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ZchimbniM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Soni- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. * und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 80 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. Sonnabend, den 26. Mai 118. 1883 *Waldcnburg, 25. Mai 1883. Wochenschau. Nach der Pfingstruhe sind wir unversehens in eine recht wenig friedliche, aufgeregte Zeitperiode hineingerathen, und die Kaiserkrönung in Moskau trägt noch dazu bei, dies unbehagliche Gefühl zu steigern. Mit Sorge verfolgt man, nicht nur in Rußland, sondern auch bei uns in Deutschland, das sich dem Nachbarreiche durch unseren Kaiser aller störenden Zwischenfälle eng verbunden weiß, die Ereignisse in Moskau. Ist auch der Einzug glück lich vorübergegangen, die Krönung am Sonntag steht noch aus, und der Umstand, daß die kaiserliche Familie nicht, wie es alter Brauch, im Kreml, son dern im Alexandrowski Palaste Wohnung genom men, giebt zu denken. Hoffen wir, daß Rußland, welches der grausigen Thaten in den letzten Jahren so Viele erlebt, von jetzt ab verschont bleiben Möge, hoffen wir, daß der Czar auch das Seinige thut, um im Lande durch Reformen Ruhe zu schaffen. Nölhig sind sie. Die drei Hauptfragen, welche in Deutschland den Mittelpunkt der politischen Discussion bildeten, waren: Der Kirchenstreit, die Reichstagsauflösung und ein eventuell bevorstehender Rücktritt des preußischen Ministers des Innern, von Puttkamer, von dem es schon lange hieß, vaß zwischen ihm einerseits und dem Reichskanzler und Minister von Scholz andererseits Differenzen beständen. That- sachen haben in dieser Beziehung bisher nicht vorge bracht werden können, und so muß denn einfach ab gewartet werden, was die Folgezeit bringt. Auch für eine Reichstagsauflösung liegt jetzt nichts Positives vor. Das Einzige, was als Beweggrund dafür dienen könnte, wäre eine Weigerung des Reichstages, den Etat pro 1884/85 zu berathen, und diese Weigerung ist bisher nicht erfolgt. Ein böses Zeichen für die Berathungen der kommenden Wochen ist allerdings der Umstand, daß gleich die zweite Sitzung des Hauses nach den Ferien wegen Beschlußunfähigkeit vertagt werden mußte, ein noch bedenklicheres aber der Umstand, daß diese Beschluß- unfähigkeil statthatte, als es sich darum handelte, die ersten endgiltigen Voten über die socialpolitischen Vor lagen zu geben. Klarer und deutlicher stellt sich die Sachlage in Bezug auf die Kirchenfrage. Sie ist einfach die: Die Kurie weigert sich, an Preußen irgend welche Zugeständnisse zu machen, so lange dieses nicht eine völlige Revision der Maigesetze bewilligt, und dies letztere verweigert man wieder in Berlin. Die Dinge sind also auf dem Standpunkt angelangt, wo es heißt: Biegen oder Brechen, und täuscht nicht Alles, so wird es der Bruch sein, welcher sich als nothwendige Consequenz ergiebt. Der leidige „Culturkampf" bildete auch in Frank reich den Hauptgegenstand der politischen Tagesord nung. Die Gegensätze sind dort äußerlich nicht so erkennbar, wie in Deutschland, im Prinzip aber stehen sich Staat und Kirche vielleicht noch schroffer gegenüber. Bei Nachwahlen zur Kammer haben die Gambettisten sich verschiedene Niederlagen ge holt. Einmal sind sie sogar den Conservativen — und das noch in Paris — unterlegen. Um die innere Lage Englands zu charaklerisiren, bedarf es nur eines Hinweises auf die Thatsche, daß die Königin Victoria ihren Schwiegersohn von seinem Posten als Generalgouverneur von Canada entband, weil die Fenier ihm nach dem Leben trach ten, um Rache für ihre in Dublin Hingerichteten Genoffen zu nehmen. Das ist so bezeichnend, daß man sich weitere Ausführungen ersparen kann. Englands früherer Gegner und jetziger Schützling, der Zulukönig Cetewayo, befindet sich in großer Noth. Er ist von rebellischen Häuptlingen ange griffen und geschlagen. Aus den übrigen Staaten — Rußland haben wir schon vorweg genommen, da es im Augenblick das allgemeine Interesse in Anspruch nimmt, ist nichts von Belang zu verzeichnen und was einer besonderen Berücksichtigung nothwendig erschiene. *WaIdenburg, 25. Mai 1883. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die deutsche Kronprinzessin mit ihrer Tochter Prinzessin Victoria befindet sich auf der Rückreise von Italien gegenwärtig in Paris und besichtigt daselbst eingehend die Kunstausstellungen. Sonn abend findet die Rückkehr nach Potsdam statt. Prinz Albrecht von Preußen ist mit der preu ßischen Mission am 24. d. Vormittag um 10 Uhr in Moskau eingetroffen. Da ein offizieller Empfang verbeten worden, waren auf dem Bahnhof nur die deutsche Botschaft, der deutsche Consul und Vertreter der deutschen Colonie anwesend, außerdem der Ge neralgouverneur, der Commandant des Hauptquar tiers, die Spitzen der Behörden und die beiden Herzöge von Strelitz. Prinz Albrecht trug die Uniform des Nitau'schen Dragonerregiments. Der Botschafter v. Schweinitz geleitete den Prinzen in seine Wohnung, woselbst bald sämmtliche Großfürsten zur Bewillkommnung erschienen. Die Begrüßung war eine außerordentlich herzliche. Prinz Albrecht dinirte am 24. d. bei dem Großfürsten Michael. Ueber das Verhältniß zwischen Berlin und Rom, wie es durch den letzten Notenwechsel ge schaffen, läßt sich der „Moniteur de Rome" in ge reizter Stimmung aus. Des langen Artikels kurzer Inhalt ist das schon bekannte Factum, Rom werde Zugeständnisse machen, wenn Preußen die Revision der Maigesetze bewilligt haben werde. Zum Schluß erklärt das Blatt, „der Vatikan habe beständig den religiösen Frieden auf der Grundlage gegenseitiger Zugeständnisse gewünscht. Wenn aber mit der hei ligen Messe und dem Sakramentespenden Handel getrieben werden solle, so würde der Vatikan beinahe versucht sein, auf die energische Sprache der Apo logie Tertullius zurückzugreifen." Dieser Artikel ist also so ablehnend Preußen gegenüber, wie nur mög lich, und mit der päpstlichen Antwort auf die Note wird es nicht viel besser sein. Zur Kaiserkrönung in Moskau läßt sich die „Prov.-Corr." folgendermaßen aus: „Ein Friedens fest im eminenten Sinne des Wortes wird die russische Kaiserkrönung überall da mitgefeiert werden, wo man sich der Sache der Ordnung und der fried lichen Entwickelung des Weltiheils überall verbunden weiß." Wenn nur seitens der russischen Regierung mehr geschähe, um dies Fest zu einem wirklichen Friedensfest zu gestalten. Allein von Reformen — keine Spur! Auf eine ihm vom Ausschuß der Hygiene-Aus stellung zugegangene Einladung hat der Reichs kanzler in einem Dankschreiben vom 17. Mai erwidert, daß sein Zustand es ihm nicht gestatte, die Ausstellung zu besichtigen. Wie der „Kön. Ztg." mitgelheilt wird, hat Fürst Bismarck seiner Umgebung gegenüber geäußert, die Auflösung des Reichstages werde erfolgen, wenn dieser das Budget nicht vor Schluß der l Session fertig stelle. i In der Dienslagssitzung des Reichstages hatte der Abg. Richler gelegentlich der Interpellation Jo- t hannsen auf angeblich herrschende Differenzen e zwischen den Ministern von Puttkamer und von s Scholz hingewiesen. Die Nordd. Allgem. Ztg. schreibt in ihrer Donnerstag Abend-Nummer nun, daß von Differenzen und Meinungsunterschieden keine Rede sei, und vor Allem nicht in dem vor liegenden Falle. Frankreich. Im Senate verlas am 24. d. Sein-Allier einen Bericht über Tonkin, worin die Nothwendigkeit hervorgeboben wird, im Interesse der Nationalehre rasch vorzugehen. Die Hoffnung auf Verständigung mit China sei noch nicht vollständig geschwunden, Frankreich wolle lediglich die Ausführung des Ver trages vom Jahre 1874, die Beziehungen zu China seien vom Geiste der Versöhnung geleitet; als der einzige Punkt, betreffs dessen die Transaction un möglich erscheine, sei die Anerkennung der Sou veränität Chinas über Anam anzusehen. Nach einigen Einwürfen des Senators Lembert und den darauf folgenden Aufklärungen des» Ministers des Arabern über die Befugnisse des Cioilcommissars, wurde die Vorlage genehmigt unter Streichung des Artikels, betreffend die Zutheilung eines Civilcom- missars zu dem militärischen Oberbefehlshaber, wo mit sich der Minister des Aeußern einverstanden erklärte. In Paris hat am24. d. vormittagsein Minister- rath stattgefunden. Es wurden in diesem Nach richten aus Madagaskar mitgetheilt; danach hat die im indischen Ocean statioiiirte französische Schiffs- abtheilung die Posten der Hamas aufgehoben, welche im Widerspruch mit den Rechten Frankreichs auf dem Territorium von Lakalare errichtet waren. Ferner wurden Zahlstellen in Mazunga besetzt, von welcher Stadt der Weg nach Antananarivo abzweigt. Nachrichten vom Senegal zufolge soll Oberst Des- bordis feindliche Angriffe zurückgeschlagen haben; das Fort Bamaku, bis wohin der Telegraph func- tionirt, ist vollständig gerüstet. Auf dem linken Ufer des Nigers herrscht vollständige Ruhe. Spanien. Bündnisse scheinen jetzt an der Tagesordnung zu sein, auch in Spanien machen sich in der Presse dergleichen Wünsche geltend. So veröffentlicht das Journal „Dia" einen Artikel, in welchem verlangt wird, Spanien und Portugal sollten, ohne ihre Selbständigkeit aufzugeben, eine iberische Confödera- lion bilden, welcher abwechselnd die beiden Könige präsidiren würden. Rußland. Die Kaufmannschaft in Warschau ist beim Bör- sencomitä daselbst vorstellig geworden, dasselbe möge energische Schritte thun, damit deutscherseits das Einfuhrverbot von Wolle nach Deutschland aufgehoben werde. Die feierliche Verkündigung der am Sonntag stattfindenden Krönung wurde am 24. d. durch Trompeter und Herolde begonnen und am 25. d. in den übrigen Theilen Moskaus dieselbe Feierlich keit fortgesetzt. Den Botschaftern und Gesandten wurde die Krönung am 24. d. durch einen Cere- monienmeister, welcher in vergoldetem Wagen vor fuhr, angezeigt. Bei der Verkündigung des KrönungS- tages hatten sich zahlreiche Volksmassen schon um 7 Uhr morgens vor dem Senatsgebäude versammelt. Präcise 9 Uhr stellten sich die Musikcorps mit gold betreßten Paukenschlägern und die Herolde, mit dreispitz'gen, federgeschmückten Hüten und mit einer Goldbrokattoga angethan, worin der schwarze Reichs adler eingestickt war, und goldene Heroldstäbe tragend, auf. Kavallerieabtheilungen schlossen sich ihnen an. Zwei berittene Senatesekretäre verlasen die Verkün digung des Krönungstages, die Zuhörer entblößten ehrfurchtsvoll die Häupter, bekreuzigten sich und stimmten die Nationalhymne an. Eine große Volke-