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DK „Weißeritz. Zeitung" «-scheint wöchentlich drei mal: Dienstag. Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljiihrlich 1 M. 28 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 1V Pfg. — Alle Postan italten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Mchmh-MilW. Amtsblatt Anserate, welch« bei der bedeutenden Auflage des ' Blattes eine sehr wirk same Berbreitungfinden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, un revaktionelum Theile, die Spaltenzrile 20 Pfg. für die Königliche UmishaupLmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadtrathe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redakteur: Carl Ikhnc in Dippoldiswalde. Nr. 44. Ministerpräsident Briffon. Sofort nach der Demission Jules Ferry's sandte der Präsident der Republik zu Herrn Brisson, um diesen zur Bildung eines neuen Kabinets zu bewegen. Brisson lehnte dankend ab. Jetzt hat er sich aber doch zur Uebernahme der Negierung entschlossen, und ihm ist es gelungen, was so viele andere Herren im Laufe einer Woche vergebens versucht — ein Ministe rium zu bilden. Wohl hatte Herr Brisson seine guten Gründe, die Kabinetsbildung abzulehnen, dieselben Gründe vielleicht, die nach denjenigen, welche es nun einmal nicht lassen können, Herrn Grevy alle erdenk lichen kleinlichen Gesinnungen und Machinationen zu zutrauen, Herr Grevy gehabt hat, zuerst nach Herrn Brisson zu schicken. Herr Brisson, der ehemalige Rechtsanwalt und Journalist, denkt nämlich an Höheres; an den höchsten Posten, der in Frankreich zu erlangen ist, an den Posten eines Präsidenten der Republik. Und man muß gestehen, daß in Frankreich neben Grevy und Ferry an keinen Mann sonst in Verbin dung mit jenem Posten so gedacht wird wie an Brisson. Nun Ferry scheinbar zu den Todteu geworfen war — er ist in der That nichts weniger als ein Todter — stiegen Brisson's Chancen, in Ziffern ausgedrückt, von 33'/» auf 50 Prozent, und er hatte sonach alles Interesse, seine Chancen nicht plötzlich und so nahe vor dem Wahltermine vielleicht auf Null sinken zu lassen, mindestens aber schwer zu gefährden, durch Uebernahme eines Postens, auf welchem man sich in Frankreich so fabelhaft schnell abnutzt, auf welchem selbst ein so populärer Staatsmann wie Gambetta in wenigen Wochen ausgespielt hatte. Nun ist Brisson doch Ministerpräsident geworden, und das beweist, daß er doch ein größerer Patriot ist, als die Maschinenpoli tiker von hervorragenden Persönlichkeiten anzunehmen gewöhnt sind. Gelingt es Brisson, sich auf dem neuen Posten die wenigen Monate bis zur Wahl eines neuen Präsidenten der Republik zu bewähren, hat er gar als Kabinetschef Glück und Erfolg, so wird ihm der unter so schwierigen Verhältnissen übernommene Posten nur um so nützlicher für seine Präsidentschaftskandidatur sein. Und der Anfang ist ja in der That viel ver sprechend. Das neue Kabinel hat im Publikum wie in den Kammern eine gute Aufnahme gefunden, und will es gar das Glück, daß vem Präliminarfrieden mit China der wirkliche Friede folgt, so hätte Briffon nur die Aufgabe, seinen Ruf zu erhalten, um das höchste einem Franzosen gesteckte Ziel zu erreichen. — Henri Brisson ist etwa 50 Jahre alt und entstammt einer angesehenen Bürgerfamilie im mittleren Frank reich. Ein mittelgroßer Mann, mit Charakterkopf, erfreut er sich des größten Ansehens und besten Rufes als Privatmann wie als öffentliche Persönlichkeit. In die Oeffentlichkeit trat er bereits in der ersten Hälfte der Sechsziger Jahre, machte aber mehr als Journalist i>enn als Politiker von sich reden, selbst als er 1871 zum ersten Mal als Abgeordneter in Paris gewählt wurde. In hervorragenderem Maße lenkte er die Auf merksamkeit auf sich durch seinen Antrag, das berüch tigte Ministerium Broglie-Fourtou in Anklagezustand zu versetzen. Wenn auch dieser Antrag s. Z. abge- lehnt wurde, so hat er ihm doch beim Volke sehr ge nützt, das ihn noch jetzt für den gesinnungstüchtigsten, ehrlichsten, wenn auch allen Extravaganzen fernstehen den Republikaner hält. Sein Kopf schon drückt das strenge tugendhafte Staatsbürgerthum ans. Seit Be ginn dieser Legislaturperiode d. h. seit drei Jahren ist Brisson Präsident der Kammer und als Solcher steht er natürlich dem Parteigetriebe ferner. Wie er sich als Minister bewähren wird, das läßt sich schwer voraussehen, zumal Brisson bisher wohl als tüchtiger Parlamentarier und Journalist sowie auch als ehren hafter etwas zur Prinzipienreiteret geneigter Mensch, noch nicht aber als Staatsmann bekannt ist. Man sann indessen, wenn man des neuen Ministerpräsidenten Dienstag, den 14. April 1885. Ehrenhaftigkeit in Anschlag bringt, allenfalls annehmen, daß das ministerielle Programm strenger befolgt werden dürfte, als gemeinhin üblich. Jedenfalls wird das Kabinet Briffon — wenn es bis dahin lebt — sich in den bevorstehenden Wahlen der ungebührlichen Be einflussung enthalten. Was die auswärtige Politik anbetrifft, namentlich die europäische und da speziell wieder die Deutschland gegenüber, so darf man gewiß sein, daß Brisson keine Chauvinistenpolitik befolgen und eventuell von Freycinet im Zaume gehalten werden wird. «Lokales rmd Sächsisches. Dippoldiswalde. An günstig stehenden Spalier bäumen in unserer Stadt zeigen sich bereits die ersten Blüthen. — 13. April. Dem Gemerbeverein steht demnächst, und zwar den 20. d. M. der Besuch des Wander lehrers der Gesellschaft für Volksbildung, des Herrn vr. Wislicenus-Wiesbaden bevor, welcher nach dem Wunsche des Vereins über „die Lage des Handwerks" sprechen wird. Wir machen jetzt schon auf den in teressanten Vortrag aufmerksam, zu dem nicht nnr die Mitglieder des Gewerbevereins, sondern auch deren Angehörige, sowie eingeführte Gäste Zutritt haben. Zudem steht dem Vereine die Abhaltung eines Fami lienabends nächstens bevor, zu welchem ihm die Mitwirkung tüchtiger Kräfte bereits freundlichst in Aussicht gestellt worden ist. Die betreffenden Ein ladungen werden demnächst erlassen werden. — Auch an dieser Stelle wollen wir nochmals auf das heute Dienstag Abend '/»8 Uhr im hiesigen Schießhaussaale stattfindende Concert zum Besten des Lutherdenkmals aufmerksam machen. Das Pro gramm ist ein abwechslungsvolles, so daß ein ange nehmer Abend erwartet werden kann. — Das diesjährige Feuerwehrconcert, zum Besten der Unterstützungskasse des Korps wird, wie wir hören, Sonntag über 8 Tage, den 26. April stattfinden. — Für die zweite Schwurgerichtsperiode des Schwurgerichts Dresden sind bei der am II. April vorgenommenen Ausloosung der Geschworenen aus unserer Gegend nur die Herren Oberförster Klette in Bärenfels und Gutsbesitzer Wend in Nöthnitz ausge- loost worden. — Die aus verschiedenen Gegenden Sachsens vor liegenden Nachrichten über jüngst aufgetretene Ge witter erinnern daran, daß die Blitzgefahr im König reich Sachsen in fortwährender starker Zunahme be griffen ist. Einen durchaus sicheren Anhalt dafür bieten die gewissenhaften amtlichen Ermittelungen und Aufzeichnungen der kgl.sächs. Landesbrandversicherungs anstalt, die sogar alle kalten Blitzschläge erörtert und die durch solche entstandenen Schäden vergütet. Wie stark die Blitzgefahr zugenommen hat, geht daraus hervor, daß von 1841 bis 1870 durchschnittlich 72 Blitzschläge im Jahre auf Hochbauwerke fielen, von 1871 bis 1882 aber durchschnittlich in jedem Jahre 152 Schläge vorkamen. Die Zunahme ist somit eine gewaltige rmd beträgt über 100 Prozent. Freilich hat sich auch die Zahl der Gebäude in der in Rechnung gezogenen Periode beträchtlich vermehrt, allein deren Vermehrung macht in der bauthätigsten Zeit, nämlich seit 1870, immerhin nur 9 Prozent aus, während die Blitzschläge seit diesem Jahre ungefähr um 80 Prozent sich gesteigert haben. Die Statistik zeigt, daß die ländlichen Gebäude doppelt so stark gefährdet sind, als die städtischen, und gerade die Häuser der großen Städte sind am geringsten bedroht. Ist doch auch der Fall ein äußerst seltener, daß in einer großen Stadt, wo die Menschen so dicht beisammen leben. Jemand vom Blitz erschlagen wird, während auf dem Lande alljährlich zahlreiche Fälle dieser Art vorkommen. In Paris sollen im Laufe des Jahrhunderts bisher nur 51. Jahrgang. 2 Personen vom Blitz getödtet worden sein, und aus den Großstädten Dresden und Leipzig ist wohl Nie manden ein Fall einer Tödtung durch Blitz erinnerlich. Als die am meisten durch Blitzschlag bedrohten Gegen den Sachsens sind nach den bisherigen Aufzeichnungen zu nennen die Umgegend von Radeberg, das flache untere Elbthal von Pirna ab, ferner die Dippoldis- waldaer und Freiberger, ganz besonders aber die Frauensteiner und Saydaer Gegend, an deren ge birgigen Abhängen die Gewitter sich förmlich zu stauen scheinen und deren hochgelegene Ortschaften mit ihren freistehenden Hüpfern alljährlich ganz außerordentlich heimgesucht werden. Während in der Amtshaupt- mannschast Oschatz jährlich nur 1 vo» 4566 Gebäuden getroffen wird, kommt in der Dippoldiswaldaer schon auf 1786 Gebäude ein Blitzschlag. Im Ver gleich zu den übrigen deutschen Ländern gehört Sachsen zu den blitzgefährdetsten Gegenden. In den süddeut schen Staaten ist die Gefahr noch nicht halb so groß, in Sachsen-Gotha sogar 5 Mal geringer, größer z. B. in Westfalen und der Gegend von Osnabrück. — Wenn der Frühling kommt, gehen die Kinder an's Sammeln, suchen Thiere, Pflanzen, Gesteine auf. Das hat sein Gutes, aber auch sein Schlimmes und große Gefahren; wir meinen das Einfangen und Tödten der Thiere. Es werden Schmetterlinge und Käfer gespießt, nach Stunden leben sie noch und regen die Gliedmaßen; die Kinder sind Zeugen dieser Thier leiden, ihrer letzten Zuckungen, ihres langsamen Todes; das macht sie hartherzig und gefühllos. Sie nehmen zwar an Kenntnissen zu, aber das ist ein schlechter Gewinn, der mit dem Herzen bezahlt wird. Wo die Jugend unbewacht auf Naturforschungen ausgeht und Schmerz und Tod in die Thierwelt hineinträgt, dort verliert das jugendliche Herz seine größte Zierde, das Zartgefühl. Wo aber das Zartgefühl für Thiere und ihre Leiden aufgehört hat, dort hört es auch für Menschen auf. Wer kaltblütig Thiere spießen kann, kann auch und wird auch Menschen quälen. Die lebende Natur möge gegen die sammelnde Jugend ge schützt, dafür mögen dem Kinde die Thore ins Pflan zen- und Mineralreich weit, weit geöffnet werden. Unter Pflanzen und Gesteinen ist das Herz jedem Schmerzgefühl entrückt, hier führt der Sammeltrieb nicht in eine sittliche Irre. Das Auge, den Blumen zugewendet, lernt zarte Schönheiten kennen. Jedes Plätzchen der Erde hat sein Blumenkleid und jede Pflanze ihren Schmuck; wer darauf achtet, der erobert in der Natur das verlorene Paradies. Reichstädt. Auf Anregung des Herrn Gemeinde vorstand Zimmermann versammelten sich am ver gangenen Sonnabend Abend eine Anzahl hiesiger Ge meindemitglieder, um über die Gründung einer frei willigen Feuerwehr zu berathen. Nachdem sich 30 Mann zur Mitgliedschaft bereit erklärt hatten, wurde zur Erledigung der weiteren Vorarbeiten ein Ausschuß, bestehend aus den Herren Schmiedemeister Winkler, Lehrer Brückner und Straßenwärter Baldauf gewählt. Wünschen wir der jüngsten Feuerwehr unsres Bezirkes ein fröhliches Gedeihen. Altenberg. Vom hiesigen Gemeinderath wurde in der Sitzung desselben am 10. April auf dringendes Ersuchen der hiesigen Braugenossenschast und des Ge werbevereins die Einführung einer Biersteuer be schlossen; derselben wird das nicht hier gebraute, zur Einführung gelangende inländische und vereinsinlän dische Bier unterliegen. Frauenstein. Der Chorgesangverein „Lieder kranz" veranstaltete am vergangenen Freitag eine Auf führung der Mendelssohn'schen „Athälia". Unter der Direktion des Herrn Pastor Langer war dieselbe nach unendlich vielen Mühen so eingeübt, daß ihre Auf führung recht glatt von statten ging. Die Solis waren im Ganzen in recht guten Händen. Das Solo im ersten Sopran hatte Fr. Pastor Langer übernommen