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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021028011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902102801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902102801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-28
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
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Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzetle SS Reklame, unter dem Redakttonsstrtch (sgespaUra) 75 vor den FamUiennach- rtchten («gespalten) 50 Tabellarischer und Hiffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahm» »5 H (excl. Porto). Auuahmeschluß für Anzeigen: Adend-Au-gaber vormittag« 10 Uhr. tN»r-«u-Ausgad«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an di» Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz tu Leipzig. Str. 349. Dienstag den 28. Oktober 1902. Sk. Jahrgang. polnisch oder Deutsch? H An Stelle des unbegrenzten Elends, welches beim An. fall des polnischen Lanbestetle» an Preußen in dem ersteren herrschte, ist nach mehr als lOOjähriger preußischer Herrschaft ein ganz erheblicher Wohlstand getreten, an Stelle der Rechtlosigkeit Sicherheit für Leben und Besitz. Wenn trotzdem der damalige Jubel über die Befreiung vom Joch -er Adligen einem Haß gegen die preußische Re gierung und gegen die Uebcrbringer von Wohlsrand und Kultur Platz gemacht hat und Wünsche und Bestrebungen die breiten Bolksmasscn ergreifen konnten, die auf eine Losreißung der ehemals polnischen Landesteile und weiterer Strecken unseres Vaterlandes von demselben abzielen, so ist, um dies zu erklären, immer wieder nötig, auf die wirtschaftlichen Bestrebungen der Polen hinzu- wetsen. Diese lassen sich bi- zum Jahre 1841 zurück- versolgen, denn damals entstand der Marcinkowski-Ver- ein, der die polnische Jugend zum nationalen wirtschaft- lichen Kampfe gegen das Deutschtum erziehen und ihm die Geldmittel dazu verschaffen wollte. DieserBeretn unterstützt alle intelligenten unbemittelten jungen Polen mit Geld mitteln, welche je nach Umständen recht reich bemessen sind, läßt sie aus seine Kosten ein Handwerk erlernen, studieren u. s. w. Dagegen müssen sic sich sofort auf Lebenszeit durch Ehrenwort schriftlich verpflichten, stets Mitglieder des Vereins zu bleiben, demselben so viel neue Mitglieder wie möglich zu erwerben, sich untereinander wirtschaftlich zu fördern, die erhaltene Unterstützung demnächst mit Zinsen zurückzuzahlen, im ehemaligen Königreiche Polen zu bleiben und für die polnischen wirtschaftlichen Inter essen nach jeder Richtung aus allen Kräften zu agi tieren. Diese, dem polnischen Nationalcharakter sehr zu- sagenden Bedingungen wurden auch im großen und ganzen gewissenhaft befolgt: wo man einem Polen begegnet, ist er Mitglied des Marcinkowski-Vereins und polnischer Agi tator. Das anfangs bescheidene Vereinsvermögen ist ge waltig gewachsen und wird mit polnischer Großartigkeit im Vereinssinne angewendet, nicht nur um stets kon- kurrenzfähige polnische Kandidaten für jeden aufkommen- «->v kosten im Erwerbsleben zu haben, sondern auch, um junge Deutsche für die polnische Sache zu kaufen, zum Renegatentum mid Verrat am eigenen Volkstum durch Ueberredung und Zuwendung finanzieller Vorteile zu ver leiten. In Werkstatt, Schule und namentlich auch an den höheren staatlichen Bildungsanstalten, wo den jungen Deutschen gar oft die „Mittel" fehlen, soll diese Art von Seelenkauf in grobem Umfange betrieben werden. Noch heute predigen die polnischen Geistlichen ungescheut von der Kanzel den Boykott der Deutschen alS Willen Gottes und heilige Pflicht jedes Polen, und scheuen sich nicht, da neben dermaßen die unschuldig Verfolgten zu spielen, daß eine nicht geringe Zahl Deutscher für sie Partei ergreift. Gegenwärtig ist der Boykott der Deutschen fast voll ständig durchgeführt. Wenn es in einer Flugschrift „Noch mals Deutsch oder Polnisch ?" (Eine Vvlksstimme aus der Ostmark. Mahnruf an alle, welche deutsch bleiben wollen, Berlin und Leipzig, Verlag von Friedrich Luck- Hardt) heißt, cs sei bei dieser Durchführung auch der BolkScharakter -er beiden verschiedenen Stämme richtig eingeschätzt und verwertet, so wird dies wie folgt be gründet: Auf deutscher Seite politische Unreife und Gleichgültig keit, Schwerfälligkeit und die Sucht nach einer Berechtig- keit, welche dem Feinde zu gute kommt; — auf polnischer Seite die lange anerzogene, krankhafte Vaterlandsliebe, die angeborene Neigung zur Intrige und Verstellung. Mit Selbstverständlichkeit nimmt selbst der einfache, pol nische Bauer für sich Rechte in Anspruch, welche er -em Deutschen bestrettet: polnische Agitation, Treubruch, Tcndenzlüge, Falschcid, alles ist erlaubt, wenn es nur dem Polentume nützt. Wie natürlich scheint es dem polnischen Geschäftsmanns, daß der Renegat seinen ehrlichen deutschen Vatersnamen oder der Pole die erkaufte, erschlichene deutsche Firma dazu benützt, als guter Deutscher bei den Behörden Arbeit zu beanspruchen. Schon jetzt werden im Interesse des Dienstes zahlreiche Unterbeamte und Anwärter polnischer Nationalität be schäftigt, nichtsdestoweniger verlangen Polen und Zen- trumsabgeordnete noch stärkere paritätische Berück sichtigung der polnischen Anwärter für mittlere un höhere Beamtenstellungen in den Ostprovinzen! Fast jeder polnische Beamte hält es für seine höchste Pflicht, seinem Landsmann erlaubte ober unerlaubte Vorteile vor dem deutschen Mitbewerber zuzuwenden. Die deutschen Gewerbetreibenden werden ztelbemußt von Unterstützungen und rückwärtigen Verbindungen ab geschnitten, in ihre Reiben wird absichtlich Zwietracht ge- tragen. Durch Dienstboten und andere Zwischenträger verstehen cs die Polen, dem deutschen OsfizierSstande und Beamtentums zu suggerieren, daß die deutschen Gewerbe treibenden minder leistungsfähig seien als ihre polnischen Konkurrenten, und geneigt, die Beamten selbstsüchtig aus- zunutzen. Hierdurch und durch die fast ausnahmslos pol- Nischen HanblungSgehülfen entziehen sie den deutschen Ge- schäften ihre natürliche Kundschaft und bringen sie in üblen Ruf. Das polnische Dienstmädchen klagt der Herrschaft über angebliche Unreellttät der deutschen Geschäfte oder weiß es auf andere Weise durchzusetzen, daß nur bei Polen gekauft wird. Jeder gute Pole findet bei seinem wohl habenden Landömanne Bürgschaft, bei den polnischen und deutschen Banken offenen Kredit, gleichgültig, ob er selbst kreditwürdig ist oder nicht, wenn er nur ein waschechter Pole und das Unternehmen dem Polentume förderlich ist. Mit Recht rühmt sich die Staatsverwaltung, an der kulturellen und wirtschaftlichen Hebung des Polentums erfolgreich gearbeitet zu haben, natürlich auf Kosten der deutschen Gewerbetreibenden, welchen zu Gunsten der Polen die Aufträge und Kundschaft vorenthalten wurde. Möchten die Behörden und Beamten nun aber auch sich immer mehr bewußt werden und bleiben, daß sie damit die Verpflichtung übernommen haben, diesen Schaben für das Deutschtum wieder gut zu machen, seit sich gezeigt hat, daß die Polen die einseitigen Bersöhnungsabsichten nur mißbrauchten, um sich heimlich und heimtückisch das lieber- gewicht zu sichern. Wollen die Behörden praktisch erziehen, so müssen sie auch namentlich auf die Entwicklung der deutschen Presse einwirken, so daß diese wie die polnische in Keller und Bodenkammer Eingang sucht und skrupel los, wie die polnische, den deutschen Standpunkt vertritt. Ein wichtiges Erfordernis ist, die Deutschen durch an gemessenen Kredit wirtschaftlich den Polen gewachsen zu machen. Vor allem aber muß Deutschland auch einen Teil seiner grobgewerblichen und industriellen „Arbeitsgelegen heit" nach dem Osten verlegen unter Ausschluß von polni schem Wettbewerb, und die deutschen Arbeitgeber in den polnischen Landcsteilen müssen nicht in letzter Linie auch von den Konsumenten im Westen und Süden des Vater landes durch Bestellungen unterstützt werden. Deutsches Reich. -1- Berlin, 27. Oktober. (Die Seelsorge für die katholischen Marinemannschaften.) In klerikalen Blättern werden wieder Klagen über die angeblich mangel hafte Seelsorge für die katholischen Marinemannschaften laut. Man beruft sich dabei auf die Tatsache, daß der Domherr Müller in Caracas auf die Einladung de« Komman danten der „Bineta" für die katholischen Mannschaften dieses Kriegsschiffes Anfang deS Jahres in Guayra Gottes dienst abarhalten bat; eS sei also, wird gefolgert, ein deutscher Schiffskommandant in Bezug auf den Gottesdienst seiner katholischen Matrosen auf die AuSbülse eines zufällig anwesenden LandSmanneS angewiesen. Solche Anschauungen können nur auf unzutreffenden Informationen beruhen. Der wirkliche Sacbveibalt ist eist vor zwei Jabren anläßlich der Expedition nach China von zuständiger Seite in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" dargelegt worden. Angesichts der trotzdem immer noch obwaltenden falschen Auffassungen ist e» angezeigt, abermals au den wirk lichen Sachverhalt zu erinnern. Die „Allgemeinen Flottenbefehle" schreiben vor: „Den katholischen Mann schaften ist jede Gelegenheit zum Kirchenbesuch an Land zu bieten, nicht nur im Inland«, sondern auch im Aus lande. Durch Dienst darf möglichst niemand außer der Schiffswache, und auch diese nur, soweit unbedingt not wendig, verhindert werden, an dem Gottesdienste seiner Konfession teilzunehmen." Nach dieser Bestimmung wird streng verfahren. In den deutschen KriegSbäfen werden allsonntäglich sämtliche katholische Mannschaften, die sich frei willig melden, von Bord der Schiffe dem Landgottesdienste zugesübrt. Auck werden die Leute durch ihre Vorgesetzten zu dieser Meldung besonders aufgefordert. DaS Gleiche geschieht im Auslande bei zeter sich bietenden Gelegenheit, sogar in dem Um fange, daß die Seelsorge französischer und sonstiger nichtdeutscher Geistlicher in Anspruch genommen wird. Der Staatssekretär des ReichSmarineamlS tagte hierüber am 30. Januar 1899 im Reichstage: „Die Berichte unserer Kommandanten von auswärtigen Stationen weisen auch nach, daß die Vor schriften über die Seelsorge für die katholischen Mann schaften pflichtgemäß beobachtet werden, und cs liegen von katholischen Bischöfen im Auslande anerkennende Erklärungen nach dieser Richtung hin vor." — Ist ein Besuch deS katholischen Gottesdienstes an Land nicht mög lich, so wird an jedem Sonntag den katholischen Mann mögens bedeutet. Auch der Stör kann eine recht ansehn, liche Länge bis zu sieben Metern erreichen; die meisten gefangenen Exemplare sind jedoch nur 2 bis 2^ Meter lang und wiegen dann nur bis zu etwa 100 Kilogramm, wovon 12 bis 15 Kilogramm auf Rogen entfallen. Der bis zu zwei Meter lange Scherg loder Stern haufen) und der bis zu vier Nieter lange Osseter dienen zur Kaviarbereitung an den Küsten des Kaspisces und des Schwarzen Meeres und sind, da sie zum Laichen bis in den Oberlauf der Donau steigen, auch die Lieferanten des in Bayern fabrizierten Kaviars und des aus Unterungarn stammenden, keineswegs schlechten Oriovakaviar», wogegen der Elb- oder Odcrkaviar vom Store stammen, der in den deutschen Strömen bis Mannheim, Minden, Leitmcritz und Ratibor hcraussteigt und auch den ganzen Lauf der Weichsel bi- Krakau besucht. Im Orient benützt man den Rogen des Lachses und Hechtes und stellt aus ersterem den roten, aus letzterem den weißen Kaviar her, der bei Türken, Griechen und über haupt allen Levantinern als Fastcnspcise sehr gesucht ist. Einen ganz vorzüglichen Kaviar, die Botarga, verstehen die Italiener zuzubereiten, welche, da die Störfische in ihren Gewässern nicht vorkommen, dazu den Rogen der Meeräsche nnd des etwas weniger geschätzten Tunfisches benutzen. Seit mehreren Jahren beteiligt sich auch Nord amerika in großem Umfange an der Kaviargcwinnnng und -war sind es hier namentlich die Eier der in den kali- fornischcn Flüssen und den zum nördlichen Eismeer eilen den großen Ströme, wie Fraser, Jukon, Mackenzie, Jas- katschcwan-river noch massenhaft vorkvmmenden Lachs- arten, die zur Verwendung kommen. Tie Reihe der Kaviar liefernden Fische ist damit noch keineswegs er- scl>öpft und man kann sagen, daß man den gesuchten Lecker- bissen eigentlich aus jedem, in reichlicher Menge zur Vcr- füguna stehenden Rogen Herstellen kann, wobei allerdings auch Produkte entstehen, die nach unserem Geschmack kaum mehr etwas Kaviar Aeknlichcs haben, aber in ihren Ur sprungsländern doch ihren Liebhaber finden. WaS nnn die Zubereitung betrifft, so werden alle besseren Sorten in der Art hcrgcstcllt, daß man den mit feinen Häuten und verkittendem Schleim vermischten Rogen mit Ruten schlägt und durch Siebe passieren läßt, wodurch sic von diesen widerlichen und zuweilen sogar gesundheitsschädlichen Beigaben befreit werden. Die ge reinigten Eier werden sodann gesalzen, wobei ihre an fangs graue Farbe in das Sckwär licke übergeht, und zwar betrügt der Salzgehalt bei den milden und teuren flüssigen Kaviarartcn, welche vom Löffel wie Perlenschnüre her- unterrtnnen, nur 3 bis 5 Prozent. Daraus erklärt ssisi auch ihre geringe Haltbarkeit und der leidige, für die Preisbildung sehr bcdentungsvolle Umstand, daß sie eben nur zur Winterszeit bereitet werden können, also nur aus den Fischen gewonnen werden können, welche durch Fischerei unter der Eisdecke gefangen werben. Seitdem schäften an Bord durch einen Offizier oder Deckoffizier ihrer Konfession eine Andacht gehalten, wie sie in gleicher Weise auf allen Schiffen, die keinen Pfarrer besitzen, für die evangc- lischen statlsindet. — Ueberblickt mau alle diese Anordnungen, so ist unbefangener Weise znzugeben, daß unsere Marineverwaltung bestrebt ist, eine angemessene Seelsorge für die katholischen Mannschaften in jeder nur möglichen Weise sicher zu stellen. * Verttn, 27. Oktober. (Da« Zentrum und die Bündler.) Die ZentrumSpreffe ist zur Zeit sehr erbost auf die Bündler, die dem Zentrum doch den Dienst geleistet haben, in der zweiten Lesung für die Kommission«besck>lüsse zu stimmen. In einem länger« Artikel setzt sich die „Germania" ruhig und sachlich mit dem bündlersichen Standpunkt aus einander. Es heißt da: Nehmen wir einmal an, der Zollkompromiß-Antrag hätte im Plenum keine Mehrheit gefunden und e« wäre dann zu einer Ab stimmung über die Getreidezolllätze der Regierungsvorlage gekommen. Würden die Mitglieder des Bundes der Landwirte auch dafür ge stimmt hoben? Doch wohl nicht. Dann aber hätte ihre Ab stimmung unzweifelhaft besagt: Der KommissionSantrag genügt noch, die Regierungsvorlage ober nicht mehr, und dos würde weiter nichts heißen alS: Der 7.50 ^l-Zoll ist nicht nötig, mit dem 5,50 ^l-Zoll können wir auch auSkommen. Ist nicht in Bezug auf den Getreidezollkompromiß in der Presse Les Bundes der Landwirte früher stet» behauptet worden, derselbe sei „weniger alS nichts" und deshalb unannehmbar? Jetzt will der Bund der Landwirte die „Parität" Herstellen durch Herabsetzung der Industriezölle. Aber die Forderung des 7,50 ->l- ZolleS gründet sich doch gar nicht darauf, daß die Jn- dustriezölle zu hoch seien, sondern daß die Landwirtschaft ohne den hohen Zollschutz nicht mit dem Auslande kon kurrieren und die Produktionskosten nicht decken könne. Die Herab setzung der Jndustriezölle würde doch keinesfalls ihre Produktions kosten so verringern, daß der an dem notwendigen Schutzzoll mangelnde Betrag dadurch ausgeglichen wurde. Cs fehlt an jeder greifbaren Feststellung der Kosten, die der Landwirtschaft aus den Industriezöllen erwachsen; aber Laß sie nicht so hoch sind, um einen Zollunterschied von 1,50^! für den Doppelzentner Getreide auszuwiegrn, darf man doch wohl ohne weüereS behaupten. Die,»Parität zwischen Industrie und Landwirtschaft" ist überhaupt ein unfaßbarer Begriff; mlt Zahlen ist ihr gar nicht beizukommen. Sind di« Bündler bereit, gegen Herabsetzung der Jndustriezölle aus den 7,50 ^l-Zoll zu verzichten, so hoben sie ihn grundsätzlich bereit» preisgegeben. Menn sie sich selbst nicht etwas vortäuschen wollen, was nicht ist, müssen sie auch gestehen, daß der 7,50 ^l-Zoll in den Kreisen der Land- wirte mehr und mehr seine Zugkraft verloren hat. Die Landwirte, die nicht vollständig durch die Beredsamkeit der Herren l)r. Hahn, l)r. Rüsicke, Frhrn. v. Wangenhrim hypnotisiert sind, weiden sich doch sagen: wenn wir an dem 7,50 ^l-Zoll seslhalten und jedes andere Angebot ablehnen wollen, so erholten wir gar nichts. Denn wenn schon die 5 deS KommissionSbeschlusies bei den verbündeten Regierungen auf unüberwindlichen Widerstand stoßen, man aber begonnen hat, diesen flüssigen Kaviar, die Jkra der Nassen, in hermetisch verschlossenen und verlöteten Konservenbüchsen zu verpacken, hat sich die Haltbarkeit sehr erhöht. In Armenien setzt man -em Kaviar alle erdenklichen Gewürze zu und hiermit beginnen die Künsteleien, welche ein Zeichen der Geschmacksverbildung sind, oder nur bc zwecken, eine schlechte Ware der Zunge annehmbar zu machen. Von letzterem Standpunkt geht auch die Fabri kation deS ordinären Preßkaviars oder TajuSnaja aus, welcher, wie gesagt, ein Nahrungsmittel des russischen Mu- schik ist. Er wird samt den ihm anhaftenden Häuten mit der gleichen Gewichtsmenge Salz vermischt, in Säcken ge preßt, wobei die überschüssige Flüssigkeit abläuft und in Tönnchen gefüllt, welche inwendig mit Leinwand ausgc- schlagen und. In Italien füllt man dagegen den ordinären Kaviar, dem man zuweilen auch allerhand Gewürze, sogar Muskatnuß und Knoblauch znsctzt, in Fischblasen nnd räuchert ihn, bis er eine feste Konsistenz angenommen hat. Dagegen ist der norwegische Kaviar, der aus den Eiern des Dorsch, des Leng und der Makrele gewonnen wird, eine nicht zn verachtende Delikatesse, die bei dem bekannten skandinavischen Smörgasbrot nur selten fehlt. Wirklich feiner Kaviar soll am besten auf gerösteten Wcißbrotschnittchcn, ohne jede weitere Zutaten, allenfalls mit einer Unterlage von Butter, genossen werden, da selbst der in Deutschland übliche Zusatz von Zitronensaft den zarten Wohlgeschmack unterdrückt. Das Bestreuen mit gehackter roher Zwiebel läßt sich höchstens bei den ordi nären Sorten rechtfertigen, gehört aber zu den Gewohn heiten, für die das Sprichwort gilt, daß man über Gc^ schmackssachcn nicht streiten darf. Dagegen gewinne.» Farcen für Pasteten und Omeletts und feine Würste durch Kaviarzusatz außerordentlich an Wohlgeschmack. Als appetitanregendes Essen wird er oft für Kranke und Re konvaleszenten empfohlen. Tas g.ilt jedoch nur in kleinen Mengen, während man sich bei reichlichem Genuß auch da mit gründlich den Magen verderben kann. Die Gesamtproduktion läßt sich auch nicht annähernd angeben, da der meiste Kaviar im Lande seiner Erzeugung verzehrt wird, und halbwegs sichere Angaben existieren nur über den russischen Export, der einen Wert von rund drei Millionen Rubel hat. Wenn die Gewinnung des Kaviars in den letzten Jahrzehnten auch sehr an Aus dehnung gewonnen hat, so gehört er doch zn den ans den Aussterbeetat geseyten Delikatessen. Die rücksichtslose Ver folgung der eiertragendcn Fische führt zu einer rapiden Verminderung derselben und so sind cs keine erfreulichen Aussichten, welche sich für des Kaviars Liebhaber bieten, die zum Erkaufen dieses Genusses immer tiefer in ihr Portemonnaie werden greifen müssen. Feuilleton. Familie Kaviar. Bon FedorGawrilorvitsch. Äiaw.ruck verboten. Als die beiden größten Delikatessen, welche uns die Bewohner der wässrigen Tiefe liefern, gelten von jeher Austern und Kaviar, ohne welche — natürlich unter der Begleitung der entsprechend edlen Weine — ein Halbwegs annehmbares Frühstück kaum denkbar ist. Während aber der Preis der Austern innerhalb des letzten Menschen alters kaum gestiegen ist nnd sich im Jnlande Dank der befferen und schnelleren Transportgelegenheiten sogar verbilligt hat, ist der Kaviar immer teurer geworden. Dreißig Mark und darüber für ein Kilo prima Ware ist ein Preis, bei welchem die Redensart, daß man etwas mit Silber — wenn auch nicht mit Golde — aufwiegen muß, hinsichtlich dieses kostbaren Fischrogens schon halb zur Wahrheit geworden ist, und wenn die billigeren Quali täten auch noch für kleinere Börsen erschwinglich sind und eilt dünnleibigcü halbes Scmmelchcn in sparsamstem Maß stabe bestrichen, um 15 oder 20 Pfennige käuflich ist, so steigen doch bei der Erinnerung an deren Geschmack vor der Phantasie die Reminiszenzen an Tran und Wagen- schmiere ans und wehmütig beneidet der Feinschmecker jene östlichen Völkerschaften, bei denen der Kaviar noch ein Nahrungsmittel der großen Menge ist und das Wort deS unglücklichen Däncnprinzen Hamlet: „Oaviars to tks Ovneral" („Kaviar für die große Menge") noch heute als allgemein gültige Tatsache angesehen werden kann. Da die Händler jeden etwas besseren Kaviar als Astra- chaner verkaufen, ist die Vorstellung, daß guter Kaviar nur aus den Eiern des Störs, insbesondere au- jenen deS in der Wolga lebenden Riesenfisches gewonnen werden kann, so eingewurzelt, daß man meistens vergißt, baß die schätz bare Delikateste fast überall auf der Erde, wo rogenretche, große Fische in Menge gefangen werden, seit uralten Zeiten hergestellt und genossen wird. Nur der Name, zn dessen etymologischer Deutung -er Kenner der euro päischen Sprachen vergeben- seinen WtfienSschatz durch mustern wird, stammt allerdings aus den Gegenden an der Grenze Asiens und Europas, von wo noch heute da- beste Produkt kommt, und führt auf türkische und tatarische Sprachwurzeln zurück. Dagegen scheint die früheste Pro- duktton, welche sich geschichtlich Nachweisen läßt, tm antike» Italien stattgefundcn zu haben, wo man ihn besonders zum Ptkantmachen delikater Fischsaucen wie Oarum und -lui-i» verwandte, welche Gourmets vom Schlage des Lucullus, ApiciuS und Trimalchio über alles hoch schätzten. Auch in den italienischen Klostern de- früheren Mittelalters pslcgte man gesalzenen und gepreßten Fischrogen als Fastenspeise zu genießen und schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts galt Kaviar überall in Europa als eine besondere Deli- katesse, so daß in manchen Ländern, wie in Frankreich und England, die Herrscher sich da» Recht anmaßten, den Stör au- dem Fange der Fischer zur Kaviarbereitung für die königliche Tafel zurückzubehalten. Daß sich die Kaviar bereitung dann von Italien aus über den Kontinent aus gebreitet habe, ist übrigen- eine irrige Annahme; man war vielmehr längst auch anderswo daraus gekommen, den nahrhaften und gesunden Fischrogen zu salzen und zu pressen und speziell diejenige Form de- Kaviars, die unserm Gaumen am meisten zusagt. Der flüssige Kaviar ist die Erfindung jenes Reitervolkes, dem man eine derart seine Zunge kaum zutraut, sondern vielmehr eine fatale Vorliebe für Pomaden und Talglichter nachsagt, nämlich der Kosaken. An den Strömen der öden Jarmatischen Ebene, vor allem an der unteren Wolga, der Emba, dem Don, Dnjepr, Dnjest^r, Bug und Ural und an den Küsten des Kaspischen Meeres, de« Aralsees und des Asowschen Meeres ist daS eigentliche klassische Land des Kaviars; denn nur diese Ströme und Seen mit ihren langsam fließenden und tiefen, von wetten UeberschwemmungSgebieten umsäumten Nebenflüssen bergen in Europa noch einzig und allein einen Reichtum an Fischen, der eine Kaviarfabrikation im großen Maßstabe gestattet. Man benutzt dort zur Fabrikation vorzugsweise den Rogen von vier Fischen, nämlich deS Sterletts, des Scherg, des gemeinen StörS und des Hausen», die zwar insofern nahe mit einander verwandt sind, baß sie sämtlich zur Gattung der Schmelzfische und zur Ordnung der Actpenser gehören, an Größe unter einander aber ebenso verschieben sind wie an GeschmackSfeinhett de- Fleisches und Rogens. Die allervorzügltchste Ware stammt nun vom Sterlett, einem Fisch, der einen Meter lang und bis zu 12 Kilo- gramm schwer wirb, und natürlich auch entsprechend wenig Rogen liefert. Von diesem äußerst dünnslüffigen, und ganz schwach gesalzenen «avtar, der nur zur Winterszeit bereitet werden kann, kommen nur höchst selten geringe Quantitäten nach Westeuropa. Er wird fast ausschließlich von der Hofhaltung des Zaren verbraucht und was dann noch übrig bleibt, steht enorm hoch tm Preise und wandert in diettüchen reicher russischer Fürsten und sonsttgerMillio. näre. WaS bei un- al- aftrachaner, sibirischer Kaviar oder Veluga-Malossol verkauft wird, stammt vom Stör und Hausen und zwar ebenfalls vom Winterfang, weil der Rogen der tm Sommer gefangenen Fische wegen feiner schnellen Verderblichkeit sehr stark gesalzen werden muß und fast ausschließlich aus den unserm Geschmack nur wenig zusagenden Prrßkaviar verarbeitet wird. Der Hausen, der bi- zu neun Meter lang wird und dann auch 8000 bis 4000 Kilogramm schwer wirb, liefert bi- zu 600 Kilo- gramm Rogen, so daß der Fang eine- solchen RiesenfischcS für den glücklichen Fischer den Erwerb eine» kleinen ver
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