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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Ukr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 1V Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. - Sonnabend, den 5. April L1. 1884. An Stelle der in 8 30 unter a und d der Schulordnung für hiesige Stadt vom 1. October 1880 ersichtlichen Schulgelder-Skala treten zufolge Be schlusses des Schulausschusses vom 4. Januar jetzigen Jahres, welchem die städtischen Kollegien beigetreten sind, von künftiger Ostern ab in hiesiger Schulgemeinde folgende Schulgeldersätze in Kraft, indem, wie bisher, das Schulgeld nach dem Einkommen der Aeltern und nach den Schulklassen erhoben wird. Das jährliche Schulgeld für ein Kind beträgt a. in der mittleren Schule nach der Gemeindeanlaqen-Einschätzung bei einem Jahreselnkommen bis 500 Al b 1200 21 b. 2000 21 b. 3000 21 b. 4000 21 über 4000 21 in Klaffe VI u. V 6 LI 7 LI 8 LI 10 LI 12 LI 18 LI - - IV u. III 7 - 8 - 10 - 12 - 16 - 22 - - - II 8 - 9 - 12 - 15 - 20 - 26 - - - I 9 - 10 - 14 - 18 - 24 - b. in der einfachen Schule: in Klasse II (Unterklasse) 3 LI — Pf. 30 - in Klasse I (Oberklaffe) 6 LI — Pf. Aeltern, welche vier Kinder zu gleicher Zeit in die ^.-(mittlere) Schule schicken, können vom Schulgelde für das jüngste Kind auf ihren Antrag hin befreit werden, während bei Aeltern von Kindern der L-(einfachsn)2chule dies schon vom dritten Kinde an eintreten kann. Von Ostern dieses Jahres ab ist das Schulgeld nach Ablauf eines jeden Monats in den betreffenden Schulklasfenzimmern, woselbst der als Einnehmer bestellte Schulkaflenverwalter, Raths-Registrator Jänig hier, zu bestimmten Tagen kassirt, zu bezahlen. Zu diesem Zwecke wird bei der ersten diesfallsigen Einnahme einem jeden schulpflichtigen Kinde ein mit Namen versehenes Quittungsbuch eingehän digt werden, welches jedesmal dem Einnehmer bei der Bezahlung des Schul geldes vorzulegen ist. Waldenburg, den 31. März 1884. Der Stadtrath. Helbig. "Waldenburg, 4. April 1884. Wochenschau« Der Kaiser ist zum Beginn dieser Woche an einer leichten Erkältung erkrankt. Wenn dieselbe es auch zeitweise nöthig machte, Zimmer und Bett zu hüten, so ist doch durchaus kein Anlaß vorhanden, Besorg nisse zu hegen. Es handelt sich um eine jener Krankheiten, die regelmäßig wiederkehren und ebenso wieder verschwinden. Mit dem 1. April ist der Reichskanzler in sein 70. Lebensjahr eingetreten. Glückwünsche sind Fürst Bismarck zu seinem Geburtstage von nah und fern, aus hohen und niedrigen Kreisen in großer Menge zu Theil geworden und haben ihn sehr erfreut. Auch der Gesund heitszustand des Kanzler ist im Augenblick ein vor trefflicher. Freilich ist ein Siebzigjähriger kein Jüng- i ling mehr, und deshalb hält auch der Fürst an seinen, dem Kaiser ausgesprochenen Wünschen, seine - preußischen Ministerwürden niederzulegen und sich auf sein Reichskanzleramt zu beschränken, mit großem i Elfer fest. Die Entscheidung des Kaisers ist bisher jedoch noch nicht bekannt geworden, obgleich im All gemeinen angenommen wird, daß sie dem Gesuche des Reichskanzlers schließlich entsprechen wird. Die Nähe des Osterfestes hat nunmehr auch dem Tagen der Parlamente ein Ende bereitet. Bis auf die baierischen Kammern sind alle Volksvertretungen in Deutschland geschloffen. Der Reichstag ging etwas Hals über Kopf in die Ferien. Centrum und deutsche freisinnige Partei hatten keine Lust mehr, die erste Berathung der schwierigen Pensionsgesebe zu beginnen, und, da sie die Majorität haben, wurde die Vertagung bis nach Ostern beschlossen. Gerade umgekehrt war es im preußischen Landtage, wo die Liberalen für das Weitertagen waren, während Centrum und Conservative Vertagung beschlossen. Das preußische Abgeordnetenhaus hat in der letzten Woche endlich die zweite Berathung der Jagdord nung zu Ende gebracht. Die Form des Gesetzes ist im Großen und Ganzen eine solche, daß wenigstens die Möglichkeit des Zustandekommens vorhanden ist, wenn das Herrenhaus etwas nachgiebt. Leider ist aber auf die „Herren" in Jagdangelegenheiten nicht allzuviel Vertrauen auf Nachgiebigkeit zu setzen. Recht harte Worte hat der Minister von Goßler am Montag zu hören bekommen. Die Polen hatten aus der Wiederaufnahme der Staatsleistungen in der Erzdiözese Köln die Hoffnung geschöpft, auch für Posen-Gnesen ein gleiches Zugeständniß erlangen zu können. Ein klares, rundes „Nein" war die Antwort des Ministers, und die streitbaren Redner des Centrums haben darob nicht verfehlt, ihrem Grimm offene Worte zu verleihen. Excellenz Windt- Horst erklärte in höchst erregtem Tone: „Im Reichs tage sprechen wir uns wieder!" d. h. beim Socia- listengesetz, dessen Schicksal ja der Centrumsführer in der Hand hält. Im Uebrigen waren die Ver handlungen des Hauses von geringerem Interesse. Angenommen ist das Gesetz, durch welches für das Hufschmiedgewerbe der Prüfungszwang wieder ein geführt wird, abgelehnt der Antrag Stoecker, die Regierung zu ersuchen, auf Abhilfe des kirchlichen Nothstanbes in größeren Gemeinden bedacht zu sein. Der amerikanische Gesandte in Berlin, Mr. Sar gent, hat angesichts seiner Versetzung nach Peters burg seine Entlassung eingereicht und bereits einen Urlaub angetreten. Der Gesandte, der wochenlang die ganze europäische Presse beschäftigte, wird also damit gänzlich aus dem politischen Leben scheiden. Eine Katastrophe sonder Gleichen haben die Ver einigten Staaten von Nordamerika in dieser Woche j auszuweisen: Den Straßenkampf von Cincinnati, der mehreren hundert Menschen den Tod oder Ver wundungen eingebracht hat. Es liegen grobe Aus schreitungen der Volksmenge vor, das ist ganz sonnen klar, aber nicht minder, daß die Justizwirlhschafl in Cincinnati eine mehr als erbärmliche ist. Es ist festgestellt, daß Dutzende der abscheulichsten Ver brecher mit ganz geringen Strafen fortgekommen sind. Ist es da wunderbar, wenn dem Volke end lich die Geduld reißt, und es selbst das Recht aus üben will, welches die Behörden nicht gellen lassen wollen? Aus dem Sudan liegt der Bericht über ein neues Treffen vor. General Gordon ist bei einem Ver suche, die Khartum einschließenden Araber zu ver jagen, jämmerlich geschlagen worden. Freilich fällt das Hauptconto dabei auf die Verrätherei deregyp- tischen Offiziere, von denen zwei hingerichtet sind, und auf die ganz unbeschreibliche Feigheit der «zyp rischen Truppen. Trotzdem behauptet der General noch immer, Khartum sei nicht gefährdet. Er muß es ja wissen. In London ist man übrigens nicht dieser Meinung. Man glaubt vielmehr, daß der falsche Prophet über kurz oder lang die Stadt überwältigen werde, wenn nicht schleunigst englische Truppen da hin abgehen. Außerdem rührt sich bei Suakin der schon wiederholt geschlagene Osman Digma wieder. Er plante einen Angriff auf die zu den Engländern übergetretenen Araberstämme. "Waldenburg, 4. April 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Als Vertreter der Kaiserin hat sich Hofmarschall Graf Perponcher zu den Beisetzungafeierlichkeiten nach London begeben. Derselbe überbringt einen mächtigen prachtvollen Kranz aus weißen Rosen, weißen Kamelien, Gardenien und Maiblumen, und wird diesen auf dem Sarge des verstorbenen Herzogs niederlegen. Der „Hann. Courier" bringt die überraschende Nachricht, an Stelle Fürst Bismarcks sei nicht Herr v. Puttkamer, sondern der Finanzminister v. Scholz zum Präsidenten des preußischen Staalsministeriums in Aussicht genommen. Die Unfallversicherungscommission des Reichstages hat in ihrer Mittwoch-Abendfitzung einen sehr wichtigen Beschluß gefaßt, der allgemeine Zu stimmung finden wird: Sie hat die im H 5 der Vorlage vorgesehene Karenzzeit von 13 Wochen auf 4 Wochen herabgemindert. Nur für 4 Wochen nach Eintritt des Unfalls haben also die Krankenkaffen die Verletzten zu unterstützen. Vom Beginn der fünften Woche ab hat die Unfallkasse sowohl die Kosten für das Heilverfahren, wie die Rente zu tragen. Ferner wurde der Schlußsatz des ß 5 da hin erweitert, daß nicht blos den Verletzten, sondern auch den Hinterbliebenen ein Anspruch auf Schaden- ersatz nicht zusteht, wenn der Verletzte den Belriebs- ' Unfall vorsätzlich herbeiführte. In 8 6, welcher von dem Schadenersatz im Falle der Tödtung handelt, wurde das Sterbegeld im Minimum auf 30 Mk. festgestellt, die Rente für ein vaterloses Kind von 10 auf 15 Proc. des Arbeitsverdienstes, diejenige für ein vater- und mutterloses hinterbliebenes Kind von 15 auf 20 Proc. des Arbeitsverdienstes erhöht. M 7 und 8 wurden ohne Debatte angenommen. Der ausschlaggebende Paragraph ist 8 9, welcher von der Organisation der BerufSgenossenschaflen handelt. Um diesen wird sich in der Commission, wie später im Plenum dec Hauptkampf entspinnen. Der deutsche Handelstag hat bezüglich des Aclien- gesetzes eine Resolution angenommen, in welcher anerkannt wird, daß eine Reform der gegenwärtigen Gesetzgebung über die Aktiengesellschaften und Com- manditgejellschaslen auf Aclien namentlich nach der Richtung als angezeigt erscheint, daß für die Gesell schaftsgründung eine größere Offenlegung des Sach verhalts und eine rechtlich scharf umgrenzte Verant wortlichkeit zu schaffen ist. Dagegen hegt der Han delstag ernste Bedenken gegen verschiedene in dem vorliegenden Actiengesetz getroffene Bestimmungen, insbesondere gegen die den Organen der Actien- gesellschaflen (Vorstand, AussichlSrath, Generalver sammlung) zugewiesene rechtliche Lage und erklärt hier eine Umarbeitung für erforderlich. Daß im Kulturkampf schlecht Wetter herrscht, zeigt sich von Tag zu Tag mehr. Die Germania schreibt zum Beispiel über die Verweigerung einer Anzahl der nachgesuchten Dispense für Geistlich«: „Ist der preußischen Regierung irgend etwas daran gelegen, nicht etwa an der Liebe und Verehrung, denn darauf hat sie längst verzichtet, sondern nur an der nothwendigsten Achtung der preußischen Ka tholiken, dann nehme sie bei Leibe nicht mehr Worte in den Mund, wie „Wohlwollen für die Katholiken",