Suche löschen...
Dresdner Journal : 19.06.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189006195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900619
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900619
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-06
- Tag 1890-06-19
-
Monat
1890-06
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 19.06.1890
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
139 Donnerstag, den 19. Juni, abends. 1890. kür vr«,lloa vrertelMNriieN 2 SV ?t, k« 6«o äoat»eN«o ko»t»a,t»tt«L «iorbol- jLdrliet» S Ülark; »v»»vrlu»Ib ä«, äeutsedeu LmeL« tritt ?o»t- uoä 8tempvlru»vNI»^ kiüra. Liorvtoo ^»wwerv: 10 kk. Xll^a»aixuo88x«dadr«Q: kür äeo Laiui» «u>sr ^eiplübeven 2«ik« Klei»« LobriN. SU kk. Unter ,, klo^vKwNt" äi» 2«il« KO kk. Lei Tadolleo- uoä ^iNern»»t» sntipr. A»koebl»b Lrvedelasor Hallet» mit Doivobm« äer 8oo»- v. k «ierta^v »doock». k«ro»prscN - DLocblcm»: Ur. 1LVL. Dres-MrAmMal. Für di« Gtsamtleitung verantwortlich: ^ofrat Gtto Banck, profeffor der titteratur- und Kunstgeschichte. Tonobm» vo» LaKvocklxuoxei» „v^Lrlst l^tpri^: D>. Lnanckotett«?-, LommiioiovLr 6v« vreockuor lommal»; LomborU LirU» Vi«o >*»»I Lr»«I»n ^r»vttLr« ». ».: //aa«<^Ä«»n <S kogker/ L»rU» Vt«» -L«mdorU- Kr»^ Lotpotss-rroLKtorl «». ». Ilüoedo»: D«ci. Kort» LooSo» LirUn Kr»attor» ». H »tutt^ort: Da«-« <5 60 , N«rU»: /«ratttirrlltanL, Lr««I»u: Dm»/ Da-at-,' Laiurovr: D Le-»!«/«r, L»U» «.».: Laret ct 6». Ner»u»8«dvrr LV»»?!, krpeäitlon 6e« Or«6ner äourvZü». Vroxiev, 2«lox«r»tr. L0. k«ri»»pr«ct»-Dv»oUu»i: l/r. 1285. Amtlicher Teil. Dresden, 19. Juni. Ihre Majestäten der König und die Königin haben Sich heute Nachmittag in das Hoflager nach Pillnitz begeben. Dresden, 12. Juni. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Professor der Tech nischen Hochschule zu Braunschweig H. Engels vom 1. Oktober dss. Js. ab zum ordentlichen Professor für Wasserbau und Elemente der Ingenieur-Wissenschaften an der Technischen Hochschule hier zu ernennen. Dresden, 14. Juni. Se. Majestät der König haben den Amtsrichtern Karl Emil Petrenz in Mügeln, Heinrich Otto Weise in Pirna, Paul Kon rad Ranft in Leipzig, Ulrich Naumann in Wurzen, Bernhard Hugo Meyer in Zittau und Hermann Johannes Estler in Großenhain den Titel Amts- genchtsrath beizulegen Allergnädigst geruht. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische WachrichLen. Pari«, 18. Juni. (W. T. B.) Der höhere HandelSrat hat entschieden, daß alle gegenwärtig bestehenden Handelsverträge zu kündigen seien. Valencia, 19. Juni. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Es find noch einige verdächtige ErkrankunaSfälle in Puebla de Rugat und Montiebelvo vorgekommen, die Epidemie scheint aber im Abnehmen begriffen zu sein. Madrid, 19. Juni. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Telegrammen aus Malaga zr^olge kamen nur zwei Fälle gelben Fiebers vor. Dresden, 19. Juni. Der Gefängniskongreß in St. Petersburg. Wohl nicht mit Unrecht wird die humanitäre Rich tung, die die Entwickelung des Gefängniswesens im letzten Vierteljahrhundcrt eingeschlagen, zu den ver dienstvollsten Leistungen der Neuzeit gezählt. Handelt er sich doch dabei um die zweckmäßigste Lösung der großen Aufgabe, die vielen Millionen, welche der schwere Kampf um das Dasein, unbezähmbare Leidenschaften, geistige Gebrechen, die rechtzeitig zu heilen die moderne Schule nicht vermocht hatte, dem Abgrunde der sitt lichen Berkommenheit zugetrieben, nach überstandener Bußezeit der menschlichen Gesellschaft als nützliche und leistungsfähige Glieder zurückzuführen. Die moderne Rechtswissenschaft hatte zwar das Verhältnis der Sühne zur Schuld m Fällen, wo letztere sich in ihrem that- sächlichen Umfange voll Nachweisen läßt, in den Satz ungen des Strafgesetzbuches nach bester Möglichkeit richtig festzustellen versucht, wobei allerdings das Be streben des Gesetzgebers, den Schutz der Guten vor den Anschlägen der Bösen in der wirksamsten Weise herzustellen, das Hauptwort führte. Dahingegen ist sie auf dem Gebiete der menschlichen Verirrungen und Verbrechen, deren objektiver Thatbestand zwar als er wiesen vorliegt, deren Schuld und Strafwürdigkeit jedoch nur zu einem nicht genau abzuschätzenden Teile auf Rech nung des Jnkulpaten gesetzt, und für die der letztere nur in dem beiläufigen Maße seiner eigenen Schuld zur Sühne angehalten werden kann, während der übrige Teil der Schuld, der auf die durch die bestehenden Gesetze nicht belangbare Außenwelt des Verbrechers fällt, ungefühnt bleibt, noch ziemlich weit hinter dem Ziele ihrer Bestrebungen zurückgeblieben. Ob der idealen Gerechtigkeit dadurch vollständig Genüge ge leistet wird, daß diese ungesühnte Mitschuld dem Jnkulpaten als „mildernder Umstand" bei dem Straf ausmaße zu gute kommt, oder daß die Geschwornen- gerichte unter dem Eindrücke menschlicher Rührung in Fällen, wo die „mildernden Umstände" von einer vom Angeklagten nur in sehr geringem Maße verschuldeten Zwangslage herrühren, den letzteren gänzlich von der Schuld freisprechen, — diese Fragen zu beantworten, dürfte wohl kaum ein billig denkender Rechtsgelehrter wagen. Unsere Strafgesetze und Rechtspflege sind jeden falls das letzte Wort der Rechtswissenschaft nicht, aber da sie eigentlich aus einer endlosen Reihe von aus gleichenden Kompromissen zwischen der idealen, absolu ten Gerechtigkeit, dem wirklichen Leben und der indi viduellen Freiheit hervorgegangcn, können sie wieder nur auf diesem Wege je nach der Entwickelung der sozialen und staatlichen Ordnung nach und nach um gestaltet und vervollkommnet werden. Doch welche innere und äußere Umbildungen die selben auch wohl noch durchzumachen haben dürften, jene Rechtsanschauung, die den Strafgesetzen des „himmlischen Reiches" bezüglich der Strafwürdigkeit der an der Schuld des Angeklagten mitbeteiligten Außen welt innewohnt, wird gewiß nie von unserer Rechtswissen schaft als durchführbar und berechtigt anerkannt wer den. Es mag in China wohl angehen und sich da selbst als wirksames Hilfsmittel bei der Bekämpfung der bösartigen Leidenschaften bewährt haben, das be gangene Verbrechen nicht nur an dem unmittelbar An geklagten, sondern auch an dem Leibe seiner sämt lichen Verwandten, Freunde und sogar auch aller Mit bewohner des Hauses zu ahnden. Die Annahme, daß wenn alle diese Menschen ihre aus ihren Beziehungen zum Verbrecher sich ergebenden Pflichten gewissenhaft und stets bethätigt hätten, letzterer sicherlich die Un- that nicht verübt haben würde, entbehrt nicht so ganz ihrer inneren Begründung, doch widerspricht sie ganz und gar dem obersten und edelsten Gesetze der christ lichen Gerechtigkeit: lieber neunundneunzig Schuldige ungestraft laufen zu lassen, als einen einzigen Un schuldigen zu verurteilen. Wenn jedoch die bestehende Rechtsordnung die zwangsweise Heranziehung der Ge sellschaft zur gewissenhaften Pflege der Nächstenliebe nicht gestattet, so ist damit noch nicht gesagt, daß der Staat, als verantwortlicher Vertreter der Gesellschaft, von jeglicher Pflicht gegenüber den den Strafgesetzen verfallenen Gliedern dieser Gesellschaft entbunden sei. Hatte letztere es an der rechtzeitigen Bethätigung der Nächstenliebe an jenen Unglücklichen fehlen und sie dadurch auf Abwege geraten lassen, so thut der Staat nur seine Pflicht und Schuldigkeit, wenn er bestrebt ist, jene Schuld der Gesellschaft durch seine eifrige Fürsorge um die moralische Rettung der auf die Bahn des Lasters Verirrten abzutragen. In der Art der Durchführung der Straferkenntnisse liegt der Schlüssel zur Lösung dieser großen Aufgabe, die dem bösen Worte: summum jus 8UWML injuria den gegen die moderne Rechtsfrage gerichteten Stachel nach Thunlichkeit benehmen sollte. Die perio disch sich versammelnden Gefängniskongresse unterziehen sich dieser Arbeit — und so liegt denn auch der gegen wärtig in St. Petersburg tagenden Versammlung der Gelehrten vom Gefängnisfach die Lösung jener großen Aufgabe vor. Letztere soll — wie wir erfahren — in zwei von einander getrennten Teilen zur Verhandlung gelangen. Der erste umfaßt die Beantwortung der Frage, auf welche Weise der lästigen Überfüllung der Gefängnisse mit Leuten, die eine erste, oft nur wenige Tage dauernde Freiheitsstrafe abzubüßen haben, abgeholfen werden könnte, ohne daß die Rechtspflege dadurch in ihren Grundpfeilern erschüttert würde. Man hatte in Feuilleton. König!. Hoftheater. — Altstadt. — Am 18. Juni: „Tannhäuser". Handlung in 3 Aufzügen von Richard Wagner. (Zum ersten Male in der neuen Bearbeitung.) Die Fülle musikalischer, poetischer und dramatischer Schönheiten in dieser Oper, welche seit Jahrzehnten alle empfänglichen Menschen immer von neuem fesseln und im innersten Gemüt bewegen und erheben, hat in der neuen Fassung an Eindrucksmacht gegenüber der älteren nur unwesentlich gewonnen. Schon die unmittelbare Bindung der Ouvertüre an die Scene ist yon zweifelhaftem Wert. Dieses Musikstück bildet in seiner ursprünglichen Gestalt, in seiner lichtvoll ge gliederten, überzeugend klaren Tonsprache einen Pro log zu dem Werke, wie ihn gleich wirkungsvoll, abge rundet nach Inhalt und Form gar wenige Opern schöpfungen aufweisen können; durch die Streichung des Schlußsatzes wird nun die musikalische Logik ge stört und mit dem Pilgergcsang, der in seiner gewal tigen Begeisterung uns den Sieg des Heiligen über die höllische Gaukelei des Venusberges verkünden soll, geht die Harmonie und damit die rechte Verständlich keit deS Ganzen verloren. Wir schwören wahrlich nicht auf die überschwängliche programmatische Er klärung der Ouvertüre, wie sie der Komponist selber sehr stimmungsvoll, wennschon in einzelnen Bemerk ungen etwas unsinnig niedergeschrieben hat, und am wenigsten bekennen wir uns zu seiner phantastischen Deutung deS Schlußsatzes, aber hier teilen wir die offenbare Neigung des großen Publikums, unter dem allerdings Mancher einzig an der gesteigerten mate riellen Tonwirkung Freude empfindet, und wir ver mögen in der neuen Fassung keinen Vorteil zu er kennen, welcher uns für den Abstrich des mächtig ergreifenden, keineswegs fpektakelhaften Ausganges ent schädigte. Als zweites Produkt der Pariser Umarbeitung er- giebt sich die breitere Entfaltung der ersten Scene im Venusberg. Ihre Musik stützt sich zumeist auf die bekannten Motive, denen sich nur wenige neue beige sellt haben, und ist von Wagner in dem eigentümlichen kombinatorischen Orchesterstil seiner späteren Schöpf ungen umfänglich entwickelt worden. In ruheloser Bewegung, in chromatischer und enharmonischer Mo dulation, gespickt mit Vorhalten und Dissonanzen, aber reich an feinen Zügen, bestrickend in den nianigfaltigen Farbenmischungen des Tonkolorits und bewunderns wert in der kunstvollen Verwebung all' der Motive glühender Sinnlichkeit, welche in heißem Strom un aufhaltsam dahinrauschen, kennzeichnet sie mit hüllenloser Deutlichkeit die Situation und überbietet weitaus die schwüle Sinnlichkeit der Scene, deren Vorgänge uns der gewandte Balletmeister (Hr. Köller) in möglichst schamhaften Formen da cbictet. Damit erreicht er zwar nicht ganz den Eindruck, welcher Wagners Anweisungen diesem unerhörten Wollusttaumel sichern möchten, aber er stellt doch genügend charakteristische Wirkungen her und sucht durch einzelne sehr anmutige Gruppierungen mehr den sinnlichen Zauber, als die sinnliche Raserei der Insassen des VenuSbergrS in die hellste Beleuch tung zu rücken. Die Orgie bleibt dabei immer noch gar wild und zügellos und namentlich in der musika- letzter Zeit überall in den Kulturstaaten die Tortur al- Untersuchungsmittel, die Prügelstrafen als Sühne für minderwertige Vergehen abgeschaft, weil dieselben den Zwecken der modernen, weitsichtigen Rechtspflege nicht nur nicht dienlich, sondern gerade zu abträglich waren. Die kurzen Gefängnisstrafen für erste, sei eS aus Leichtsinn oder Mutwillen verübte Gesetzver letzungen haben nach den Wahrnehmungen der er fahrensten Kriminalisten nur in den seltensten Fällen den auf diese Weise Gemaßregelten die Achtung der Gesetze wieder beizubringen vermocht, dagegen hatten sie stets ein starkes Kontingent zur Armee der Berufs- gesrtzverächter und der schweren Verbrecher gestellt. Es gilt nun, diese Freiheitsstrafen durch anderweitige Hilfs mittel der Rechtswissenschaft zu ersetzen, die auf die Ge müter der sozusagen nur zufällig mit dem Strafgesetze in Konflikt geratenen Menschen einen weit mächtigeren Reiz zur Besserung auSzuüben im stände wären. In Belgien hat der Gesetzgeber durch die fakultative Ein führung der „bedingten Verurteilung" bereits einen Versuch nach dieser Richtung unternommen, und auch das neue italienische Strafgesetzbuch weist ein ähnliches Bestreben vor. Durch die „bedingte Verurteilung" wird dem Verurteilten die Nachsicht der ihm zuerkann ten Gefängnisstrafe unter der Bedingung zu teil, wenn er binnen Jahresfrist sich keiner neuen Gesetzesverletz ung schuldig gemacht hat, während der „strenge Verweis und Verwarnung", die der italienische Strafrichter statt der seitherigen kurzen Freiheitsstrafen dem Angeklagten zudittiert, durch die Art und Weise der Kundmachung und der Rechtsfolgen einer derartigen Verurteilung die gewünschte Einwirkung auf das Rechtsbewußtfein eines solchen „Sträflings" Hervorrufen soll. Zu den Ergebnissen dieser Reformen des Straf wesens, die allerdings durch genaue statistische Belege erhärtet werden müßten, soll nun der Gefängnis kongreß Stellung nehmen und prüfen, wie Tveit dieses Strafverfahren auch für die übrigen europäischen Staaten sich eigne und in denselben eingeführt zu werden verdiene. Ter zweite Teil der Aufgabe, die der Kongreß der Lösung nahezubringen hätte, bezieht sich ausschließlich auf die Reformierung des Gefängniswesens. Die Ge- iängniShaft soll als Strafe nur in der Entziehung der persönlichen Freiheit zur Geltung gebracht, im übrigen jedoch ausschließlich zu Zwecken der sittlichen Erneuerung und Ausbildung der Fähigkeiten des Sträflings ausgenützt werden. Hier gilt es, mit aller Kraft und Schärfe des Geistes sich für eine möglichst erfolgreiche Verbesserung des Gesängniswesens ein zusetzen, und wir zweifeln nicht im geringsten daran, daß dies auch thatsächlich das Ziel der eif- rigsteu Bestrebungen der Kongreßmitglieder sein werde. Die russische Regierung hat ihrerseits auch in jeglicher Weise dem Erfolg des Kongresses vorgcarbeitet. Ihrer Initiative und ihren Bemühungen hat der Kongreß das Zustandekommen der großartigen Ausstellung der auf das Gesängnisweseu Bezug habenden Gegenstände und Hilssmittel zu verdanken. Mehr als 20000 Ge genstände: Probearbeiten der Sträflinge, Pläne und Modelle von Gefängnissen, Strashäusern und Straf kolonien u. a. — über die Hälfte russischer Herkunft — füllen in sachkundiger, übersichtlicher und zugleich effektvoller Weise die ungeheueren Räumlichkeiten des kaiserlichen Manegegebäudes auS. Nach der Ansicht von Fachkritikern soll diese Ausstellung alles weit überragen, was seither in dieser Richtung geleistet wurde. Auch die deutschen Regierungen haben sich an dieser Ausstellung zahlreich und würdig beteiligt. Der deutschen Abteilung rühmt man allgemein große Jn- strultivität nach, da sie nach den einzelnen deutschen Staaten und nach einem den Einblick in das deutsche Gesängnisweseu außerordentlich erleichternden Systeme geordnet ist. lischen Interpretation ungleich rücksichtsloser, als sie in ihrer ersten Form hervortrat. Die eigentümliche orchestrale Sprache dieser Scene fin det keinen natürlichen Anschluß an die musikalisch einfachere, gesündere der späteren Teile, ebensowenig wie in dem ihr folgenden Auftritt zwischen Tannhäuser und Venus, bei dessen Erweiterung schon der Komponist des „Tristan" und der „Meistersinger" thätig mar und seine jüngere spröde Deklamation mit möglichst unsanglicher Ton folge und Harmonisierung in die ältere, schlichtere und gesangvollere Ausdrucksweise sehr zum Nachteil des Gesamteindruckes einschmuggelte. Aus diesem Gesichts punkte und aus dem anderen, daß die Verführungs kraft der Liebesgöttin schon innerhalb des ursprüng lichen Umfanges der Scene verständlich und innerhalb deS jetzigen trotz des wortreicheren Flehens und Drohens der Venus keineswegs leichter und schneller verständlich wird, geben wir in billiger Anrechnung mancher geist vollen Einzelheiten der ersten Partitur den Vorzug. Daß Tannhäusers Preislied, von dem jetzt die drei Strophen gesungen werden, um einen halben Ton herab gesetzt, daß die Begleitung seines dritten Verses und in dem Lockruf der Venus „Geliebter, komm!" Takt und Instrumentierung geändert sind, sei hier nur bei läufig bemerkt. Bis zur Verwandlung ini ersten Aufzuge erstreckt sich der Einfluß dcr Pariser Bearbeitung: alle weiteren Änderungen rühren lediglich von aufgehobenen Aus- lasfungeu her, zu denen sich der Komponist in der Zeit der ersten Darstellungen „in, Betracht gewisser ungünstiger Umstände" genötigt sah. So ist jetzt das Orchesternachspiel der Schlußscene des ersten Aktes wiederhergestellt; auf der Bühne entfaltet sich nun- Tagesgeschichte. * Berlin, 18. Juni. Se. Majestät der Kaiser erledigte heute vormittag Regierungsangelegenheiten und erteilte einige Audienzen — Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: Gleich der deutschen Presse äußt.t sich auch die englische, soweit aus den heute eingeaangenen Londoner Depeschen ersicht lich ist, mit Worten wärmster Anerkenn», i über das deutsch- britische Abkommen wegen Afrikas. Wenn man in der eigentlichen Heimat der praktischen Geschäftsleute sich von den erzielten Ergebnissen so überaus befriedigt erhärt, fo erfchrint der Schluß gewiß gerechtfertigt, daß der de Verhandlungen der Kabinette zu Grunde gelegte Gedanke deS ä. ut welcher Maß und Tragweite der gegenseitigen Zugeständnisse bestimmte, gepaart mit rückhaltloser Ehrlichkeit und Offenheit deS ganzen Vorgehens, den glücklichen Weg zur Lösung der gestellten Auf gabe zeigte, sowie daß das zu stände gebrachte Endergebnis der darauf verwandten Mühe vollauf wert ist. Ein so rascher und glatter Verlaus deS AusgleichswerkeS wäre nicht denkbar ge wesen ohne den im vorhinein aus beiden Seiten feststehenden Entschluß, in seinen eigenen Ansprüchen Maß zu halten und dem anderen Teile nichts Unbilliges anzusinnen. So wie die Einzelbestimmungen deS getroffenen Abkommens vorliegen, lassen sie erkennen, daß jeder um der aus dem Spiele stehenden höheren Interessen willen eigene Wünsche zum Opfer ge bracht hat. Deutschland insbesondere hat sich einer Reihe ge wichtiger materieller Vorteile begeben; es hat durch sein Ent gegenkommen bezüglich der vielumstrittenen Gebiete von Uganda und Unyoro, der Somaliküste und Witus, um nur einige der gewich tigsten Konzessionen herauSzugreisen, dem Lieblingswunsch der eng lischen Asrikainterrffenten, der bekanntlich die Ausrichtung eine» ununterbrochen durch den ganzen dunklen Weltteil sich erstecken- dcn, zusammenhängenden britischen Kolonialreiches als Seiten stück zu dem Kaisertum Indien, anstrebt, überhaupt erst die Möglichkeit seinerpraktischen Verwirklichung gegeben, es hat ferner dein englischen Einfluß ini Sultanat Sansibar fieie Hand ge lassen, eS hat, mit einem Wort, alle jene Zugeständnisse gemacht, welche, ohne den deutschen Afrikainteressenten den Spielraum innerhalb der notwendigen und nützlichen Grenzen zu ver schränken, geeignet erscheinen, England von der völligen Loyali tät der deutschen Kolonialpolitik zu überzeugen England hin wiederum giebt dem deutschen Volke durch Abtretung der Insel Helgoland eine Gegenleistung, deren materielle Bedeutung, mit den diesseitigen Zugeständnissen in Ostafrika verglichen, vielleicht minder gewichtig erscheinen mag Desto bester weiß man bei uns den Heimsall Helgolands an die deutsche Machtsphäre vom Standpunkte der nationalen Idee aus zu würdigen. Helgoland im Besitz einer auswärtigen Macht, selbst einer dem deutschen Volkstum so nahe verwandten wie daS angelsächsische England ist, erregte jedem Patrioten stets ein drückendes, um nicht zu sagen, demütigendes Gefühl. Denn das so unmittel bar vor die »richtigsten Seevcrkehr^wege Deutschlands Hinge lagerle Felseneiland mit seiner echt deutschen, auS altem Friesen stamme entsprossenen Art in Sprache und Sitte, gehörte wie von Ratur, so auch von politischer Logik wegen zweisellos zum legitimen deutschen Machtbereich Erst von jetzt an wird die Nordsee den Namen, den ihr niemand anderes, als gerade die Engländer, beigelegt hat, den Namen des „Deutschen Meeres', mit buchstäblichem Recht führen. Das deutsche Nationalbewußt- sein rechnet daher dem englischen Nachbar den Verzicht auf seinen Helgoländer Besitz kaum weniger hoch an, als die öffentliche Meinung Englands den Deutschen ihren Verzicht auf einige der gerade für England besonders wertvollen asnkanischen Besitzobjekte. Alle diese Einzelerwägungen aber treten billig in den Hintergrund vor dem höheren Gesichtspunkte, der beide Völker aus Unver- sehrthaltung bez. noch engere Knüpfung der um Regierungen und Staaten sich schlingenden herzlichen Freundschafts bande hinweist. Der aus der Festigung des deutsch-eng lischen Einvernehmens entspringende Gewmn läßt sich zwar nicht nach Maß, Zahl und Gewicht registrieren: er gehört zu den Imponderabilien, von deren richtiger Einstellung in die Be rechnungen der internationa cn Politik in letzter Instanz ost die Entscheidung abhängt Die Erkenntnis dcr Unentbehrlich keit ihrer gegenseitigen Freundschaft konnten beide Mächte nicht beredter darthun, als mittelst der Opser, welche jede an ihrem Teile zur Pflege dieses hoch und wert gehaltenen Gutes zu bringen sich bereit finden ließ Co bleibt denn als dauernd bestimmender Eindruck des in Rede stehenden kolonialen Ab kommens auf beiden Seiten die Überzeugung in den Gemütern hasten, daß mit der gelungenen Beseitigung des Keims von Mißverständnissen in kolonialen Dingen auch die Möglichkeit entfällt, daß die deutsch-englische Freundschaft binnen absehbarer Zukunft aus dem Gebiete der internationalen Gesamtpoutik in Frage gestellt werden könnte Und darin liegt unseres Er achtens der Kern- und Angelpunkt des Abkommens, welches al- diplomatische Leistung beiden Regierungen zu einem Erfolge ersten Ranges angerechnet werden muß. mehr ganz der freudige Tumult des JagdtrosseS und erzeugt in seiner lebendigen fröhlichen Bewegung den von Wagner beabsichtigten heiteren Eindruck, welcher der auf die frischesten Lebensäußerungen („Ja, nun erkenne ich sie wieder, die schöne Welt") hingeleiteten Stimmung der Situation eine wohlentsprechende Steigerung bietet. Während die neue Bearbeitung hier eine Lücke wieder ausfüllt, schafft sie eine solche in der Scene des Sängerkrieges (II. Aufzug), woselbst Tannhäusers Antwort auf Wolframs Sang, Walthers Eingreifen in den Streit wegfällt und die für letzteren bestimmte Replik des Venusritters unmittelbar an Wolfram er folgt. Diese Kürzung ist in Rücksicht auf die zeit raubende, wenn auch an sich sehr genußvolle SangeS- seligkeit des Eschenbacher durchaus passend und ohne merkbaren Nachteil für den Totaleindruck. Zwei wei tere übliche Auslassungen in dem gewaltigen Finale deS Aktes, Tannhäusers reuevoller Erguß „Zum Heil den Sündigen zu führen" und seine heftigen Ausrufe der Zerknirschung, damit er das inbrünstige Gebet der Geliebten und die Drohungen der empörten Minne sänger begleitet, waren unseres Wissens schon in früheren hiesigen Darstellungen des Werkes aufgehoben worden. Im dritten Akt wird daS Gebet der Elisabeth ohne Einschränkung gesungen und für die scenische Verwirk lichung des Schlusses der Oper lehnte man sich an WagnerS zweite Bearbeitung, deren Festhaltung der Komponist von vornherein sich ausbedungen hatte. Aus die Zweckmäßigkeit dieses Arrangement-, auf seine glückliche Durchs»hruug in der gestrigen Wiedergabe der Oper wie auf die ganze Neumscenie- rung deS Werkes, zu welcher sich alle berufenen Kräfte
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite