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Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich EWsts-Aiizchn sm HOS-rs, MW, Lerosdors, RSsdorf, Tt. KBit», Heinrichsort, Mmem« mS Ms«. Amtsblatt für de« Stadtrat zu Lichtenstein. — — 4V Jahrgang. — — —— Nr. 190. Sonntag, den 17. August 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (anher Sonu» and Festtag») abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition tu Lichtenstein, Markt 17S, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder bereu Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Stadtanlagen fällig! Wochenschau. Deutschland besitzt ein zweites Reichsland : Die Uebernahme der Insel Helgoland durch die deutsche Verwaltung hat stattgefunden, und Kaiser Wilhelm II. hat persönlich den Befehl zum Hissen der deutschen Flagge gegeben. Für die Felseninsel in der Nord see waren das ereignisreiche Tage; das kleine Eiland hat noch niemals eine solche Menschenmenge auf sich vereinigt gesehen, wie am letzten Sonntag, wo der deutsche Kaiser den neuen deutschen Besitz betrat. Tausende von Schaulustigen waren vom Festlande herübergekommen, dazu eine stattliche Anzahl deutscher Kriegsschiffe mit mehreren Tausend Blaujacken. Dem Kaiser ist von der Bevölkerung der dankbar herzlichste Willkommengruß zuteil geworden, er hat sich die Zuneigung der Helgoländer im Fluge zu erringen gewußt. So ist der Regierungswechsel äußerlich in günstigster und befriedigendster Weise verlaufen und es läßt sich erwarten, daß auch in der Folge keine Störung eintritt. Nach den Worten des Kaisers bei der Flaggenhissung soll Helgoland ein deutsches Bollwerk werden, an dem alle feind lichen Schiffe zerschellen, die je in die Nordsee ein dringen. Große Befestigungsbauten sind indessen nicht für die Insel in Aussicht genommen, sie wird nur mit den schwersten und weittragendsten Schiffs geschützen armiert werden. Das genügt auch voll kommen, denn der Felsen von Helgoland ist eine natürliche, sturmfreie Festung, und unter seinen Ge schützen kann eine deutsche Flotte selbst .ein viel stärkeres feindliches Geschwader mit Erfolg bekämpfen. Was die staatsrechtliche Stellung der Insel betrifft, so wird dieselbe Preußen einverleibt und voraus sichtlich der Provinz Schleswig-Holstein zugeteilt werden. Unser Kaiser ist nach der Heimkehr aus Eng land und Helgoland nur wenige Tage in Berlin anwesend gewesen. Der kurze Aufenthalt galt hauptsächlich der Abnahme der Parade über das preußische Gardekorps, die unter starker Teilnahme der Bevölkerung in der glänzendsten Weise verlief. Längere Konferenzen hat der Kaiser im Berliner Schlosse mit dem Reichskanzler von Caprivi, dem Staatssekretär von Bötticher und dem Finanzminister vr. Miquel gehabt. Ueber Kiel ist jetzt die Reise nach Narwa in Rußland angetreten, der durch den großen Sieg König Karl XII. von Schweden über die Russen bekannten Stadt, wo das Hauptquartier des Kaisers Alexander während der großen russischen Manöver sich befindet. Nach den Manövern wird Kaiser Wilhelm für einige Tage auch Petersburg besuchen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese russische Reise für die Orient-Angelegenheiten von besonderer Wichtigkeit wird. Unser Kaiser kommt aus England, verhandelt mit dem Czaren und wird im September mit dem Kaiser Franz Joseph zusammentreffen, er ist also der natürliche Mittler zwischen den bei den Orientwirren am meisten interessierten Staaten. Die politische Seite der Reisen tritt auch schon dadurch deutlich in die Er scheinung, daß bei der Begegnung mit dem öster reichischen Herrscher sowohl der Reichskanzler von Caprivi, wie der Minister Graf Kalnokh zugegen sein werden. Die Franzosen sind allerdings über den deutschen Kaiserbesuch in Rußland sehr ver stimmt, was, von ihrem Standpunkt betrachtet, auch erklärlich ist. Denn, so lange der deutsche Kaiser und der russische Czar mit einander gut Freund find, ist an die Erfüllung des Pariser Lieblings wunsches, der Schaffung einer französisch-russischen Allianz, nicht entfernt zu denken. Die innere deutsche Politik hat fortdauernd Ferien. In Ermangelung anderweitigen Stoffes ist die Ankündigung einer preußischen Landgemeinde Ordnung eifrig besprochen, aber die Sache ist noch zu unklar, als sich darüber Bestimmtes sagen ließe. In sozialdemokratischen Versammlungen beschäftigt man sich schon eifrig mit dem bevorstehenden Partei kongreß und dem neuen Organisationsentwurf. Es geht dabei ziemlich heiß her, und besonders in Berlin ist die Stimmung den bisherigen Führern nicht sehr günstig. Es kommen auch viele Klagen, daß die Gelder für sozialistische Parteizwecke sehr schwach einlaufen, kurzum, tedeumhaft ist den Herren trotz des bevorstehenden Ablaufes des Sozialisten gesetzes nicht zu Mute. Wie sich die Dinge weiter entwickeln, bleibt abzuwarten. Völlige politische Stille herrscht gegenwärtig in Frankreich, ein Zeichen, daß die antirepublika nischen Parteien vorläufig ihre Maulwurssarbeiten ganz eingestellt haben, nachdem ihnen die zeitige Erfolglosigkeit derselben klar geworden ist. Die Kammern haben sich bis zum Herbst vertagt. Der Feldzug der Franzosen an der Dahomeyküste in Westafrika ist noch immer nicht beendet, in den letzten Tagen hat es erneute Scharmützel gegeben. Der geringfügige Streit kostet den Franzosen entsetzliches Geld, jedenfalls viel mehr, als dieser ganze Besitz wert ist. Eine sehr bittere Erfahrung auf kolonialem Gebiete haben die Spanier gemacht. Nachdem ihnen vor mehreren Jahren durch den Schiedsspruch des Papstes die Karolineninseln zugesprochen waren, haben sie jetzt endlich mit der Kultivierung derselben begonnen. Aber der Anfang war nicht gut. Die Eingeborenen der Insel Aap, der größten der Karo lineninseln, haben die spanische Garnison überfallen und einen Leutnant und 27 Mann erschlagen. Da mit kleinen Streitkräften nichts gegen die Wilden ausgerichtet werden konnte, sind jetzt 2 große Kriegs schiffe nach Aap beordert. Im englischen Parlament hat es eine böse Lärmszene gegeben. Der Abg. Tanner nannte unter großem Skandal den Minister des Innern, Mathews, einen elenden Lump. Darüber wäre es beinahe zum Faustkampf gekommen. Schließlich gab Tanner aber den allseitigen Vorstellungen gegenüber nach und bat den beleidigten Minister um Entschuldigung. Große wirtschafliche Schwierigkeiten hat der Massen streik aller Arbeiter und Verkehrsbeamten in der Stadt Cardiff hervorgerufen. Es entstand eine Stockung fast der gesamten wirtschaftlichen Thätig- keit, auch Nahrungsmittel wurden, da der gesamte Bahnverkehr ruhte, knapp. In dieser Lage ist man denn auf beiden Seiten etwas versöhnlicherer Natur geworden, und ein baldiger Abschluß des Streiks ist zu erwarten. Immer hübscher wird es mit der Disziplin der englischen Soldaten, und das Beispiel der Londoner Gardegrenadiere, die über zu schweren Dienst klagten, macht ersichtlich Schule. In Chatam haben Artilleristen wie Trainsoldaten kaltblütig das gesamte Pferdegeschirr zerschnitten, um von ihren unbequemen Uebungen loszukommen. Wahrscheinlich wird nächstens jeder englische Soldat noch seinen besonderen Lakaien erhalten, damit die guten Seelen nur nicht gar zu sehr sich echauffieren müssen. Ja, bei John Bull ist auch nicht Alles Gold, was glänzt. In den europäischen Kleinstaaten und im Orient herrscht allenthalben völlige Ruhe. Fürst Ferdinand von Bulgarien ist wieder in seiner Hauptstadt ange kommen, begleitet von seiner fürsorglichen Mama. Man sagt, der Fürst habe noch gerade bemerkt, daß der mütterliche Pantoffel etwas sehr stark drücke, und sich darum nach einer Frau umgesehen, um seine Mutter aus Sofia los zu werden, aber die Prin zessinnen sehen auch wie gewöhnliche Bürgerstöchter auf eine solide Stellung ihres Zukünftigen, und der bulgarische Thron steht noch nicht ganz felsenfest. Wenn auch wenig, etwas wackelt er immer noch. Darum ist Fürst Ferdinand noch Junggeselle. Die argentinischen Unruhen fangen jetzt so ziemlich wieder von vorn an. Eben sind die Leute ihren Präsidenten Celman, der sich auf Staatskosten die Taschen füllte, los, so opponiert ein Provinz gouverneur im Innern gegen die Centralregierung in Buenos-Ayres und hat alle waffenfähigen Männer seines Gebietes einberufen. Dazu kommt, daß der Mangel an barem Gelds sehr empfindlich ist; die Schnellpresse wird jetzt in Bewegung gesetzt, und aus Leibeskräften Papiergeld gedruckt; der Jammer ist nur, daß kein Mensch diese bedruckte Zettel als voll ansieht. Die Geschichte dort unten ist zum mindesten windig. Tagesgeschichte. *— Lichtenstein. Die alte angesehene Oekonomische Gesellschaft im Königreiche Sachsen, welche seit bereits 1764in höchst anerkennens werter Weise für die Interessen der vaterländischen Landwirtschaft gemeinnützig gewirkt hat, errichtete, wie wir bereits früher mitteilten, Ende vorigen Jahres eine Geschäftsstelle, welche den Zweck hat, den Mit gliedern der Gesellschaft die sämtlichen landwirt schaftlichen Bedarfsartikel in bester Qualität zu den niedrigsten Preissätzen zu vermitteln. Diese für die sächsischen Landwirte äußerst beachtenswerte Einricht ung hat denn auch in ihrer erst kurzen Thätigkeit recht günstige Erfolge zu verzeichnen. Es haben sich daraufhin Einzel-Landwirte sowohl, als land wirtschaftliche Vereine veranlaßt gefühlt, der Oeko- nomischen Gesellschaft als ordentliche bezw. körper schaftliche Mitglieder beizutreten, so daß die Mit- gliederzahl in diesem Jahre eine erfreuliche wesent liche Vermehrung erfahren hat. Da die meisten Landwirte Sachsens ohne Kenntnis der von der Oekonomischen Gesellschaft geschaffenen, vorteilhaften Einrichtungen sein möchten, so sei hierdurch ange- legentlichst darauf hingewiesen mit dem gleichzeitigen Bemerken, daß der Geschäftsführer der Gesellschaft, Herr A. Barthels, Dresden, Trompeterstraße 6, I, zu jeder näheren Auskunft bereit ist. Ebenso ist derselbe jederzeit erbötig, in denjenigen landwirt schaftlichen Vereinen, welche sich der Oekonomischen Gesellschaft als körperschaftliche Mitglieder anzu schließen beabsichtigen, in den Vereinsversammlungen persönlich über die Ziele und Vorteile der Gesell schaft zu berichten und wollen die geehrten Herren Vereinsvorsitzenden sich dieserhalb mit dem oben genannten Geschäftsführer in Verbindung setzen. — Da so häufig durch Irrtum Vergiftungen mittels Karbolsäure vorkommen, so macht ein französischer Arzt darauf aufmerksam, daß gewöhnliche Seife oder sonst eine Seife das beste Gegengift gegen Karbolsäure bildet. Die Seife muß jedoch sofort und zu wiederholten Malen genommen werden, bis die üblen Folgen der Vergiftung verschwunden sind. — Wie der „Vogtl. Anz." mitteilt, hat die oberfränkische Handels- und Gewerbekammer zu Bai- re u t h an die königl. bayrische Regierung den An trag gestellt, „es wolle die Einführung desZonen- tarifs für den Personenverkehr auch auf den königl. bayrischen Staatsbahnen in Erwägung gezogen werden, sobald die Doppelgleise vurchgeführt sind." Begründet wird der Antrag damit, daß bei längerem Zögern der Verlust des DurchgangsverkehrsfürBayernzubefürchten sei, da die von Norden kommenden Reisenden wegen der billigen Fahrgelegenheit in Zukunft wohl nur den Weg durch Böhmen und Tirol nehmen würden, um nach der Schweiz und Italien zu gelangen und dasselbe Verhältnis für Reisende eintreten würde, die von Süden nach Norden verkehren. — Dresden, 15. August. Gestern in den ersten Morgenstunden haben in Blasewitz kleinere Versuche