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Dresdner Journal : 06.03.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189603061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960306
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960306
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-03
- Tag 1896-03-06
-
Monat
1896-03
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 06.03.1896
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Unter „Lingcsandt" die Zelle »o Ps Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Hcrau««t»er: Königliche Expeditcon de« Dresdner Journal« Dresden, Zwingerftr. »0 Gernspr.-Anschluß: Nr ^54. Freitag, den 6. März, abends. 18S6. Amtlicher Teil. TreSftev, 5. März. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Geheimen Medizinal rate, Generalärzte I. Klasse L In »uit« des Königlich Sächsischen SamtätSOffiziersKorpS, Professor l)r. meä. Bruno Gottlob Schmidt, Direktor des chirurgisch poliklinischen Instituts der Universität Leipzig, den Titel und Rang eines Geheimen Rate- in der 2. Klasse der Hoftangordnung zu verleihen. Srueuuuuge«, Bersttzuugeu re. tm öffentlichen Dienste. Tez>ar1r«ent «er Finanzen. Beider Postverwaltung sind ernannt worden: Friedrich Emil Müller, Emil August Schneider, Karl Eduard Berhard Hassmann und Ernst Otto Bottschalk, zeither Postajsistentcn, als Ober-Post- affisteatrn im Bezirke der Kaiser!. Ober-Postdircction zu Leipzig. tlichtamtlicher Teil. Tie Abänderung deS Sächsischen Wahlrechts ist heute von der Zweiten Kammer der Sächsischen Ständeversammlung endgiltig beschlossen worden. Daß der gegen die geplante Wahlrechtsänderung eingeleitete angebliche „Proteststurm" — der in Wahrheit trotz der von verschiedenen Seiten gemachten Anstreng ungen doch nie über ein ziemlich mildes Säuseln hinausgekommen war — geeignet sein würde, die sächsische Staatsregierung und die in ihrer Königs Irene und in ihrem Ordnungssinn bewährte Mehrheit der Kammermitglicder in wohlerwogenen Beschlüssen wankend zu machen, das haben wohl nur wenige mangelhaft Unterrichtete geglaubt. Eine Überraschung bedeutet also der heutige Beschluß der Kammer nicht. Trotzdem ist der heutige Tag ein solcher von erfreu licher Bedeutung An schönen Worten, an Hin weisungen auf die „drohenden Gefahren", an allerlei Untersuchungen und Anregungen läßt cs der Parla mentarismus unserer Tage bekanntlich nicht fehlen. Der heutige Beschluß der sächsischen Kammer aber ist seit langer Zeit die erste energische That eines Parlaments Verhältnissen gegenüber, die als unhalt bar von allen Einsichtigen und nicht im Nebel grauer Theorie Einherwandelnden längst erkannt worden sind. > — Daß die Abänderung, die die Kammermehr- heit an dem Gesetzentwürfe noch in letzter Stunde vorgcnommen und zu welcher die Staatsregierung sich zustimmend geäußert hat, ein Entgegenkommen im Sinne mehrfach geäußerter Wünsche bedeutet, ist offen bar. Das von gewisser Seite mit größter Skrupel- loigkeit in die Diskussion geworfene Schlagwort von der „Entrechtung des Mittelstandes" ist nach der heutigen Abänderung des Gesetzentwurfs, dcrzufolge schon alle diejenigen der zweiten Wählerabteilung an- zugehören haben, die an staatlicher Einkommen- und Grundsteuer zusammen 38 M. entrichten, noch gegen standsloser, als es bisher schon war. Über die Aufgaben der denlsche« Marine hat Staatssekretär v. Marschall in der Budget kommission des Reichstags ungefähr folgendes aus- gesührt: Unsere Kreuzerflotte sei zu schwach, 1885 habe sie 27 Schiffe betragen, jetzt sei sie aus 20 gesunken; wir seien gewachsen, aber die Kleider seien unS zu kurz geworden Ein Vater, der seinem lrästig wachsenden Kinde die Kleider ordentlich verlängere, werde gewiß nicht al- Verschwender angesehen werden dürfen Hier komme noch hinzu, daß die heute bewilligten Schiffe erst in Jahr und Tag fertig würden, bi« wohin andere Schiffe wieder unbrauchbar würden. Wenn alfo drei neue Kreuzer bewilligt würden, werde wohl die Qualität, nicht aber die Zahl, welche zu: Verfügung de» Auswärtigen Amtes stehe, sich ändern. Der Staatssekretär sorderte die Kommission aus, zur Erweisung seiner Behauptungen einen Blick aus die überseeische Welt zu werfen. In Süd- und Mittrlamerika habe Deutschland sehr große und wichtige Jntereflen, und trotzdem wären wir nicht in der Lage, dort einen Kreuzer zu haben Wir hätten im Jahre 18kl den Stationär in Wesiasrika zurückzieden müssen und könnten ihn - Z nicht erneuern In diesen Bedielen lebte eine große Anzahl von wirklichen ReichSangehSriaen, die etwa ans ivvooo Seelen geschätzt werden müßte Unser Handel dorthin betragt Hunderte von Millionen. Jni Jahre 1804 habe Hamburg allein nach Süd- und Mittelamerila Waren im Werte von 218 Millionen — det Hamburger Ausfuhrhandel« — au-- geführt; ringeführt nach Hamburg seien in demselben Jahre 4IL Millionen — deS gesamten Hamburger Eiasuhrhandel« — in Hamburg angekommen seien auS jenen Gebieten «St Schiffe mit 802000 TonS und ausgelaufen 530 Schiffe mit VÜ6850 DonS. Dazu trete eine fehr bedeutendeKüftenfchiffohrt, beträchtliche Kapitalien — in Venezuela fleckten in der Eisen bahn allein etwa 80 Million deutschen Kapitals deutsche Banken in Ehile, Argentinien, Brasilien —, große industrielle Unternehmungen, wie z. B neulich erst in Chile eine Bremer Gesellschaft zur Ausbeutung der Salpeterlager sich gebildet habe und der sünste Teil der großen Kaffceplantagen in Guatemala sich in deutschen Hände befinde Seit Jahren klagten Reeder, Exporteure und Importeure, daß sich dort keine deutschen Kreuzer sehen ließen, und gerade diese Männer hätten hiersür volles Verständnis, sie seien sriedliche Männer, die gewiß keine Kon flikte wünschten und genau wüßten, daß unsere Kreuzer — an statt Konflikte hcrvorzurusen — sie vermieden Dieser Mangel an Kreuzern schaffe einen unerträglichen Zustand, weil gerade in jenen Gegenden die staatlichen Verhältnisse vielsach unsicher seien, Revo lutionen, Bürgerkriege und Kriege zwischen den einzelnen Staaten nicht selten vorkämen Als 18S1 die Revolution in Chile au-gebrochen sei, hätten wir den Schutz unserer Interessen der englischen Marine übertragen müssen, da unser Kreuzer- geschwader hätte nach Qstasien gesandt werden müssen, von wo e- z Z. nicht zurückgcrusen weiden könne. Eintrrtendcnsall- würden wir dasselbe wie 1881 thun oder unsere Interessen schutzlos lassen müssen In Ostasien sei ja eine größere Anzahl unserer Krieg-schisse vorhanden, aber an eine Verringerung derselben sei in absehbarer Zeit nicht zu denken, und die Zeit sei sür immer dahin, in der zwei Kanonenboote („Iltis" und „Wolj") zum Schutze unserer Interessen genügten Zwar sei der Friede zwischen China und Japan geschloffen, aber dir Dinge seien noch im Werden, und die Frage der Erschließung des großen chinesischen Reiches sei noch offen. WelchcS Interesse dabei alle Staaten hätten, ergebe sich daraus, daß alle dort zahlreiche Schiffe hätten, vier- oder fünfmal fo viel al- das Reich, das selbst dort nur sechs Schiffe habe. Während deS chinesisch-japanischen Krieges habe unser Ge schwader zwar nicht eingegriffen, aber gerade dies sei ein Beweis, wie nützlich seine bloße Anwesenheit gewesen sei. Die Befürchtungen unserer Angehörigen und Missionare in China während des Krieges seien sehr große gewesen; dem lye- schwader sei es zuzuschreiben, daß sic sich nicht verwirklichten. In einem Fall, wo rin Angriff aus eine Mission ersolgte, sei Remedur gewährt worden Dem Geschwader hätten wir eS zn- zuschieiben, wenn China eine Reihe von Forderungen, die wir seit Jahren fruchtlos betrieben hätten, nunmehr erteilt habe; es stehe zu erwarten, daß weitere Forderungen zum Schutze unserer Interessen erfüllt werden würden. Die Unzulänglichkeit unserer Marine mache sich auch im Mittelmeer fühlbar. Hier hätten wir zwar keine direk en politischen Interessen, aber angesichts der Verhältnisse in Kleinasien im vorigen Jahre sei cs doch bedauerlich gewesen, daß wir leine Kreuzer gehabt hätten, um unsere dortigen, in schwere Sorge versetzten Landsleute zu beruhigen. Daß das anwesend gew.senc Schulschiff „Moltke" zu einem eigentlichen Schutz ungeeignet sei, bcdürsc keiner Ausführung. Was endlich die Kolonien betreffe, so handele cs sich hicr nicht um den Schutz gegen etwaige Angriffe einer Seemacht im Falle eines Krieges mit uns. Es sei dies eine militärpolitische Frage, die wohl anderwärts als lokal entschieden werde Hier handele cs sich eigentlich nur um den Schutz unserer Autorität gegen Ein geborene. Dieser sei sehr mangelhast In der Südsce hätten wir zwei Kreuzer vierter Klasse („Falte" und „Bussard"» mit je 159 Mann Besatzung und cineni Landungscorps von 41 bis 50 Mann Beide hätten unsere Interessen in Samoa, Tonga, Hawaii, Marschallsinscln und Deutsch-Neuguinea zu schützen. Angesichts der unruhigen Zustände in Samoa müsse dort dauernd ein Schiff liegen und, wenn die Unruhen thatsächlich apsbrächen, alle beide. Dadurch entständen ost unhaltbare Zu stände in Neuguinea. Eine Zeit lang habe man Mord und Raub durch Eingeborene aus Mangel on Kriegsschiffen ohne Bestrafung lassen müssen nnd im vorigen Johrc hätten bereit« die Interessenten erwogen, ob sie nicht wegen dieser Unsicherheit einen Teil der Station eingehen lassen so-tcu. Uebcrdics wären dort ledeutende Missionsinteressen in Frage. I» Wcst- osriki hätten wir ein Kanonenboot und einen Kreiner, von denen abwechselnd immcr ein Schiff in Kapstadt Erholung suchen müsse. Für die geamte Wesiküst: mit unseren lrei Kvlonien, sür Ui s ren so stigen bedcu enden Handel, w e in Liberia und andcrcn Küsicngrdictcn, stände al o nur ein Kri g-- schiff zur Verfügung. Ohne maritimen Schutz müßten wir die Echutzlruppcn leträchllich vermehren, und wir wüidcn dabei doch nicht eine so zuverlässige Macht als in dem Kreuzer besitzen. In Ostasrika seien zwei Kicuzer zur Verfügung, von denen der eine schon Jahr und Tag in Delagoa Bap liege und schwerlich von dort werde zurückgezogen werd.n können. Also bleibe nur »i» Kreuzer für dir ganze Küste von 700 S'lcmrtern übrig. Seien auch jetzt die Zustände aus dem Fest'ande friedlich, fo fei doch große Gefahr vorhanden, wenn größere Expeditionen der Schutztruppe inS Innere gemacht werden müßten. Hiernach sei e- nochmals gesagt, daß unsere Kreuzerflotte nicht genüge, um unsere überseeischen Jntereflen in dem Rahmen ihrer vollen Berechtigung zu schützen Es sei also unmöglich, daß man bei dieser Kreuzerforderung der verbündeten Re gierungen auf den Gedanken kommen könne, al- ob wir da durch mit den großen seefahrenden Nationen, namentlich Groß britannien, in einen Konkurrenzkampf um die Suprematie zur See treten wollten. Die Rede de- ersten LordS der Admiralität, de- Hrn. Goschen, in London sordere zu deu 8 Schlachtschiffen, 11 Kreuzer und 40 Torpedo«, d. h. also 69 Schiffe, die im Bau seien, für die nächsten drei Jahre den Bau von noch 4S Schiffen. Die Auswendung für die Neubauten betrage dort seit 1880 ca. 55 Mill. Pfund Sterling. Angesichts solcher Forderung werde man die Bitte der verbündeten Regierungen nm Bewilligung von drei Kreuzern nicht al- eine unmäßige bezeichnen können. (Beifall) In der Debatte, die sich entspann, standen selbst verständlich die Sozialdemokraten und Hr. Richter fest zusammen! Letzterer erklärte mit dem ihm cigcncn komischen Selbstbewußtsein, die Zwecke der Marine feien nur „von fckundärer Bedeutung". Alle anderen Parteien waren erfreulicherweife einig. Die Abgg. Jebsen (ul.) nnd Müller-Fnlda (Z.) befürworten die Bcwillignng der Kreuzer, ebenso vr. Hammacher, der auSsührte, daß nach den Darlegungen des Staatssekretär- v Marschall niemand von Chau vinismus reden könne Graf Arnim und Or. v. JazdzewSki «Pole) traten für die Bewilligung ein Ter Referent I>r. Lieber wendete sich mit Schärfe gegen Richters Nufsassung, daß unsere Marine von sekundärer Bedeutung sei. Tie beiden Kreuzer wurden daraus gegen 5 Stimmen bewilligt, ebenso die erste Rate von üoocn o M. zum Bau des Kreuzers 4. Klosse 6. Bewilligt wurden auch die ersten Raten für ein TorpedodivisionSboot in Höhe von 873 000 M. und zur Her stellung von Torpedobooten 1 800 000 M. Bewilligt wurden ferner 350 000 M znr Beschaffung eines SiationSschiffes sür Konstantinopel Tie altrn und die nrurn Parteien. (6. 0) Tie alten Parteien haben sich „überlebt", da- ist ein unumstößliches Dogma mancher Leute, die entweder den Drang in sich spüren, eine neue Partei zu gründen, oder die al- „Parteilose" dahinzuwandcln vorziehen, weil das be- auemer nnd „manne-mutiger" ist, als sich der notwendigen Disziplin einer Partei zu sügen. Wir sind der Ansicht nicht, daß die alten Parterbildungen sich überlebt haben, wir sind vielmehr davon felsenfest überzeugt, daß sie heute so lebensfähig nnd sosrisch sind, wie nur jemals zuvor Ware an dem erwähnten Dogma etwa« Wahres, fo müßten dir neuen Parteien die altrn rafch nnd unaufhaltsam über flügeln; allei» davon ist absolut nichts zu merken. Das Wirken einer politischen Partei erstreckt sich bekanntermaßen nicht bloß aus die Agitation, sondern vor allem auf die positive Arbeit im gesetzgebenden Körper; nnd diese wird heute wie früher ausschließlich durch die alten „überlebten" Parteien geleistet. Will man lediglich den Umstand als Maßstab der Existenz berechtigung neuer Parteien gelten lassen, daß diese vermöge intensiver Agitation sich ziemlich rasch cincn relativ erheblichen Anhang zu schaffen verstanden haben, so ist das nicht richtig. Tie Agitation ist in sehr vielen Fällen keine ausbauende, sondern eine zerstörende Arbeit, und die Parteien, die aus schließlich agitatorisch wirken, kommen über kurz oder lang an dem toten Punkte an, drr sic zu d»r vcrzwciselten Frage nötigt: Was nun? Ja: was nun? Der Schwerpunkt in der Agitation der frischen, jungen Parteien, die den allen „überlebten" Konkur renten zeigen wollen, wie man im Deutschen Reiche Politik machen müsse, liegt in den Versprechungen Je größer der Wunschzettel jener Parteien ist, den sie im Namen ihrer Wühler der Regierung vorlegen, desto größer ist wohl ihr An dang, desto schwieriger aber auch ihre «tcllnng im Parlament. Aus sich allein eine Mehrheit im Reichstage zu schaffen, vermögen die neuen Parteien nicht, soweit kann deren Ehr geiz auch gar nicht gehen; denn cS wäre das Streben nach Un möglichem. Die Mehrzahl der deutschen Staatsbürger, die nicht zu der Sozialdemokratie sich rechnen, ist noch immcr übertriebenen Ver sprcchungen gegenüber sehr skeptisch. Nur der politische Neuling oder der gedankenlose, unerfahrene Wähler denkt bei solchen Versprechungen nicht auch daran, daß das Halten derselben doch die Hauptsache ist. Wie eS aber mit der Verwirklichung der Wunschzettel der neuen Parteien aussieht, das ist doch jetzt kein Geheimnis mehr, nachdem beispielsweise die Antisemiten schon einige Jahre Zeit gehabt haben, an die Verwirklichung ihrc« wtiischcchligeu Programms hcran- zntreten. Wir wollen das thalsächliche Wohlwollen jener Politiker, die der Bevölkerung durch mög'ichst weügehende „Forderungen" an Staat und Gesellschaft entgegenzukommen sich bestreben, hier nicht in Frage stellen. Zeigt man aber dem Volke mehr, al« zu erreichen ist, so ist man nicht ein Wohlthäter desselben, sondern ein Störensried DaS Volk ist alsdann mit der lang samen aber stetigen Entwickelung, wie sie allein auf dem Boden des Bestehenden möglich ist, unzufrieden und der stetige Fortschritt in der Fürsorge für die wirtschaftlich Schwachen wird gehemmt Das ist aber gerade der Vorzug der alten Parteien vor den neuen, daß sie zwar ferne Ziele in- Auge fassen, daß sie dabei aber mit praktischem Blicke in erster Linie da- Nahe liegende zu erreichen trachten, um etappenweise vorwärt- zu gehen. Mit raschem VorwärtSstürmen, mit Ungeduld und Uv gcstüm erreicht man selten in der Politik etwas Bleibendes Auch neue Parteien werden, sobald sie im Parlament an« po sitive Arbeiten gehen, die Richtschnur der alten Partei nehmen müssen; sie können zwar, wenn sie stark genug sind oder die nötige Unterstützung anderwärts finden, flammende Re solutionen oder weltbewegende Anträge einbringen; allein sie können daS nur mit dem Bewußtsein, daß sie pro uibilo arbeiten. DaS allgemeine Wahlrecht Hot cs mit sich gebracht, daß die parlamentarischen Parteien mit den matericllcn Wünschen drr großen Masse stark rechnen müssen. Tie alten Parteien thatcn das auch schon in den Landtagen, ohne sich drängen zn lassen. Sic berücksichtigten gern die Wünsche der kleinen Leute, aber sie ließen sich nicht dazu herbei, selbst solche Wünsche aufzufinden und die Lust der Masse, immer weitgehendere Forderungen zu erheben, hervorzurufen. Die neuen Parteien suchen aber geradezu immcr neue Wünsche auszuspürcn und die Ersüllung al-dringende Notwendigkeit hinzustcllcn. Das ist ein bedenkliches Unternehmen; denn nach diesen Parteien kommen immcr neue, die das Ver sprechen noch besser verstehen, und die sich wegen des Haltens noch weniger den Kopf zerbrechen, als sie selbst cs schon thun, und am letzten Ende ist cs die Svzialrevolution, die den Gewinn dieses Wirkens der neuen Parteien cinstreicht. Wird also der Anhang der allen Parteien durch die Agita tionen der neuen Gebilde, soweit er nicht zuverlässig ist, ge mindert, so ist da« kein Vorteil sür das Vaterland, aber auch keiner für die neuen Parteien; denn diefer einmal mobili sierte Anhang wird auch für sie kein zuverlässiger sein, sondern stets denjenigen Agitatoren zulausen, die immer noch mehr nach ihrem Munde sprechen. Parteien, die sich thatsächlich überlebt haben, zcrsallcn ganz von selbst: daS zeigt das Schicksal des ehedem so mächtigen man- chestcrlichcn Freisinns. Auch der Anhang dieser Partei ist zum großen Teile in das sozialdemokratische Lager übergegangen, weil auch der Freisinn zu guterletzt den Schwerpunkt in der Umschmeichelung der Masten legte. Wir halten also dasür, daß die „überlebten" alten Parteien, soweit sie sür eine stetige Ent wickelung unseres Vaterlandes, insonderheit auch aus dem Ge biete des Schutzes der wirtschaftlich Schwachen eintreten, noch immer nicht allein existenzberechtigt sind, sondern sogar die besten Garantien für den Bestand unserer heutigen StaatS- und Gesellschaftsordnung bilden Tagesgeschichte. Tres-cu, ti. März. Se. Majestät der König nahmen im Laufe des heutigen Vormittags die Vor träge der Herren Staatsminister und militärische Meldungen im Nesidenzschlosse entgegen. — Zur Feier des ->0jährigen MilitärdicnstjubilänmS Sr. König!. Hoheit des Prinzen Georg, Herzogs zu Sachsen, werden morgen, Sonnabend, nachgenannte Fürstlichkeiten in Dresden eintreffen: I) Se. Kaiser!, und König!. Hoheit der Erzherzog Otto von Österreich, vormittags 9 Uhr -13 Min., in Begleitung des Obersten Graf Auersberg und des Kammer vorstehers Rittmeisters und Kämmerers Graf Cavriani; 2) Sc. Hoheit der Erbprinz von Sachsen Meiningen, nachmittags 3 Uhr -'»7 Min., in Be gleitung des Generalstabsoffiziers Hauptmanns Graf v. Pfeil und Klein-Ellguth und 3) Se. Hoheit der Prinz Ernst von Sachsen-Altenbnrg, abends 8 Uhr 43 Min., in Begleitung des Flügeladjutanten Hauptmanns v. Sydow. Ter Durchlauchtigste Erzherzog Otto wird im Prinzlichen Palais Zinzendorfstraße abtreten, während Ihre Hoheiten der Erbprinz von Sachsen- Meiningen und der Prinz von Sachsen- Altenburg im Königl. Residenzschlosse Wohnung nehmen. Knust nnd Wissenschaft. Der Gesangsarzt. Ärztliche Bemerkungen zur Gesangslchre von vr. wvcl. Georg Avcllis. Tie Frage, welchen Nutzen der Gesangslehrer und der Sänger auS der Kenntnis des anatomischen Kehlkopf- baueS und seiner physiologischen Funktion ziehen kann, ist bisher eine offene geblieben Merkwürdigerweise bieten die meisten Gesangsschulen, so z. B die populäre „GesangS- schule" von Herm. Zopfs, die „Gymnastik der Stimme" von OLkar Guttmann, ferner „Sprache und Gesang" von E Neelam und ähnliche Werke eine ziemlich ausführliche Beschreibung des Kehlkopfes und seiner Adnexe, ja an einzelnen Konservatorien und bei manchen Privatgesangs- lursen werden von Ärzten spezielle Vorlesungen über den Bau und die Funktionen deS menschlichen Kehlkopfes ge halten (so z. B. von Vr. H. Jaehn in Berlin und vr. Garnault in Paris), während das neueste große und umfassende Handbuch der GesangSlehre von Iffert die anatomische Beschreibung und die physiologischen Be trachtungen über die menschlichen Stimmorgane ganz sortläßt. Es verlohnt der Mühe, diesen Zwiespalt nicht bloß au» rein pädagogischen und wissenschaftlichen Gründen zu beleuchten, sondern auch wegen des hochwichtigen praktischen Jntcresse«, da» der Lehre vom Kunstgesange aus weiten Kreisen entpegengebracht wird. Ehe nur den Kern der Frage berühren, wollen wir nur zunächst einmal zusehen, wem denn die medizinischen Kenntnisse der Stimmorgane beigebracht werden sollen 2Lrr alles will nicht heute Gesang studieren, be sonder» in Deutschland! DaS Studienmaterial rekru tiert sich au» den verschiedensten Gesellschaftsreisen Wie soll aber ein medizinischer Lehrstoff beschaffen sein, der zwar allen Schülern gleichmäßig fremd und unver ständlich ist, der aber von dem einen gar nicht, auch nicht in Jahren, von dem anderen nur soweit begriffen werden kann, als Laien überhaupt, ganz besonders aber ohne Vor kenntnisse der einfachen medizinischen und physiologischen Grundbegriffe, medizinische Lehren über einen einzelnen Körperteil begreifen können. Dazu kommt, daß der Lehrer, d. h. in 10V Fällen S9 Mal, auch ein Laie, oft selbst nur oberflächliche und laienhafte Kenntnisse besitzt, — ja, ich behaupte, nur besitzen kann Denn ich halte die Forderung, die z. B. Garnault ausstellt, daß der Gesangslehrer nicht bloß alle sein Fach betreffenden theoretischen und technischen Fertigkeiten und Forschungsergebnisse beherrschen muß, sondern auch über die einschlägigen anatomischen, physio logischen und medizinischen Kenntnisse verfügen soll, ein schließlich der Fertigkeit im Kehlkopfspiegeln, für nahezu unerfüllbar. Ein ausgebildeter Cpezialarzt für Kehlkopf- leiden braucht 5 Jahre medizinischen Vorstudiums und dann einer mehrjährigen spezialärztlichen, technischen und wissenschaftlichen Ausbildung, um nur den landläufigen gewöhnlichen Anforderungen genügen zu können Wieviel Zeit und Geldaufwand müßte also ein gewissenhafter Ge sangslehrer allein auf diese» kleine Spczialkaprtel seines Fache» verwenden, um wenigsten» nicht allzu oft bla miert und vom Kehlkopfarzte desavouiert zu werden? . . Soviel zunächst von den Personen, Schülern wie Lehrern. Wa» den Lehrstoff selbst betrifft, wo ist da ein Anfang und ein Ende? Zum Singen gehört bekanntlich nicht bloß der Kehlkopf, sondern auch gute Lungen, ge sunde Luftröhre, geübte» Zwerchfell, freie Nase und Nasen rachenraum, die Nebenhöhlen der Nase und viele» andere Also müßten alle diese Teile in ihrem anatomischen Bau und ihren LebenSsunktionen von den Gesang»schülern studiert werden. Neclam ist in dieser Hinsicht wenigsten» ziemlich konsequent, indem er nicht bloß alle diese Teile abbildet, ihrc Nerven und Mu»kel bespricht, sondern auch die dazu gehörigen Gehirnwindungen darstellt, ja auch die Sprache der Tiere (!) und deren mimische Bewegungen in da» Gesangsstudium mit cinbezicht. Garnault beschreibt nicht nur, wie die anderen Lehrbücher, das Kehlkopf- spicgrlbild, sondern er lehrt seine Schüler auch den Ge brauch des Laryngoskops an sich selbst und anderen Personen. Versteht aber der schon etwas vom vielgestaltigen Kehlkopf leiden, der einmal bei einem lebenden Phantom die Stimm bänder gesehen hat ? Dann verstände ja auch jeder Laie etwas von Nervenleiden, der einmal einen Neroenkramps mit angesehen hat Und noch neue Gründe drängen sich heran, die immer klarer beweisen, wie nutzlos dem Sänger alle die physiologischen Kenntnisie sind, die über da» Niveau einer höheren Bürger- schulc herauSgehen Bis zu den vorjährigen Untersuchungen OcrtelS, der die Schwingungen der Stimmbänder m den verschiedenen GesangSregistern mit dem stroboskopischen Notierapparat beobachtete, waren alle Angaben über die Stimmritzensigur bei den Falsettstimmen rc. in sämtlichen Lehrbüchern falsch Trotzdem ist früher wie jetzt da» Falsett richtig gebildet worden. Kann es einen schärferen Gradmesser geben für die Nutzlosigkeit und Unfruchtbarkeit, feinere medizinische Lehren, vor allem die Kehlkopsspiegel- methode, dem Gesangsunterricht zu Grunde »u legen? Freilich, ein Sänger hat den heutigen Kehlkopfspiegel er funden, und dieser Sänger Garcia hat zum erstenmal überhaupt die Stimmbändcrbewcgung beim Singen im Spiegel beobachtet. Also, könnte man gedankenlos schließen, gehört der Kehlkopfspiegel nicht bloß den Medizinern, sondern auch den Sängern. Mit Nichten Die Entdeckung de» Sänger» Garcia war zwar von entscheidender und unermeßlicher Bedeutung für die Ärzte und deren Kranke, aber unbedeutend für den Gesang. Auch vor dem Jahre 1854 hat man gut und kunstgerecht gesungen, ja, wie vielfach von fachmännischer Seite geklagt wird, besser und formvollendeter al» heute, aber eine spezialärzftiche Be handlung de» Kehlkopfe» hat e» nicht gegeben Diesem unvergeßlichen Sänger verdanken alle Halsärzte übcrhauzt erst ihre DoscinSmöglichkeit, die Gesangslehrer nur eine Bereicherung ihres theoretischen Wissens Ganz anders gestaltet sich das Verhältnis zwischen medizinischer Bildung und Gesangsschule, sobald wir diese zwei grundverschiedenen und selbständigen Disziplinen den beiden dazu berechtigten Vertretern zuerkennen. Die Stimmentechnik dem Lehrer, die normalen wie krankhaften Stimmfunktioncn dem Arzte Der Arzt soll gehört werden, bevor überhaupt ein systematischer Unterricht beginnt und ferner bei jeder Störung der Stimmenfunktion oder rich tiger bei jedem Defizit der vom Lehrer zu fordernden Normallcistung. Wenn wir unS den gewöhnlichen Gang vorstellen, den der Besitzer einer guten oder sehr guten Gesangstimme cinschlägt, so vollzieht sich derselbe oft so, daß, nachdem die mehr oder minder urteilslose Um gebung den Stimmbegabtcn ermutigt, ein Konservatorium oder ein in seiner Gegend berühmter Lehrer ausgesucht wird. Dieser hört einige Proben an, verkündet dann dem Kunstjünger, der das in der Kehle steckende Gold schon in gemünzten Hausen vor sich liegen sieht, daß Material vorhanden wäre, aber keine Spur von Methode und Kunst. Nun werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, Schulden gemacht, feste Stellungen verlassen rc. und mit Energie die Studien ausgenommen So gehen I bi» 2 Jahre mit Vorübungen hin „Rollen" hat das junge Fräulein noch keine bekommen Dagegen kommen Stör ungen aller Art, Kopfweh, Abspannung, Aufregungen, Mutlosigkeit, Stimmstörungen, vorzeitige Ermüdung und dergleichen, kurz, man wird kuriert mit den Ratschlägen dc» Gescmglehrer», der Mitstudierenden, der Pensionk- halterin, auch einmal eine» in der Nähe wobnenden, in dieser Spezialität unbewanderten Arzte» uno so rückt Schritt für Schritt jene berüchtigte Nervosität der Sänger innen (und auch Sänger) heran, die alle« Glück um sich herum au»lüscht, welche die Stimme zittern macht, gerade wo sie fest sein sollte, die die Zuversicht in da» endliche Gelingen zerstört
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