in allen Expeditionen angenommen. Dienstag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstal- teti. Preis pro Quart. 10 Ngr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger uüd Landmattü. Zeitbetrachtung. Die Quellen neuer pikanter Nachrichten fangen an spärlicher zu fließen. In der Krim fallen jetzt die heftig sten Regengüsse und bald werden die dortigen Armeen tingeschneit sein. Die Regenzeit gebietet den Operationen im Felde Stillstand und der Winter bringt den Truppen iinen unfreiwilligen Waffenstillstand. Die Verbündeten stehen in mehrer» Abheilungen, zum Theil sehr entfernt vön den Hafenorten, wodurch deren Verpflegung wegen der Zufuhr auf schlechten Wegen außerordentlich erschwert ist. Wenn man vor einigen Wochen noch behauptete, die Russen würden die Krim freiwillig räumen, so ist Fürst Gortschakoff nicht so gefällig gewesen, solche sanguinische Hoffnungen zu verwirklichen, und die Verbündeten sind Viesen Winter außer Stande, die Russen aus der Krim zu vertreiben. Die beiderseitigen Heere werden auf man chen Stellen einander ziemlich nahe stehen und man wird Alle- äufbieten, sich gegenseitig";« beunruhigen und sich VaS Leben sauer zu machen, ohne daß durch solche ver- Knzelte Gefechte eine Entscheidung getroffen wird. Die nasse Jahreszeit wird ohnehin durch Krankheiten ihre Zahlreichen Opfer in der Krim fordern, und jene Halb insel wird auch ferner einem Ungeheuer gleichen, dessen Rachen zahlreiche Armeen verschlingt. Die Verbündeten haben beim Eintritt des nächsten Mittlers viel günstigere Positionen, als vor 12 Monaten. Sie find nun vollständig Herren aller dortigen Meere, auf denen die Russen ihren Armeen Lebensmittel zuführten. Sie beherrschen jetzt selbst die Einfahrt in den Dnieper und in den Äug und haben somit Rußland zwei der größten Verkehrsadern unterbunden. Die HandelSthätig- kcit Odessa's muß dadurch einen harten Schlag erleiden. Pelissier verharrt ruhig in einer starken Stellung, welche eS ihm möglich macht, jeden verzweifelten Angriff der Russen zurückzuschlagen. Die Armee der Russen wird hier im Schach gehalten und muß wie festgebannt stehen. Zwar senden die Russen Reservearmeen nach der hart bedrohten Halbinsel, allein diese müssen hauptsächlich dazu verwen det werden, die Verbündeten in ihrer zweiten Position beiEupatoria zu beobachten und Perecop mit seiner Landenge zu wahren, da bereits kleine Abtheilungen der Engländer und Franzosen im Rücken dieser Stellung der Russen operiren. An den Ufern des Bug und Dnieper ist eine dritte russische Armee nothwendig. So ist die Stellung der Verbündeten gar nicht unvortheithast, da sie die Russen nöthigt, ihr Heer in drei Abtheilungen zu theilen und dadurch zu schwächen. Allerdings läßt sich dagegen einwenden, daß auch die Verbündeten ihr Heer theilen und dadurch schwächen müssen; allein diese haben vor den Russen einen erheblichen Vortheil voraus. Die Flotten der Alliirten können, soweit cs die Stürme er lauben, jeden Augenblick den Schwerpunkt ihrer Demon strationen anderswohin verlegen und die Russen zu an strengenden und aufreibenden Märschen nöthigen. Außer dem können die Alliirten die Zufuhren der Russen be drohen und der Hunger kann schließlich die Russe» zum Aufgeben der Krim nöthigen. Vom Bug her können die Russen seine Lebensmittel erhalten, denn die Mündung des Dnieper, in den er sich ergießt, ist in deS Feindes Gewalt; das asow'sche Meer ist vollständig geschlossen und es kann dort keine russische Barke dnrchschlüpfen. Die Russen können daher nur auf den schwer fahrbaren Land wegen Lebensmittel erhalten. Die Alliirten beabsichtigen, von allen Seiten die Krim abzuschließen und den Feind durch Hunger zum Aufgebey der Krim zu zwingen. Wenn auch in diesem Winter größere und entschei dendere Operationen in der Krim von den Westmächten nicht mehr ausgcführt werden können, so deuten doch alle Anzeichen darauf hin, daß man im nächsten Frühjahre, wenn ver Schnee 'geschmolzen sein wird,'den Angriff auf die Russen von mehrer» Seiten mit größter Energie fort setzen wird. In Frankreich entwickelt man gegenwärtig in den Häfen des Mittelmeeres die größte Thätigkeit. Bedeutende Truppenmaffen werden eingeschifft, enorme Quantitäten von Kriegsmaterial, Waffen, Geschütze von weittragender Kraft, Verpflegungsgegcnstände werden in Marseille und Toulon angchäuft, welche für den Orient bestimmt sind; auch die Engländer bieten Alles auf, da mit es ihrer Armee nicht an Beguemlichkeilen für den Winter gebreche. Die Thätigkeit der Ostseeflotte hört nun mit Eintritt der stürmischen und kalten Jahreszeit in der Ostsee auf. Man erwartet, daß in der nächsten Zeit das Gros der Flotte nach Kiel segeln werde. Je mehr so der Winter in die Kriegsunternehmungen Stillstand bringt, desto mehr wird sich die diplomatische Thätigkeit der Cabinette entfalten. Von eigentlichen Frie densverhandlungen verlautet noch nichts. Seitens der West mächte ist man vielmehr dahin bemüht, neue Bundes genossen zum Kampfe deS nächsten Frühjahrs zu gewinnen. Der Marschall Canrobert ist im Auftrage Napoleons »ach Schweden gereist, angeblich, um dem Könige Oskar das Großkreuz der Ehrenlegion zu überbringen, in Wahrheit aber, um Schweden und Norwegen zu einem Bündnisse mit dem Westen zu vermögen, denn zu einer einfachen Ordensüberbringung hätte es eines so ausgezeichnete» Militärs nicht bedurft. Oesterreich dagegen giebt sich alle Mühe, den jetzige» Kriegszustand zu Ende zu führen, der diesen Staat nö thigt, seine volle Wehrkraft unter den Waffen zu erhalten, wodurch dem argverschuldeten Lande eben so viele Kosten erwachsen, als wenn es sich beim Kriege activ betheiligt hätte, llm jene Ausgaben zu decken und einige Fluth in