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Nummer 133 — 26. Jahrgang »mal wöch. ««zugspreis für Juni 3.00 Mk. einfchl. Vestellgela. Anzeigenpreis«: Die Igesp. Peiltzetle 30.Z. Elellengesuche S«.Z. Die Petitreklamezeile. 89 Milli- neier breit. 1 Offertengebühren für Selbstabholer 29 bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1« L, Sonntags-Nr. 18^. Relckältlicker Teil: Artur Lenz in Dresden. IicklWe volfsmiun Sonnavend. den 11. Juni 11127 Im Falle höherer Gewalr erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v Anzeigenausträgen u. Leistung o Scliavenersatz. Für undeutl. u. o. Fern, rus übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ber- anlwortung. Unverlangt eingesanöte u. m. Riickport« nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptschriftleiter: Dr. G. Desczyk Dresden UteschüftSftelle, Druck«.Verla»: c»er«,«a««ia. A.-«». NK Bc>lag»«id Drttckc>'ei. Filiale Dresden. Dresddii-A. >. Pollerslmbe >7. Fe>«»,«,2n>12. Postscheck«»»«» Dresden 2703. Vnnttonto: «tadtbank Dresden Rr, ftttin Für christliche Politik und Kultur tUedaktio» der Sächsische» 'Volkszeit»»» Dresden kUtsladl 1. Potie«stras-.e 17. Fernruj 20711 in«» 21012. Das Washington Südafrikas Bon Dr. W a l t e r H a g e in a n n. Pretoria, Ende Atai 1927. Die Existenz einer Doppelhauptstadt in Südafrika ist eine Anoinalie, die von Einheimischen wie Fremden als seltsam empfunden wird. Zwar ereignet es sich, daß in einem von Bürgerkriegen zerrissenen Land, wie China, eine neue Hauptstadt entsteht, oder das;, wie in Rußland, die Regierung ihren Standort wechselt. Aber das; ein Land, und noch dazu ein so kleines, zwei Haupt städte besitzt, die 200 Meilen auseinander liegen und wechselseitig benutzt werden, das findet eine Parallele nur in Indien, wo die Negierung nus klimatischen Gründen im Sommer von Delhi nach Simln zieht. Fremde haben wohl geäus;ert, man solle, um der Rivalität der Städte Pretoria und Kapstadt auszuiveichen, die neue Hauptstadt an einein dritten Orte bauen, wie es in Au stralien geschah, ein unmöglicher Vorschlag, der für Kap stadts Zukunft manches, für Pretoria den Tod bedeuten würde. Diese Stadt lebt von den tausend Beamten und den zahlreichen Möglichkeiten, welche die Anwesenheit einer Staatsregierung mit sich bringt, während Kapstadt leinen Hafen. Industrie und ein Hinterland hat. Pretoria war vierzig Jahre lang die Hauptstadt des Bauernstaates Transvaal, aber dadurch noch nicht be fähigt, die Metropole Südafrikas zu werden. Erst Jo hannesburgs Aufstieg hat es dazu gemacht. Erst dadurch rückte der Schwerpunkt Südafrikas in das spärlich besie delte, wenig fruchtbare Hochland, erst dadurch wurde ein Markt und eine Existenzmöglichkeit für die zahlreichen kleinen Burenfarmer dieses Hochlandes geschaffen, schließlich sichert auch seine Binnenlage Pretoria in einem kommenden selbständigen Afrika besser vor den Zugriffen einer fremden Seemacht als das am Fuße des Tafelberges schutzlos liegende Kapstadt. Pretoria wurde neben Jo hannesburg das gleiche, was Washington neben Neu- york ist, die Reprüsentations- und Beamtenstadt neben der Stätte der Arbeit und des Geldverdienens, mit dem einen Unterschied, daß man Washington die Industrie mit gesetzlichen Mitteln fernhalten muß, in Pretoria aber lie bend gern ein wenig davon haben möchte. Dieser Ver gleich soll den Charakter, nicht die Dimensionen bezeich nen, denn natürlich ist die Regierungs- und Wirtschafts metropole eines 120-Millionen-Volkes imponierender als sene des kleinen Südafrika. Die Entstehung der Doppelhauptstadt hatte in ihren letzten Wurzeln auch rassenmäßige Gründe: In Kapstadt konzentrierte sich das Briten- und Reuburentnm, wäh rend Pretoria einer der Mittelpunkte der alten Vortrek ker war. Diese Unterschiede haben sich verwischt im glei chen Maße wie aus dem gesellschaftlichen burisch-britischen Gegensatz ein politischer geworden ist. Die Lebensmög lichkeiten des alten Burentums verschwinden, der gewal tige Bart wird selten, das Automobil verdrängt langsam den Ochsenwagen, und die Burenjugend gleicht sich den englischen Sport- und Gesellschaftssitten an. Dafür wer den um so bewußter die positiven Güter des Burentums vertreten, Sprache, Kulturgemeinschaft und wirtschafts politische Ziele. Man kann gleichzeitig von einem sterben den Altburentum und einer Buren-Renaissance sprechen, von einem Aufgeben und Neugewinnen. Pretoria ist ein Spiegel dieses Vorganges. Die weitläufige Stadt mit ihren öffentlichen Tauten, ihren gepflegten Gärten und Sport plätzen ist in ihrer Anlage ein Werk des englischen Fort schrittsgeistes wie in ihrer Existenz der burischen Zähig- Freilich, Pretoria ist eine ländliche Hauptstadt, eine der ländlichsten, welche ich kenne. Noch treibt man di« Ochsen von der Weide durch die Straßen der Stadt, noch fährt die königliche Post, wie auch das Fahrzeug des größten Hotels am Platze mit Pferdegespannen zur Dahn. Um 8 Uhr veröden die Straßen, und keine lärmenden Vergnügungsstätten, keine hupenden Automobile stören den Schlaf, es lebt sich wie auf dem Lande in den fried lichen Villenvorstädten Arkadia und Sunnyside. Nur wenige Bauten, der geschmackvolle, geräumige Bahnhof, das neue noch fast leere Museum, die Staatsgebäude des Church square und vor allem der Riesenbau der Landes verwaltung. die Union Buildings, verrate», daß Pretoria mehr als eine schöne, friedliche Landstadt Transvaals ist. Der Preis der Union Buildings ist hier in aller Munde, und ich wage die Ungnade aller Südafrikaner, wen» ich behaupte, daß sie zwar nicht das Bauwerk der Welt, aber Loch ein sehr großes und geschmackvolles Werk darstellen. Das zweiflügliche Gebäude, in dem die meisten Ministe rien und mehrere hundert Beamte ihre Arbeitsstätte Das Zentrum in Preußen Nachklänge zum Preutzischen Parleikag -es Jenlrums — Die unberechtigte Kritik der Deutschen Votksparkei Aus parlamentarischen Kreisen des Preußischen Landtags wird uns geschrieben: Es ist merkwürdig, trotz, oder gerade wegen der klaren Stellung, die der Preußentag des Zentrums ge nommen hat, findet die Politik der Fraktion immer wieder Kritiker. Nicht so sehr aus der Linke», die mit dem Er gebnis im allgemeinen zufrieden zu sein scheint, wohl aber aus der Rechten, die nicht aufhört, ihre Sonde anzulegen Am stärksten und eindringlichsten auf seiten der Volkspartei. Ihr hat bekanntlich seit dem Jahre 1925 ein Bürgerblock in Preußen vorgejchwebt, und die Partei hat mit der damaligen brüsken Hera.isziehung ihrer Minister aus der Großen Koalition diesem Gedanken klarst«» Ausdruck gegeben. Seither ist Preußen «ine stille Liebe der Volkspartei, freilich auch eine sehr unglückliche. Wenn man nach dem Parteitage nicht mehr auf irgend welche praktische Ergebnisse zu hoffen scheint, so jetzt man um so mehr die Sonde der schärfsten Kritik an, vermutlich, um für die kommenden Wahlen in Preußen, die immer mehr ihre Schatten vorauswerfen, sich eine möglichst günstige Position zu verschaffen und die Unzulänglichkeit der volksparteilichen Führung damit zu entschuldigen, daß man dem preußische» Zentrum alle Schuld zuschiebt. Da gegen muß doch energisch Front gemacht werden, sonst können wir noch ein« schön« Legendenbildung erleben. Der wundeste Punkt in der volkspartellichen Preußen- Politik ist zweifellos ihr Verhalten wäh red der Krise im Frühjahr 1925. Heute stellt die Volks partei es so dar, als wenn sie damals die einzige Pariei gewesen sei, die die Dauerkrise nicht gewollt habe. Alle, übrigen Parteien werden also als schuldig erklärt. Das ist sehr bequem! Und man versteht, wie schön solche „Fest stellungen" sich in einem kommenden Wahlkampfe in den Parteiversammlungen machen müssen. Vermutlich speku liert man dabei nicht ohne Grund auf das schlechte Ge dächtnis der Wähelr, die natürlich bei der Fülle des poli tischen Geschehens in Deutschland und Preußen längst ver gessen haben, was sich damals begab. Aber die geschicht liche Wahrheit gebietet es festzustellen, daß gerade um gekehrt die Volkspartei die Krise nicht nur herbeigesührl hat, sondern sie auch weiterzog, immer in der stillen Hoff nung, daß endlich das Zentrum weich werden würde. Wenn dann versichert wird, daß die gegenwärtige preu ßische Regierung nur „Moskau" ihre Existenz verdanke, so ist das einmal nicht richtig und dann muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß sich die beiden Rechts parteien damals in ihrem Kampfe um Preußen die Unter stützung von „Moskau" bei der Opposition sehr gern ge fallen ließen, und daß sie ohne die kommunistische Oppo- siition überhaupt nicht im stände gewesen wären, der Re gierung auch nur die geringsten Schwierigkeiten zu be reiten; die heftigen Kämpfe um Preußen und der Druck auf das Zentrum war nur durch den Sturmbock des Kom munismus möglich. ohne ihn versank die ganz« Aktion ins Nichts! Sonderbarerweise lebt auch noch immer das Märchen, di« heutige preußische Regierung lebe nur von Moskau. Auch das ist nicht wahr. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im Frühjahr 1925, war die gesamte Opposition einschließ lich der Kommunisten so stark, daß sie die berühmten 226 Stimmen aufbringen konnte, die notwendig waren, um die zum Sturze eines Kabinetts ausreichende Stim menzahl zusammenzubringen. Beide Teile, die gegen wärtige Koalition und di« gesamte Opposition mit den Kommunisten, verfügte je nur über genau die Hälfte der Gesamtzahl der Abgeordneten. Nun weiß natürlich die Volkspartei so gut wie wir, daß der Kommunismus heute völlig in sich zerfallen ist. daß die preußische kommunistische Fraktion mindestens vier Fraktionen birat. daß also, selbst wenn sie wollten, sie ihren „Freunden" aus der Rechten keine -durchschlagende Hilfe mehr zuteil werden lassen könnten. Dies und die immer wiederholten Siege bei den Abstimmungen, wo die Regierung ihre Leute eben besser heranholte wie die Opposition, sind die Ursachen dasür, daß heute die Weimarer Koalition vollkommen fest im Sattel sitzt und von niemanden mehr geworfen werden kann. Oder liegt der Sieg der Regierung nicht noch tiefer und hat eine» moralischen Kern? Man kann eben leichter siegen, wenn man ein positives Ziel vor Augen hat. es ist aber schwer, eine Opposition zusammenzuhalten, deren ein ziges Ziel ein negatives ist: Sturz einer Regierung! Man scheint unterdessen eben die Hoffnung aufgegeben zu habe», mit nennenswerten Aussichten noch einmal in Preußen sein Glück zu versuchen, zumal der Termin der Neuwahlen in ungefähr Jahresfrist nahe ist. Um so mehr bemüht man sich, und das ist di« neueste Taktik, nunmehr zu erklären, das Zentrum in Preußen sei der „Gefangene" der Sozialisten und überhaupt der Linken. Diesem Vorwurf gilt es beizukommen, es ist osfenbai der neue „Dreh". Man könnte die Sache eigentlich damit abtuen, daß man sagte: eine Parteigruppe, die für die Interessen der Katholiken vor dem Kriege so wenig Ver ständnis gehabt habe, habe sich des Rechtes begeben, über haupt diese Art von Kritik zu üben, sie sei hinreichend ver- oächtig, daß sie auch heute noch dieselben Fehler wieder holen würde, wenn etwa das^ Zentrum, um in der Ar« dieser Leute zu sprechen, der „Gefangene" der Rechten wäre. Man könnte sich z. B. diesen Vorwurf in dem Sinne vor stellen, daß er bei einer anderen politischen Konstellation in Preußen in dieser Art von links her erhoben würde. Aber man möge sich beruhigen und zu der Klugheit des Zentrums und zu seiner Gerechtigkeit das Vertrauen haben, daß es sich niemals gefangen nehmen läßt. Aber warum argumentiert man überhaupt so falsch? Weil man eben die Zentrumspolitik, ivas wir immer gesagt haben, gar nicht versteht. Di« Volkspartei weiß es so gut wie wir. daß die Position des Zentrums in Preußen derart ist. daß es seine volle taktische Bewegungsfreiheit bis zu dieser Stunde besitzt. And wenn es das nickst wüßte, so brauchte es nur einen Blick in die Blätter der Rechten ni werfen, wo man ihm alle Tage Berge ver spricht, wenn es doch nur den „Linkskurs" in Preußen auf geben und sich in di« Arme der Rechten werfen würde. Eine Partei, die derart umworben und von allen Seiten heiß begehrt ist, kann niemals „Gefangene" sein, weil sie moralisch und materiell zu stark ist. Sie würde der Koali tionsseite, falls man ihren gerechten Ansprüchen nicht fol gen wollte, jederzeit sagen können: dann zwingt ihr uns unsere politische Linie zu ändern! Also man beruhige sich: das preußische Zentrum weiß, was es ist und kennt voll kommen seine starke Position, und wenn es seinen Kurs so klar gewählt hat wie auf dem Preußentage. jo weiß es auch: warum. Es sieht eben in völliger Ruhe der weiteren Entwicke lung zu. Wenn die Wahlen komme», ist es gerüstet und es braucht nicht mit leeren Händen in den Kampf gehen, sondern es kann sagen, daß es die vier Jahre ausgenutzt habe im Interesse einer Bernhigungspolitik, die schließlich auch dem gesamten übrigen Deutschland zugute gekommen ist. And wir sagen es noch einmal: nicht infolge der Ent wickelung im Reiche muß es das Steuer herumwerfen, son dern umgekehrt: gerade wegen der Entwicklung im Reiche hat es die deutsche Pflicht, seinen bisherigen Kurs so lange beizubehalten, wie es die Aeberzeugung besitzt, daß er ein staatspolitischer Kurs genannt werde» kann- haben, liegt malerisch und weithin sichtbar am Hange des Meintjes-Kop, von herrlichen Anlagen umgeben. Deutsäze Feldgeschütze, ein Zierstück fast aller afrikanischen Staats gebäude. halten davor die Wacht. Noch viel in dieser Stadt erinnert an die alten Bu rentage, vor allem an den Staatspräsidenten Paul Krüger, der 18 Jahre lang die Geschicke Alt-Trans vaals geleitet hat und bei Bnr und Brite in lebhaftester Erinnerung steht. Sein wuchtiges Denkmal, vom Bild hauer van Wauv gesckzassen, steht auf dem Bahnhofsvor platz. Sein Wohnhaus in der Church street und das Krugerzimmer im alten Museum ziehen viele Besucher an. Nun ist es mit Erinnerungsstätten ein eigen Ding. Mag es nun an der Gedenkstätte George Washingtons. Goetbea oder des Kaisers von Japan sein, nicht immer iveih fromme Pietät die Mitte zwischen verehrender Einfalt und künstlerischem Geschmack zu finden. Dort wie hier wird der nüchterne Betrachter mehr als zu viel Anlaß zum Lächeln finden, wenn ihm der Glaube fehlt, der Leb- loses beleben kann. Mas hier an papierenen und wach- jenen Kränzen, geschmacklosen Bildern und intimen Er- innerungsstücken verwahrt wird — Rasierpinsel, Bade- thennometer. Taschenmesser, Stummelpfeifen — kann nur den blinden Bewunderer mit Ehrfurcht erfüllen. Ge wiß. Krüger ist viel geehrt und geliebt worden: Hier steht ein Meisterstück des Meißels, in dem im Jahre 1900 75 000 Russen ihre Unterschrift dem Präsidenten verehrt lmben Hier liegen Erinnerungsmünaen. Lorbeerkrünze.