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Freitag. S1 Dezember l Wv. vH« »n 380« uWist ««msti! Nr. 3M. Vierter Jahrgavg. fluer Tageblatt und 5inzeigSt für das Erzgebirge r)».Mil7os t tch,t RcSatt«»«! rein klr»»,KI. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. m. b. ). in Au« t. E«Zs«d. Ha« di» Znserat« »«r^nrwo»tlich: Seid« in Aue I. Lrzged. S,r«chstaud« d« Sebaktia» mit Ausnahme der Sonntag» nachmittag, von e—» Uhr. — Telegramm-Adreff«: Tageblatt Au«. — Fernsprecher ». Lür anverlangt eingrsandt« Manuskript« kann Kew Ihr nicht geleistet werden. Annahme von Anzeigen bi, spätesten, Uhr vormittag». M Aufnahme von größeren Anzeige« an deptimate» Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn st« am Tag« vorher bet «n, «ingehen. Jnsertiourpreis: Dir fiebengespaltene Aorpuszeile oder deren Raum «o pfg-, Reklamen re pfg, Lei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. W«^»g,pr«i,: Durch unser« Boten frei in» Sau, monatltch öo pfg. Lei der Geschäften« abgeholt monatlich He ptz und wöchentlich io pfg. — Bet der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich ».so Mk. — Durch «e vri«sträg«r frei In, Hau, vierteljährlich «yr Mk. — Einzeln« Nummer to pfg. — Deutscher postzritong»- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunde«, mit Aornahm« von Sonn- und Feiertagen. viele »«»«er umksKl i« Zelte». Außerdem liegt das achtseitige illustriert« SvnntagSblatt bei. Vit amtliche» Sriläiimmächungen deNostra sich i» Oer r. öelisge. Das Wichtigste vom Tage. Geheimrat Hrrgesell ist na- Abschluß seiner ExpcdilionS- reisen zur E r f o r s ch u n g d e r Luftschichten über dem Atlantischen Ozcan in Ncuyork cingtlroffcn. Rach einer Berliner Korrespondenz wird dem Reichstage keine Novelle zumTalonsteuergesetzzu geh en. Ver AlhucenaS an der nordamerikanischen Küste ist es zu neuen Feindseligkeiten zwischen den Spaniern und Marokkanern gekommen. Die Kopenhagener Kommission wird eine noch malige Untersuchung von Cooks Papieren vornehmen, wenn die Original Notizbücher oorgelegt werden. Dr. Friedjung hält seine Beschuldigungen gegen die s erb i s ch - k r o a t i s che K o a l«t:on in Oesterreich aufrecht. - . Die nächste Numm.r des Auer Tageblattes gelangt, wM dem Ncujahrstage ein Sonntag folgt, erst Montag, den L. Januar, zur gewohnten Stunde zur Ausgabe. -Wc Ein Jahr deutscher Politik. X In das Buch der Geschichte wird man das Jahr 1909 für Deutschland schwerlich mit goldenen Lettern einzutragen vermögen. Es war ein Jahr des Mißvergnügens, ein«' Periode schwerer, innerer Krisis, deren Folgen auch an der Jahreswende man noch lange nicht verwunden hat, obwohl be reits Monate darüber vergangen sind. Der Kampf um die Retchssinanzresorm bildete den Angelpunkt der ge samten Politik. In deren Zeichen erfolgten die schweren Diffe renz» zwischen den Parteien der Regierungsmehrheit, die schließ- Ein gemütlicher Avus. ,' Eine Silvesterhumoreske von Hans Ludwig zur Mehre. (Nachdruck vervotcn). An Fred Sempers Junggesellenbude klopfte es etwas schüch tern, und aus das Herein des jungen Mediziners schob sich eine Gestalt durch die Tür, in der er nach einiger verblüffter Muste rung seinen Freund Hans Welsen erkannte. „Ja, aber Mensch!" rief er erfreut, „das ist ja famos, daß du kommst! Ich denke, du bist längst bei Hartmanns. Willst du mich am Ende gar ins Schlepptau nehmen? Das wäre riesig nett von dir!" Der andere schüttelte düster den Kopf. „Ich gehe nicht zu Hart manns." „Maas?" „Zwischen Else und mir ist alles aus!" fuhr Hans Welsen im gleichen Grabestone fort. „Höre, mein Junge," mahnte der Arzt brüderlich, „wenn du Witze machen willst, dann mach wenigstens gute. Oder ist dir mit einem Brausepulver gedient?" „Danke," winkte der Pseudobräutigam elegisch ab. „Es ist leider bitterer Ernst. Ich erzähl' dir's noch. Aber stör' ich dich? Ich Habs mich aus meiner einsamen Bude zu dir gerettet .. ." „Das war sehr nett von dir. Wir wollne uns einen gemütlichen Abend machen und in traulichem Verein das neue Jahr erwarten. Warum klebst du eigentlich ewig da an der Tür, lieber Junge?" Hans Welfen sah sich in dem kleinen Raume um und schüt telte den Kopf. „Sag' mal, war deine Bude immer so scheuß lich?" Fred Semper blickt« durch sein Reich und lachte: Ich glaube, ja! Aber ausgefallen ist's mir auch nicht — bis heute!" „Scheußlich," wiederholte Welfen mit einem Schauder. „Diese Tapet« — genau wie bei mir! Und diese gehäkelten Sofaschonsr — gräßlich! Genau wie bet mir!" „Na, dann haben wir uns ja gegens.itig nichts vorzuwerfen," begütigte Semper, der an fing, für den Gemütszustand seines Freundes ernstliche Besorg-, Nisse zu hegen. „Bitte, leg' ab und mach' dir's bequem. Nu hast doch schon gegessen?" Welf«n schüttelte apathisch den Kopf. „Nein? Ja, aber hör' mal. . ." Fred Semper fuhr sich hinter dl« Ohren ... „ich hab' nämlich kaum was zu Hause, und meine Mirtsn ist in der Kirche . . .« „Du hast doch auch nicht vor- lich zur Sprengung des Blocks führten und auch am letzten Ende noch Len Reichskanzler, Fürsten Bülow, mit sich sortrissen. Das bisher ausgeschaltete Zentrum ist wieder zur ausschlaggebenden Partei geworden, die Linke ist in ihre frühere Oppositionsstellung zurückgetreten und unter den Nachwirkun gen der Finanzreform ist diese oppositionelle Haltung wieder schärfer geworden als in den letzten Jahren. Ja, sie hat auch die gemäßigte Linke ergriffen, und die Befehdung der Par teien untereinander hat wieder einen schärferen Grad ange nommen. Alle Versuche, dieses Feuer einzudämmen, sind bisher erfolglos geblieben und auch der Appell des neuen Reichskanz lers, die jüngsten Vorgänge zu vergeßen, verhallte wirkungslos, zumal die Mahnung in recht matte Worte gekleidet war. Herr von Bethmann Hollweg ist zweifellos ein tüchtiger Be amter, aber in seinem neuen Amte scheint er sich noch nicht recht wohl zu fühlen. Er legt sich mehr, als es wünschenswert ist, Zurückhaltung auf, er tastet nach den Wegen, die er einschlagen soll, und die Folge davon ist, daß in der Öffentlichkeit der Ein druck erweckt wird, als wenn im Reichskanzleramte erne ge wiße Direktionslosigkeit herrsche. Auch die von ihm gehaltenen Reichstagsreden wirkten keineswegs durch besondere Eleganz und das öftere Sprechen vermochte nicht die Qualität zu ersetzen. Herr von Bethmann Hollweg gelobte Stetigkeit der inne ren und äußeren Politik. Man wird abwarten müssen, ob er dieses Mort einlösen wird. Einen gewißen Ausschluß über seinen Kurs dürfte seine Stellung zur preußischen Wahlrcform geben, an die man jetzt angeblich ernstlich herantreten will. Auf durchgreifende Aenderungen hofft man freilich auf der Lim; ken nicht und man darf es als ziemlich sicher hinnehmen, daß die über Erwarten schnelle Fusion der drei linkslibe ralen Gruppen durch den Wechsel in der Regierungspolitik beschleunigt worden ist. Der Regierung muß augenblicklich alles daran liegen, eine mögliM volkstümliche Politik zu füh ren, wenn sie nicht die herrschende Unzufriedenheit noch ver größern und weiter Tausende in das Lager der Sozialdemokratie treiben will. Die verschiedenen Nachwahlen der letzten Monate haben wiederum auf das Deutlichste erwiesen, wie immer eine herrschende Erbitterung der radikalen Partei zugute kommt, und der Ausfall der Landtagswahlen in Sa ch s e n und Baden hat diese Erfahrung bestätigt. Beide Länder hatten mit der Reichrjinanzreform an sich nichts zu tun. Trotzdem stimm ten auch hier viele Wähler, um ihrem Ingrimm über die Borg gänge im Reiche Luft zu machen, für die schärfste Opposition. All das find Momente, die zu denken geben, und es auch den bürgerlichen Parteien nahelegen müßten, eine Verständigung gehabt, zu verhungern," sagte Welsen etwas mißtrauisch. „Rein, aber ossengestanden" — und der gute Juckge wurde rot wie ein Nicsenkr.bs — „ich hatte eine leise Hoffnung, daß wir den Sil vesterabend gemeinsam bei den Eltern deiner Braut verbringen würden . . ." „Ich habe keine Brant!" protestierte Welfen. „Na ja, entschuldige nur. Bis vor kurzem hattest du doch noch eine. Nun erkläre endlich, was eigentlich los ist." Hans Welfen expedierte einen Stoß Zeitungen auf den Tep pich und ließ sich nieder mit der Schwerfälligkeit eines alten Mannes. „Mich wundert nur," meinte er mit einem entsetzten Blick auf die Wand, „daß du beim Anblick dieses gräßlichen Wüstenbildes dort nicht den Tropenkoller gekriegt hast. Als ich heute in meiner Bude vor den beiden Meerstücken saß, wurde mir derartig seekrank zumute, daß ich schleunigst zu dir ausriß, und nun attackierst du mich hier, mein Lieber, mit solchem Schund." „Ich muß dich darauf aufmerksam machen, alter Schwede, daß ich unschuldig an diesen Di .gen Lin. Aber natür lich, du bist verwöhnt durch das entzückende Heim von Hart manns, aus dem du ja während der letzten Wochen kaum heraus- gckommen bist, und Elses künstlerischer Geschmack —' „Sprich mir nicht von dieser Schlange!" fuhr Welfen auf. „Die hab' ich erkannt. Zwischen uns ist's zu Ende!" „Das hast du schon mehr mals bemerkt. Nun red« endlich deutsch. Wer ist denn das Hauptkarnickel? Else natürlich. Das Weihnachtsfest habt ihr doch noch ganz vergnügt zusammen verlebt, wie mir Annemarie sagte .. ." „Wann hast du Elses Schwester gesprochen?" erkun digte sich Welfen scharf. „Vor drei, vier Tagen, auf der Straße. Sie ließ sich gar nichts merken, erzählte nur von dem netten Fest —" „Nettes Fest, ja, weiß der Deubel, Las war ein n.ttes Fest," hohnlachte der entthronte Bräutigam und fuhr sich durch den Künstlerschopf. „Hast du mal was von dem Uctter Paul Mortensen gehört?" „Von dem Marineleutnant?" „Ja, aller dings. Bitte dich, der Mensch hat die Frechheit, meiner Braut — meiner Braut! — ein Armband zu schicken, indische Goldarbeit, wundervoll, sage ich dir, hierzulande gar nicht einzuschätzen! Und sie hat eine Freude dran, wie ein Kind, sieht und hort nichts mehr hat nur noch Augen für das verflixte Schmuckstück — na, tch hatte eine Wut, kann ich dir sagen, alles kochte in mirl herbeizüsühren. Freilich sind die neuerlichen Gegensätze noch zu ' frischen Datums, als daß sie sich so leicht überbrücken ließen, und die innerpolitische Fehde dürste daher auch im neuen Jahr nicht so schnell beigelegt werden. Ein freundlicheres Gesicht dagegen trägt die Außenpoli« tik, und niemand wird leugnen wollen, daß die» den Ver diensten des auf diesem Gebiete von je gewandtenen Fürsten Bülow zuzuschreiben ist. Bot im Vorjahre di« Situation auf dem Gebiete der Weltpolitik gar manche gefahrdrohende Klippen, so trug im abgelaufenen Jahre die Weltlage ein überwiegend« friedlicheres Antlitz und auch für Deutschland ist glück licherweise manche Reibungsfläche verschwunden. Vor allem find die Beziehungen zu England keine so gespannten mehr. König Eduard hat in den ersten Monaten des Jahre» mehrere Tage in Berlin geweilt und ist von dem ihm zuteil ge wordenen Empfange überaus befriedigt heimgekehrt, lleksrdie» war eine Reihe von Korporationen in beiden Ländern emsig bemüht, die herrschende Spannung zu vermindern, auch die Res gierung selbst zeigte eine durchaus loyale Haltung und es ist so gar «rmöglicht worden, in einer immerhin wichtigen Angelegen heit, wie es die Kongo-Frage ist, ein volles Einvernehmen zwischen beiden Mächten zu erzielen. Auch über die Bagdad- Lahn-Frage scheint eine Verständigung angebahnt zu sein,, nachdem man bisher in England gerade dem wirtschaftlichen Vor dringen Deutschlands in Vorderasien scheelen Auges zugesehen und uns manchen Knüppel -wischen die Deine geworfen hatte. Desgleichen hat auch das Verhältnis Deutschlands zu Frank reich eine Besserung erfahren, die unumwunden auch von fran zösischer Seite anerkannt ward. Das im Februar abgeschlossene Marotkoabkomme n zwischen beiden Staaten ist geeignet, etwa mögliche Unstimmigkeiten zu beseitigen und weitergehen den Differenzen von vornherein die Spitze abzubrechen. Es gibst bei uns Leute, die glauben, daß Deutschland wieder einmal über vorteilt worden sei. Aber Nörgler und Unzufriedene wird es immer geben. Trotz dieser Besserung der Situation gegenüber Frankreich wird man aber bei uns nie vergeßen dürfen, Latz cs jenseits der Vogesen noch immer Leute gibt, die nichts sehn? licher als eine Demütigung Deutschlands wünschen, die immer wieder ihr Haupt erheben und die maßgebenden Stellen mit sich fortreißen möchten. Diese Gefahr wird man unsererseits nie mals außer Acht laßen dürfen. Was den Dreibund anlangt, so hat das Verhältnis der Verbündeten Mächte im abgelaufenen Jahre kaum eine Aende- rung erfahren. Die Beziehungen zwischen Deutschland und sei nem österreichischen Bundesgenossen sind die intimsten, die Denn wenn das Ding noch dreimal so schön gewesen wär«, so 'n» Freude konnte's ihr nur machen, wenn sie für den Geber «in ganz ungewöhnliches Interesse hat. Das will ich natürlich her? ausbekommen und sage noch ganz lieb und gut: „Elfe, du wirst das Armband nicht tragen — mir zuliebe nicht — hörst du?" Und sie, weißt du, was sie tut?" „Ausgelacht wird sie dich haben." „Ja, allerdings!" kochte Hans Welsen über und spießt» den boshaften Freund mit Blicken auf, als sei er der Vetter Paul. „Sie lachte wie ein« Hexe und fragt — bitte! — fragt mich —" „Du bist wohl verrückt geworden?" ergänzte Semper. „Woher weißt du denn das?" „Nur so! Ich Hütte dich wahr« scheinlich auch so gefragt." „So — na, kurz, das war aber nur der Anfang! Wir gingen ziemlich kühl auseinander, ließen aber die Eltern nichts merken, und Annemarie hat ihre Gedanken jetzt immer wo anders ... na, was hast du denn?" Fred Sem per hatte sich blitzschnell gebückt und steckte nun mit halbem Leib« unter dem Tisch. „Nichts. Es fiel irgendwas herunter." „Aber das Schönste kommt noch!" prophezeite Welsen ingrimmig. „Tag» darauf gehe ich wieder zu Hartmanns, Else springt mir entgegen und fliegt mir um den Hals und lachte und schwatzt, und was trägt sie am linken Arm? Den Schmuck von Vetter Paul! Nun kannst du dir meine Wut Lenken! Es gab ein bösartiges Her über und Hinüber, ich warf ihr Koketterie und Putzsucht vor, sie sprudelte mir auch alles Mögliche ins Gesicht von sinnloser Eifersucht und Herrschgier, Mißtrauen und Kleinlichkeit — und dann klapp! war ich zum Tempel hinaus. Und so war Schluß!" Hans Welfert saß schon längst nicht mehr, sondern raste in dem kleinen Raum auf und ab. Semper tauchte endlich wieder aus der Versenkung auf, ohne, wie es schien, etwa» gefunden zu haben. Er war aber sehr rot und hockte nun wie ein betrüb ter Lohgerber auf dem Sofa und starrte in die Lampe. „Na also!" seufzte er endlich ausgiebig daß die Stichflamme au, dem Zylinder schlug. „Da haben wir den Salat. Und ich werd« mich schwer hüten, meine Pfoten in die Tinte zu stecken. Da hilf dir nur allein heraus. Scheußlich ist'»! Auch für mich — denn tch kann nun natürlich auch nicht zu Hartmanns gehen und — na. Schwamm drüber! Nun bist du llnglückshuhn einmal da und wir wollen'» un» so gemütlich wie möglich machen. Zuerst gr«m