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—L 4- O W W Feierabend WM MW Unterhaltungs-Beilage -er Sächsischen Volkszeitung Nr. 23 Sonntag den 5. Suni IM Dritter Sonntag nach Pfingsten. Evüngcl.: Dom verlorenen Schafe und von der verlorenen Drachme. Lukas Iki, i — io. Wir sind nunmehr über die Höhen des Kirchenjahres hinaus. Die letzten, zu welchen unser Weg uns führte, waren Dreifaltigkeits- und Fronleichnamsfest. Auf ihnen leuchteten uns, gleichsam in einen gemeinsamen Lichtglanz verschwommen, alle die himmlischen Segnungen entgegen, durch welche der Vater durch seinen Sohn im hl. Geiste die Welt gesegnet hat. In der langen Sonntagsreihe zwischen Pfingsten und Advent sucht die Kirche nun ihre heilige Aufgabe zu lösen auf Grund des von Christus Erworbenen die Gläubigen zu immer höherer Vollkommenheit zu führen, damit das, was in der verflossenen Hälfte des Kirchenjahres in den Festen und heiligen Zeiten begangen, betrachtet und gefeiert worden ist — das Werk der Er lösung und Heiligung — in ihnen verwirklicht werde. Des halb wird in dieser Zeit kein Fest des Herrn gefeiert, son dern nur in den Evangelien die Lehre und das Beispiel Christi uns zu Gemüte geführt, damit wir in Verbindung mit Christus an seinen: Glauben festhaltcn und seinem Leben Nachfolgen, daß wir sicher jenem großen Tage ent gegengehen, den der Schluß des Kirchenjahres in den ernsten Posaunenstimmen des jüngsten Gerichtes uns vor stellen wird. Wunderlieblich und ganz besonders für den Herz-Jesu-Monat geeignet ist zunächst das herrliche Gleich nis des heutigen Sonntags. Wie überreich an Erbarmung ist der Herr! Er heilt den Blindgeborenen und öffnet seine Blicke für das Eine, was not tut, er erwartet die Sama- rittcrin am Brunnen, um sie zu tränken mit dem Quelle des lebendigen Wassers. Er erbarmt sich der Sünderin beim Festmahle und ruft dem Missetäter am Kreuze das Wort des Lebens in den Tod hinein. lieber dieses Wunder ler Erbarmung, welches sich bei der Bekehrung eines jeden Sünders wiederholt, belehrt uns Jesus in dem heutigen Evangelium ans die einfachste und rührendste Weise. Wer von euch, der hundert Schafe hat und eines davon verliert, läßt nicht die neunundneunzig in der Wüste und geht dem verlorenen nach, bis daß er es findet? Er verläßt — so erklärt der heilige Gregor die Worte — die Chöre der Engel in: Himmel, um auf die Erde zu den Menschen kindern herabzukommen, der Himmel wird in Ansehung des Menschen mit einer Wüste verglichen, weil er ihn ver lassen, weil die Zahl der vernünftigen, zur Freude in dein Anschauen Gottes erschaffenen Geschöpfe sich durch den Verlust des Menschen vermindert fand, weil der Erlöser, die Zahl seiner Schafe im Himmel wieder herzustellen, in die Welt gekommen ist, den Menschen aufzusuchen. Oder welches Weib, die zehn Drachmen verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus aus, und suchet genau nach, bis sie dieselben findet. So suchet der Herr unter den Sündern, ob er noch eine Seele finde, daß sie sich bekehre und lebe, und so sucht er fort und fort unter uns. Ein Suchen war es, daß er uns im Schoße seiner Kirche geboren werden und mit dem Wasser und dem hl. Geiste für das , einige Leben in Gott weihen ließ. Ein Suchen war es, daß " er uns von Jugcick» auf zur Erkenntnis des drcieinigcu Gottes, zur Erkenntnis unserer Erlösung in Christo, zur Erkenntnis unserer höheren, göttlichen Bestimmung leitete. Ein Suchen war es, daß er uns die Drittel dargebotcu und hinterlassen hat, die gegen die Sünde uns waffncn und auf dem Wege des Heiles uns stark machen. War dieses Suchen an uns vergeblich, lieben wir die Finsternis mehr als das Licht, nehmen wir, die er zu den Seinen auserkoren hat, rhn den Heiligmacher nicht auf, er ermüdet dennoch nicht, er sucht fort und fort, ob wir uns endlich finden lassen. Fragen wir, in welcher Weise, oder mit welchen Mitteln oder auf welchen Wegen er sucht? Des Herrn Mittel und Wege sind wunderbar und unendlich, wer kann sic fassen oder herzählen? Sie sind so vielfach als unsere Gedanken und so nrannigfaltig als unsere Schicksale. Er weiß die Stunde, welche die rechte ist und kennt den Ort, den er zu erwählen hat. Er sucht uns in der Einsamkeit und im Getümmel des Lebens. Er führt uns zum Guten und Wahren auf sanften Wegen und aut rauhen. Er leitet uns bald langsam, erst durch innere Be klemmnis zur Prüfung und von der Prüfung zur Erkennt nis und von der Erkenntnis zum Kampfe, zur Selbstüber windung, zur Demut, zum Siege; bald fährt feine Mahnung schnell daher, wie Wetterleuchten, sie zuckt wie Blitzesstrahl in unsere Sicherheit und weckt wie Donnerschlag aus dem Sündenschlummer. Eine Regel aber gibt es nicht, der Herr weiß, was uns heilsam ist. Daß er uns aber sucht, und fort und fort sucht, das kann keinem verborgen sein, der nicht allen Blick für das innere Leben verloren hat. — O, lassen wir uns finden! Halten wir sie fest, diese köstlichen Momente unseres Lebens, in wclckien Gott ruft, und prägen wir seine Stimme unserem Herzen ein! Sie dauern nicht aus in ihrer ersten Gewalt diese Eindrücke und sie können cs nicht, aber sie sind Funken, welche, in die dunkle Kammer unseres Herzens geworfen, den Anfang bilden für jene Himmelsflammen, mit welcher die Gnade Gottes unser Leben weihen und verklären will. Der Anfang, sagten wir, denn zur Erbauung und Bekehrung des Sünders bedarf cs mehr als frommer Regungen und Entschließungen in den Augenblicken schöner Begeisterung, und Christus tut mehr: Er sucht die Sünder nicht nur auf, er nimmt sie auch auf. Dieser nimmt die Sünder auf und ißt mit ihnen, diese Anklage der Pharisäer wider den Gottmcnschcn ist das schönste Zeugnis für seine Heilswirksamkcit. Wer immer sich von Jesu finden ließ, den nahm er auf und aß mit ihn:, nicht von: irdischen Brote, er bot das Brot des ewigen Lebens, seine Lehre und in der Lehre seine Geistestaufe und das Manna seines heiligsten Leibes und darin seinen Glauben, seine Liebe und seine Hoffnung und in diesen drei fundamentalen Tugenden seinen Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Das ist des Heilandes Geschäft noch heute in seiner Kirche. Kommet.alle zu mir. die ihr müh selig und beladen seid, ich will euch erquicken, ruft er durch ihren Mund uns zu.