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Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich MW-AuzeiM fm Hohsösrf, RsSlitz, BnM»rf, Wims, St. KBien, HeimiPert, Marimm mH Röls». Amtsblatt für de» Stadtrat r« Lichteastei«. — — —--—-—-— 4V Z«hrga»g. — ——— — — Nr. 182. Freitag, den 8. August 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (anher Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Lag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehme» außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postantzalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene KorpuSzeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Bon Hamburg nach Helgoland. Eine Reiseerinnerung von 6. N. Wenn man in der großen Hafenstadt Hamburg weilt, mitten imStrome rauschender Vergnügungen, und die Pracht und den Glanz bewundert, der sich dort überall in den herrlichen Sälen, Gärten und sonstigen Etablissements entfaltet, so fühlt man sich weit entrückt ans dem Nahmen gewöhnlicher Verhältnisse; aber schon in kurzer Zeit wird man all des Gepränges über drüssig, und namentlich der Kleinstädter sehnt sich wieder fort aus diesem rauschenden Trubel, der Tag und Nacht kein Ende nimmt. Auf meiner Reise nach Helgoland hatte ich der großen Seestadt Hamburg einen kurzen Besuch gewidmet, der Be trachtung verschiedener Sehenswürdigkeiten mich hingegeben und auch dem Hafen eine eingehende Besichtigung geschenkt, wobei namentlich der Besuch eines großen Auswandcrerschiffes einen der interessantesten Punkte bildete. Am 28. Juli mor gens 8 Uhr stieß der Schnelldampfer „Patriot" von der Landungsbrücke St. Pauli ab, auf welchem ich meine Reise nach Helgoland begann. Bei herrlichem Wetter und fast ruhigem Wind lief derselbe, nach ca. 6 stündiger Fahrt, nachdem er die an der Elbe freundlich gelegenen Orte Blan kenese, Stade und Glückstadt passiert hatte, und wo schon in weiter Ferne der Leuchttnrm die Landungsstelle kennzeichnete, gegen 2 Uhr nachmittags in Cuxhafen ein. An dieser Stelle ist das jenseitige Ufer der Elbe nur in dunklen Umrissen noch erkennbar. Nachdem Cuxhafen verlassen, kündigen nach unge fähr einstündiger Fahrt die grünfarbigen Meereswogen an, daß das Schiff die Elbmündung passiert hat und auf hoher See mit den Wogen kämpft, denn auch bei nicht stürmischem Winde gehen die Wellen immer sehr hoch und bald macht sich bei vielen Passagieren die Seekrankheit bemerkbar, denn bleiche Gesichtsfarbe und Unwohlsein verrät dieselbe. Ungefähr eine Stunde vor der Landung erblickt man die Insel Helgoland in dunkelgraner Ferne mit seinen Felsenspitzen, und mit wach sendem Interesse verfolgt man das immer höhere Emportauchen des Eilandes aus der Meeresflut. Ebenso bemerkt man bald rechts von der Küste die weiße Sanddüne mit dem Seebade mitten im Meere. Bald faßt der Dampfer Anker und die Passagiere werden mittelst Boote vom Schiff nach der Land ungsstelle befördert. Hier empfängt man die Passagiere an der sogenannten „Lästerbrücke" in besonders komischer Weise, indem man die Ankommenden einer gründlichen Musterung unterwirft, und die von der Seekrankheit Angegriffenen, welche an dem schwankenden Gang und bleichem Gesichte sofort erkannt werden, gehörig auslacht. Da die ca. lOstündige Seefahrt ein Bedürfnis nach Ruhe geltend macht, sieht sich jeder Ankommende sofort nach Quartier um, welches in der Regel auch bald gefunden wird. Der geschätzte Leser wird mir gestatten, wenn ich gleich an dieser Stelle die geschichtliche Seite Helgolands beleuchte. Die Insel Helgoland, welche nunmehr in diesen Tagen zu den deutschen Besitzungen zählen wird, gehörte seit 1807 der englischen Regierung, hat, wenn auch seinem Umfange nach klein, doch schon seit Jahrhunderten die Aufmerksamkeit der Bewohner des Kontinents auf sich gezogen, teils in Bezug auf Handel und Seewesen, teils in medizinischer Hinsicht. Einen anheimelnden Eindruck gewährt Helgoland vorzüglich mit seinen ca. 600 schmucken Häuschen mit 2000 Bewohnern und seinen sauberen Gassen und Straßen. Es bedarf deshalb nur dieser Erwähnung, um das Interesse für dieses kleine Ländchen zu erregen, welches als das reinste und kräftigste Seewasser darbietende Bad der Nordsee sich in neuester Zeit eine» so großen Ruf durch die 1826 daselbst errichtete Badeanstalt erworben hat. Schon die eigentümliche Lage der Jwel, der Anblick des majestätischen Felsens, der sich an der Westseite 65 Meter, an der Ostseitc 40 Meter über den Spiegel des Meeres erhebt, die Natnrmerkwürdigkeiten und besonders auch die Kraft des Seebades zieht jährlich Taufende der Bewohner des Kontinents dahin, welche die Insel auf längere oder kürzere Zeit besuchen; und viele, die schwach und leidend dahinkamen und stark und gesund von dort zurückkshrten, erinnern sich mit Freude und Dank ih- es dortigen Aufenthaltes. Helgoland ist vielleicht in ganz Europa das einzige Seebad, welches nicht an, sondern ui der See liegt. Sein stets gleichmäßiges Klima, daß, mag der Wind kommen ans Ost, Süd, West oder Nord, nur die reinste Seeluft zum Genuß jederzeit bietet, sowie der große Feuchtigkeitsgehalt der Luft sind durch seine Lage mitten in der Nordsee bedingt. Die Insel liegt unter 54" nördlicher Breite, 25" östlicher Länge und ist 24 Meilen von Hamburg entfernt. Bewohnt wird die Insel teils auf dem Unterlande, teils auf dem Ober lande, zu welch letzterem mau mittelst einer 189 Stufen zählenden Treppe, welche von den Dänen 1770 erbaut und in ihrer jetzigen Gestalt von der englischen Regierung 1834 erneuert aufgcführt worden ist. Für solche, welchen das Steigen zu anstrengend, dient ein gut funktionierender Fahrstuhl. Im Oberland befindet sich die evangelische Kirche, in welcher auch von Zeit zu Zeit englischer Gottesdienst abgchalten wird. Dieselbe wurde 1620 erbaut und zeigt im Innern am Eingang die Sinnbilder, „Glaube, Liebe, Hoffnung und Ge duld" und dann die Hauptmomente aus der Geschichte des alten und neuen Testaments an den Emporen bildlich durch die Malkunst dargestellt. Die Kanzel befindet sich noch direkt über dem Altar. Rechts vom Altar bemerkt man das lebens große Oelgemälde des Reformators Dr. Martin Luther. Im übrigen ist die Kirche einfach und geschmackvoll ausgestattet und mit den Insignien der Schiffsbaukunst geschmückt. Der Turm wurde im Jahr 1884 erneuert, die Kosten hierzu spen dete Kommerzienrat Rickmers aus Bremerhafen, ein geborener Helgoländer, geschenkweise. Der Gottesacker umschließt die Kirche, hier liegt die Schauspielerin Malwina Erk begraben, welche 1853 auf der Düne vom Blitz erschlagen worden ist. Die Bewohner, welche friesischer Abstammung sind, ernährten sich früher ausschließlich vom Fischfang und Lootsendienst, während die seit 50 Jahren hinzugekommene Badesaison außerdem dem Fischer einen guten Verdienst durch Lustfahrten mit Badegästen und Ueberfahrt nach der kV-- Kilometer entfernten Sanddüne bringt. Beim Fischfang ist die Frau ebenso beschäftigt als der Mann. Während der Mann hinausfährt mit seiner Schaluppe zum Fischfang, muß die Frau alle Taue und Angeln wieder fertig machen zum nächsten Fange. Der Haupt fang ist der Hummer- und Schellstschfang. Austern werden auf der 5 Kilometer von Helgoland befindlichen Austernbank gefischt, welche Eigentum der englischen Regierung ist. Auf dem Oberland der Insel, welches ca.seines Teiles Wiesen- und Ackerland enthält, befindet sich ein Lenchtturm, welcher den Schiffen in der Nacht als Wegweiser dient. Kartoffeln, Getreide und Kohlarten, welche auf del^Jnsel erbaut werden, gedeihen gut und die Milch, welche der Helgoländer braucht, wird durch die rationell betriebene Schafzucht zum großen Teil gewonnen. Ein Konversationshaus mit Musik- und Lesezimmer, Konzert- und Ballsaal, gewährt den Kurgästen oder Fremden angenehmen Aufenthalt, wie auch Hotels, Garten- und sonstige Restaurants genügende Unterhaltung für die ankommenden Besucher bilden. Ein Spaziergang auf dem Oberland mit seiner reizenden Fernsicht nach dem Meere ist einer der lohnendsten Ausflüge und wer noch das schönste zum Ganzen fügen will, der darf nur den Sonnenuntergang anf der Nordspitze mit unschauen. Wie unendlich klein erscheint da der Mensch, wenn er den feurigen Sonnenball mit seinen goldenen Strahlen allmählich in die Meeresflut versinken sieht. Einen bezaubernderen Eindruck als diesen kann man nirgends auf dem Festlande finden. Die Länge des ganzen Oberlandes beträgt von der Nord- bis zur Südspitze 1600 Meter und die größte Breite 550 Meter. Die Länge der etwa '/^ Stunde von der Felsen-Insel entfernten Düne, auf welcher sich die Seebäder befinden, beträgt etwa 1 Kilometer, die Breite V« Kilometer. Die Mitte oder der Kern der Insel besteht aus Sandhügeln, die mit Sandhafer bewachsen und rund von einem flachen iStrand umgeben sind, auf den sich fortwährend die Wellen brechen. Dieses steinlose Sandufer mit seinen Brandungen macht die Düne so sehr zum Baden geeignet, denn man braucht hier nicht wie anderswo die Flut abzu warten und seineBadezeit täglich zu verändern, sondern kann regelmäßig von morgens 6 bis nachmittags 2 Uhr baden. Der Wellenschlag ist, da die Düne auf alleu Seiten hin große Meeresstrecken um sich hat, stets ein großer und ändert auch der Wind nichts, mag er kommen von welcher Seite er will. Znr Düne fährt man in großen Segelbooten und begeben sich, dort angekommen, die Herren nach der Südseite, die Damen nach der Nordseite zu den Seebädern. Interessant ist das Spiel der Meereswogen auf der Düne zu beobachten, namentlich bei stürmisch bewegtem Meer, wie mir gerade bei meiner Anwesenheit Gelegenheit geboten war. lieber den ge selligen Verkehr unter den Fremden auf der Insel kann man sagen, daß sich derselbe überaus freundschaftlich gestaltet; schon in kurzer Zeit werden Bekanntschaften gemacht, wie auch im allgemeinen der Aufenthalt sich zu einem familiären gestaltet. Im Hause meines Quartiergebers „Prinz Hein rich" (Besitzer Herr Philipp) wurde mir außerdem eine be sondere Ueberraschung in Gestalt einer plastischen Darstellung geboten. In einem großen Glaskasten befand sich die Insel Helgoland aus Holz in Größe von 1:1000 künstlerisch ge schnitzt. Diese kunstvolle Arbeit wurde von Herrn Philipp im Jahre 1887 hergestellt und sollte niemand versäumen, wer in Helgoland weilt, sich diese wirklich gediegene Arbeit, welche für jeden Salon eine Zierde bilden würde, anzusehen. Herr Philipp ist gern bereit, den sich dafür interessierenden Be suchern zu dienen. Auch ist die Kunstarbeit verkäuflich. Nach tägigem genußreichen Aufenthalt und nachdem mir noch das Geleit liebgewonnener Freunde bis znr Landungsbrücke ge worden, trug mich das Boot am Freitag, den 1. August morgens wieder dem Schiffe zu, mit welchem die Heimreise angetreten wurde. Noch Grüße aus weiter Ferne winkten herüber und immer weiter versank die freundliche Insel in die Meeresflut zurück, bis sie unseren Blicken ganz entschwun den war. Wir passierten dann das erste Leuchtschiff, deren es vier bis Cuxhafen giebt, und welche dazu dienen, den Schiffen den richtigen Weg in die Elbe zu zeigen. Weiter kommt das freundliche Ritzebüttel in Sicht, wo die Elbe die ansehnliche Breite von 2 deutschen Meilen noch besitzt, dann Cuxhafen, Glückstadt, Stade und Blankenese, worauf unser Dampfer in Hamburg landete, nachdem wir die prächtigen neuen Hafenanlagen mit ihren majestätischen Schiffen zu be wundern Gelegenheit hatten. Die Bahn trug mich dann der Heimat entgegen und mit freudiger Erinnerung gedenke ich des schönen Wahlspruchs, den der Helgoländer sich zn eigen gcmacht und welcher lautet: „Grün ist das Land, rot ist dieKant, weiß ist derSand, das sind die Far ben von Helgolandl" Ueber die auf der Insel Helgo land jetzt herrschende Stimmung kann ich noch anfügen, daß trotz Jahrhunderte langer politischer Entfremdung sich das deutsche Blut der alten Friesen nicht verleugnet und die Ge wißheit, nunmehr der großen deutschen Natron anzugehören, erfüllt die Herzen der wetterfesten Männer nicht nur mit Freude, sondern auch mit Stolz. Vor allem erwartet man von dem deutschen Regime eine Besserung der Justizpflege und der Verwaltung. In erster Linie sind die Wünsche des Helgoländers ja allerdings auf eine Förderung Helgolands als Nordseebad gerichtet, und in dieser Beziehung ist auch wirklich noch viel zu thun. Was hin und wieder von dem eingewurzelten Widerwillen gegen das Deutschtum geschrieben wird, ist eitel Humbug. Die Bevölkerung, als Ganzes be trachtet, ersehnt die Uebergabe des Eilandes an Deutschland. So lange die roten Felsen von der See umbrandet werden, hat noch kein deutscher Kaiser den Boden der Insel betreten; dem jugendlichen Hohenzollern-Kaiser stehen auf Helgoland nicht nur die Häuser, sondern auch die Herzen offen. Es wird ein Moment von unvergleichlicher historischer Bedeut ung sein, wenn Kaiser Wilhelm von der Nordspitze der Insel den Blick über das weile unendliche Meer schweifen läßt. Erst nach dem Niedergehen der englischen Flagge auf dem roten Felsen ist die Nordsee in Wahrheit ein deutsches Meer geworden. Möge der Gruß, den Kaiser Wilhelm als Be herrscher dieses Meeres den brandenden Wogen zuruft, für die Ewigkeit gelten! Tagesgeschichte. *— Lichtenstein, 7. Aug. Pflichtschuldigst wollen wir an dieser Stelle registrieren, daß im Garten des Herrn Spediteur Winter hierein Weizenbirnbaum zum 2. Male Blüten trägt, obwohl dies in diesem Jahre durch die anhaltende feuchte Witterung nicht als Seltenheit dasteht, sondern an verschiedenen Obst bäumen bereits beobachtet wurde. — Beim Herannahen der militärischen Herb st Übungen wird darauf aufmerksam ge macht, daß es sich empfiehlt, Postsendungen für die an den Hebungen teilnehmenden Offiziere und Mann schaften nicht nach den, in kurzen Zwischenräumen wechselnden Marschquartieren, sondern stets nur nach dem ständigen Garnisonorte zu richten. Für die richtige Leitung dieser Briese usw. wird demnächst postseitig besondere Sorge getragen. Ferner ist es dringend notwendig, in den Briefaufschriften usw. außer dem Familiennamen (unter Umständen auch Vornamen oder Ordnungsnummer) den Dienstgrad und Truppenteil (Regiment, Bataillon, Kompagnie, Schwadron, Batterie, Kolonne usw.) genau anzugeben. Mangelhafte Aufschriften der Manöver-Postsendungen können leicht eine Verzögerung in der Beförderung oder Bestellung derselben zur Folge haben. — Eine eindringliche Warnung gegen das Tabakrauchen im jugendlichen Alter enthält das Verordnungsblatt für den Bezirk Reichenbach in V., worin es u. a. heißt: Erst der vollständig entwickelte Organismus vermag das Tabakrauchen zu ertragen. In dieser Erkenntnis ist in der Schweiz, das doch gewiß ein freies Land, das Tabakrauchen bis zum 18. Jahre verboten. Zahllosen Krankheiten und frühzeitigem Siechtum würde vorgebeugt werden, wenn das frühzeitige Tabakrauchen unterbliebe. — Die Hauptursache, daß dasselbe zum Schaden der Gesundheit von den jungen Leuten geübt wird, ist aber die, daß es in Deutschland zumal für ein Zeichen der Männlichkeit gilt. Ein Genuß ist es an sich bekanntlich nicht, es muß erst der Ekel überwunden werden, ehe man sich den Geschmack am Rauchen aufzwingen kann. Der ursprüngliche Zweck des aus Amerika stammen den Gebrauches, der ja erst seit einigen Jahrhunderten aufkam, war der, die Mosquitos zu vertreiben und als Gegengift für die Miasmen sumpfiger Gegenden zu dienen. Beide Gründe zum Rauchen fallen aber in Deutschland ganz weg, und es ist daher um so weniger verzeihlich, wenn das Tabakrauchen schon von halben Kindern geübt wird. — Wiederum ist ein Landsmann in den Alpen verunglückt. Am „Heitertannli" bei Luzern stürzte er in die Tiefe und erlitt schwere Verletz- unHen. Einzelheiten über diesen Vorfall, der bei einiger Vorsicht nicht vorgekommen wäre, sind nicht