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Als zweiter Satz schließt sich ein ruhiger, lyrischer Gesang an, der sich im Figurenwerk des Soloklaviers fortsetzt und in ein unruhiges akkordisches Thema übergeht. Die Holzbläser nehmen den lyrischen Beginn des Satzes wieder auf. Zögernd setzt die Solokadenz ein, die allmählich in das Akkordthema übergeht und schließlich zu dem lyrischen Gesang zurückführt. Leise und verhalten geht der Satz zu Ende. Der dritte Satz ist ein Scherzo im 5 / s -Takt mit tänzerischem Charakter. Während die tänzerischen Themen und Motive zumeist im Orchester erklingen, ist dem Solisten reichlich Gelegenheit zur Entfaltung seines virtuosen Könnens ge geben. Der vierte Satz ist der gewichtigste. Rhapsodisches wechselt mit Epischem und Lyrischem, und eine eigenwillige Kadenz (zu Beginn des Satzes) bietet mehr Gelegenheit zur Klangentfaltung als zur Virtuosität, obgleich sie schwierig genug ist. Gerade dieser Satz hat einige, ziemlich versteckte, Anklänge an unsere Folklore, mehr im Rhythmischen (daher der häufige Wechsel ungewöhn licher Taktarten) als im melodischen Ornament. Ansonsten hoffe ich, daß das Werk einen gewissen Schwung hat, wobei es kompositionstechnisch keineswegs gebunden erscheinen mag: überwiegend diatonisch gehalten, schließt es jedoch auch zwölftönige Klänge nicht aus. Ich gehe von der Meinung aus, daß der Wert der Musik nicht von der Art und Weise der Behandlung, sondern vom Inhalt abhängt. Ob ich diese Behauptung auch in der Musik aufrechterhalten kann, bleibe den Hörern überlassen." Maurice Ravel, der bisher bedeutendste französische Komponist seit Debussy, typischer Vertreter des fin de siede, verkörperte die abklingende bür gerliche Musikkultur seines Landes wie in Deutschland Richard Strauss etwa oder in Spanien Manuel de Falla. Das Klavierkonzert für die linke Hand D-Dur schrieb er in den Jahren 1930/31 auf Wunsch des Wiener Pianisten Paul Wittgenstein, der während des ersten Weltkrieges einen Arm verloren hatte. Dieser Künstler brachte das Werk auch am 5. Januar 1932 in Wien zur Uraufführung. „Das Klavierkonzert für die linke Hand ist kein bloßes Spiel mehr, es ist ein Drama. Angesichts des furchtbaren Unglücks, das den Pianisten, für den er dieses Konzert schuf, betroffen hat, empört sich Ravels Seele. In Gedenken an diesen Menschen, den der blindwütige Krieg um das beraubte, was die Hälfte seines Daseins als Virtuose ausmachte, bricht er in eine lange, dunkle Klage aus . . . Dieses Konzert. . . verkörpert Krieg und Frieden in ihrem allgemeingültigen Sinn . . . Und dem Pianisten gibt Ravel mit diesem Werk für immer, wie einem Bruder, die Möglichkeit, seine herzzerreißende Sehn sucht auszudrücken, den verbissenen, rasenden Wunsch, die Vergangenheit wiederzugewinnen und mit ihr die verlorene Künstlerhand . . (R. Decoeur). Mit diesem einsätzigen, in seiner Schreibweise komplizierten, unkonventionellen Werk hat der Komponist ein aufrichtiges Bekenntnis seines mitfühlenden Men schentums abgelegt und zugleich eine seiner meisterlichsten Schöpfungen ge schaffen. „Das Konzert besteht aus drei breitausgesponnenen Episoden, die eng miteinander verbunden sind und ein untrennbares Ganzes bilden. Die erste Episode, ,Lento', entwickelt ein von tiefer Dramatik durchdrungenes Thema; dieses entfaltet sich lang und breit. Die zweite ist ein heftig erregtes Allegro, in dem sich mehrere aus dem ersten Teil entstandene Motive mischen; Jazz- Charakter beherrscht diese mit nervösen, trockenen Rhythmen und beklemmen den Melodien im harten Schwarz-Weiß gezeichnete Episode. Die dritte Episode, getragen von einem Gefühl edler Größe, greift noch einmal das Anfangsthema des Konzertes auf. Obwohl diese musikalischen Geschehnisse mit Zurückhaltung und unter einer ständigen Kontrolle der zum Ausdruck kommenden Gefühle entwickelt werden, muß man doch feststellen, daß Ravel selten so wie hier einer Ausdruckswelt Form gegeben hat, die das Tragische streift und sich ihm mit Ungestüm und pathetischer Größe nähert" (S. Nigg). Jakov Gotovac nimmt unter den zeitgenössischen Komponisten Jugosla wiens eine führende Stellung ein. 1895 in Split (Dalmatien) geboren, studierte er zunächst an den Universitäten Zagreb und Graz Jura, widmete sich aber nach musikalischen Studien in Zagreb und Wien und nach ersten Kompositionserfolgen ganz der musikalischen Laufbahn. Von 1923 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1957 wirkte er als Kapellmeister an der Zagreber Oper, daneben als er folgreicher Chordirigent. Gotovac ist in seinem musikalischen Schaffen — er trat hauptsächlich mit Chorwerken, Opern und Orchesterwerken hervor - fest in der kroatischen Volksmusik verwurzelt. Seine starke Begabung fand in der glück lichen Verbindung von melodischen und rhythmischen Elementen der kroatisch^! Folklore mit einer gemäßigt modernen Kompositionstechnik ihren ganz eigener Stil. Am bekanntesten wurde Gotovac durch seine 1935 uraufgeführte heitere Volksoper „Ero der Schelm", die sich rasch die Bühnen eroberte und einen großen internationalen Erfolg errang. Auf dem Gebiet der Orchestermusik ist der Sinfonische Kolo op. 12 sein populärstes Werk geworden, das häufig im Konzertsaal und auch auf der Ballettbühne zu hören ist. Als die 1926 entstandene Komposition im Jahre 1935 während des Internationalen Musikfestes in Hamburg erklang, wurde die Musik welt erstmals auf den eigenwilligen jugoslawischen Komponisten aufmerksam. Der Kolo, ein alter slawischer Volkstanz, ist ursprünglich ein Kreisreigen, in dessen Mitte ein einzelner, ein Paar oder mehrere Paare auf eigenen Rhythmus tanzen. Gotovacs Werk greift in seiner farbigen, frischen Thematik und Harmo nik, seinem zündenden Rhythmus charakteristische Elemente dieses Volkstanzes auf. Durch ihre Wiedergabe in einer modernen sinfonischen Musiksprache, die sich vor allem durch eine blendende Instrumentation auszeichnet, gibt uns der Komponist einen äußerst wirkungsvollen Einblick in die Schönheit der Volks musik seiner Heimat. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: 30. Januar 1968, 19.30 Uhr, Steinsaal 3. KAMMERMUSIKABEND Werke von Mozart, Hans M. Brugk und Schostakowitsch Anrecht D und freier Kartenverkauf 2., 3. und 4. Februar 1968, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr, Dr. Dieter Härtwig 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz Solist: Oleg Kryssa, Sowjetunion, Violine Werke von Martinü, Bruch und Reger Anrecht A Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1967/68 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40099 III 9 5 1,6 168 ItG 009/5/68 »hiharmoh 4. PHILHARMONISCHES KONZERT 1967/68