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sd Hchiislmi-kiyMal, LderlnWih, GkMrs, Lugau, Wüstenbrand, Urspnmg, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf Mittwoch, den 14. Mai 1902 Nr. 109 Redaction und Expedition: Bahnstraste 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. 29. Jahrgang- Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. I! JnserlionZgebühren: die fünfgespatt-ne CorpuszeUe^o , — Tagesge-chichte. Deutsches Reich. — Im Kaiscrhof in Berlin fand eine Versamm lung von 800 Vertretern von 77 Städten Deutschlands statt. Oberbürgermeister Kirschner-Berlin wurde ein stimmig zum Vorsitzenden gewählt. D:e Versammlung nahm einstimmig folgende Resolution an: Die heute in Berlin versammelten Mitglieder der deutschen städtischen Gemeindebehörden sprechen sich, unbeschadet ihrer grundsätzlichen Stellungnahme zur Zollfrage, gegen jede Erhöhung der Zölle auf unentbehrliche Lebensmittel aus und erwarten gleichzeitig, daß die gesetzgebenden Faktoren auf die Fortsetzung und den Ausbau der be währten Politik langjähriger Handelsverträge bedacht sein werden. — Die Wissenschaft über das Unwetter in Berlin vom 14. April. In der letzten Sitzung des Berliner Zweigvereins der Meteorologischen Gesellschaft wurde über das Unwetter verhandelt, welches am 14. April über Berlin niedergegangen ist. Nach den Unter suchungen des Dr. Stade sind Gewitterzüge, die am 13. April in Schlesien und Umgegend und südwestlich vom Thüringer Walde sich befanden, über Berlin in der nächsten Nacht zusammengekroffen, und das sei die Ur- fache der ungeheuren Steigerung der Stärke und Dauer des Gewitters gewesen, wobei dann noch Uebersättig- ungS- und Ueberkaltungsvorgänge eine Rolle gespielt haben. Geheimrath Hellmann theilte einige Zahlen mit, welche zeigen, daß die enormen Regenmengen, welche fielen, über ein engbegrenztes Gebiet niedergegangen find. Etwa 20 km östlich von Berlin fiel überhaupt kein Regen, im Baumschulenweg, dicht bei Berlin, fielen 4 mm, in Spandau, auf der westlichen Seite, 17 mm Regen. Dagegen fielen im Nordend 86, Tegeler Chaussee 97, Seestraße 118, Jnvalidenstraße 156, Teltowerstraße 83, Groß-Lichterfelde 54 mm. Ueber der Regen menge fielen in den ersten 4—5 Stunden veS Unwetters. — Gebundene Kräfte. Die „Hilfe" schreibt: Ein Rummelsburger Volksschullehrer findet unter seinen Schülerinnen eine, der er den schmachtenden Hunger vom Gesicht abliest. Die Mutter krank, der Vater arbeitslos, Eltern und Kinder ohne Brot! Von Mitleid ergriffen, giebt er dem Kind sein Frühstück und erzählt den erschütternden Fall seiner Familie. Sein Bruder sieht sich veranlaßt, das Elend in der Berliner „VolkSztg." zu schildern und verhilft so dieser und einer andern Familie, in der eS ähnlich steht, zu Brot und Arbeit. Dafür schickt die Potsdamer Regierung dem Lehrer einen Kommissar auf den Hals, der mit ihm eine einstündige Verhandlung in Gegenwart des Schulinspektors und deS Rektors vornimmt. Einige Zeit darauf erhält der Lehrer ein sehr ungnädiges Schreiben der Regierung, in dem es zum Schluß heißt, daß sein Verhalten von „wenig Ueberlegung und von geringer Liebe für seine Schutzbefohlenen zeuge" und daß ihm die Regierung dafür ihr „mißfälliges Bedauern ausspricht". Ist das etwa ein Hauch des neuen Geistes, der seit dem Abgang des Ministerialdirektors Kügler in der Unterrichtsver waltung weht? Die mitleidige That eines Proletarier lehrers, die dahin führt, daß wieder einmal durch ein Beispiel aus dem Leben das soziale Gewissen der Oeffentlichkeit geschärft wird, bietet der Regierung Anlaß zu Mißfallen und Tadel. Wohin soll das führen? Wir hoffen, daß es der Schulbureaukratie niemals ge lingen wird, waS dem evangelischen Oberkirchenrath zeitweilig möglich war: Die Lehrer des Volkes von der Erfüllung ihrer sozialen Mission durch Maßregelungen abzuschrecken. — Nach dem Eisenbahnunglück bei Zschortau war der preußischen Eisenbahvverwaltung auf Grund bedeutsamer Feststellungen im Abgeordnetenhaus der Vor wurf übertriebener Sparsamkeit in der Bewilligung von Prämien für die Entdeckung von Schäden am Wagen- material gemacht worden. Dazu bemerken jetzt die „Berl. Pol Nachr.": Wenn in der Presse die Ursache des be- klagenswerthen Eisenbahn Unfalls bei Zschortau in über triebener Sparsamkeit gesucht wird, in Folge deren die sachgemäße Prüfung der betreffenden Achse auf ihre Be triebssicherheit unterlassen fei, so wird unbeachtet gelassen, daß der Bruch in der Nabe des Rades erfolgt ist. Die Räder sind bekanntlich fest um die Achsen geschweißt und lassen sich zwar aus hydraulischem Wege davon wieder lösen, sind aber im Uebrigen stets fest mit der Achse verbunden. Die Nabe des Rades umschließt die Achse fest und es ist daher keinem noch so geschickten Schlosser oder Techniker möglich, während des Betriebes die Achsen in den Naben auf Betriebssicherheit zu prüfen. Betreffs dieser Stelle muß man sich damit begnügen, daß die Achse aus dem besten Material hergestellt ist. Im Ueb- rigen aber ist, wie überall, auch bei dem Unglückszuge nichts Unterlasten worden, was durch Untersuchung zur Erhöhung der Betriebssicherheit geschehen kann. Frankreich. Paris, 12. Mai. Der dem brasilianischen Deputaten Severo gehörige Luftballon „Pax", der heute früh auf stieg, explodirte über der Ecke der Rue Gaite und der Avenue Maine. Die Insassen des Luftballons waren Severo selbst und der Erbauer des Ballons, der Ingenieur Lachambre. Eine beträchtliche Volksmenge halte dem Aufstiege im Parke Vaugirard beigewohnt und folgte den Bewegungen des Ballons. Anfangs ging Alles gut, nur schien die Lenkung Einiges zu wünschen übrig zu lassen, da der Hintere Propeller sich nur mit Schwierigkeit bewegte, wodurch der Ballon öfters still stand. Als der Ballon sich in einer Höhe von 450 Meter über der Avenue Maine befand, erhob sich ein leichter Wind; in Folge dessen drehte sich der Ballon um sich selbst im Kreise herum. Plötzlich schlug aus der Mitte des Ballons eine Flamme hervor, eine furcht- bare Explosion erfolgte, und der brennende Ballon fiel mit einer ungeheuren Schnelligkeit zur Erde, wobei er ein Haus und mehrere Bäume der Avenue Maine streifte. Man beeilte sich, den beiden Luftschiffern zu Hilfe zu eilen. Beide hatten jedoch bei dem Sturze entsetzliche Verletzungen und Brandwunden erlitten und waren be reits todt. Nach Ansicht eines Arbeiters, welcher bei der Herstellung des BallonS beschäftigt war, soll der Unfall auf die Explosion des Petroleum-BehälterS zu- rückzusühren sein. Andere meinen, daß Wasserstoffgas aus dem Ballon entwichen sei. Eine eingehende Unter suchung ist im Gange. England. London, 12. Mai. Die „Times" erfährt: Die Friedensverhandlungen wurden von Schalk Burger nach Empfang der ihm offiziell übersandten Korrespondenz mit Holland eröffnet. Der erste Vorschlag der Buren- sührer war, daß die Republiken nur die vor dem Kriege England angebotenen Konzessionen machen sollten. Eng- land erklärte darauf die seiner Zeit in Middelburg ge machten Konzessionen für sein äußerstes Zugeständniß. Die Bitte der Delegirten, ihre europäischen Freunde da rüber befragen zu dürfen, wurde abgelehnt und ihnen anhetmgegeben, die Verhandlungen abzubrechen. Sie erklärten darauf, ehe sie über die Aufgabe der Unab hängigkeit verhandeln könnten, müßten sie neue Voll machten von den Burgherr erlangen und baten um Waffenstillstand. Dieser wurde abgeschlagen, jedoch ver sprochen, daß die Buren bei den Versammlungen nicht belästigt werden sollten. Ferner wurde ihnen zu ver stehen gegeben, fall» sie zurückkämen, müßten sie aus reichende Vollmachten milbringen. Schalk Burger soll hierzu unbedingt zugestimmt, Steijn jedoch sich ziemlich reservirt verhalten haben. Steijn leidet nach anderen Meldungen außer an den Augen auch an unheil fortschreitender Lähmung. Haag, 12. Mai. Das ^Centralcomitö des.^nieder ländischen Rothen Kreuzes erhielt am 9. lieder liche Mittheilung, daß die englische Reglern g ländischen Ambulanzen nicht gestatten konnte, sich zu den Burencommandos zu begeben. - In informirten holländische« B»re^ erhält sich die Meinung, daß die Frteden-verhand lungen in Südafrika thatsächlich mißlangen Die welche von der englischen Presse verbreitet w , gefärbt, um herbe Thatsachen vielleicht aus Rucks cht auf die Interessen der Goldminenbesitzer möglichst z tuschen. Die letzten, aus Südafrika eingetroffen - theilungen bestätigen, daß noch zahlreiche Kom kampflustig sind. Da« frühere Organ de« Mlnisterprast deuten Kuyper publizirt den Brief de« Kommandan Fronemann, worin derselbe berichtet, daß d« Buren Nordwesten von Kapland nunmehr 3000 Mann star sind. Fronemann nahm da« Dorf Kakamas em, er beutete viele Munition und Waffen. Er hatte ms zur Absendung des Briefes den Engländern 23 GeMw ge- liefert; die Engländer hatten meist Hottentotten, ^"sch linge und Koffern als Soldaten eingestellt. Die Buren erhalten massenhaft Unterstützung durch die Kaprebellen. Rußland. — Der amtliche Petersburger „RegierungSbote veröffentlicht eingehende Mittheilungen über die Unruhen, die vom 28. März bis 3. April in gewissen Distrikten der Provinzen Poltawa und Charkow stattfanden. Da nach begannen die Bauern des Distrikts von Konstan- tinograd in der Provinz Poltawa unter dem Vorwande, daß sie Mangel an Nahrungsmitteln litten, auf Plün derung von Scheunen und Raub von Vieh auszugehen. Am 30. März erschien eine Schaar von Bauern vor einem Gute bei Karlowa, da« dem Großherzog von Mecklenburg Strelitz gehört, ließen sich von dem Inten danten die Schlüssel geben und bemächtigten sich mehrerer Tausend Pud Kartoffeln. Von diesem Zeitpunkte an nahmen die Ausschreitungen der Bauern zu. Räuber züge, die angeblich 300 bis 400 Wagen mit sich führten, griffen die Besitzthümer der Landwirthe und der dort angesiedelten Kosaken an, beraubten die Scheunen, nahmen das Futter, Getreide und landwirthschaftliche Geräth- schaften mit sich und trieben das Vieh fort. Aus einer dem Kaufmann Volik gehörigen Farm raubten die Bauern etwa 20000 Pud Korn. Eine 10 Werft von Poltawa gelegene Mühle wurde gleichfalls angegriffen. Zwei Compagnien Militär, die dorthin entsandt wurden, mußten aus die Plünderer feuern, von denen 2 getödtet und 7 verwundet wurden. Weitere Unruhen ereigneten sich am 31. März im Bezirk Walk, Provinz Charkow, und in einem Dorfe des Bezirk« Bogokom, wo Farmen geplündert und zum Theil in Brand gesteckt wurden. Gegenwärtig ist die Ruhe in den Provinzen Poltawa und Charkow wiederhergestellt. Man kann annehmen, daß dank der von den Behörden getroffenen Maßnahmen die Unruhen sich jetzt nicht wieder erneuern werden. Schweiz. — Die Kälte in der Schweiz richtet unermeßlichen Schaden an. So meldet man der „N. Z Z" auS Heiden vom 9-Mai : Seit gestern anhaltender dichter Schneefall. Unser lieblicher Kurort ist fußtief einae- schneit. Die Temperatur steht fortgesetzt auf Null. DaS Witterungsbild ist vollständig winterlich, wie wir solches im Wonnemonat hier niemals erlebt." Es scheint also fast, dieser traurige Maimonat 1902 demjeniaen von ISM m nicht, NN«,» ,u w-ll-n, d° - L m Europa zu den kältesten gehört, deren man sich je erinnert -7 Grad gewesen sem. Weit und breit erfror alles vom