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»» Jahrgang. J-184 Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. 5 Uhr für den !! Mittwoch, de« 11. August Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile 1 FKFKUH oder deren Raum 15 Pf. ^W V' Außen wie nach Innen auch selbst gegen jede Gefahr für seine rüstige Entwickelung am besten gesichert. Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird dieser Monat August denkwürdig sein n der Geschichte Europas, nicht nur weil in diesen Tagen die Fundamente des Weltfriedens gefestigt, sondern auch allem Vermuthen nach die Linien von neuem abgesteckt werden, auf welchen sich die europäische Politik demnächst zu bewegen haben wird. Tagesschau. Freiberg, den 10. August. Bei herrlichstem Wetter traf zum Besuche des deutsche« Kaisers am Sonntag Abend in Bad-Gastrin der Kaiser von Oesterreich ein; derselbe wurde von der Bevölkerung des Kur« ortes und von den Badegästen, welche Kopf an Kopf den Straubinger Platz anfüllten, jubelnd begrüßt und vor dem Badeschlosse von dem Prinzen Wilhelm von Preußen, dem Fürsten Bismarck, dem deutschen Botschafter Prinzen Reuß, dem Oberhosmeister Baron NopSka, dem Statthalter Graf Thun und dem Gefolge des Kaisers Wilhelm empfangen. Kaiser Franz Josef trug die Uniform feine- preußischen Kaiser- Franz-Garde-Grenadierregiments mit dem Grobkreuze de- Schwarzrn Adler-Ordens, Prinz Wilhelm diejenige seine- österreichischen Hufarenregimcnts mit dem Großkreuze de» StefanordenS. Der Kaiser schritt, sobald er den Wagen ver lassen hatte, auf den Prinzen Wilhelm zu, umarmte und küßt« denselben zweimal aus das Herzlichste, drückte dem Fürsten BiSmarck wiederholt warm die Hand, richtete an mehrere Herren vom Gefolge deS Kaisers Wilhelm huldreiche Ansprachen und begab sich darauf in das Badeschloß, wo er am Fuße de» Treppenvestibules von dem Kaiser Wilhelm in der Uniform seines österreichischen Infanterieregiments und mit dem Bande des Stefanordens, und von der Kaiserin Elisabeth, die sich bereits ^/«7 Uhr in die Wohnung des deutschen Kaisers begeben hatte, erwartet wurde. Beide Monarchen umarmten und küßten sich wiederholt. Kaiser Franz Josef begrüßte darauf auch seine Gemahlin; hierauf zogen sich die Majestäten in die Gemächer des Kaisers Wilhelm zurück. Nach etwa 20 Minutm verließ die Kaiserin Elisabeth das Badeschloß und fuhr nach ihrer Wohnung in der Villa Meran zurück. Kaiser Franz Josef begab sich zu Fuß, vom Statthalter Grafen Thun geleitet, noch seinem Absteigequartier im Hotel Straubinger. Während der österreichische Monarch dort die Gemeinde vertretung von Gastein empfing und mehrer« Personen durch Ansprachen auszeichnete, war der deutsche Kaiser auf den Balkon des Badeschlosses getreten und von der auf dem Strau binger Platze versammelten Menge mit Hoch- und Hurrah- rufen begrüßt worden. Der Kaiser Franz Josef salutirte lächelnd vor dem Kaiser Wilhelm, welcher seinerseits dem Kaiser Franz Josef herzlichst zuwinkte. Das Publikum be gleitete den Vorgang mit lange anhaltenden Jubelrufen. Beide kaiserliche Majestäten zogen sich darauf in ihre Gemächer zu rück. Kurz darauf stattete Prinz Wilhelm im Namen des Kaisers Wilhelm dem österreichischen Monarchen einen Gegen besuch ab. Um halb 9 Uhr Abends begab sich der Kaiser Franz Josef mit dem Prinzen Wilhelm nach dem Badeschloffe zurück und nahm daselbst den Thee ein, woran auch der Ober hofmeister Fürst Hohenlohe und der Botschafter Prinz Reuß theilnahmen. Gegen 9'/, Uhr kehrte Kaiser Franz Josef, von dem Prinzen Wilhelm begleitet, und unter abermaligen enthu siastischen Kundgebungen der auf dem Straubinger Platze ver sammelten Menge nach dem Hotel Straubinger zurück. Die für den Abend beabsichtigte Illumination der Stadt und Be leuchtung der umliegenden Höhen wurde auf den 17. August, den Vorabend des Geburtsfestes des Kaisers von Oesterreich, verschoben, an welchem Tage derselbe nochmals in Gastein er wartet wird. — Gestern Vormittag 8^, Uhr langte auch der österreichisch-ungarische Minister des Auswärtigen, Graf Kal- ' noly, im Hotel Straubinger im Wildbad Gastein an, ' wo eine halbe Stunde später der deutsche Reichskanzler ohne jede Begleitung erschien. Dieser Besuch dauerte etwa zehn Minuten, worauf Fürst Bismarck einen längeren Spaziergang machte, während Graf Kalnoky vom Kaiser Franz Josef in einstündiger Audienz empfangen wurde. Um 11 Uhr begab sich der Letztere, der kurz vorher die österreichische Kaiserin in der Villa Meran besucht hatte, zu Fuß, in preußischer Generalsuniform, begleitet vom Flügeladjutanten v. Fließer, : nach dem Badeschloß zum Kaiser Wilhelm. Nach halbstün digem Aufenthalte ging der österreichische Monarch nach dem > Schwaigerhaufe, wo demselben der Fürst und die Fürstin > Bismarck im Garten vor dem Hause entgegenkamen und ihn be. i grüßten. Der Kaiser blieb etwa eine halbe Stunde und wurd^ mochte, seit es sich einmal wieder auf den abschüssigen Weg zur Eroberung Konstantinopels und zur Unterwerfung der Balkan-Halbinsel begeben, nicht mehr die rechte Stimmung und Fühlung zu Oesterreich und Deutschland zu gewinnen. 'Es scheint aber, wenn man aus den Kissinger Konferenzen zwischen, dem Grafen Kalnoky und dem Fürsten Bismarck einen Schluß ziehen darf, in der diplomatischen Welt nöthig oder doch wünschenswerth gewesen zu sein, die Freundschaft beider Staaten und das Gefühl, daß sie keines anderen Bünd nisses bedürften und sich allein stark genug fühlten, den Frieden aufrecht zu erhalten, gerade jetzt besonders zu betonen. Die An wesenheit des Fürsten Bismarck in Gastein giebt der dies jährigen Zusammenkunft der beiden Kaiser ihr eigentliches Ge präge. Besonders ist es aufgefallen, daß der deutsche Reichs kanzler seinem von schwerer Krankheit kaum genesenen Sohn, den Staatssekretär Graf Herbert Bismarck, plötzlich nach Gastein «berufen hat, was doch darauf hindeutet, daß Fürst Bismarck umfangreiche und wichtige Arbeiten erwartet, zu deren Be wältigung er der Unterstützung seines ersten Mitarbeiters bedarf. Sonst vollzieht sich die Begegnung der Kaiser von Deutschland und Oesterreich so einfach und unpolitisch wie möglich. Alles wird ferngehalten, was auf einen besonderen Staatsakt schließen lassen könnte, und die beiden Monarchen treffen sich, wie zwei langjährige Freunde, denen es ein Herzensbedürfniß ist, sich alljährlich die Hände zu schütteln und in persönlichem Gedankenaustausch die alte Freund schaft zu erneuern. Diesmal wurde ein sehr umfangreicher Apparat in Bewegung gesetzt und es geschah Alles, um der Welt, die Anfangs geneigt war, auch in der dies jährigen Gasteiner Zusammenkunft nur eine sich seit Jahren wiederholende, gegenseitige Freundschaftsbezeugung der beiden Kaiser zu erblicken, die Ueberzeugung beizubringen, daß etwas Besonderes im Werke ist. Es macht ganz den Eindruck, als sollten Rußland und Frankreich darüber aufgeklärt werden, daß der deutsch österreichische Bund nicht nur unverändert fortbesteht, sondern daß erfolgreiche Anstrengungen gemacht worden sind, ihn noch inniger und unerschütterlicher, als bisher schon, zu gestalten. Die offiziöse Wiener „Polit. Korrespondenz" brachte am Vorabend der Kaiser-Zusammenkunst einen be deutsamen Artikel, der kein Hehl daraus machte, wem die Begegnung in Gastein einen heilsamen Respekt einflößen soll. Der sehr ernst gehaltene Artikel besagt: „Daß dies mal die Kaiser-Begegnung unter Assistenz der beiden leiten den Staatsmänner in Gastein stattfindet, deutet allerdings auf Beweggründe besonderer Natur. Es schien dem lang jährigen Freundschaftsverhältniß beider Mächte, das siä schon wiederholt bewährt hat, zu entsprechen, demselben bei den mancherlei vorhandenen Strömungen und Versuchen der Beunruhigung ein offizielleres Gepräge zu geben und die politischen Abenteurer daran zu erinnern, daß die beiden Staaten in aller Form fest zu einander halten und auch gesonnen sind, fest zu einander zu stehen, wenn im Süd osten oder Westen Europas sich eine Lawine in Bewegung setzen sollte. Im Uebrigen wird diese Begegnung Nie Die Kaiser-Begegnung in Gastein. Die Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland und Oesterreich, die soeben in Bad Gastein unter Theilnahme der leitenden Staatsmänner beider Reiche sich vollzogen hat, zog diesmal ganz besonders die Aufmerksamkeit aller Politiker auf sich, weil man bei der jetzigen Lage davon nicht nur für die innere Ruhe und gedeihliche Entwickelung der verbündeten Staaten, sondern auch für den allgemeinen Völkerfrieden die besten Folgen erwartet. Seit Jahren schätzt man diesen persönlichen Meinungsaustausch zwischen den beiden Monarchen als eine feste Fricdensbürgschaft und weiß es zu schätzen, daß dieselben die alten Gegensätze vollständig vergessen haben. Nichts hat seit 1872 in den großen entscheidenden Dingen das Freundschaftsverhältniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn getrübt; dem Auslande gegenüber haben sie eine unerschütterliche Einheit gebildet. Da sie nicht daran dachten, Eroberungskriege zu führen, hat ihre Vereinigung, weil sie die stärkste Kraft in Europa darstellte, auch die größte Anziehung ausgeübt. Rußland, Italien, England haben sich ihr anzuschließen ge sucht. Der Wechsel der englischen Ministerien, der immer einen Umschwung auch der äußeren Politik herbeiführte, hat einen offenen und dauernden Beitritt dieser Macht zu dem Zwei-Kaiserbündniß bisher unmöglich gemacht; Italien hat sich, weil seine unruhige Phantasie nach zu vielen Zielen zugleich ausschaut, niemals ganz die Hände binden wollen; Rußland, das eine Weile der Dritte im Bunde war, ver md Tageblatt Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg nnd Brand Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Ein bezeichnendes Ergebniß hat die diesmalige Kaiser- gegegnuna schon gehabt; die noch vor Kurzem überlaute lanslavistische Hetzpresse ist theils verstummt, theils lenkt »ieselbe Plötzlich auffallend ein. Vor Kurzem noch wollten >ie Panslavisten Oesterreich durch Versprechungen zu sich zerüverziehen und damit den deutsch-österreichischen Friedens- >und, der ihrer Eroberungsgier unüberwindliche Hindernisse in den Weg legt, sprengen. Rußland wollte gleichzeitig mit Frankreich in eine nähere Verbindung treten, um dadurch Deutschland in Schach zu halten und zu lähmen. Die Kissinger Begegnung hat durch diese sonderbare Rechnung einen dicken Strich gemacht und jetzt bleibt Rußland, wenn es nicht wieder in eine vollständige diplomatische Ver einsamung gerathen will, nichts übrig, als alle abenteuer- lichen Pläne aufzugeben und sich dem mitteleuropäischen Bunde anzuschließen. Die Abreise des Ministers v. Giers in's Ausland, so lange aufgeschoben, wird denn auch schon für die nächsten Tage in bestimmte Aussicht gestellt und eine Begegnung mit dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Kalnoky dürfte den Wiederanschluß Rußlands an die Friedens- Politik der Zentralmächte zur Folge haben. Um welchen Preis allein Rußland sich wieder mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn verständigen kann, ist ziemlich offenkundig. Wie gering auch die Interessen des deutschen Reiches in der Türkei sein mögen, zum Vortheil des Deutschthums im Ganzen wäre es jedenfalls nicht, wenn die Balkanhalbinsel in die Hände Rußlands fiele. Unsere Freundschaft gegen Rußland mag uns bestimmen, die Vergewaltigung des Deutschthums innerhalb der russischen Grenzen schweigend hinzunehmen; aber die Welteroberungspläne des Panslavis- mus auf Kosten des Deutschthums zu unterstützen — dieser Preis wäre uns für die russische Freundschaft entschieden zu hoch. Wie große Bedeutuna die leitenden Staatsmänner Europas der diesmaligen Kaiser-Zusammenkunst für die Gestaltung der Dinge im Orient beilegen, geht daraus hervor, daß auch der italienische Minister des Auswärtigen, Graf Robilant, nach Gastein geht. Der italienische Staatsmann, der für die Einheit seines Vaterlandes auf dem Schlachtfelde einen Arm verloren hat, ist erst durch einen vieljährigen Auf. enthalt in Wien zu einem Freunde des deutsch-österreichischen Bündnisses gemacht worden. Er setzt die Politik seines Vorgängers Mancini fort, welche in dem Anschlusse an die beiden zentralen Kaisermächte den Vortheil Italiens er blickte. Man sagt, die Vereinbarung, mittelst welcher dieser Anschluß bewirkr wurde, laufe im März des künftigen Jahres ab, und es sei nun der Anlaß vorhanden, die Frist zu erstrecken. Mag aber eine solche zeitlich begrenzte Ver einbarung bestehen oder nicht, gewiß ist, daß der Leiter der auswärtigen Politik Italiens den Augenblick für ge kommen erachtet, um sich im persönlichen Verkehre mit dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Kalnoky über die weitere Route zu besprechen, welche nach der Kissinger Minister- und der Gasteiner Kaiserbegegnung Italien an der Seite Deutschlands und Österreich-Ungarns einzu schlagen hat. Wie die Wiener „Neue Freie Presse" sehr treffend bemerkt, könnte man die Gasteiner Fahrt Robilants am richtigsten als eine staatsmännische Rekognoszirungs- Fahrt bezeichnen, unternommen, um zu erfahren, ob auch nach den Ergebnissen der Kissinger Minister-Verhandlungen Italien noch in der Lage sei, dem deutsch-österreichischen Bunde asfiliirt zu bleiben. Graf Robiiant wird sicher finden, daß sich in dem Verhältnisse Deutschlands und Oesterreich-Ungarns zu Italien nichts geändert hat. Als Mitbeschützer des europäischen Friedens ist Italien nach mandem Besorgniß oder Mißtrauen einflößen können. Europa ist schon zu lange an die Friedenspolitik dieser beiden Staaten gewöhnt, als daß es sich von ihnen irgend- wie bedroht fühlen könnte. Die Gasteiner Entrevue dürfte vielmehr wesentlich zur Beruhigung der Gemüther beitragen und auch die öffentliche Meinung in dem übrigen Europa vieder in's Geleise zu bringen und somit wesentlich den bei >en monarchischen Regierungen thatsächlich vorhandenen Wunsch der Aufrechterhaltung des Friedens verwirklichen helfen. Von einer ernsten Bedrohung desselben ist nichts wahrzunehmen, wenngleich es nicht an Unterströmungen fehlt, welche auf kriegerische Pfade hindrängen. In den leitenden kreisen und den Spitzen der monarchisch regierten Staaten t der Wunsch, Frieden zu halten und alle entstehenden Differenzen auf den Weg diplomatischer Verständigung zu verweisen, zu aufrichtig, als daß das Ziel der österreichisch- reutschen Friedenspolitik zur Zeit als in Frage gestellt er- cheinen könnte."