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ZllMbilM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittag« 12 Uhr deS vorhergehenden Tages. und aldenburger Anzeiger. Der AbonnementSpreis beträgt vierteljähr lich L Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile IO Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für de» Stadtrath zu Waldenburg. 148. Freitag, den 27. Zuni 1884. Die auf den 2. diesjährigen Termin fälligen Commun-Anlagen und Ablösungsrenten sind bis zum 30. dieses Monats anher zu bezahlen. Stadtsteuer-Einnahme Waldenburg, am 25. Juni 1884. Abonnements-Einladung. Mit dem j. Juli d. I. beginnt ein neues Abonne ment auf das „Schönburger Tageblatt" und bitten wir um recht zahlreiche Erneuerung desselben. Preis pro Quartal s Mark 50 Pf. Bestellungen nehmen alle Postanstalten des Deut schen Reiches und des Auslandes, sowie unsere Austräger entgegen. Die Expedition des Schönburger Tageblattes. *Waldenburg, 26. Juni 1864. Recht brave Arbeit hat der Telegraph gehabt, um die ellenlangen Verhandlungen zu melden, welche am Montag in der französischen Deputirtenkammer und im englischen Parlament über das Abkommen zwischen Frankreich und England und die am Sonn abend zu eröffnende Conferenz über die egyptischen Finanzen stattgefunden haben. Wenn allzu viele Worte bei solcher Gelegenheit gemacht werden, so steht es gewöhnlich in irgend einem Punkte faul, und das trifft auch hier zu. Der ganzen langen Litanei kurzer Sinn ist, daß die egyptische Frage jetzt noch gerade so in der Luft schwebt, wie früher, und trotz Abkommen und Conferenz kann es eines schönen Tages recht tüchtigen Lärm am Nil geben. Das Abkommen zwischen England und Frankreich soll die politische Lage in Egypten geregelt haben, und ebenso wird die Conferenz am grünen Tisch die Finanzen in Ordnung bringen. So sagt man, aber das Abkommen hat nur Aeußerlichkeiten ge regelt und trifft den Kern der Sache gar nicht. Es öffnet den Jntriguen am Nil vielmehr Thür und Thor. Eine Regelung der egyptischen Frage kann nur statthaben, wenn gesagt wird, England hat am Nil nicht mehr zu sagen, als jede andere Macht, oder aber: England tritt das Protectorat über Egypten an. Keines von Beiden ist aber definitiv ausgesprochen, und statt dessen kommen die Herren Ferry-Paris und Gladstone-London mit langen Phrasen von Liebe und Freundschaft und Frieden. Dergleichen Dinge hören sich ganz schön an, aber in einer solchen Frage ist es doch nur Schade um das Papier, das damit bedruckt wird. Jedermann denkt sich doch sein Theil dabei. Die Thatsachen beweisen hier! Was ist denn nun eigentlich in Egypten geregelt? Man höre: Bis 1888 bleiben die englischen Truppen in Egypten. Länger dann, wenn alle Mächte zustimmen. Verlassen die Soldaten Groß britanniens den Nil, so soll Egypten und der Suez kanal für neutral erklärt werden, etwa so wie Belgien. Dieser große Gedanke ist Gladstone's Kopf ent sprungen und er ist auch echt gladstone'sch. Dem Staat Egypten wird ein weißes Blatt Papier auf gehestet, das mit Riesenbuchstaben das Wort „Neu tralität" trägt, und damit ist die Geschichte in Ord nung. Schwarz auf weiß steht's zu lesen, was will man also noch mehr? Wenn nun Egypten ein Land mit fester, geregelter Regierung und der Suezkanal nicht für Egypten von solcher großer Wichtigkeit wäre, wie er eben ist, und ferner die Londoner Regierung nicht so egoistisch, so würde mit dem schönen Wort „Neutralität" Alles gemacht sein; in Ansehung dieser Thatsachen ist es aber nur ein Schleier für das Bestreben Englands, in Kairo seinen Einfluß unter allen Kräften zu wahren. Die Neutralität ist nur ein Wort, ein Laut, aber wird niemals zur wahren Thatsache werden. Sollte der Einfluß Englands in Egypten gebrochen werden, so war vor Allem die Wiederherstellung derFinanz- controle nothwendig. Die ist aber nur auf dem Papier zu Recht bestehend, und damit wird es auch ferner sein Bewenden haben. Die Finanzcommisfion, die jetzt eingerichtet werden soll, ist ein harmloses Institut: sie soll vor Allem darüber wachen, daß keine anderen Ausgaben gemacht werden, als das Budget aufweist. Die Aufstellung des Budgets selbst, also die Hauptsache, die geht die Finanz commission nichts an. Viel erreicht hat also Frankreich von England nicht gerade, und seine Erfolge stehen zu den an fänglichen Ankündigungen in gar keinem Verhältniß. Wie es scheint, vertröstet sich Herr Ferry, der französische Ministerpräsident, auf später, wo ertrotz aller Freundschaft für England es doch versuchen kann, diesem am Nil ein Bein zu stellen. Der Khedive wird gar nicht abgeneigt sein, auf franzö sische Einflüsterung zu hören, um den Engländern auch etwas Aerger schaffen zu können. Eine große Debatte wird es übrigens noch in beiden Parlamen ten geben, in Paris, wie in London, und ganz leicht wird es Gladstone nicht haben, denn die Con- servativen im Parlament betrachten Egypten längst als ihr Eigenthum. Am einfachsten werden sich noch die Conferenzverhandlungen abspinnen, wenn es auch an Widerspruch nicht fehlen wird. Aber ob dadurch die egyptischen Finanzen dauernd in Ordnung gebracht werden, das ist zum mindesten sehr fraglich! Bei dem famosen Abkommen ist viel Papier verschrieben, und bei der Conferenz wird dar auch der Fall sein, aber recht lohnend wird weder hier noch da die Arbeit sein. "Waldenburg, 26. Juni 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser bewohnt in dem alterthümlichen Kur hause in Ems die nach der Römerstraße zu belege nen Salons. Jeden Morgen läßt er sich, ob das Wetter gut oder schlecht ist, ist gleich, sehr früh wecken, vom Kammerdiener in kurzer Zeit ankleiden und empfängt dann den Besuch der Leibärzte. Da rauf begiebt sich der Kaiser zum Kesselbrunnenhause, wo er aus der Hand der Brunnenmädchens seinen Becher selbst entgezennimmt und widmet dann eine unbestimmte Zeit der Promenade in gleichmäßig scharfem Schritt. Nach dem Spaziergang nimmt der Kaiser sein Frühstück ein, worauf die üblichen Vorträge beginnen. Die Kur bekommt dem Monar chen vortrefflich. Die Prinzessin Arnulf von Bayern ist von einem Prinzen (dem Erstgeborenen) glücklich entbunden worden. Fürst Bismarck hat sich eine Erkältung zuge zogen, in Folge deren sich wiederum neuralgische Schmerzen bei ihm eingestellt haben. Er ist dadurch verhindert, sich an den Reichstagsverhandlungen der letzten Tage zu betheiligen. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, ist das Unwohlsein des Fürsten darauf zurückzusühren, daß derselbe sich am Montag zu später Stunde in den Reichstag hat begeben müssen, als e» bereits recht kühl geworden war, um der Sitzung der Budgetcommission beizuwohnen. Dem Reichstage ist am Mittwoch der Nachtrags- etat im Betrage von 153,965 Mk. zur Errichtung eines Reichsversicherungsamtes zugegangen. Dasselbe soll eine mit selbstständigen Entscheidungs- und Zwangsbefugnissen ausgerüstete Behörde sein, welche unbeschadet gewisser dem Bundesralh über tragener Funktionen die Durchführung des Unfall versicherungsgesetzes in organisatorischer, administra tiver, verwaltungsgerichtlicher und disciplinarischer Beziehung in letzter Instanz in der Hand hat. Eine oberste Reichsbehörde, wie das Reichsamt des Innern, das Reichsjustizamt und Reichsschatzamt, soll das Reichsversicherungsamt indessen nicht sein, es gehört zum Reichsamt des Innern und untersteht dessen Aufsicht. Der „Reichs- und Staatsanzeiger" schreibt: Aus Anlaß der Nachrichten über den Ausbruch einer choleraähnlichen Krankheit in Toulon sind von Reichswegen nähere Ermittelungen über die Natur der Krankheit und über die an Ort und Stelle ge troffenen sanitären Maßnahmen veranlaßt. Gleich zeitig werden für den Fall, daß die Krankheit sich als asiatische Cholera herausstellen sollte, entsprechende Abwehrmaßregeln deutscherseits vorbereitet. Auch in Italien sind ähnliche Vorkehrungen getroffen. Die Montagssitzung der Budgetcommission des Reichstages und Fürst Bismarcks Erklärungen in derselben haben ungemeines Aufsehen erregt. Es ist wohl nur angebracht, wenn dies ganze große wichtige Thema der Colonialpolitik noch im Plenum des Hauses berathen wird und es nicht nur mit den untergeordneten Commissionssitzungen sein Bewenden hat. Es heißt, der Reichstag sollte am Sonnabend bereits geschlossen werden. Wäre es denn aber so ganz unmöglich, daß auch noch in nächster Woche einige Sitzungen abgehalten werden könnten? Ge wiß nicht, und die Beschlüsse des Seniorenconvent« des hohen Hauses hierüber sind kein Gesetz, sodaß absolut dabei verharrt werden müßte. Die Sache ist denn doch wohl wichtig genug, daß der ganze Reichstag zu ihr Stellung nimmt und jedes Mit glied sich für oder wider ausspricht. Es ist nicht gerade hübsch, daß die Majorität der Volksvertretung in Herrn Windthorst's Fußstapfen tritt, und die diplomatische Verzögernng bis zur nächsten Session anstrebt. Was die Mitglieder des Reichstages über für Deutschland so wichtige Fragen denken, daß sollen sie auch sagen, denn dazu sind sie in die Volksvertretung gesandt. Unser deutsches Volk — hier handelt es sich um gar keinen Parteistandpunkt — hat für die beliebte tactische Behandlung so wichtiger Gesetzentwürfe kein Verständniß. Ein kurzes, rundes „Ja" oder „Nein" wird erwartet, Ausflüchte haben keinen Zweck. Die passen wohl im diplomatischen Verkehr mit anderen Mächten, aber nicht für den Reichstag. Herrn Windthorst's Vorbild macht aber leider Schule. In der Nähe von Elberfeld-Barmen hat es am Sonntag einen größeren Socialistenkrawall ge geben. Die Socialdemokraten des ganzen Wupper- thales, ca. 1200 Mann, gaben sich in Langenhaus, einem bekannten Vergnügungslokal, ein allgemeine« Rendezvous. In guter Ordnung langten die ver schiedenen Trupps dort an. Die ganze Sache schien schon in aller Ruhe verlaufen zu sollen, als man plötzlich einen Geheimpolizisten zu bemerken glaubte. Derselbe — die uniformirten Polizeibe amten, welche den Zug begleitet, hielten sich außer halb des Lokals — wurde sofort auf etwas unsanfte Weise exmittirt. Ein zweiter hatte dasselbe Schicksal. Bei diesem lief aber die Sache nicht so glatt ab, weil er einen Revolver zog und mit demselben drohte. Trotzdem wurde auch er hinausgeworfen. Die Entfernten suchten den Schutz der Polizeimann schaften nach, die auch plötzlich das Lokal umzingel ten. Hinzugekommen waren noch sämmtliche Gen darmen der Umgegend. Die verschiedenen Trupps