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Dresdner Journal : 09.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189910091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991009
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991009
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-09
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 09.10.1899
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veru«»zwet«: Für Dresden vierteljährlich: »Mark »0Pf., bei den Kaiser lich tunlichen Postanstalten vierteljährlich S Mark; außer halb de» Deutschen Reiche» Poft- und Stemprlzuschlag. Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Honn- und Feiertage abend». Frmlpr.-Anschluß: Nr DrrMer Iomml. AnküntzisungSgebühre«: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift SV Pf. Unter „Eingesandt" die Zeile so Pf. Bei Tabellen» und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Kvnigliche Expedition de» Dresdner Journals Dresden, Zwingerstr. LV. Fernspr.-Anschluß: Nr. I2ÜL O 235.Montag, dm 9. Oktober abends.1899. Amtlicher Teil. Nichtamtlicher Leit. von Württemberg", zum l. Ulan.-Regt. Nr. 17 „Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König von Ungarn", Koeßl rr vom 2 Bat Faßart-Regt». Nr. 12, zum 2. Bat. 9 Jnf-Regt». Nr. 153 — versetzt. Helfershelfer der Sozialdemokratie. Eine für die bürgerlichen Parteien recht beachtens werte Auslassung, die zum heute beginnenden sozial demokratischen Parteitage gerade recht kommt, bildet das, was man den „Hamb. Nachr." unter obigem Stich wort aus Berlin schreibt: Wenn die deutsche Sozialdemokratie zu ihrer großen JahreSheerschau zusammentritt, wird sie von eignen Thaten nicht virl zu berichten haben. Trotzdem aber wird sie mit hoher Befriedigung auf die seit dem Stuttgarter Parteitage ver flossene Zeit zurückblicken können. Der durch den „Genossen" Bernstein hervorgerufene Programmstreit ist freilich nicht er- loichen, er wird die Verhandlungen in Hannover voraussichtlich Dresden, 9. Oktober. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Amtsgerichts-Sekretär Johann August Moritz Cronberg in Dresden an läßlich seines UebertritteS in den Ruhestand da» Ber- bimstkreuz zu verleihen. Dresden, 7. Oktober. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, nachstehende Personal veränderungen in der Armee zu genehmigen: Offiziere, Fähnriche u. s. w. Ernennungen, Beförderungen nvd Versetzungen. Im aktiven Heere. De« 2S. September l8SV. Frhr. v. Friesen-Miltitz, Oberst mit dem Range eines Brigade-KommandeurS und Abth.-Chef im Kriegs-Ministerium, mit Wahrnehmung der Geschäfte des Inspekteurs der Jnfanterieschulen beauftragt. Frhr. v. Miltitz, Oberltnt. L la 8uit« des 1. (Äib-) Gren.-RegtS. Nr. 100, behufs Kommandirung auf ein weiteres Jahr zur Kaiserl. Gesandtschaft in Teheran in der Stellung L la suite des genannten RegtS. bis 31. Oktober 1900 belassen. Se. Majestät der König haben dem Kaufmann Karl August Richard Berbig in Dresden das Prädikat „Königlicher Hoflieferant" Allergnädigst zu verleihen geruht. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentlichen Dienste. 3« Geschäftsbereiche des Ministeriums des Kalt»» «>» öffentlichen Unterrichts. Erledigt: die fünfte ständige Lehrerstelle in Brand. Kollator: die oberste Schul behörde. Einkommen: 1200 M. Grundgehalt, 88 M. für Fort bildung»- und 38 M. für Turnunterricht, sowie 160 M. S-hnung-entschädigung. Gesuche mit Zeugnissen sind bis zum rb. Oktober an den Kvnigl. Bezirksschulinspektor Schulrat vr Winkler in Freiberg eiuzureichen; — die ständige Lehrer stelle zu Mechelgrün. Kollator. da» König!. Ministerium bet ttultu» und öffentlichen Unterricht». Einkommen: 120V M. blelengehalt nebst freier Wohnung und Gartengenuß, 72 M. für dm Unterricht in der Fortbildungsschule, Sö M. Ent- tSdignng für Heizung der Schulstube, sowie eventuell 72 M. fite den Unterricht in weiblichen Handarbeiten. Gesuche nebst redeile nach dem Schema und sämtlichen Zeugnissen sind bk M 30. Oktober an den König!. BezirkSschulinspektor Schulrat Seltmann in Plauen i B einzureichen; — da-Schul- dinktorat in Mülsen St. Nicla» Kollator: die oberste Schulbehörde. Gehalt außer der Amtswohnung: 2500 M. desitche mit sämtlichen Zeugnissen bi» in die neueste Zeit sind dfl zum 31. Oktober bei dem König!. BezirkSschulinspektor Schulrat Lötzsch in Glauchau einzureichen — Zu besetzen ist am l. Dezember die dritte Lehrerstelle an der Schule zu Nieder- cumerSdors. Kollator: da» König!. Ministerium de» Kultus aub öffentlichen Unterrichts. Einkommen: 1200 M vom Schuldienste, 72 M. für zwei Ueberstundcn und freie Wohnung. Bewerbung-gesuche sind unter Beifügung der erforderlichen Zeugnisse bi» zum 25. d. Mts. bei dem König!. BezirkSschul- ms-«ktor Bach in Löbau einzureichen. I» Geschäftsbereiche des Ministeriums des Krieges. Beamte der Militär-Verwaltung. Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. Ten 5. Oktober 18SS. Die Zahlmstr. Franke vom Karabinier-Regt, Lehmann vom 1. Ulan-Regt. Nr. 17 „Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König von Ungarn", Thiel vom 2. Bat. 9 Jnf-Regts. Nr. 133, Hartkopf vom 3. Bat. 11. Jnf.-RegtS. Nr. 139, — unter Belassung in den Kommando» zur Wahrnehmung vonJnten- dantur-Sekretärstellen, den genannten Regimentern über den Etat zugethei lt. Rositzka vom 2. Bat. 12. Jnf.-RegtS. Nr. 177, zum Kara- bimer-Regt-, Hühne vom 3. Bat. 3. Jnf-RegtS. Nr. 102 „Prinz-Regent Luitpold von Bayern", zum 2. Bat. Fußart -Regt» Nr. l2, Pohle vom 1. Bat. 6. Jnf.-RegtS. Nr. 105 „König Wilhelm II. Die britischen Streitkräfte für de« Krieg mit den Bure«. Pariser Meldungen an die Münchener „Allg. Ztg." wollen wissen, daß die Reisen des Grafen Murawiew nach San Sebastian und nach Paris mit Unterhand lungen zwischen Rußland, Frankreich und Spanieu zusammenhingen, die für den Fall des Ausbruchs von Feindseligkeiten zwischen England und Transvaal eine Bereinigung der drei Mächte gegen England an strebten. Daß die Besuche de» russischen Minister- Kombinationen von der Art der vorliegenden anzuregen geeignet sind, läßt sich nicht bestreiten. Wie eS um ihre Richtigkeit steht, muß aber dahingestellt bleiben. Die letzten RüstungS-Nachrichten aus London deuten nicht dahin, daß man dort besorge, festländische Mächte beabsichtigten, dem angreifenden England so gleich in den Arm zu fallen. ES bleibt vielmehr nur der Eindruck sicher, daß man britischerseits eifrig mit der Vollendung der nicht gerade planmäßig angelegten und keineswegs rasch gehenden Rüstungen fortfährt. Ueber welche Streitkräfte England nach beendeter Mobilisierung verfügen wird, rechnet der Verfasser der schon einmal von uns ungezogenen trefflichen Militär studie „Der bevorstehende Burenkrieg" in einer der letzten Nummern der „Allg. Ztg." folgendermaßen au»: Die Gefamtstärke der von England für einen Feldzug im AuSlande planmäßig vorbereiteten Armee beträgt rund 77000 Mann. Diese Armee ist unter dem Titel „Lsrrios adroaä" in zwei Armeecorps und eine Kavalleriedivision mit insgesamt 214 Beschützen gegliedert und stellt so ziemlich die äußerste militärische Krastleistung dar, deren Großbritannien, ohne Zu hilfenahme der „nmilmr^ köre«»", also der Miliz (wiliti»), der Freiwilligen (voluuteers) und Deomanry (berittene Frei willige), innerhalb de» Rahmens seine- stehenden, auf Werbung beruhenden Heere» fähig ist. Ja diesem Falle bleibt dann zur Verteidigung de» Heimatlande» nur noch ein überaus schwache» Armeecorp» verfügbar, sodaß mit Rücksicht aus die sehr starken Garnisonen, welche in Irland unabkömmlich sind, England und Schottland dann al» von Truppen de« stehenden Heere» nahez« entblößt angesehen werden können. Aber von diesen 77000 Mann, die planmäßig sür„8ervio« abronä" bestimmt sind, ist schon eine ganze Reihe von Truppen teilen im Verlaufe der letzten Jahre teils nach Aegypten und dem Sudan, teils nach den verschiedenen Mittelmeerplätzen (namentlich Gibraltar und Malta), teil- auch nach Ostasien und in letzter Zeit nach Südafrika entsandt worden Unter diesen Umständen kann heute von einer planmäßig ver laufenden Mobilmachung von ein oder zwei Armeecorp- und einer Kavalleriedivision im Heimatlande durchaus nicht mehr die Rede sein. ES handelt sich vielmehr nur nm ein recht tropsenweise- und unplanmäßige- Verschicken der hier oder dort zunächst zur Hand befindlichen und zur Zeit entbehr lichsten Truppenteile nach dem südafrikanischen Kriegsschauplatz. Hiernach müssen die englischen Depeschen, die volltönend die Mobilmachung von ein oder zwei Armeecorp- verkünden, richtiggestellt werden. Die Soldatennot Englands steigert sich eben mit der Zunahme der kolonialen Ausdehnung und Schwierigkeiten von Jahr zu Jahr und ist heute bereits an einem Punkt angekommen, der den leitenden militärischen Stellen in England schwere Sorgen bereiten mag. Daß aber bei einer so unzweifelhaften militärischen Schwäche zu Land Großbritannien leichten Herzen- in einen Krieg eintritt, der außerordentliche militärische Krastäußer- ungen verlangen wird, erscheint um so erstaunlicher, olS mit diesem Unternehmen eine lange andauernde Schwächung der britischen Kräfte im Mittelmeer, in Aegypten, im Sudan und in Indien unvermeidlich verknüpft sein wird. Die von einer Reihe von Tagesblätiern jüngst verbreitete Meldung, daß ein Burenkrieg die englischen militärischen Positionen an keinem Teil der Welt schwächen werde, beruht sicherlich auf einer starken Verkennung der Verhältnisse. Ja, gerade das Gegen teil ist der Fall, und so kann die Verbreitung dieser Version nur als ein erneuter Beweis für die unvergleichliche Geschick lichkeit angesehen werden, mit welcher englische Einflüsse und englische Preßorganisatio» auf dem Kontinent den Anschein der englischen Macht im großen Publikum zu erhalten wissen. Für den fachmännischen Kritiker ist es einsach „Sand in die Augen." Doch kehren wir zu unsern Ziffern zurück: Nach englischen offiziösen Angaben sollen für den Dienst in Südafrika formiert werden: 6 Jnfanteriebrigaden zu je 4 Bataillonen, und zwar je 1 Garde-, 1 englische, 1 Hochländer-, 1 irische, 1 leichte und 1 Füstlierbrigade. Hierzu kommen noch 2 Kavalleriebrigaden zu je 3 Regimentern, 1 fahrende Artillerieabteilung zu 3 Batterien und außerdem für Ltappenzwecke 4 Bataillone und 1 Husarenregiment; endlich dir notwendigen Pionier-, Tele- araphen-, Sanität»- und Trainsvrmationen. AuS Indien sind bereits im Abtransport begriffen: 1 englische Jnsanteriebrigade zu 4 Bataillonen, 1 englische Kavalleriebrigade zu 3 Re gimentern und 1 Artillerieabteilung zu 3 Batterien nebst 4 Feldlazaretten. In Summa stellt dies einen Kombattanten- bestand von 32 000 Mann dar. E» kann jedoch innerhalb 14 Tagen nur aus die indischen Truppen gerechnet werden; Mobilmachung und Transport der heimatlichen Bataillone ist aus mindestens eineinhalb Monat anzusetzrn, sodaß kaum vor Mitte oder Ende November, wahrscheinlich noch später, der Kriegssollstand in Afrika erreicht sein wird Unter diesem Ge sichtspunkt ist auf englischer Seile das HinauSzögern des KriegS- beginnS verständlich genug. In Kapland und Natal sind zur Zeit 10 000 Mann reguläre englische Truppen versammelt, die von Mitte Oktober ab durch die guten und kriegsbereiten indischen Kräfte aus 15 000 Mann verstärkt sein werden, so daß heute 10 000, in 14 Tagen 15 000 und in sechs bi» acht Wochen 42 000 Mann für wirkliche Operationen in Süd afrika in Rechnung gestellt weiden dürfen. Hierzu kommt nun allerdings noch eine voraussichtlich ziemlich beträchtliche Zahl von in Afrika selbst auSgehobenen und dort formierten Kräften. Zunächst steht es in der Befugnis des Gouverneurs der Kavkolonie, als deS Kommandeurs der Lokaltruppen, alle dienstpflichtigen Leute im Alter von 18 bis zu 50 Jahren zum Kriegsdienste einzuberufen, was bei einer Bevölkerung von 154 000 Briten im günstigsten Falle 15 000 Mann waffen fähiger Leute ergeben könnte. Der beste Teil der hierfür in Betracht kommenden Mannschaften ist aber bereit- in der Kap- kolonie in 41 Bolunteercompagnien mit einem Sollbestand von 5000 Mann und 6 Geschützen militärisch organisiert, die von obiger Zahl daher in Abzug zu bringen wären. Außerdem bestehen in der Sapkolonie wie in Natal noch eine ständige Miliz in der Stärke von 1600 Mann und 4 Geschützen, dann berittene Polizeitruppen sowie in Kapstadt eine besondere Garnisonsartillerie mit Pioniersormationen; ähnliche Lokal truppen befinden sich in Betschuana-Land. Endlich sind schon seit Monaten über 50 britische Offiziere nach Afrika entsendet, um in den weiten Gebieten von Britisch-Belschuana Land und Rhodefia Truppencorps, namentlich berittene Infanterie, an zuwerben, zu welchen, trotz der Erklärung Balfour» im Unter hause, „nur Weiße im Kampfe gegen die Buren verwenden zu wollen", bedauerlicherweise heute ichon Farbige angenommen werden. Rechnet man schließlich noch auf australische und kanadische Freiwillige mit einem Höchübrtrag von 5000 Mann, so ergiebt sich die nachfolgende Stärkeberechnung al- Annäherungs wert für die britischen Streitkräfte Milte oder Ende November: britische reguläre Truppen 42 000 Mann, ständige Miliz der Kapkolonie 1600 Mann, 41 Bolunteer-Lompagnien 5200 Mann, deren Ergänzung auf etwaigen Befehl des Gouverneurs der Kapkolonie 10 000 Mann, Freiwillige aus anderen britischen Kolonien 5000 Mann, Freiwillige aus Rhodefia, Betschuana- Land 4000 Mann, Lokaltruppen von Natal und Betschuana- Land und Anwerbungen unter den UitlanderS in Transvaal 3000 Mann, in Summa 70 800 Mann. Durch die Abgabe von Marinemannschaften aus den Schiffen des südafrikanischen Geschwaders können diese Kräfte im besten Falle noch um etwa 2000 Mann erhöht werden Von diesen rund 70 000 Mann ist aber sicherlich ein volle- Drittel von vornherein für Bc- satzungszwecke in Abzug zu bringen, sodaß sür die eigentliche Offensivoperation dem Oberkommandanten der britischen Streit kräfte in Südafrika, Sir Redvers Buller, keinesfalls mehr als 45 000 Mann zur Verfügung bleiben werden. noch stärker in Anspruch nehmen, al- vor Jahresfrist in Stutt gart. Aber praktische Leute werden sich wenig darum kümmern. Hr. Bernstein ist kein Freund gewaltsamer Revolutionen; er möchte die soziale Republik mit Hilse der bürgerlichen Demo kratie aus gemütlich-konstitutionelllm Wege herstrllcn. Wozu aber zerbricht er sich darüber noch den Kops? Die Liebknecht und Bebel, von den Vollmar und Auer gar nicht zu reden, sind ja auch gar nicht darauf erpicht, ihre Haut in Straßen- kämpsen zu Markte zu tragen; aber eS fällt ihnen nicht ei», der bürgerlichen Demokratie nachzulausen, denn sie leben der Hoffnung, daß sie das garnicht mehr nötig haben werden. Ein größere« Maß von Geringschätzung, al- e- jahrein jahraus der bürgerlichen Demokratie von der Sozialdemokratie entgegen- grbracht wird, ist kaum denkbar ... Aber der Angelpunkt der sozialdemokratischen Hoffnungen liegt Heuzutage in Schichten der bürgerlichen Gesellschaft, die mit der Demokratie nicht- zu thun haben wollen. Da, wo die Sozialdemokratie ehedem aus eine feste Mauer stieß, findet sie heute ihr gegenüber eine Verwirrung der Begriffe, die ihr al« der Vorbote der allmählichen Abbröckelung des Widerstande- erscheint. Dem im „Exil" lebenden „Genossen" Bernstein fehlt die unmittelbare Anschauung dieser Dinge, sonst würde er vielleicht einsehen, daß eS überflüssig sei, die Möglichkeit der Umgehung einer blutigen Katastrophe erst „wissenschaftlich" zu ergründen Im übrigen ist er als Träger der Mauserung«- legende für die Sozialdemokratie ebenso nützlich, wie diese selbst. Mit dem Namen Bernstein deckt sich so mancher, der au- irgend einem Grunde sür gut findet, den Kampf gegen die Umsturzpartei einzustellen. Warum sollte man ihn stören? Man wird sich also auf dem Parteitage'zu Hannover gar sehr hüien, Hrn. Bernstein aus der Partei hlnauSzuweisen. Mögen sich einige Theoretiker über seine Argumentation herstürzen, mögen einige exzentrische Damen über Verrat an den Parter- grundsätzen schreien, der großen Masse de- Parteitag- wird die ganze Bernsteiniade sehr gleichgiltig sein im Bergleich zu den Erfolgen, welche der ungemauftrten Sozialdemokratie im Lause diese- Jahres ohne ihr Zuthun in den Schoß grsallen sind. Boran steht unter denselben die in der Haltung der nationalliberalen Partei eingetretene Wandlung Man hat die grundsätzliche Bedeutung dieser Wandlung bestreiten wollen. Die Nationalliberalen, sagt man, hätten stets eine planmäßig fortschreitende Sozialresorm gefordert, nur in bezug aus da- dabei einzuhaltende Tempo werde jetzt eine größere Beschleunigung verlangt. Da» erstere ist richtig; aber die Frage deS Tempos ist nichts weniger als nebensächlich. Da» Scherzwort einer führenden EozialpolitrkerS vom Zentrum, daß ihm neben den neuen nationalliberalen Sozialresormern beinahe der Atem auSgehe, ist überaus bezeichnend. Und er meinte damit nicht nur d«S Tempo, sondern auch den Inhalt ver schiedener der von nationallrberaler Seite ringebrachten An träge. Aber weit schwerer, al» die Frage der positiven Sozial resorm, fällt für die Beurteilung der nationalliberalen Wand lung diejenige der Bekämpfung sozial-revolutionärer Erscheinungen ins Gewicht. Die natioaalliberale Partei ist früher stets der Ansicht gewesen, daß mit einer verständigen Sozialresorm eine wirksame Zurückweisung von Bestrebungen, welche eine grundstürzende Umwälzung der testehenden Gesell schaftsordnung bezwecken und deshalb sür den sozialen Frieden unter allen Umständen verderblich sind, Hand in Hand gehen müsse. Bon diesem Standpunkte aus hat die nationalliberale Fraktion deS Reichstage- 1890 einstimmig für ein nicht nur auf Zeit, sondern aus die Dauer zu erlassende- Sozialistengesetz ge stimmt. Sie erblickte darin eine Pflicht der Selbsterhaltung deS monarchischen StaateS. Sie ist damals leider in der Minderheit geblieben, daS alte Sozialistengesetz ist in Wegsall gekommen und nichts anderes an seine Stelle getreten. Heute wird au» der nationalliberalen Partei heraus verkündet, daß eine Repressivgesetzgebung gegen die Verfolgung revolutionärer Bahnen durch dir soziale Bewegung überhaupt verwerflich sei, daß lediglich die Beschleunigung der positiven Reformen die Umsturzgesahr beschwören könne. Der Gegensatz zwischen sonst und jetzt springt in die Augen Wa» Wunder da, daß Hr. Bebel seinerzeit sofort im offenen Reichstage die Wandlung der Nationalliberalen mit unverhohlenem Jubel begrüßte! Wie die programmatische Ankündigung der neuen nationalliberalen Sozialpolitik nachher verwirklicht worden ist bis zu der Ab lehnung selbst der Kommissionsberatung über die Vorlage zum Schutze der Arbeitswilligen, da- ist noch in srischer Erinnerung. Neidlos hat die sozialdemokratische Presse die Bassermannsche Rede über diese Vorlage al» den Glanzpunkt jenes „vernichten den Schlages gegen die Reaktion" geseiert. Wahrlich, man wird e» verstehen, wenn gerade diese Vorgänge in Hannover als die wertvollste Bresche registriert werden, die jemals in die bestehende Gesellschaftsordnung gelegt worden ist. Und fast keine Woche vergeht, wo die Sozialdemokratie sich nicht weiterer Symptome der sich vorbereitenden Waffenstrrckung aus dem bürgerlichen Lager zu erfreuen hätte. Namentlich bei den in dieser Jahreszeit üblichen Zusammenkünften sozial politischer Theoretiker hat sie sich zu bedanken Aus der General versammlung deS Vereins sür Sozialpolitik ist es diesmal zwar glimpflich hergtgangen. Um so eifriger und unumwundener rft man aus dem Vertretertage der Nationalsozialen bemüht Kunst und Wissenschaft. Julius Grosses „Fortunat" auf der Weimarer Bühne. Im Weimarer Hoftheater wurde am Sonnabend, den 7. d Mt«., Iuliu« Grosse«, de» bekannten Münchener Dichters, große« Märchendrama „Fortunat" zum ersten Male aufgeführt, und da« ist ein immerhin wichtigere« theatralische« Ereignis, nicht bloß für die Jlmstadt. Da« Werk, da« längst gedruckt vorliegt, gehört zu den wie ToetheS Faust auf einem alten VolkSduchstoffe beruhen- im, aber von einem wirklichen Dichter geistig vertieften md romantisch ausgeführten Dramen, die man am besten «ohl „Mysterien" nennt, damit den Vergleich mit den «"deinen „gemachten" Märchenstücken ohne weitere« ab- «isend Die poetische Arbeit, die Grosse an dem Volks buchstoffe geleistet hat, ist in der That bemerkenswert: Sein Fortunat erhält den bekannten Glückssäckel nicht durch einen Zufall und umsonst, sondern tauscht ihn, als ihn sein vergebliches ideale« Streben an den Rand der Verzweiflung gebracht, gegen seine Seele, sein „bessere« Selbst"' ein, um dann, jeden Genuß auskostend und die Weltbeglückung durch das alleinseligmachende Gold in großem Stile probierend, zuletzt völlig zu verkommen md den Kelch de« Ekel« bi« auf den letzten Tropfen zu leeren Da« geschieht, dem Volksküche getreu, an einem KöaigShofe, wo dem Fortunat der Säckel geraubt und dann doch von ihm wiedergewonnen wird; er aber wirft ihn jetzt freiwillig fort und findet seine Seele wieder. Richt bloß diese, sondern auch die selbstlose Liebe eine« Bürgerkinde«, da« allein dem Golde widerstanden und di» Vertrauen zu dem Geliebten, auch al« er entartet «n, nicht verloren hat Eine Fülle bunter Bilder läßt der Dichter an dem Zuschauer vorüberziehen, neben dem Trusten fehlt auch da« Komische, da« Phantastisch-Burle»ke »cht, Elemente der Shakespeareschen romantischen Komödie und des Rarmundschen Zaudersplet» treten zu dem vom Stoffe geforderten „Faustischen" Gehalte. Aber im ganzen ist der „Fortunat" ein einheitliches Werk, den Versuchen unserer Romantiker und Jmmermann« („Merlin") nicht fernstehend. E» versteht sich von selbst, daß der Dichter für seine Entwicklung viel Raum brauchte, und ebenso, daß die Theaterbearbeitung da« vielleicht den doppelten Umfang eines gewöhnlichen Theaterstücks aufweisende Werk sehr zusammendrängen mußte. Sie wurde von August Fresenius in München, der einst zu den Privatdramatikern König Ludwigs II. gehörte, übernommen und ist insoweit ge lungen, als sie sozusagen den Faden, der da« Ganze zu sammenhält, nirgend« durchschneidet Aber der Bearbeiter wollte auch die ganze Fülle de« bunten Geschehens, die da« Drama auszeichnet, bewahren, und da« konnte nur auf Kosten de» poetischen Details und des Gedanken- gehaltS erreicht werden. Die Folge war, wie sich bei der Aufführung zeigte, daß da« äußere Geschehen nur allzu grell und bunt auftrat, den Zuschauer nicht zu ruhigem Genuß, zur Vertiefung kommenHließ, ihn verwirrte Hier und da konnte man glauben, ein reines Ausstattungsstück zu sehen, ein amüsante« immerhin, da» auf ein breitere« Volkspublikum (wie es Weimar kaum besitzt) sicher einen günstigen Eindruck machen würde, aber doch den künst lerischen Absichten de« Dichter«, dem Charakter des Ganzen wenig entsprach Und unser moderne« gebildetes Publikum will weniger da« äußere Geschehen al« psychologische Entwicklung, mag sie immerhin etwa» dunkel bleiben. Ja, man darf wohl sagen, gerade da« Unklare, Rätsel hafte, Mystische rc. zieht e« vor. Davon ist in Grosse« „Fortunat" genug vorhanden, aber die Bearbeitung hat e« zum großen Teil entfernt Der Erfolg war denn auch kein „großer", sondern nur ein „guter". Dennoch geschieht «S mit vollem Recht, wenn hier auf da« Drama aufmerksam gemacht wird: e« ge hört zu denen, über di« eine Bearbeitung und eine Vorstellung nicht die Entschnvung dringt. Ganz besonder» aber ist diese Weimarer Erstaufführung auch deshalb bemerkens wert, weil sie einmal wieder an das Recht des Dichters den Theaterroutinier« gegenüber erinnert. ES mag sein, daß sie ein Experiment war, aber solche Experimente hat da« deutsche Theater, fall« eS den Zusammenhang mit der Litteratur erhalten will, hin und wieder zu machen. Die Aufführung war durchweg gelungen, vor allem fesselte die Darstellung des Helden durch Karl Weiser. Auch von der Musik, die der Kapellmeister Gutheil geschrieben hat, gingen sehr glückliche Wirkungen aus. A B. 8p. Aus Wien schreibt man uns: Wir haben nun auch in der Wiener Hofoper da« Ballett „Vergißmeinnicht" rüit der Goldbergerschen Musik gehört, ohne einen besseren Eindruck von der Blumenliebelei zu bekommen, wie in Berlin Goldberger ist ein Wiener Kind und wurde darum kräftig bejubelt; seiner Erfindungsgabe konnte jedenfalls der Beifallsruf nicht gelten. Gleich die Ouver türe bereitet auf die folgende Ebbe vor. Frl. SironiS Zierlichkeit und die glänzende Ausstattung waren die ein zigen angenehmen Eindrücke, die wir wahrnehmen dursten — Die Hofoper ist von einem Verluste betroffen worden, der allen Kunstfreunden nahe geht. Hofkapellmeister Fuchs, der bewährte Nachfolger HellmeSbrrger«, erlag im 57. Lebensjahre einer Lungenentzündung, die ihn in der Folge einer Venenentzündung betraf In ihm ging ein Musiker zu Grabe, der an seinem Berufe hing wie kaum einer und ihn mit bewundernswertem Pflichteifer auSübte. Al» erfahrener Dirigent leitete er oft eine Auf führung mit einer, ja, wenn Not an Mann ging, mit keiner Probe und trug dabei eine Gemütsruhe zur Schau, die sich dem Orchester mitteilte. Als Direktor de» Kon servatorium« erwarb sich Fuch« viele pädagogische Ver dienste, und er trat auch al« Komponist an die Oeffentlich- keit. Einige reizende Lieder und treffliche Bearbeitungen, vor allem die Herausgabe der Gesamtwerte Schuberts beiBreitkopf und Hänel verdankt man dem Dahingeschiedenen. — Im Volkstheater giebt'S eine wirkliche Premiere: Hermann Bahr« „Athlet". Der Athlet ist eine Eroberernatur, wie sie Max Halbe gezeichnet hat, und während der ersten beiden Akte eine treffliche Figur — ein Mensch Ein Hasser alles Hergebrachten, bewirtschaftet der einst tolle Junker sein Majorat zum Segen seiner Patronatskinder. Seine ehrliche Kraft schafft Gutes, sein tüchtiger Wille zwingt die Umgebung zum Gehorsam. Er ist Autokrat in seinem kleinen Königreiche und duldet wie ein Despot keinen Widerspruch Sein geistiges und seelisches Athletentum beweist er — nach Bahr nämlich — darin, daß er nach heftigem inneren Kampfe seiner Gattin, an die er glaubt, der er wie einer Heiligen vertraut, ihre Untreue nach sieht, d. h als einziger Richter weder die Frau noch den Liebhaber bestraft, sondern in Arbeit vergessen will. Die Forderung des Geliebten seiner Gattin verwirft er wieder, nachdem sein Bruder ihn von dem „Muß" de« Duell» und aller Formalitäten zu überzeugen gesucht und von seiner Gattin, die den Athleten glücklich gemacht und ihren Fehltritt tief gebüßt hat, wie von einer von der Gesellschaft auSgestoßenen Person gesprochen hatte. Damit greift Bahr wieder zu der auf der Bühne ab gelebten und unerquicklichen Duellfrage, ohne um einen einzigen Punkt vorwärts zu kommen Die ersten beiden Akte — besonder« der erste — sind wie im „Star" straff gefügt und durch fein beobachtete Scenen belebt Bahr zeigt sich in seinem Athleten wiederum als Bühnen techniker n chl ohne echte dichterische Anwandlungen, aber er vermag kein Thema ganz durchzusühren, jede von ihm in Angriff genommene dramatische Arbeit ist im Vor hinein ein Torso In der Schilderung de» MajoratS- herrn wie seine« geckenhaften Bruder« lieferte der Ver fasser gute Charakteristiken und mühte sich, ihnen in der milden Frau, die in der Dummheit fehlte, ein Gegenstück zu geben — vergeblich Die Frau Baronin posiert stet«. Auch der Geistliche und der Bösewicht, der die Korre-
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