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WichenMck erscheinen drei Nummern. PrßnumenUionS - Preis 22j Silbergr. (5 THIr.) viertehührUch, Z Thlr. für da< ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bei« u. Comp., Jögerßraßc Nr. 25), so wie von alle» König!. Post Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. .4/ 38. Berlin, Sonnabend den 2V. März 1843. Italien. Italiänischc Kritik deutscher Kunst. Selvatico über Leo von Klenze. P. Selvatico, derselbe italiänische Kunstkenner, besten Bericht über die jüngste Mailänder Ausstellung wir vor einiger Zeit auszugsweise mittheilten, hat jetzt einen größeren Ausflug unternommen, um die Kunst der Hyperboräer in ihrem eigenen Vaterlande aufzusuchen und aus eigener reicher Anschauung kennen zu lernen. Er beabsichtigt, seine Landsleute über die Ergebnisse dieser seiner Studien in einem besonderen Werke zu belehren, welches vornehmlich die derzeitigen Kunstbestrebungen in München und Düsseldorf besprechen soll. Als vorläufige Probe ist eine Kritik über die Werke Leo s von Klenze er schienen, welche der Verfasser in die Form eines Brieses an den Baumeister Giuseppe Japelli eingekleidet hat. Wir glauben die Wichtigkeit, welche das versprochene Werk eines eben so unterrichteten als besonnenen und geschmack vollen BeurtheilerS auch für uns Deutsche haben wird, nicht besser ins Licht setzen zu können, als indem wir den wesentlichen Inhalt des gedachten Briefes in möglichster Kürze wiedergeben. Eine kleine Einleitung, die zugleich als Vorrede des ganzen Buches dienen soll, können wir um so weniger übergehen, als sie Wahrheiten enthält, die zwar nicht gerade neu find, aber nicht oft genug wiederholt werden können. Der Dichter, beginnt Selvatico, welcher sagte: Lim iVIaeceuales, n„n üeeruuc, t'Iacco, »arones, hat sicher nicht die Wahrheit gesprochen, denn die Mäcene genügen nicht, um das Genie zum hohen Fluge zu begeistern, ja sie hindern es selbst oft oder nehmen ihm die Unabhängigkeit, was dasselbe bedeutet. Einen Beweis, und nicht den einzigen, sehen wir an Taffo, dessen gewaltige Geisteskraft so ost gestört wurde, weil er die Fürstin Eleonore im Herzen, und im Kopfe die gehofften Gunstbeweise Alfonsos hatte. Wenn diesem Unglücklichen nicht jede Kleinigkeit an dem undankbaren Hose wün- schenswerth geschienen hätte, so würden wohl manche von Höflings. Hoff nungen gefärbte Verse und Gedanken nicht in dem unsterblichen Jerusalem stehen. Wenn aber die Mäcene nicht deshalb die Talente begünstigen wollen, um fich nur mit Lob und Weihrauch zu umgeben, wenn sie nicht die Schmeichelei predigen, sondern die kräftige Stimme der Wahrheit, wenn Wissenschaft und Kunst Verkünder erhabener Gedanken, Worte des Vaterlandes, der Tugend, der Religion verlangen: ja, dann werden die Mäcene ein wirksamer Sporn des Talentes, dann treiben sie zu freien Schöpfungen nnd führen jene Epochen herbei, welche ein Zeugniß der Macht des menschlichen Gedankens in der Ge schichte bleiben. Unter diese so wirksamen Mäcene gehört als einer der ersten unserer Zeit der König von Bapern, welcher die bildenden Künste so erfolgreich beschützte und in wenig Jahren so bedeutend erhob, daß München gegenwärtig mit Recht daS Athen Deutschlands genannt wird. Wenn kein Fremder den korrekten und zugleich prächtigen Kunstdcnkmälern der bayerischen Hauptstadt seine Bewunderung versagen wird, so verweilt namentlich der Jtaliäner mit Wohlgefallen unter ihnen, weil er bei jedem Schritte gewahrt, daß der Gedanke des freigebigen Fürsten fast durchaus von der Liebe zur italiänischen Kunst nnd ihrer großartigen Vergangenheit geleitet wurde, von der er in München gleichsam ein dauerndes Bild entwerfen wollte. Wenn man übrigens deutlich bemerkt, daß er die Formen der italiänischen Kunst vorzugsweise liebte, so war dennoch sein Hauptbestreben, der modernen bayerischen Kunst eine durchaus historische Richtung zu geben, so daß sie ge wissermaßen in den verschiedenen Gebäuden die gesammte Geschichte der Bau kunst darstcllen sollte. So erblickt man in der prächtigen LudwigSstraße eine Anzahl von Bau werken, die an den florentinischen Styl des l5ten Jahrhunderts erinnern, in welchem fich Parteihaß offenbarte, der aber zugleich den Charakter strenger Freiheit und Kraft in fich trug. In der Au-Vorstadt erhebt fich eine Kirche im schlankesten Spitzbogenstyl; in der Allerheiligen-Kapelle und in St. Boni- fazius erkennt man byzantinische und ficilianische Basiliken; in der Glyptothek bewundert man die griechische Eleganz, in der Pinakothek die zwar kühle, aber korrekte Grazie des I6ten Jahrhunderts der Jtaliäner. Man hat gesagt, daß dieser Weg zum Verfall der Kunst führe. Ich verabscheue auch die Nachahmung von ganzer Seele; aber einen Gedanken entlehnen und durch eigene, wenn auch nicht originelle, aber doch freie Thätigkeit befruchten und ausbilden, das nenne ich nicht Nachahmung, sonst wären selbst Raphael und Dante von diesem Vorwurfe nicht frei zu sprechen, weil der Eine den Gedanken zu Adam und Eva von Masaccio nahm, der Andere in seinen Terzinen an die Bibel und die Aeneis erinnert. Der König von Bayern hat wohl eingesehen, welchen Vorlheil er feinem Volke bringen könnte, wenn er ihm alle Glanz-Epochen der Baukunst vor Augen rückte, damit es, so zu sagen, in den Denkmälern die energischen Ge danken der Völker läse und sich alsdann daraus die künstlerische Formel zöge, welche dem eigenen Charakter am meisten zusagtc. Er hat dadurch zugleich dem gesammten gebildeten Europa eine nützliche Lehre gegeben, die Lehre, daß nicht allein aus dem Studium der Denkmäler Griechenlands und NomS eine den gegenwärtigen Bedürfnissen entsprechende Architektur zu hoffen ist, sondern daß man auch das Mittelalter und die beginnende Neuzeit in den Kreis der Betrachtung ziehen muß, als diejenige Zeit, in welcher neue Gebräuche und Gewohnheiten, neue Gesetze und eine neue Religion auch veränderte Formen verlangten, als diejenige Zeit, die daS häusliche und Familienleben der Neu zeit, im Gegensatz zu dem öffentlichen Leben des AlterthumS, vorbereitete. Die Vertreter der verschiedenen in den neuen Gebäuden Münchens befolg ten Manieren sind Klenze, Gärtner, Ziebland, Ohlmüller; und ich möchte auch den jungen Professor Metzger hinzufügen, der zwar noch wenig gebaut, aber in seinen Nissen unwidersprechliche Proben von großartiger Anschauung und vielseitigem Wissen gegeben hat. Eine der größten Wahrheiten, welche die Aesthetik in den letzten Jahren aufgestellt hat, ist die, daß man die Baudenkmäler als die entschiedensten Ausdrücke der Ideen und der Gewohnheiten eines Volkes und als einen Maß stab für die Höhe seiner Bildung anzusehcn hat. Und in der That, so ost fich die Zustände eines gebildeten Volkes wesentlich verändern, so ost ändert fich auch der Charakter seiner Baukunst. Stößt man in der Geschichte aus eine Zeit, in welcher den Gebäuden Originalität mangelt, in welcher sklavische Nachahmung anderer Zeiten oder frostiger Modestyl herrscht: so kann man sicher zurückschließen, daß die Gesellschaft damals entweder in Eklektizismus versunken war oder fich in einem Kampfe widerstrebender Ideen befand, die noch nicht ihren gemeinschaftlichen Mittelpunkt, noch kein großes Ziel gefunden hatten. Trifft also einen großen Theil unserer gegenwärtigen Baukunst der Vorwurf mit Recht, daß sie kleinlich sep und kühner, klar durchgeführter Ideen ermangle, so fällt die Schuld nicht allein auf die Baumeister, sondern aus die ganze Gesellschaft, welche im verwirrenden Gedränge von Wünschen und Gedanken vorwärts kämpft nach der Erreichung materiellen und intellek tuellen Wohles, welche sich mit der lächelnden Hoffnung schmeichelt, alle Plagen los zu werden, die sie peinigen, zugleich aber auch, durch hundert jährigen Druck zahm geworden, die schwersten Uebel erträgt, die ihren Fort schritt hemmen. Glücklich der Baumeister, dem die Religion des Schönen und der Glanz des öffentlichen Lebens, wie sie bei den allen Griechen herrschten, das Par- thenon und die Propyläen eingab! Glücklich der Baumeister, dem die sehn- suchtS- und wunderreiche Religion des Mittelalters den gehobenen Schwung des Spitzbogens offenbarte! Glücklich selbst, wenn er zu Venedig durch die gehcimnißvolle Residenz des Dogen, zu Florenz durch die starken und rohen Massen dem Volke die argwöhnischen Schlüsse des Senats und das unglück liche Schicksal andcuten konnte, das, aus dem Kampfe des Bürgers gegen den Bürger entspringend, über Italien so viel Jammer und Thräncn bringen sollte. Aber welche Ideen soll denn der Baumeister der Gegenwart aus- sprechen, unter einer Gesellschaft, die sich zwar in Hoffnungen und Kraft verjüngt hat, aber in sehnsüchtiger Erwartung einer besseren Zeit annoch in tausend Widersprüchen fluthet? Originalität also dürfen wir in München auch nicht suchen. Aber die bayerischen Architekten verfahren wenigstens mit Urtheil und Geschmack; sie benutzen die Ueberliefcrungen der gesammten Vergangenheit und wenden sie an, wie sich's eben schickt; denn der Bogen des TituS am Portal eines Pri- vathanseS oder die Vorhalle des Pantheon auf einem Eisenbahnhofe würden fich gerade eben so geschickt ausnehmen, als die Beschreibung einer Lokomotive oder des Daguerreotyps in der Sprache Cicero'S. Aus dieser vernünftigen Nachahmung und Benutzung der Vergangenheit kann fich mit der Zeit eine originale Baukunst entwickeln. Klenze hat dies bereits zum Theil bewiesen, denn seine zahlreichen und wirklich schönen Werke zeigen ganz deutlich, daß er den Geist jedes Systems begriffen hat und von sklavischer Nachahmung frei geblieben ist. Denn der selbe Klenze, der bei Regensburg die Walhalla und in München die Glppto-