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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- PreiS 22j Sgr. (z Thlr.) viertcluhriich, Z Thlr. für du» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumecirl auf diese» Beiblatt der AUg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (ZriedrichS-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSIande bei den WohllLbl. Pofi-Aemtern. Literatur des Auslandes. 61. Berlin, Montag den 21. Mai 1838. ILMWS Nord - Amerika. Die Fahrten der Normannen nach Amerika um das Jahr 1000. Es ist schon früher in diesen Blattern die Rede gewesen von der Entdeckung, die man in neueren Zeilen gemacht Hal, daß schon vor Kolumbus im Illen und litten Jahrhundert Normän- nische Seefahrer von Island und Grönland aus die Küsten von Nord-Amerika besucht, und von der hierauf gegründeten Hypo these, daß Kolumbus, der bekanntlich auf seinen Seereisen im Jahre 1477 auch nach Island kam, die Kunde hierüber, die sich wahrscheinlich bei der dasigen Bevölkerung mündlich und schrift lich forlpflanzte, vernommen und dadurch zu seinen eigenen geographischen Ideen und Entdeckungsplänen, wo nicht die erste Anregung erhalten habe, doch wenigstens darin bestärkt worden sey- Diese letztere Schlußfolgerung ist um so mehr eine bloße Hypothese, als sie sich auf nicht« historisch Gegebenes aus dem lieben des Kolumbus selbst stützt, indem kein einziger Bericht über jene Zeit, keine Stelle in des Admirals eigenen Papieren oder in fremden Miltheilungen über ihn die geringste Anspielung auf diesen wichtigen Umstand enthält. Was dagegen jene Tradition über die Fahrten der Normänner nach Amerika beiriffl, so ist dies erstens eine historisch ausgemachte Thatsache, die nicht bloß durch das Zeugniß einer Menge von älteren und neueren Schrift stellern bestätigt wird, sondern vornehmlich durch die authentischen Urkunden aus dem Mittelalter selbst, die man im Norden gefun den hqt, und zweitens ist sie auch gar nicht so neu, und nur in sofern nennen wir sie eine neuere Entdeckung, als sie, seit Jahr hunderten in jenen Urkunden verschlossen, deren Inhalt schon der Sprache wegen nur einer kleinen Zahl von Nordischen und frem den Gelehrten zugänglich seyn konnte, für die größeren Kreise der gelehrten und literarischen Welt bisher so gm wie nicht vor handen war. Im vorigen Jahre nun ist unter den Auspizien der Königlichen Gesellschaft Nordischer AlterchumSforscher in Kopen hagen eine Sammlung der Isländischen Urkunden und Manu skripte erschienen, in welchen jene Nachrichten enthalten sind, unter dem Titel: ^nriguitate« Kinericanae, -ave 8er!ptoren 8ep. tentrionslev rerum Ame-Ooluiubianiu-um in Emerics, und da der ganze Gegenstand, Amerika'« Entdeckung durch die Normänner nämlich, interessant genug scheint, um eine nähere Bekanntschaft, wenigstens mit seinen Haupt-Momenten, zu verdienen, so lasten wir hier eine gedrängte Darstellung folgen sämmtlicher hierher gehöriger historischen Fakta,, wie sie aus den verschiedenen größeren und kleineren Denkmälern und Ueberlieferungen in jener Sammlung zu entnehmen sind. Im Frühling des Jahres »86 fuhr Erich Rauda, d. h. Erich der Rothe, von Island nach Grönland und gründete daselbst an einem Ort, der nach ihm selbst Ericssiord hieß, eine Niederlassung, Namens Brattalid- Unter seinen Begleitern war Heriulf Bard- son, der sich an einem On niedcrließ, welcher noch heute den Namen Heriulfsneß trägt. Heriulf Halle einen Sohn, Namens Bjarne, Biorne, oder (nach einigen neueren Schriftstellern) Biron. Biarne war abwesend auf einer Handelsreise nach Norwegen, als sein Vater den Erich nach Grönland begleitete. Als er im Laufe des Sommers nach Island zurückkehne und seinen Vater nicht mehr fand, segelte er ihm nach, obgleich er der Fahrt zwischen Island und Grönland ganz unkundig war. Sein Fahr zeug war bald von Nebeln cingchüllt, so daß er nach einer Fahrt von mehreren Tagen nicht wußic, wohin er gekommen war. Als der Nebel verschwunden war, fanden sie, daß sie mit einem Süd westwind segelten, und sahen Land zur Linken. Dieses Land war ohne Berge, mit Wald überwachsen und stieg allmälig in sanften Erhebungen empor- Da es nicht den Beschreibungen Grönlands, welches das Ziel ihrer Fahri war, zu entsprechen schien, so ließen sie es zur Linken liegen und segelten zwei Tage lang weiter, al« sie wieder ein anderes Land sahen, das ebenfalls flach und mi« Wald bewachsen war. Von hier stachen sie in See, fuhren drei Tage mit einem Südwestwind und entdeckten ein drittes Land, das hoch, gebirgig und mit Eis bedeckt war. Indem sic am Ufer entlang hinfuhren, fanden sie, daß cs eine Insel war. Sie ent fernten sich davon, ohne zu landen, und nach einer viertägigen Fahrt mit frischem Wind erreichten sie Heriulfsneß in Grönland. Dies ist die Erzählung von Biarnc's Reise im Jahre 986, und wenn diese als authentisch betrachtet wird, so müssen wir anneh men, daß er bei der Fahrt von Island nach Grönland durch einen Nordostwind und durch Strömungen weit nach Süden fortgeführt wurde, bis er die Küste von Amerika berührte, und von da, mit entgegengesetztem Wind, an den Ufern von Neufundland und Labrador vorbei nach seinem Bestimmungsort in Grönland kam. Von Biarne wird erwähnt, daß er nicht auf dem Festland von Amerika gelandet sey. Einige Zeil später, wahrscheinlich im Jahre 994, besuchte Bearue den Erich, Grafen von Norwegen, und gab ihm einen Bericht von seiner Reise und von dem unbekannten Lande, das er gesehen. Der Graf tadelte ihn, daß er die Gegend nicht näher erforscht. Bei seiner Rückkehr nach Grönland be,chloß man, eine Entdeckungsreise zu unternehmen. Leif, ein Sohn Erich's des Rothen, kaufte zu diesem Zweck Biarne's Schiff und brachte einen Haufen von 28 Männern an Bord, unter denen auch ein Deutscher war, Namens Tyrker, der schon sehr lange ein Ge löste der Erichschcn Familie gewesen. Sie begannen die Fahrt im Jahre 1000 und kamen zuerst nach dem Lande, welches Biarne zuletzt entdeckt hatte. Sie landeten daselbst. Nirgends war Grünes zu sehen, die Küste war mit Eisbergen besetzt, und der ganze Raum zwischen ihnen und dem Wasser war eine ununterbrochene Schicht von Schiefer: Schiefer heißt auf Isländisch Hella, und daher nannten sie jenen Ort Helluland. Der Herausgeber der Urkunden-Sammlung will in dieser Gegend Neufundland er kennen, und zwar aus dem Umstand, daß Biarne auf der erst- beschriebenen Reise, als er von hier nach Grönland segelte, vier Tage zugcbracht habe. Von Helluland fuhren sie weiter und entdeckten ein neues Land, das sie ebenfalls betraten. Es war eben und mit Wald bedeckt; sie nanmen es Markland oder Wald land. Oer Her ausgeber der -4miguitat«x iinciioongo hält dies für die Küste von Neu-Schottland. Als sie wieder in See stachen, segelten sie zwei Tage lang mit Nordostwind, ehe sie wieder Land sahen. Dann erreichten sie eine Insel östlich vom Festland und fuhren durch einen Kanal zwischen dieser Insel und einem in östlicher Richtung vom Festland auslaufenden Vorgebirge. Sie segelten westwärts und fanden daselbst viel Land, das in der Ebbe trocken geblieben war. Hierauf kamen sie auf dem Ufer an einen Ort, wo ein Fluß, der aus einem See hervorkam, ine Meer mündete- Sie brachten ihr Schiff in den Fluß, von da in den See, und hier ankerten sie und bauten zum ersten Mal Hütten für eine kurze Zeit; nachdem sie aber beschlossen, den Winter hier zuzu bringen, errichteten sie etwas dauerndere Wohnhäuser, die sie Leifsbulhir, d. h. Leif's Buden oder Hütten, nannten. Nachdem sie sich so niedergelaffen, iheilre Leif seine Gesellschaft in zwei Theile, deren Geschäft es war, abwechselnd ihre Wohnplätze zu bewachen und das Land zu durchforschen. Bei einer Gelegenheit fehlte Tyrker, der Deutsche, als der Haufen, zu dem er gehörte, des Nacht« von seinen Streifereien zurückkehrte. Endlich kam er wieder und berichtete, daß er auf seinen Wanderungen eine Menge von Weintrauben gesehen, die er aus seinem Geburts lands recht gut kenne. Dies bewog Leif, dem Lande den Namen Dinland oder Wein land zu geben. Nachdem sie den Winter hier zugebrachi, kehrten Leif und seine Gefährten im Frühling nach Grönland zurück. Aus der geographischen Beschreibung, wie aus einer astronomischen Angabe, will der Herausgeber der Sammlung schließen, daß die Insel, welche hier erwähnt wird, keine andere sey, als Nantucket, und das Land, dem sie den Na men Vinland gegeben, das Gebiet von Maffachuffett« und Rhode- Island. Als Leif nach Grönland zurückgckommen war, erregte seine Entdeckung große Neugier, und sein Bruder Thorwald borgte sich Leif's Fahrzeug und unternahm eine zweite Reise in derselben Richtung im Jahre I0V2, in der Absicht, das Land noch weiter nach Süden hin zu untersuchen. Vor dem Anfang des Winters erreichten sie Vinland und blieben hier in Leif's Hmten, indem sie sich mit Fischerei beschäftigten. Im Frühling des folgenden Jahres sandte Thorwald einen Haufen aus in dem langen Boot seines Schiffes, um das Land nach Süden zu durchforschen. Sie brachte» den Sommer damit zu und fanden das Land schön und gut bewaldet, mit einer schmalen Sandfläche zwischen dem Wald und der See- Auch stießen sie auf mehrere Untiefen und Inseln.