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2. Beibratt zum Lfchopauer Tageblatt und Anzeiger S»n«ade«d, s>. V«z«mder 1YS8 Nr. L0» Lied zum Jahresende Iulius Bansmer. Gb du wesenhast und treu Ltets dein Leben lebst Llnd dich alle Tage neu Ltark ins Leuchten hebst! Wieder geht ein Jahr zur Ruh', Linkt ins Weer der Zeit. Halte Einkehr, Herz, und lausch' Tief der Ewigkeit! Was da war, und was da Kommt, Lorg', daß es werd' Laat! Linkend Jahr und steigend Jahr, Mutig sei's bejaht! Lust und Leid und Glück und Not Wäge ernst und still! Lieh' das Lchwere an als Freund, Der dich prüfen will, Jedem blüht einmal der Ltern Tiefster Freude rein. Jeder muß durch Nächte geh'n Llnd tief-einsam sein. Jahreswende — Schicksalswende Geschichtliche Ereignisse, die ihre Zeit zu Silvester überraschten Von K^rl Alexander Prusz. nicht zu unserem Vaterlande, und das Schicksal, das hier ge waltet, nahm zu Beginn des Jahres 1477 seinen Lauf. Durch kluge Heiraten und sichere Politik ihrer Fürsten waren im Laufe des 15. Jahrhunderts Grafschaft und Herzogtum Burgund zu einem machtvollen Staate vereinigt worden. So bestand Karls des Kühnen Reich aus den burgun dischen Ländern, dem Herzogtum Luxemburg und dem heutigen Belgien und Holland. Solche Macht mußte einen derart hoch mütigen Herrscher wie Karl den Kühnen zu Eroberungen auf stacheln. Hierdurch verfeindete sich Karl mit Deutschland nnd Frankreich, die.sich gegen ihn Verbündeten. „Bei Granson ver lor er sein Gut, bei Murten den Mut und bei Nancy sein Blut", sagte das Volk damals. Nancy zum Jahresbeginn 1477 war die Katastrophe. Karl wurde geschlagen, auf der Flucht brach er durch eine Eisdecke und ertrank. Als Erbin hinterließ er seine Tochter Maria. Maximilian — der letzte Ritter — Kaiser Friedrichs Sohn — und sie hatten längst aneinander Gefallen gefunden. Doch hatte der Vater Karl stets sein Jawort verweigert. Nun reichte Maria ihre Hand dem ritterlichen Maximilian, und damit fiel, nach Habsburgs bewährtem Motto „Tu felix Austria nube" das neuburgundische Reich mit der Nhemmündung an das Kaiserhaus. Maximilians Sohn Philipp der Schöne, Regent der Niederlande, ist der Vater Karl V. und der Großvater Philipp II., unter dem der Niederländische Freiheitskrieg ausbrach mit dem Ergebnis, daß sich die Niederlande vom Reich absplitterten. Wir schreiben das Jahr 1492. Sein Neujahrstag wurde zur Schicksalswende für Spanien. Die sich bisher befehdenden Länder Kastilien und Aragonien waren endlich durch die ver- ständige Heirat ihrer Herrscher — Ferdinand und Isabella — vereinigt, und damit war der Grund zu dem späteren Welt reich gelegt worden. Doch immer noch befand sich das südliche Spanien in der Gewalt der Araber. Sie zu vertreiben war das Ziel der spanischen Politik. Zehn Jahre Kampf waren erforderlich, bis am 1. Januar 1492 der letzte maurische Herr scher Ali Abdallah die reiche und prächtige Stadt Granada den Siegern übergab. So sahen die Mauren den bezaubernden Königspalast in die Gewalt der „Ungläubigen" fallen. Im gleichen Jahr wurde Amerika entdeckt und bald darauf der Seeweg nach Ostindien gesunden. Es muß dahin gestellt bleiben, ob mit der Flankenbedrohung aus Granada den Spaniern die Eroberung der „Neuen Welt" möglich geworden. i, Rund ein Vierteljahrtausend später sollte wieder ein Jahresende zur Schicksalswende werden. Im Dezember 1740 hat der junge Preußenkönig im stürmischen Vordringen das reiche Schlesierland erobert. Als das neue Jahr heraufzieht, besetzt er die ehrwürdige Stadt Breslau, die von altem Ruhme zehrt. Um die Stimmung der Bürger kennenzulernen, hatte Friedrich den Rat Morgenstern, seines Vaters Spaßmacher im Tabakkollegium, in die Stadt geschickt. Die Breslauer waren dem Preußenkönig günstig gesonnen, ja sie sangen sogar am Silvester das Lied: „Laßt ihn hinein kommen, / Ei, er ist ja schon hinein ..." Friedrich hatte bereits die vor dem Sandtore liegende und die Stadt beherrschende Dominsel durch einen Handstreich über rumpelt. Zwar war es leicht zu erobern gewesen, daS Schlesierland, der Eckpfeiler für Preußens Macht und Größe, doch wurde es dem Großen König von seinen Feinden schwer genug gemacht, die Beute zu halten. Um die Jahreswende 1761/62 befand er sich in trostlosester Lage. Sein kleines Land war durch den langen Krieg ausgesogen, die Blüte der Armee dahingerafft, Laudon mit 75 000 Mann in Schlesien ein gedrungen und der ruffische Marschall Butterlin mit 60 000 Mann im Anmarsch. Jetzt vermied mm ersten Male Friedrich die Schlacht und kroch hinter die Palisaden von Bunzelwitz. Sein letzter Rückhalt — Schweidnitz — war am 1. Oktober durch einen kühnen Handstreich in Laudon» Gewalt gefallen, und zum ersten Male war eS Friedrichs Feinden gelungen, in preußischen Provinzen Winterquartier zu nehmen. Schon be trachtete Maria Theresia Schlesien wieder als ihr unentreiß bares Eigentum, da rettete den König aus jener Lage „das Etwas, das dort oben ist und daS aller Weisheit der Menschen spottet", wie er in einem Brief an d'ArgenS schrieb. Denn zu Beginn des Jahres 1762 tat seine unversöhnlichste Feindin, Kaiserin Elisabeth von Rußland, „den schrecklichsten aller Schritte von einem glänzenden Throne in den Sarg", und ihr Neffe Pcier kam als der Tritte dieses NamenS an die Regie rung. Da er ein begeisterter Bewunderer des Großen Friedrich gewesen, rief er sofort die russischen Truppen ab, ja, er ging sogar ein Bündnis mit Friedrich ein. Preußens und mit ihm Deutschlands Schicksal war gewendet. „Sammelt Euch m frohen Kreisen, Singt's dem Kinde, sagt's dem Greise: Max ist König, eS ist Fried' — So, schallte es am 11. Januar 1806 in München tn aller Munde, als der Landeshcrold, begleitet von der prachtvoll uniformierten Bürgerkavallerie, durch die Straßen sprengte und unter Pauken- und Trompetenschall verkündete, daß der Kurfürst Max Joseph die Königskrone aufgesetzt hätte. Wiederum war ein NeujahrStag eines Landes und Volke» Schicksalswende geworden. Diesmal für da- südliche Deutsch land, denn auch in Württemberg erfolgte gleichzeitig die Aus rufung des Königreichs. Hier wie dort hatten die Fürsten durch dem Korsen geleistete Kriegsdienste, die sie auf sich nehmen mußten, im Preßburger Frieden Königskrone, Souveränität und Landgewinn erhalten. Aus dem ein stämmigen Herzogtum Bayern war das stattliche, dreimal größere, Altbayern, Franken, Schwaben und die Pfalz um fassende Königreich geworden. Auch Württembergs König Friedrich I. konnte sich mit Recht „Mehrer" seines Reiches nennen. In beiden Residenzen kümmerte sich daS Volk nicht weiter um die historischen Hintergründe, sondern jubelte dem Auf stieg seines Herrscherhauses begeistert zu. Blicken wir jedoch auf Großdeurschland, so ist ihm jener Neujahrstag, an dem die Wenn man in der Geschichte forscht, erscheint es seltsam, daß oftmals in die Zeit der Jahreswende die Schicksalswende einer Volksgemeinschaft oder eine» Staate» fällt. Darum möchten wir einmal in diesen Tagen, da das alte Jahr dem neuen die Hand reicht, auszcigen, welche größeren Ereignisse im Laufe der Jahrhunderte sich begeben und welche schicksals schweren Folgen sie gehabt haben. An den Beginn müssen wir einen Mann stellen, der dem letzte» Tage im Jahr seinen Namen gegeben, Silvester, den heiligen, der am 31. Dezember 835 zu Rom, dessen Bischof er seit 314 gewesen, die Augen schloß. Er war e», der die welt liche Macht des römischen Episkopat» und damit des Papst tum» geschaffen, denn al» Kaiser Konstantin seine Residenz von Rom nach Byzanz — sortan Konstantinopel genannt — verlegte, bekam Silvester freie Hand m Italien und maßte sich dessen Herrschaft an. Al» weltliche Herrscher mutzten fast alle seine Nachfolger mit anderen Mächten in Streit geraten. So sehen wir nun durch daS ganze Mittelalter hindurch bi» tief in da» vergangene Jahrhundert hinein den Kamps um die Macht in Rom, dein wirklichen oder vermeintlichen Mittel punkt der Welt, entbrennen. Ob dieser Kampf nun endgültig beigelegt, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es ein anseliges Erbe gewesen, daS der vor 1000 Jahren verstorbene Silvester den Völkern Europas hinterließ. Bon sehcr hatten die Bewohner der drei Schweizer Ur- lantone — Schwyz, Un, Unterwalden — ihre Vorrechte und Freiheiten behauptet. Rudolf von Habsburg und Adolf von Nassau bestätigten sie ihnen ausdrücklich, doch seit Albrecht I. gerieten sie m Bedrängnis, denn dieser Kaiser wollte das freie Schwei,ervolk als frönend« Bauern unter die Ritterschaft zwingen. Zum Glück gab e» in den drei Waldstätten begüterte, einflußreiche Familien, die nicht zur Ritterschaft gehörten. Im November 1307 vereinigten sich drei der angesehensten Männer der Urkantone. Wolter Fürst von Un. Werner Sraufsacher von Schwyz und Arnow von oer Pawen aus dem Melchtal mit je zehn Landleuten auf der Bergwiese Rütli und verabredeten den Plan, Kaiser Albrechts Landvögte, darunter Hermann Geßler zu Bruuneck, zu vertreiben. Ihnen schloffen sich viele edle Geschlechter des Landes an, und so wurde dann am Neujahrstage 1308 die Burg Rotzberg in Unterwalden sowie Sarnen eingenommen. Die Flammen der zerstörten Zwingschlöffer verkündeten den ersten Tag der neugeborenen Freiheit, ibr blutroter Schein bildete einen feierlichen Hintergrund zu dem Schwur der Eid genossenschaft, zur Verteidigung der Verfassung Gut und Blut einzusetzen. Der Neujahrstag 1308 wurde bamit eine Schicksalswende für unser Volkstum. Ein großer T^il des alemannischen Stammes führte fortan ein Eigenleben. Damit gingen unserem Vaterlande die Quellen des Rheins verloren. Auch die Mündung dieser großen deutschen Lebensader blieb nicht unter der Herrschaft de» Reichs, auch sie gehör«