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Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Dvs .Wilsdruffer Tageblatt" erschein! an ollen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Postdestellung I.W RM. zuzüglich Bestellgeld Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Poftanstalten und Poft, boten, unsereAuslrägcr u. , ., , .. SeschSftsftelle, nehmen zu lederzeit Bestellungen -nt- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend gegen. Im Kalle höherer D«ma!I, Krieg od.tonstiger - Us-U Betriebsstörungen besteht Kain Anspruch aus Lieierung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandtcr Schriftstücke ersolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendcm Tarif Nr. 4-. — Nachweisungs-MebührL 20 Rpfg. — Dorgeschriedene Erscheinungslage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit berücksichtigt. Anzeigen- Annahme- bis vormittags 10 Uhr. !?2r die Richtigkeit den durch Fernruf übermit- AMl 6 selten Anzeigen übernehm men wir keine Gewähr. " — Jeder RadattansprucH erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Stadt-- rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 218 — 93. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 18. September 1934 Phrase und Wirklichkeit. Rach langem Hin und Her und nur infolge des starken Drucks, den Frankreich auf die anderen Mitglieder des Völkerbundes ausgeübt hatte, ist nun schließlich von Genf aus die Aufforderung an S o w j e t r u ß l a n d er gangen, ein Eintrittsgesuch nach Gens zu senden. Zu gleich wurde aber auch dafür gesorgt, daß der Eintritt selbst von vornherein gesichert worden ist. Selbstver ständlich geschieht das alles nur, weil „die Erhaltung und Organisierung des Friedens, die die wesentlichste Pflicht des Völkerbundes sei, die Zusammenarbeit der Gesamtheit der Staaten erfordere!" So heißt es wenig stens in dem Einladungsschreiben an Rußland. In der Pariser Presse aber ist man offenherziger, dort kümmert man sich nicht um solche klingenden Phrasen, hinter denen ja gar keine Wirklichkeit steht! In fast allen französischen Blättern liest man vielmehr — um nür eines von ihnen zu zitieren —, „die französische Regierung sei der Ansicht gewesen, die Gelegenheit auszunutzen, um Rußland auf ihre Seite zu bringen und dadurch zu ver hindern, daß es in einem künftigen Kriege seine Hilss mittel der Reichswehr zur Verfügung stelle, — das sei der Hauptzweck!" Außerdem habe sich die An schauung des Rätebundes bezüglich der Sicherheits- frage der Frankreichs in der letzten Zeit merklich ge nähert, und deshalb habe die französische Abordnung „alles aufgeüoten", um dem Rätebund die Aufnahme in Genf zu erleichtern. Das ist die Wirklichkeit, und jene Phrasen des Ein ladungsschreibens an Sowjctrußland stehen daher in einem grotesken Gegensatz zu dieser Wirklichkeit. Eine Woche lang hat es ja gedauert, ehe die französische Dele gation, mit dem Außenminister Barthou an der Spitze, ihr rein politisches Ziel erreichte, das mit der ur sprünglichen Ideologie des Völkerbundes nicht das ge ringste zu tun hat. Mißglückt ist den Franzosen die Ab sicht, den Russen einen triumphalen Einzug in Genf zu verschaffen. Würde die französische Politik in dieser Beziehung ein wenig mehr psychologisches Verständnis für die Welteinstellung zu den innenpolitischen Methoden Sowjetrußlands ausgeübt haben, so wäre die Peinlich keit jener Woche des Wartens sowohl dem Volks kommissar für das Auswärtige, Litwinow, wie dem Außenminister Barthou erspart geblieben. Nun aber wird mit Sowjetrußland keine Ausnahme gemacht; das Aufnahmegesuch mutzte erst die sogenannte Prüfung im Ausschuß "des Völkerbundes passieren, und das Spiel hinter der Szene ging für Frankreich verloren. Sowjet- rußland ist übrigens nicht etwa vom Völkerbund selbst eingeladen worden, sondern jene Staaten, die zur Auf nahme Rußlands geneigt sind, haben sozusagen privat Herrn Litwinow aufgefordert, ein normales Eintritts gesuch abzugeben. Wurde also die Freude, die sich in der französischen Öffentlichkeit über den Eintritt Rußlands in den Völker bund äußert, an sich schon etwas gedämpft, so kann sie sich auch deswegen nicht allzu breit machen, weil der andere Faden, an dem man von Paris aus spinnt, nämlich die Schaffung eines Ost Paktes, durch den Vorstoß des Polnischen Außenministers Beck arg gefährdet zu sein scheint. Hier ist nämlich die Einigkeit zwischen London, Paris und Rom durchaus nicht ungetrübt. In Italien vergißt man es doch noch nicht so ganz, daß der Vier mächtepakt Mussolinis spurlos von der politischen Bild- släche verschwunden ist und der Ostpakt unter der Hege monie Frankreich-Rußland an seine Stelle trat. Die Ver suchs, für den Ostpakt von Paris aus Polen unter starken Druck zu setzen, haben bisher zu einem sichtbaren Erfolge nickst geführt, — eher könnte man in dem Vorstoß des Polnischen Außenministers Beck das Gegenteil eines solchen Erfolges erblicken! Es ist also doch nicht so ganz leicht, die Welt in einem antideutschen Sinne zusammen zuschmelzen, wie Herr Barthou und Herr Litwinow sich das ausgemalt haben; denn in dem gleichen Tempo wie die französisch-russische Freundschaft sich steigerte, hat sich Frankreichs Freundschaft zu Polen vermindert. Auch die früher so engen Beziehungen zwischen Paris und Jugo slawien haben sich in letzter Zeit doch erheblich getrübt, da man in Belgrad mit wachsendem Mißtrauen auf Italien siebt, — und gerade mit Mussolini versucht Herr Barthou ganz besonders intim zu werden! Mit dem Eintritt Sowjetrutzlands in den Völkerbund ist nun aber auch dieser Staat in jene Front eingegliedert worden, die unter dem Anschein der Friedenserhaltung in Europa jeden Wunsch nach Revision des Versailler Diktats als Friedensstörung bezeichnet und behandelt. Bis vor nicht allzu langer Zeit hat man in Moskau eine gegenteilige Haltung in dieser Frage beobachtet, doch hat der Druck vom Fernen Osten her einen völligen Umfall berbeigeführt. Und schon sieht sich Frankreich genötigt, in Tokio beruhigende Erklärungen über die neugebackene Freundschaft mit Rußland abzugcben. Sie wird auch von Japan Wohl kaum überschätzt werden, weil man dort nicht mit Unrecht der Vermutung sein darf, daß der Völkerbund oder vielmehr das, was von ihm noch übrig ist, durch die Aufnahme Rußlands einen überaus schweren Stoß er fahren hat. Und viele derartige Stöße vertrügt er wirk lich nickt mebr! Verheerendes MM im Erzgebirge Hagel und Hochwasser. Ucber das östliche Erzgebirge ist am Montagnachmit tag ein außerordentlich heftiges Unwetter, verbunden mit Hagelschlag und Wolkenbruch, niedcrgcgangcn. Am schwersten wurden die Orte Niedersraucndorf und Reinhardtsgrimma sowie die Gegend von G l a S- Hütte betroffen, wo viel Vieh ertrunken ist. Von Dresden ans ist Technische Nothilfe, von Dippoldiswalde aus Feuerwehr und SA.-Mannschaften zur Hilfeleistung eingesetzt worden. Die Wasser des Prießnitzbaches bei Glashütte stiegen innerhalb von zehn Minuten um drei Meter. Auch all: übrigen Gebirgsbäche führten ungeheure Wasscrmassen zu Tal, Geröll, Baumstämme und Zäune mit sich reißend. Das Familicnbad Kohlsruhe ist vollständig zerstört. Wie sen und Felder, Keller und Grundstücke wurden über schwemmt. In der sechsten Nachmittagsstundc war die größte Gefahr vorüber. Menschen sind, soweit bisher bekannt, nicht zu Schaden gekommen. Doch wird der Sachschaden allein in der StadtGlashütte nach vor sichtiger Schätzung auf mindestens 200 000 NM. ange geben. In Niedersraucndorf wurde eine Brücke zerstört und ein Autoschuppen abgeschwemmt. Außerordentlich schwer ist auch die Gegend von Luchau durch das Unwetter hcimgcsucht worden. Gegen 18 Uhr traf bei der Landesführung Sachsen der Technischen Nothilfe von der Amtshauptmannschast Dippoldiswalde die Forderung auf Einsatz der Teno ein. In kürzester Frist wnrden die Nothelfer der Ortsgruppe Dresden in einzelnen Trupps mit Lastkraftwagen in die betroffenen Ortschaften befördert unter Mitführung eines großen Werkzeug- und Geräteparks. Auch die Ortsgruppe Pirna wurde von der Landessührung mir eingesetzt. Zur Zeit sind im Unwettergebiet rund hundert Nothelfer tätig. Noch 5 Stunden nach dem Unwetter im östlichen Erzge birge lag der Hagel hoch aufgeschichtet aus den Feldern. Be sonders stark wütete das Hochwasser im Tal des Oberfrauen- dorser Wassers und des Lungwitzbaches. In Ober- und Nie- derfrauendors und Reinhardtsgrimma tonnten sich viele Be wohner nur mit Mühe retten. Viel Vieh ist ertrunken. Die Straße, die durch diese Orte talwärts führt, ist an verschie denen Stellen weggerissen, an einer Stelle nahezu völlig zer stört. Da in Niederfrauendorf auch die Brücke der Bezirks- strasze Dippoldiswalde—Glashütte weggespült wurde, ist die direkte Verbindung zwischen diesen beiden Orten unterbrochen. Sofort nach Bekanntwerden des Unglücks eilten die Feuer wehren der Umgebung herbei, bargen, soweit möglich, das Vieh, räumten die Wvhnräume aus und pumpten die Keller leer. Auch die SA. wurde alarmiert und half tatkräftig mit, wie überhaupt die Hilfsbereitschaft außerordentlich groß war. Bis in die Nacht hinein wurde emsig gearbeitet. Besonders schwer heimgesucht wurde auch das Waldcafs in Niederfrauendorf mit der danebenstehenden Schmiede. Hier haben die aus drei Tälern zusammenströmenden Wassermengen alles, was nicht niet- und nagelfest war, mit sortgerissen. Zwei Schuppen wur. den zerstört und ein Schuppen mit einem darin stehenden Kraftwagen etwa 50 Meter weit sortgerissen. * Zwei Arbeiter vom Blitz erschlagen Während des am Moniagnachmittag über Chemnitz niedergegangenen Gewitters ereignete sich in der Sied lung am Fischbach auf dem Gelände der ehemaligen Ma schinenfabrik Hartmann ein schwerer Unglücksfall. Die auf einem Gerüst arbeitenden Maurer Kurt Frank, Willy Kcd- zierski und Kurt Unger, sämtlich aus Chemnitz, wurden vom Blitz getroffen und mußten in das Krankenhaus cin- gcliefert werden, wo die beiden Erstgenannten bald dar auf ihren Verletzungen erlagen, während Unger schwer verletzt darniederliegt. Mr M wider die SWjet-Umn. „Es ist gefährlich, Wasser und Feuer versöhnen zu wollen." Die Genfer Aussprache um den Eintritt der Sowjetunion. Nur selten hat man in Genf eine Spannung erlebt wie am Montag, als die Sitzung des Politischen Aus schusses durch den Präsidenten Madariaga eröffnet wurde Auf der Tagesordnung des Ausschusses steht bekanntlich die Prüfung des Eintritts der Sowjet! union in den Völkerbund. Der Andrang war ungeheuer. Als erster Redner sprach der portugiesische Au ß e n m i n i st e r Da Mata. Er begründete mit deut lichen, aber vorsichtigen Worten dieablehnendeHal- tung seines Landes. Da Mata erklärte, daß der Eintritt Sowjetrußlands im Gegensatz zu den Ideen der zivilisierten Wett und im Gegensatz zur Idee des Völkerbundes stehen würde. Er sei überzeugt, daß die Sowjetunion nach ihrem Eintritt jene Propaganda noch wirksamer ge stalten könne, deren Ziel es sei, die Grundlagen der Staaten zu zerstören. Noch stärkere Beachtung als die Erklärung des por tugiesischen Delegierten fand die große Rede des schweize rischen ersten Delegierten, Bund es rat Motta. Die Schweiz sei stets eine grundsätzliche Anhängerin der Universalität des Völkerbundes gewesen. Die Schweiz habe aber bei aller Freundschaft zum russischen Volk niemals das gegenwärtige R e - giyrent anerkennen wollen. Sie sei entschlossen, auf dieser Haltung der Ablehnung und des Abwartens zu beharren. Im Jahre 1918 hätten sowjetrussische Agenten in der Schweiz sich an einem Versuch des Ge neralstreiks beteiligt und hätten ausgewiesen werden müssen. Die Schweiz habe sich schon deshalb entschließen müssen, den Eintritt Rußlands ihrerseits abzulehnen, als eine Jastimme gleichbedeutend mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen sein müßte. Motta stellte dann die Frage, ob eine Regierung, deren Wesen der expansive und kämpferische Kommunis mus sei, die notwendigen Bedingungen erfülle, um in den Kreis der Völkerbuudsmächte ausgenommen zu werden. Der russische Kommunimus, so stellte Motta fest, be ¬ deutet — aus dem Gebiete der Religion, der Moral, der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft — die gründ lichste Verneinung aller Ideen, aus denen unser Wesen und unser Leben beruht. Der wichtigste Gesichtspunkt für die Schweiz sei Rußlands Anspruch auf Durchsetzung seiner Ziele in der ganzen Welt. Der Einwand, daß die Sowjetunion mit seinen 160 Millionen Einwohnern nicht einfach beiseite gelassen werden könne, klinge zwar einleuchtend. Die Schweiz aber könne auf die Idee nicht verzichten, daß wenigstens ein Minimum von moralischer und poli tischer Verwandtschaft zwischen den Völlerbundstaaten bestehen sollte zugunsten des Grundsatzes der Univer salität. Bei allen patriotischen und nationalen Schweizern bestehe heute der gemeinsame Eindruck, daß der Völker bund etwas Gefährliches unternimmt, wenn er Wasser und Feuer vereinigen will. Vertrauen könne die Schweiz der Sowjetunion nicht, und sie könne sich auch nicht an einem Akt beteiligen, der Sowjetrußland ein bisher nie besessenes Ansehen verschaffen werde. Wir zählen darauf, daß alle anderen Staaten uns helfen werden zu ver hindern, daß Genf ein Herd zersetzender Propaganda wird. Wir werden wachsam sein. Der französische Außenminister Barthou versuchte die französische Haltung im Hinblick auf den Eintritt der Sowjetunion zu verteidigen. Es war bezeichnend, daß der französische Außenminister gezwungen war, wieder holt auf die Erklärung Sowjetrußlands in dessen Antwort auf die Einladung der Völkerbundsmächte zurück zukommen, in welcher die Russen sich verpflichten, sich den Bestimmungen des Völkcrbundspaktes zu unter werfen. Wenn man Rußland zurückstoße, so werde die bolschewistische Propaganda erst recht gefährlich werden und sich gegen Europa richten. Zum Schluß erklärte Barthou, daß England, Frank reich und Italien zusammen mit Polen die Verant wortung für die Aufnahme Rußlands auf sich nehmen. Dieser letzte Satz sand starke Beachtung. Nach Barthou sprach Eden als Vertreter Groß britanniens ganz kurz. Er brachte die Zustimmung seiner Regierung zur Aufnahme Sowjetrußlands zum Ausdruck. Englaud trete für die Universalität des Völkerbundes ein. und es sei daher auch der Meinuna.